Was hat Frau Faeser da eigentlich verboten? Compact – oder dezidierte Regierungskritik?

Für jeden Einsatzzweck die geeignete Größe

Am 22. Juni hat die Tagesschau berichtet, die AfD habe inzwischen 48.000 Parteimitglieder, ein Anstieg auf 50.000 werde erwartet.

Gestern pfiffen – dazu passend – die Spatzen von allen Dächern: Elsässers Compact habe angeblich eine Auflage von 40.000 Exemplaren, was jedoch stark bezweifelt werden müsse.

Es liegt nahe, anzunehmen, dass es kaum ein Print-Exemplar von Compact jemals  geschafft haben dürfte, außerhalb der (getrennten) Echokammern von AfD und Verfassungsschutz noch Leser zu finden, und was die Klickzahlen bei den Compact-Videos betrifft, so hat so manche siebzehnjährige Beauty-Influenzerin dafür nur ein mitleidiges Lächeln übrig.

Betrachtet man die Relationen in der Reichweite, dann liegt jeder Regionalsender der ARD gegenüber Compact uneinholbar vorne, und nimmt man die gesamte ARD und das ZDF und den gesamten gedruckten Haltungsjournalismus zusammen, dann verschwindet Compact in der Masse so, wie die Reichsbürger um Prinz Reuß in den Massen der gratismutigen Pro-Demokratie-Demonstranten untergehen, die landauf, landab ihre stets friedlichen Feste feiern.

Es handelt sich in beiden Fällen um kaum mehr als um eine trockene Erbse unter zwanzig Matratzen und zwanzig Eiderdaunendecken.

Man muss schon eine verzärtelte, hypersensible und absolut nicht alltagstaugliche Märchenprinzessin sein, wie sie Hans Christian Anderson archetypisch im Märchen festgehalten hat, um wegen dieser einen, kleinen Erbse, die unter einem Gebirge wonnig weicher Decken und Matratzen verborgen ist, derart unruhige, schlaflose Nächte zu verbringen, dass diese Erbse unbedingt gesucht, gefunden und entfernt werden muss.

Was mich ernstlich interessieren würde, ist die Frage, ob es im Zuständigkeitsbereich der Innenministerin (außer dem für Compact zuständigen Referenten, der dafür bezahlt wird, beim Lesen Schmerzen zu empfinden) jemanden gibt, der jemals ein Heft der Printausgabe, nahe am Erscheinungszeitpunkt wenigstens zur Hälfte durchgelesen hat.

Können Sie sich vorstellen, dass es in Faesers Reich unter den Beamten und Angestellten auch nur eine Person geben könnte, die eine solche Unterstellung nicht mit Abscheu und Ekel weit von sich weisen würde? Ich nicht. Das wäre doch das Karriere-Ende, die unehrenhafte Entlassung aus dem Dienst, verbunden mit lebenslanger Beobachtung durch den Verfassungsschutz.

Gleiches halte ich unter den Haltungsjournalisten der Qualitätsmedien, vielleicht in minimal abgemilderter Form ebenfalls für zutreffend. Nur mit dem eindeutigen Recherche-Auftrag: „Flöhen Sie doch mal die Hefte der letzten drei Jahre durch. Suchen Sie nach Aussagen, die sich gegen Elsässer und sein Team verwenden lassen!“, dürfte sich die Compact-Lektüre begründen und rechtfertigen lassen.

Wenn die „Studie“ dann veröffentlich ist, schreiben alle anderen nur noch davon ab, froh darüber, nicht selbst im „braunen Sumpf“ gewühlt haben zu müssen.

Ich habe durchaus einige Compact-Hefte durchgeblättert, einige Artikel auch durchgelesen, weil mir, als Reaktion auf meine Beiträge,  neben tausend Links auf Websiten und Videos auch immer wieder Bücher, Zeitschriften und Dossiers – aus allen Ecken der Meinungsvielfalt – ins Haus geliefert werden, tatsächlich vor ein paar Tagen auch die aktuelle Compact-Ausgabe.

Der Eindruck, den ich davon behalten habe, sieht so aus, dass man sich bei Compact einer lebhaften, teils gepfefferten und durchaus agitativen Sprache bedient, an der Martin Luther, könnte er sie noch lesen, sicherlich seine helle Freude haben würde. Erst weit hinter der Sprache tauchen dann die Themen auf, deren auf juristische Unangreifbarkeit ausgerichtete, sachliche und teils umständliche Behandlung bei mir dann ebenso Langeweile aufkommen lässt, wie vor mehr als fünfzig Jahren bei der Lektüre der Aufsätze von Ulrike Meinhof in der „konkret“. Zweifellos, Compact ist eine nationalkonservative Publikation, die ein überwiegend nationalkonservatives Publikum mit Meinungen und Deutungen zu – im Allgemeinen öffentlich zugänglichen Informationen – versorgt. Ob Compact jedoch „Rezipienten“ erreicht, die „durch die Publikationen, die auch offensiv den Sturz der politischen Ordnung propagieren, aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden“, wie es Frau Faeser befürchtet, halte ich aus zwei Gründen für fragwürdig:

1. Ich konnte nicht erkennen, dass Compact-Artikel den Sturz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO, Grundgesetz) propagieren. Was Frau Faeser unter dem Sturz der „politischen Ordnung“ versteht, den sie fürchtet, weiß ich nicht, bin aber sicher, sie hätte diese Formulierung nicht gewählt, ginge es um die FDGO. Es ging Compact nach meinem Eindruck immer nur darum, Kritik an der Politik der amtierenden Regierung vorzutragen und deren Ablösung zu fordern. Dies durchaus in scharfem Ton, aber das richtete sich nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung, innerhalb derer glücklicherweise auch jene Ziele und Absichten verwirklicht werden könnten, die von der Opposition verfolgt werden.

2. Der Kampf gegen rechts, der die politische Debatte in Deutschland lähmt, erscheint mir mehr und mehr wie ein Schattenboxen gegen tief verinnerlichte Feindbilder, deren Entsprechungen in der Wirklichkeit weder quantitativ noch qualitativ in einem Maße vorzufinden sind, das die massiven Anstrengungen, sie zu bekämpfen, rechtfertigen könnte. Es wirkt auf mich so, als wolle „links“ sich mit dieser Panik schürenden Mobilisierung gegen rechts lediglich selbst Absolution für das eigene Denken und Trachten erteilen.

Ich habe mir die Frage gestellt, welche Absichten damit verbunden gewesen sein mögen, mit großem medialen Tamtam gegen Compact vorzugehen. Dabei bin ich zu dem Schluss gekommen, es sei am wahrscheinlichsten, dass es sich um eine gezielte Provokation gegen die AfD handelt. Nicht gegen Weidel und Chrupalla, die sind zu besonnen, um sich durch eine solche Provokation zu unbedachten Worten oder Handlungen hinreißen zu lassen. Nein. Gegen die einfachen Mitglieder, Sympathisanten und Wähler, die damit aufgestachelt werden sollen, von der Parteiführung eine maximale Reaktion zu fordern, die jedoch so nicht kommen wird, was im Endeffekt zur Enttäuschung unter den AfD-Wählern und damit zu Stimmenverlusten bei den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg führen soll.

Sofern ich mit dieser Einschätzung richtig liegen sollte, dürfte es Elsässers Anwälten auch nicht gelingen, das Verbot, das gegen Compact verhängt wurde, zeitnah wieder zu Fall zu bringen. Es wird wohl der lange Weg bis zum Bundesverwaltungs- oder Bundesverfassungsgericht erforderlich werden, um irgendwann, lange nach den Bundestagswahlen im nächsten Jahr, zu einem endgültigen Urteil zu gelangen.

Frau Faeser und Herr Haldenwang brauchen ein solches Urteil, sollte es entgegen ihrer Erwartungen pro Pressefreiheit ergehen, nicht zu fürchten. Das einzige, was sie zu tun brauchen, ist, in trutzig-demütiger Haltung zu erklären, sie würden das Urteil selbsterständlich akzeptieren – Punkt, fertig, aus und Schwamm drüber.

Doch vor Gericht und auf hoher See … stehst du alleine den Gewalten gegenüber, die, wiewohl geteilt, doch hin und wieder auch vereint zu schlagen vermögen.

Zum Schluss einige (sinnwahrend gekürzte) Zitate aus der vorläufig letzten Compact-Ausgabe. Zu Wort kommt der Staatsrechtler Rupert Scholz, CDU, der 1988/89 als Bundesminister der Verteidigung amtierte, interviewt vom ehemaligen ARD-Reporter Armin-Paul Hampel.

Scholz sagt zur zunehmenden Gewalt im öffentlichen Raum:

Der Rechtsstaat ist als solcher institutionell gesehen nicht in Gefahr, denn die Institutionen funktionieren. Aber die Effektivität fehlt.

Zur Akzeptanz des Rechtsstaates:

Ein massiver Vertrauensverlust. Der betrifft natürlich heute vor allem die sehr vielfältig und abenteuerlich vor sich hin vegetierende Ampelregierung, aber er betrifft auch die andereren Parteien.

Zur Amtsführung des Verfassungsschutzpräsidenten:

Ich würde nicht sagen, dass er sich zum Erfüllungsgehilfen (der regierenden Parteien) macht, aber er ist ihnen nützlich, das muss man ganz klar sagen.

Zur Grenzöffnung 2015:

… was die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel entschieden hat, und auch ihre Behauptung, dass man 3.000 Kilometer Grenze gar nicht kontrollieren könne, waren Unfug. Was sie damals entschieden hat, war rechtswidrig. Es verstößt gegen das Asylrecht und gegen das Europarecht. Das Abkommen von Dublin ist buchstäblich liquidiert worden, zum Nachteil unserer deutschen Gesellschaft und inzwischen unserer deutschen Finanzen.

Zum Recht auf eine nationale Identität:

Die nationale Identität ist genauer genommen verfassungspolitisch Voraussetzung für eine demokratische Verfassung. Ohne nationale Identitäten entstehen keine Nationalstaaten. Der Nationalstaat ist nach wie vor das völkerrechtlich absolut dominierende und unverzichtbare Grundmodell für Staatsbildung, Staatswerdung und Staatssein.

Zu Döp dö dö döp:

Ob „Deutschland den Deutschen“ strafbar ist? Das ist meiner Meinung nach nicht der Fall. Die Meinungsfreiheit ist weit und muss in ihrer Weite bewahrt werden, sonst gerät sie selbst in Gefahr, und das wäre das eigentliche Problem.

Soweit Zitate aus Compact 7/2024

Natürlich kann man zu allen diesen Auffassungen auch anderer Meinung sein, und es gibt, auch in Bezug auf die Meinungsfreiheit ganz andere Meinungen. Diese, zum Beispiel:

In seiner Kolumne schlägt der MDR-Mitarbeiter René Martens vor, das Wort „Meinungsfreiheit“ zum „Unwort des Jahres“ zu wählen, weil es sich um einen „rechtspopulistischen Kampfbegriff“ handle.

Ist sicherlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Aber es ist keine unumstößliche Wahrheit. Weshalb diejenigen, die Meinungsfreiheit für die Grundvoraussetzung der Demokratie halten, Herrn Martens laut widersprechen sollten. Ich halte seine Aussage und ihre Begründung für glatt verfassungsfeindlich.