Der einstige Kampfbegriff „Alternative Medien“, der den wohltuenden Unterschied zu den „Mainstream-Medien“ hervorheben sollte, hat seinen frischen Glanz verloren.
Man kann die Medienlandschaft nicht mehr so einfach in „entweder“ und „oder“ trennen, wie das einst möglich erschien, als im Internet die ersten Stimmen auftauchten, die einen ganz anderen Blickwinkel auf das aktuelle Geschehen eröffneten als den von den Leitmedien vorgegebenen.
Aus dem tief empfundenen „Aha!“ ist längst ein Fragezeichen geworden.
Denn die neue, ungewohnte Perspektive alleine bietet eben keine Garantie dafür, damit näher an der Wahrheit zu sein, zumal die Zahl dieser „neuen Perspektiven“ auch schon wieder fast unüberschaubar – und vor allem in sich sehr widersprüchlich geworden ist.
Die Gefahr, dass, wer “Alternative Medien“ sagt, beim Zuhörer die Assoziation „unglaubwürdig“ auslöst, ist inzwischen groß, und das unabhängig davon, ob der Angesprochene den Mainstream für glaubwürdig oder unglaubwürdig hält.
Was fehlt, ist ein echtes, nachprüfbares Prädikat, ein Gütesiegel, ein eindeutiger Begriff für jene Art von Journalismus, die all unseren Ansprüchen an die „vierte Gewalt“ im Staate gerecht wird. Ein Name für einen Journalismus, der einerseits umfassend und neutral informiert und andererseits intelligent und kritisch kommentiert.
Der Vorschlag, nicht mehr von alternativen Medien zu sprechen, sondern (die gleichen Medien) stattdessen als „Freie Medien“ zu bezeichnen, erscheint (mir jedenfalls) unzureichend, denn in einem Land, das sich der gesetzlich garantierten Meinungs- und Pressefreiheit rühmt, kann es nur „freie“ Medien geben. Zumal ja die Freiheit der Medien auch die Freiheit einschließt, ihren Journalismus einer bestimmten politischen und auch wirtschaftlichen Agenda zu unterwerfen, so dass eben nicht berichtet wird, um zu informieren, sondern (und sei es noch so diskret) um zu manipulieren. Wer bei Springer als Journalist arbeitet, hat sich auf die Einhaltung der Unternehmensgrundsätze verpflichtet, deren letzte Überarbeitung auch deshalb interessant ist, weil darin der „Rechtsstaat Deutschland“ bereits zu Gunsten eines „vereinigten Europas“ verschwunden ist. (Hier ansehen.)
Nur weil wir annehmen, in der Hierarchie der Medienunternehmen entstünde notwendigerweise so etwas wie Zwang und Unfreiheit für den Reporter, den Fotografen und den Redakteur, die letztlich die Beiträge produzieren, ist das Medium doch nicht unfrei. Der Fall Relotius hat doch gezeigt, dass die Freiheit des an der Front agierenden Journalisten geradezu unendlich sein kann, solange er damit die „Linie der Freiheit“ des Heraus-, bzw. Kapitalgebers nicht verlässt.
Für mich ist die Wahl des Begriffes „Freie Medien“ zur Bezeichnung einer „journalistischen Gegenöffentlichkeit“ noch problematischer als es der Begriff „Alternative Medien“ durch langjährige Abnutzung bei zugleich explosionsartiger Vermehrung der nicht konzerngebundenen Journalisten geworden ist.
Warum aber braucht es eine solchen „abgrenzenden“ Begriff überhaupt?
Eine solche Notwendigkeit zu sehen, ist m.E. der Ursprung des Problems.
In der „guten alten Zeit“ als sich das Internet allenfalls ansatzweise in Science Fiction Erzählungen ankündigte und die Nachricht aus Papier und Druckerschwärze intensiver konsumiert wurde als die Tagesschau, ergab sich die notwendige Unterscheidung und qualitative Bewertung der Quellen alleine aus ihrem Namen.
Wer damals einigermaßen bei Verstand war, wusste, wie sich Information und Kommentierung zwischen BILD, Süddeutscher Zeitung, Bayernkurier oder Frankfurter Allgemeiner Zeitung unterschieden. Gleiches galt für die Illustrierten, die Bunte, die Quick, der Stern – das waren jeweils eigene Welten, wie auch die ebenfalls wöchentlich erscheinenden Hintergrundblätter ZEIT und Spiegel ihre eigene redaktionelle Ausrichtung hatten – und folglich ihre eigenen Wahrheiten verkündeten und fremde Wahrheiten nach bestem Können unterdrückten.
Niemand sollte annehmen, dass der Tummelplatz „Internet“ so etwas wie eine einheitliche, homogene Klasse alternativer Medien hervorgebracht hätte.
Die Nachdenkseiten von Albrecht Müller unterscheiden sich von Tichys Einblick wie seinerzeit die Frankfurter Rundschau von Springers Welt. Telepolis, EPOCH TIMES, Rubikon, KenFM haben alle ihre eigenen Profile gefunden – und auch von den kleineren Blogs, oft genug von Einzelkämpfern betrieben, wie Dushan Wegner, Norbert Häring, Lars Schall, Peter Haisenko, weiß man relativ bald, welcher Blickwinkel dort angeboten wird.
Warum also verzweifelt nach einem Oberbegriff suchen, der die Vielfalt des Angebots gar nicht zum Ausdruck bringen kann? Ist es nicht einfacher und taktisch geschickter, dem weiterhin namen- und gesichtslosen „Mainstream“ ganz konkrete Informationsquellen entgegen zu stellen. Also eben nicht von „den alternativen Medien“ zu sprechen, sondern zum konkreten Anlass die konkrete Quelle zu nennen. Zum Beispiel: „Bei RT-Deutsch gibt es einen interessanten Artikel über die jüngsten Entwicklungen im Iran-Konflikt. Ich schick dir mal den Link“, oder, „Wenn du begreifen willst, wie die Tagesschau die Nachrichten manipuliert, ist Uli Gellermann der beste Augenöffner.“
Das ist der gleiche Unterschied, wie er zwischen dem Vortrag eines Gedichts und der Textanalyse des gleichen Gedichts besteht.
Hier heißt es:
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.
Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? –
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif? –
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. –
Und dort wird daraus:
… ein Gedicht bestehend aus acht Strophen mit jeweils vier Versen. Das Reimschema ist durchgehend der Paarreim aabb. Die Stilmittel, die Goethe hauptsächlich benutzt, sind die Anapher und die Alliteration. Die erste Anapher findet man in den Zeilen drei und vier. Dort wird das Personalpronomen „er“ für den Vater dreimal benutzt.