Noch mehr Lasten für den Endbezahler

Es geht im Folgenden um Habecks Pläne für die Industriestrom-Subventionierung.

Doch vorher möchte ich erläutern, was ich unter dem Begriff „Endbezahler“ verstehe.

Den „Endbezahler“ habe ich vor über 20 Jahren „erfunden“, um im Rahmen von „Wolf’s wahnwitzige Wirtschaftslehre“ deutlich zu machen, worauf alles Wirtschaften letztlich hinausläuft.

 

Hier der Auszug, wie er sich auch in der Neuausgabe von 2022 mit Titel „Selbständigkeit“ noch finden lässt:

 

Der Kunde, oft als König apostrophiert, tritt in zwei wichtigen Erscheinungsformen auf, zwischen denen unbedingt strikt unterschieden werden muss.

Da sind

einerseits diejenigen Kunden, die als Unternehmen Waren und Leistungen zum Zweck der eigenen Leistungserbringung beschaffen, und

andererseits jene Kunden, welche die Gesamtleistung der Wirtschaft letztlich in Form von ‚Endverbraucher-Erzeugnissen’ (vom Mohnbrötchen bis zur Eigentumswohnung) erwerben.

Das Unternehmen, das als Kunde auftritt, ist immer und in jeder Aus-prägung nur ein Zwischenglied der auf den Endverbraucher oder Kon-sumenten ausgerichteten Produktionskette. Ein wirtschaftlich gut ge-führtes Unternehmen wird in seinen Preisen alle eigenen Aufwendungen vollständig an den Käufer weitergeben, unabhängig davon, wie viele Einzelstufen der Produktion und Leistungserzeugung auf dem Weg zum Endverbraucher auch stehen mögen, wie viele wirtschaftliche Verästelungen auch immer zu beobachten sind.

Bezahlt wird alles am Ende vom Endverbraucher.

Auch das Briefpapier, auf dem der Elektrizitätsversorgungskonzern seine Rechnungen schreibt, ist von den Holzfällern und Altpapiersammlern über die Papiermühle und die Druckerei zwar oft von Lieferanten an Kunden weitergegeben worden, bezahlt wird es aber endgültig erst vom Stromkunden, dem es als minimaler Promille-Anteil des Strompreises in Rechnung gestellt wird.

Diesem Vorgehen trägt übrigens in geradezu genialer Weise der Vorsteuerabzug im Mehrwertsteuer-System Rechnung: Derjenige, der keine Vorsteuer in Abzug bringen kann, ist das Ziel des Wirtschaftens:

Der Endbezahler.

Es ist übrigens der gleiche Endbezahler, der über seine Steuern und Sozialabgaben, Bußgeldbescheide und Verwaltungsgebühren die Aus-gaben der öffentlichen Hand bezahlt. Er ist es, der Panzer, Jagdflugzeuge und zugehörige Munition finanziert. Es ist der Endbezahler, der für das Rote Kreuz spendet und der über seine Stromrechnung die Rot-Kreuz-Spende der Papiermühle anteilig mitbezahlt.

Alle Produktion landet zwangsläufig und in ihrer letzten Konsequenz beim einzelnen Menschen. Das ganze Spiel des Wirtschaftens – ob mit Investitionsgütern, Büromaterial oder Straßenbau – dient nur dazu, ganz am Ende einen Endbezahler zu finden. Einen Kunden, der mit allem Notwendigen und allem Überflüssigen direkt oder auf dem Umweg über öffentliche oder gemeinnützige Institutionen in dem Maße bedient werden muss, wie er unter allen Anstrengungen gerade noch zu bezahlen in der Lage ist.

Selbstverständlich dient dieses Spiel auf der anderen Seite dazu, bei den Initiatoren und Investoren fette Gewinne anwachsen zu lassen. Wäre dem nicht so, es gäbe die komplexe, arbeitsteilige Wirtschaft, wie wir sie kennen, nicht. Wir lebten dann immer noch als Bauern und Schmiede in kleinen dörflichen Gemeinschaften, die alle paar Monate von einem reisenden Händler besucht werden, der Töpferwaren, feines Tuch und Glasperlen feilbietet und sich mit Räucherschinken und selbstgestrickten Wollsocken bezahlen lässt. 

Und nun zu unserem genialen Minister für Wirtschaft und Klimaschutz.

Dank Energiewende und Russland-Sanktionen ist die in Deutschland produzierende Industrie gezwungen, entweder mit Strompreisen in der Gegend von 20 Cent/kWh irgendwie zurechtzukommen, oder – wie es Habeck den Bäckern empfohlen hat – um die Insolvenz zu vermeiden, die Produktion einfach einzustellen.

Rings um Deutschland und auch in den USA ist der Strom deutlicher billiger. Wer also in Deutschland sehr viel Strom verbraucht, von der Chemie-Industrie bis zu den Aluminiumhütten, hat mit diesen Strompreisen sehr schlechte Karten, was bereits dazu geführt hat, dass Produktionskapazitäten in Deutschland stillgelegt wurden.

Kanzler und Richtlinienkompetenzinhaber Olaf Scholz meinte, der Industrie einen Strompreis von 4 Cent versprechen zu können. Deindustrialisierungsminister Habeck ist jedoch der Überzeugung,  damit bestünde kein Anreiz mehr zum Stromsparen und legt erst einmal 50 Prozent auf den Kanzlerpreis oben drauf. 6 Cent pro Kilowattstunde soll die Industrie zahlen, und das auch nur für 80 Prozent ihres Stromverbrauchs. Für 20 Prozent muss der Marktpreis bezahlt werden, was den durchschnittlichen Strompreis  〈(4 x 6 + 1 x 20) : 5〉 schon auf stolze 8,8 Cent ansteigen lässt.

Mit dieser Brückenlösung soll es der Industrie ermöglicht werden, die Zeit bis 2030 zu überbrücken, denn 2030 (daran muss man nur ganz fest glauben, dann kommt es auch so), wird der Strom aus den Erneuerbaren erstens in Hülle und überschäumender Wasserstofffülle zur Verfügung stehen und zweitens eigentlich überhaupt nichts mehr kosten, was der deutschen Industrie dann gegenüber dem Rest der Welt einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wird, wie er selbst in den kühnsten Träumen professioneller Milchmädchen noch niemals vorgekommen ist.

Bezahlen muss die Differenz zwischen dem Marktpreis für Industriestrom und dem zu zahlenden Preis für Industriestrom der deutsche Steuer- und Endbezahler.

Die Kosten dafür sind auch schon abgeschätzt. Mehr als 25 bis 30 Milliarden soll der Spaß bis 2030 nicht kosten. Damit können immerhin 250 TWh subventioniert werden, pro Jahr von 2023 bis 2030 ein Achtel davon, also 31,25 TWh.

Auf die deutsche Industrie entfallen rund 45 Prozent des deutschen Stromverbrauchs, also etwa 240 Terrawattstunden jährlich. Gefördert werden also allenfalls 12 bis 13 Prozent des Industriestroms.

Damit das keinesfalls mehr wird, will Habeck die Subvention ganz eng auf besonders energieintensive Industrieunternehmen, die außerdem im internationalen Wettbewerb stehen müssen, beschränken. Das heißt übrigens, dass der deutsche Steuerzahler zur Kasse gebeten wird, um ausländischen Abnehmern, trotz der irren Strompreise in Deutschland, weiterhin vergleichsweise billige Produkte verkaufen zu können.

Na klar, damit werden Arbeitsplätze gesichert. Arbeitsplätze, die sicher waren und sicher geblieben wären, hätten deutsche Politiker nicht alles unternommen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu unterminieren. Letztlich handelt es sich um einen durch die Steuermühle gezogenen Lohnverzicht, der vermutlich bald im Mehrwertsteuersatz in Erscheinung treten wird.

Es sind aber nicht nur die energie-intensivsten Unternehmen im internationalen Wettbwerb, die unter den hohen Energiekosten leiden. Von daher kann man auf das Eintreffen der Klagewelle der nicht subventionierten Industriebetriebe schon heute Wetten abschließen.

Weitere Details kann man sich getrost ersparen. Was Habeck noch so im Rohr hat, was vielleicht ab 2030 wirken könte, jene ungelegten Eier wie Offshore-Windparks, die vom Staat über Klimaschutzverträge gefördert werden und dann Strom direkt an die Industrie liefern, oder die Idee der Power Purchase Agreements, die Habeck wiederum mit Staatsbürgschaften abzusichern gedenkt, alles ist kalter Kaffee, wenn die Industrie für die nächsten sieben bis ach Jahre mit 8,8 Cent/kWh kalkulieren muss. Denn die Auslagerung der stromintensiven Produktion aus Deutschland nach irgendwo, wo der Strom immer noch deutlich preiswerter ist und zudem zuverlässig zur Verfügung steht, rechnet sich auch bei dieser Preisdifferenz immer noch.

Dabei ist es ja nicht so, dass Habeck das nicht wüsste und nicht wollte. Sein Staatssekretär Patrick Graichen hat es selbst gesagt, dass „wir“ die Produktion dann eben dahin verlagern, wo die Energie preiswert ist. Siehe dieses Interview Interview mit cleaning.up mit diesen Worten (Übersetzung: DeepL, Hervorhebungen von mir) zum Ausdruck gebracht:

Nun, das ist in der Tat eine große Herausforderung. Und es ist eine Herausforderung nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa, denn

natürlich gibt es Orte auf diesem Globus, wo man Strom für ein bis zwei Cent pro Kilowattstunde bekommt.

Und dann geht es im Wesentlichen um die Transportkosten, die darüber entscheiden, ob die ein bis zwei Cent dann auch in Europa billig sind oder teuer in Europa. Was bedeutet das nun für uns?

Im Wesentlichen wird es wahrscheinlich bedeuten, dass die leicht zu kopierende energieintensive Industrie dorthin gehen wird, wo es diese ein bis zwei Cent gibt.

Energieintensive Industrien, bei denen es um Know-how, um Fähigkeiten, um Wettbewerbsvorteile geht, die mit komplizierteren Produkten zu tun haben als nur mit den einfachen? Darauf müssen wir uns dann spezialisieren. Also, ich meine, das ist die alte Geschichte:

Wo ist billige Energie? Und welche Art von Industrie ist dann dort angesiedelt, wo wir billige Energie haben?

Und wo ist die Industrie eher in der Nähe des Kunden angesiedelt? Weil sie davon profitiert, dass sie in direktem Kontakt mit den Bedürfnissen der Kunden steht. Aber, wissen Sie, wenn wir diesen Weg der allgemeinen Neutralität gehen, dann müssen wir uns dem sowieso stellen. Ich glaube nicht, dass es für uns alle in Europa einen Unterschied in dieser Frage gibt.

Es ist wichtig, das gesamte verlinkte Interview anzuhören oder zu lesen, denn die nonchalante Naivität, mit der Graichen mit den existentiellen Fragen der Nation umgeht, ist zumindest verstörend, wenn nicht beängstigend.

Wenn man diese Aussage verinnerlicht hat, wird es leichter zu glauben, dass 25 bis 30 Milliarden ausreichen könnten, um die in Deutschland verbleibende Industrie mit einem Strompreis von 8,8 Cent zu beglücken.

Man muss eben nur ausreichend viele Unternehmen zum Abwandern bewegen. Dann klappt das schon, lieber Endbezahler. Dann zahlst du halt nicht nur aus dem spärlichen Lohn die Industriestromsubvention an die Profiteure der Energiewende,  sondern auch mit deinem Arbeitsplatz, der in die USA oder nach Polen auswandert, und das per Mehrwertsteuer aus den Staatsalmosen namens Bürgergeld. Das ist nämlich nur dann wirklich steuerfrei, wenn Du es nicht ausgibst.