PaD 22 /2024 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad 22 2024 Armes mimosiges Deutschland
Die Vorbereitungen für den Beginn der Fußball Europameisterschaft, kurz „EM“ genannt, sind so gut wie abgeschlossen. Die Geheimdienste befinden sich im kräftezehrenden Dauereinsatz, die Polizeibrigaden haben ihre Behelfsunterkünfte in der Nähe der Stadien und der Fan-Meilen bezogen. Die Einsatzbefehle sind auf Punkt und Komma ausformuliert und liegen in dreifacher Ausfertigung in den Innenministerien bereit. Die Nagelsmann-Kicker haben ihr letztes Testspiel absolviert und sind bereit, mit dem Schwung aus dem Sieg gegen Griechenland erfolgreich in die Rasenschlacht gegen Schottland, das so genannte „Eröffnungsspiel“, einziehen zu können.
Da droht bereits Ungemach.
Der Müncher Merkur warnt – ob auf Geheiß der Bayerischen Staatskanzlei, auf Wunsch des Bundesministeriums des Inneren oder aus freien Stücken – vor drohender Strafe.
Hier ein Screenshot der Schlagzeile:
Das erinnert den wachen Bürger sogleich an Angela Merkel, die ihrem Paladin Gröhe flugs das Fähnchen aus der Hand gerissen hat, was wiederum die ganz Alten unter uns an das 1953 veröffentlichte Lied von der Anneliese erinnert, wo der Sänger singt: „… ihre Köpfe abgerissen und dann in den Fluss geschmissen! Anneliese, ach Anneliese, warum bist du böse auf mich?“
Aber was ist nun mit den strafbewehrten Fahnen, die vom braven Deutschen unmittelbar nach dem Endspiel ordnungsgemäß über den Restmüll zu entsorgen sind?
Lauschen wir für einen Augenblick dem Wiehern des deutschen Amtsschimmels, hier in der Transkription mit dem Titel „Protokoll Inland der Bundesregierung“:
Die Flagge mit „dem“ Adler (Teil 1)Die Bundesdienstflagge ist eine besondere Art der Bundesflagge unter Verwendung des Bundesschildes. Alle Stellen des Bundes führen die Bundesdienstflagge. Grundsätzlich stellt die Verwendung der Bundesdienstflagge durch eine nichtamtliche Stelle oder Privatperson eine Ordnungswidrigkeit nach § 124 Ordnungswidrigkeitengesetz dar. Das gilt ebenso für Flaggen mit Bundesadler, die der Bundesdienstflagge zum Verwechseln ähnlich sehen – wie zum Beispiel die Bundesflagge mit dem Bundeswappen. Die Verwechslungsgefahr liegt dann vor, wenn bei einem unbefangenen Dritten unter Anlegung des Drei-Sekunden-Blicks der Eindruck entsteht, dass es sich um ein Dienstgebäude des Bundes oder eine amtliche Tätigkeit handelt. Als reine Fantasiegebilde erkennbare „Adler“-Flaggen können ohne Ahndungsgefahr genutzt werden. Die Flagge mit „dem“ Adler (Teil 2)In Zeiten eines Großereignisses kann die Nutzung der Bundesflagge mit dem Bundeswappen jedoch als Ausdruck der nationalen Verbundenheit als „sozialadäquat“ geduldet werden. Mangels Rechtswidrigkeit des Handelns wird also keine Ordnungswidrigkeit geahndet. Dies ist eine Einzelfallbewertung. Auch während derartiger besonderer Anlässe bleibt jedoch der Schutz der Bundesdienstflagge vor Missbrauch und Entwertung erhalten, wenn eine Nutzung den Bereich der Sozialadäquanz überschreitet. |
Die Sozialadäqanz
ist also der entscheidende Faktor. Was aber ist sozialadäquates Verhalten während eines Großereignisses? Und was ist ein Großereignis? Die Flutkatastrophe in Bayern? Das Oktoberfest? Die NATO-Übung Steadfast Defender 24? Die Wiederwahl von Donald Trump?
Bei Wikipedia befindet sich der entsprechende Beitrag noch in Diskussion, kann also nicht als gültige Definition herangezogen werden. Bei Anwalt24.de findet sich jedoch die folgende
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Information
Als sozial adäquates Handeln werden Verhaltensweisen oder Zustände bezeichnet, die sich im sozialen Zusammenleben ergeben und die sich möglicherweise für den Einzelnen sogar nachteilig auswirken, von der Bevölkerung insgesamt aber hingenommen werden müssen, weil sie sich noch in den Grenzen des sozial Üblichen und Tolerierbaren handeln. Hintergrund ist, dass sonst ein Zusammenleben der Menschen nicht möglich wäre. Beispiele:
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Das Zeigen einer Flagge mit dem Adler wird also bei Großereignissen der Aufstellung von Wertstoffcontainern in Wohngebieten in Bezug auf die soziale Adäquanz gleichgestellt. Während Wertstoffcontainer jedoch auch an Tagen ohne Großereignis in Wohngebieten verbleiben dürfen, wird die Flagge mit dem Adler für den Bürger dann zur Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 1.000 Euro Strafe geahndet werden kann.
Wie wäre es mit einem Intelligenztest?
Vier Bilder, die Flagge mit dem Adler in unterschiedlichen Situationen. Welche der Bilder zeigen amtliche Stellen des Bundes?
a) Der Rentner auf dem Balkon mit der Flagge mit dem Adler
b) Das Floß auf der Isar mit Bordkapelle, Bierfässern und Flagge mit Adler
c) Die Gartenlaube mit Bohnenstangen und Flagge mit Adler
d) Das Bundeskanzleramt mit Vizekanzler Habeck und Flagge mit Adler
Es ist aber auch nicht einfach, eine amtliche Stelle des Bundes zu erkennen, wenn nicht eine Bundesdienstflagge davor oder daran gehisst ist. Noch schwieriger ist es, eine nichtamtliche Liegenschaft als nichtamtlich zu erkennen, wenn davor oder daran die Bundesdientsflagge angebracht ist.
Das wusste schon der Hauptmann von Köpenick. Da war es allerdings nicht die Bundesdienstflagge, die dem Schuhmacher Friedrich Wilhelm Voigt Respekt verschafft hat, sondern einfach nur die Uniform. Über die Köpenickade vom 16. Oktober 1906 haben Generationen von Deutschen herzhaft gelacht – aber die Bundesdienstflagge an der Gartenlaube, auf dem Balkon oder auf dem Isarfloß, an der können die heute Verantwortlichen überhaupt nichts Lustiges finden, allenfalls können sie Sozialadäquanz erkennen, aber eben nur bei Großereignissen, wo das Zusammenleben der Menschen (lt. Anwalt24) sonst nicht möglich wäre.
Dass wir heute Fahnen, Flaggen und Wimpel nicht mehr benötigen, um auf dem Schlachtfeld Freund und Feind zu unterscheiden oder – in den Straßen der Großstadt umherirrend – die gesuchte amtliche Stelle am Fahnenschmuck zu erkennen, ist in Zeiten von GPS und Google Maps keine Frage mehr. Ein Klick – und das Smartphone zeigt an, wo wir uns befinden, was da ist, und wie man dahin kommt, wo man hinkommen will oder muss.
Nun kommt aber auch noch der Müncher Merkur daher und rät dringend dazu, Flaggen mit Bundesadler direkt nach dem Verlust der Sozialadäquanz zu entsorgen. Heißt das, dass nicht nur das Zeigen der Flagge mit dem Adler als Ordnungswidrigkeit gilt, sondern auch schon der Besitz der Flagge mit dem Adler? Heißt das, dass es nichts hilft, die Flagge mit dem Adler bis zum nächsten Großereignis ganz tief unten im Kellerregal zu verstauen, weil die Kameraleute des Verfassungsschutzes alle Flagge mit Adler zeigenden Fans erfassen werden, was nach dem Großereignis zu Hausdurchsuchungen führen wird, um ggfs. Besitzer nicht entsorgter Flaggen mit Adler zu überführen?
Wo sind die Zeiten hin, als es noch hieß: „Was kümmert es die deutsche Eiche, wenn sich die Wildsau an ihr scheuert?“
Nun, nicht die Zeiten sind dahin. Es sind die deutschen Eichen, die verschwunden sind. Von bösen Feen verhext führen sie nun das unscheinbare Leben der Schamhaften Sinnpflanzen (Mimosen). Das betrifft nicht nur die Flagge mit dem Adler, die mit dem „Protokoll Inland der Bundesregierung“ durch das Ordnungswidrigkeitengesetz vor Berührungen bei fehlender Sozialadäquanz geschützt wird. Es betrifft auch alle im politischen Leben des Volkes stehenden Personen, bis hin zur kommunalen Ebene. Allerdings mit der Besonderheit, dass deren Mimosigkeiten durch den §188 StGB zu ernsthaften Problemen aufgewertet wurden, wie sie früher nur Majestäten geltend machen konnten, die sich beleidigt fühlten. Heute kann schon das Verbreiten eines Inhalts über die sozialen Medien, durch das sich eine bayerische Dorfgemeinderätin in ihrem öffentlichen Wirken beeinträchtigt fühlt, Geld oder Freiheitsstrafen auslösen.
Von den bayerischen Gemeinderätinnen hört man diesbezüglich allerdings wenig, obwohl es durchaus auch im sittenstrengen Bayern eine große Zahl von Gemeinderätinnen gibt.
Aus Berlin hört man dazu dafür umso mehr. Es soll im politischen Leben des Volkes (herum-) stehende Personen geben, die sich geradezu damit brüsten, monatlich so und so viele Anzeigen zu erstatten. Das hat inzwischen Ausmaße angenommen, die dazu führen werden, dass die Wikipedia dem Begriff „Klageweib“ eine neue Bedeutung hinzufügen muss. Bisher heißt es da nur: „Als Klageweib wird eine Frau bezeichnet, die gewerbsmäßig die rituelle Totenklage gegen Honorar ausübt.“
Auf die ergänzende Formulierung bin ich gespannt. Vor allem, ob da ebenfalls auf die Tatbestände „gewerbsmäßig“ und „rituell“ abgehoben werden wird. Es soll sich ja sogar finanziell auszahlen, wenn nur genug Angezeigte Unterlassungserklärungen unterschreiben und freiwillig „Schmerzensgeld“ und „Anwaltsgebühren“ bezahlen.
Der „Anzeigenhauptmeister„, dessen Profession darin bestand, ebenfalls systematisch Anzeigen zu erstatten, hatte das ausgesprochene Pech,
- weder wirklich im politischen Leben des Volkes zu stehen, denn dazu muss man in Deutschland gewählt sein und/oder ein öffentliches Amt innehaben. Ansonsten kann man in dieser Demokratie nicht für sich reklamieren, im politischen Leben zu stehen.
- Noch sich durch falsch geparkte Automobile beleidigt fühlen zu dürfen.
Folglich gab es für ihn, der doch auch nur das Zusammenleben der Menschen durch sein sozialadäquates Handeln erträglich zu machen versuchte, eine Verurteilung wegen Volksverhetzung, die aber wiederum allenfalls sehr indirekt mit seiner Anzeigemanie in Zusammenhang steht und wohl auch noch nicht rechtskräftig geworden ist.
Glücklicherweise ist Deutschland eine prosperierende Volkswirtschaft und frei von allen Sorgen, die andere Länder, Staaten und Nationen niederdrücken, so dass wir uns auf unserer Insel der Glückseligen jenen Feinheiten, die erst die wirkliche Zivilisation und Kultur ausmachen, mit diesem Eifer, dieser Inbrunst und Unerbittlichkeit widmen können, ohne uns darüber in die biedermeierliche Abgeschiedenheit längst überwundener ostdeutscher Datschenromantik zurückzuziehen.
Wir zeigen Flagge!
Und nach der EM werden wir sogar wieder Flagge gegen ordnungswidriges Flaggenzeigen zeigen, und gegen rechts sowieso. Gegen menschengemachtes Klima, gegen Putin, gegen Regierungskritiker, gegen die Schuldenbremse, gegen Rassismus, gegen Fake News und Verschwörungstheorien, gegen Merz und Söder, Wagenknecht, Weidel und Chrupalla.
Mein Gott, wie geht es uns gut!
Sie hat uns alles gegeben.
Sonne und Wind und sie geizte nie.
Wo sie war, war das Leben.
Was wir sind, sind wir durch sie.
Sie hat uns niemals verlassen.
Fror auch die Welt, uns war warm.
Uns schützt die Mutter der Massen.
Uns trägt ihr mächtiger Arm
Und womit haben wir das verdient?
