Grundstimmung: Zorn

PaD 3 /2022 – Grundstimmung Zorn – hier auch als PDF verfügbar: PaD 3 2022 Grundstimmung Zorn

Der Zorn

Zorn ist etwas Edles.

Während die Wut blind macht und zu unbedachten Handlungen hinreißt, und der Ärger langsam aber sicher die Seele zerfrisst, wenn etwas als falsch, hinterlistig, bösartig, leichtsinnig oder betrügerisch erkannt wird, schafft der Zorn die notwendige Grundstimmung, um mit Bedacht die geeigneten Schritte einzuleiten, um die Ordnung wieder herzustellen.

Zorn gehört zwar zu den Emotionen, doch der einzige Adressat des Zorns ist die Vernunft, und wo der Zorn zu Wort kommt, spricht er mit der Stimme der Vernunft.

Wohl dem, der in dieser, in schamloser Offenheit auftretenden, verrückten, korrupten, verlogenen, gierigen und heimtückischen Welt noch wahren Zorn empfinden kann!

Zorn gibt genauso viel Kraft, wie die Wut, nur wird diese Kraft nicht im ziellosen Rundumschlag vergeudet, sondern gezielt da eingesetzt, wo sie die größtmögliche Wirkung entfalten kann.

Dem Zorn geht genauso viel Kränkung und Empörung voraus, wie dem Ärger, doch statt daran zu verzweifeln und zu resignieren, weiß der Zorn, dass – und wie – er dieses abstellen kann.

Dem Zorn geht es nicht darum, den „Feind“ zu vernichten oder zu demütigen, sondern ausschließlich darum, die Ordnung wieder herzustellen.

Dem „Feind“ ist es allerdings nur selten möglich, die Absicht des Zorns zu erkennen, er fühlt sich bedroht, in seinem Tun beeinträchtigt, und wird sich den Maßnahmen des Zorns zu widersetzen versuchen.

 

Es darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass auch der Zorn seine vermeintliche Berechtigung aus einem Irrtum, einer Fehleinschätzung oder einer falschen Information beziehen kann. Erkennt der Zornige das, wird sein Zorn verrauchen und er wird sich entschuldigen. Erkennt er es nicht, kann er mehr Schaden anrichten als Wut und Ärger zusammen.

 

Die Ethik

Ethik ist ein schillernder Begriff, unter dem sich jeder vorstellen kann und darf, was er will. Unglücklicherweise gibt es heutzutage Berufsethiker, die in Ethikkommissionen sitzen und darüber beraten, ob erfolgtes, bzw. erst beabsichtigtes Handeln, den aktuell als gut und richtig empfundenen ethischen Normen entspricht.

Gleichzeitig findet ein Prozess der Modifikation der ethischen Normen statt, der sowohl von neuen technischen Möglichkeiten als auch von neuen, mit der bisherigen Ethik nicht lösbaren Problemstellungen oder schlicht von „Wünschen“ angetrieben wird.

Dieser Veränderungsprozess belegt, dass es eine feststehende Ethik nicht gibt, wohl auch nicht geben kann, was es erleichtert, an den Stellschrauben der Ethik so lange zu drehen, bis sie wieder „passt“.

Zum Beispiel wurden der Wert der individuellen Freiheit, der Wert des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit, wie auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – drei Begriffe aus dem Grundrechtekanon des Grundgesetzes, die früher einmal auch zum Schutzgut der Ethiker zählten – inzwischen zu Gunsten einer Ethik jedes „beliebigen“, übergeordneten Interesses weit in den Hintergrund gedrängt. Dass die Ethiker, als intellektuell weitgehend auf die Ethik Beschränkte, solche übergeordneten Interessen nicht zu analysieren im Stande sind, ihre Tragweite nicht abzuschätzen wissen und ihr Urteil lediglich auf den Darlegungen der Träger der übergeordneten Interessen abstützen können, macht diesen Prozess nicht besser.

Wer die Weisungsbefugnis der Staatsanwälte kritisiert, sollte mit gleicher Begründung auch die Auswahl und Berufung der Ethikräte kritisieren. Wer beißt schon die Hand, die einen füttert? Vor allem auch noch dann, wenn die Stellungnahmen des Ethikrates nicht veröffentlicht werden dürfen, wenn sie nicht Bundestag und Bundesregierung zur Kenntnis erhalten haben.

 

Dass unsere Ethikräte per Ethik-Testat die Grundrechte in die Verfügungsmasse des Staates überführen, stimmt mich zornig.

 

Das Gesetz

Gesetze sollen Rechtssicherheit herstellen. Jedermann soll aus den Gesetzen erkennen, was ihm erlaubt und was ihm verboten ist, wozu er verpflichtet ist und welche Rechte ihm zustehen.

Diesem Anspruch werden die im Rechtsraum der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetze längst nicht mehr gerecht. Die Hypothese, dass kein deutscher Staatsbürger auch nur einen Bruchteil jener Gesetzestexte kennt, nach denen er sich im privaten und im beruflichen/geschäftlichen  Leben zu verhalten hätte, ja dass selbst Volljuristen ohne langjährige Spezialisierung auf bestimmte Rechtsgebiete dem Gesetzeswust hilflos gegenüber stünden, wird sich empirisch nicht belegen lassen. Alleine der Augenschein reicht jedoch aus, um jeden Zweifel daran als unreflektierte Gutgläubigkeit ins Reich der Fabel verweisen zu können. Es ist ja auch nicht so, dass die Gesetzeswerke von Bestand wären. Eine Flut von Änderungen, Neufassungen und gänzlich neuen Gesetzen, macht es schwer, stets auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Alleine in diesem, gerade angebrochenen Jahr, wurden im Bundesanzeiger vom 10., vom 14. und vom 19. Januar diese Gesetze und Verordnungen veröffentlicht:

IT-Sicherheitsverordnung Portalverbund (ITSiV-PV)

  1. v. 06.01.2022 BGBl. I S. 18

Erste Verordnung zur Änderung der Mobilitätsdatenverordnung

  1. v. 06.01.2022 BGBl. I S. 21

BKM-Zuständigkeitsanordnung (BKMZustAnO)

  1. v. 05.01.2022 BGBl. I S. 26

Berichtigung der Bekanntmachung der Neufassung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches

  1. v. 12.01.2022 BGBl. I S. 28

Hinweis auf von Bundesrecht abweichendes Landesrecht (Bayern)

  1. v. 19.01.2022 BGBl. I S. 29

Hinweis auf von Bundesrecht abweichendes Landesrecht (Sachsen)

  1. v. 19.01.2022 BGBl. I S. 29

Hinweis auf Änderungen des von Bundesrecht abweichenden Landesrechts (Baden-Württemberg)

  1. v. 19.01.2022 BGBl. I S. 29, 30

Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung

  1. v. 14.01.2022 BAnz AT 14.01.2022 V1

Binnenschiffspersonal-Befähigungsprüfungsverordnung (BinSchPersBefähPrV)

  1. v. 21.12.2021 BAnz AT 14.01.2022 V2

Erste Verordnung zur Änderung der Binnenschiffsuntersuchungsordnung und sonstiger schifffahrtsrechtlicher Vorschriften

  1. v. 05.01.2022 BGBl. I S. 2

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – 1 BvL 1/19 – (zu § 3 Absatz 1 Nummer 4 des Kommunalabgabengesetzes Rheinland-Pfalz)

  1. v. 14.12.2021 BGBl. 2022 I S. 14

Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Artikels 1 des Gesetzes zur Änderung haftungsrechtlicher Vorschriften des Atomgesetzes und zur Änderung sonstiger Rechtsvorschriften

  1. v. 03.01.2022 BGBl. I S. 14

Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Artikels 2 Nummer 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung

  1. v. 03.01.2022 BGBl. I S. 15

Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Artikels 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Strahlenschutzgesetzes

  1. v. 03.01.2022 BGBl. I S. 15

Zweite Verordnung zur Änderung der Coronavirus-Impfverordnung und der Coronavirus-Testverordnung
V. v. 07.01.2022 BAnz AT 10.01.2022 V1

 

Bitte, klicken Sie mindestens drei der Links zu den Gesetzestexten an, um sich ein Bild von der Qualität der Ergebnisse der heißlaufenden Gesetzesmühle zu machen.

Gut. Dazu haben Sie jetzt keine Lust.

Aber das erspare ich Ihnen nicht:

Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung

(SchAusnahmVuaÄndV k.a.Abk.)

 

V. v. 14.01.2022 BAnz AT 14.01.2022 V1; Geltung ab 15.01.2022

Eingangsformel

 

Die Bundesregierung verordnet auf Grund

des § 28c des Infektionsschutzgesetzes, der zuletzt durch Artikel 1 Nummer 3b des Gesetzes vom 22. November 2021 (BGBl. I S. 4906) geändert worden ist, unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundestages vom 13. Januar 2022

und

des § 36 Absatz 8 Satz 1 bis 4, Absatz 10 Satz 1 Nummer 1, 1a, 2 Buchstabe a, b, c, d, g und i, Nummer 3 und Absatz 12 Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes, dessen Absatz 8 Satz 1 durch Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Gesetzes vom 29. März 2021 (BGBl. I S. 370) neu gefasst, dessen Absatz 8 Satz 2 durch Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb des Gesetzes vom 29. März 2021 (BGBl. I S. 370) geändert, dessen Absatz 8 Satz 3 durch Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc des Gesetzes vom 29. März 2021 (BGBl. I S. 370) eingefügt, dessen Absatz 8 Satz 4 durch Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe dd des Gesetzes vom 29. März 2021 (BGBl. I S. 370) geändert, dessen Absatz 10 Satz 1 zuletzt durch Artikel 12 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Gesetzes vom 10. September 2021 (BGBl. I S. 4147) geändert und dessen Absatz 12 Satz 2 durch Artikel 9 des Gesetzes vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 2947) neu gefasst worden ist:

 

 

 

Und das ist wirklich nur die Eingangsformel, damit der Rechtssuchende sich gleich zu Beginn umfassend informieren kann, worum es da geht. Wer wissen möchte, worum es wirklich geht, darf gerne hier weiterlesen:

https://www.buzer.de/gesetz/15202/index.htm

 

Selbstverständlich ist dieser Gesetzestext verbindlich für so ziemlich die gesamte deutsche Bevölkerung. Jedenfalls so lange, bis der erste Jurist sich daran macht, die Auslegungsmöglichkeiten zu erkunden und im Auftrag eines Mandanten Klage einreicht, oder so lange, bis die Verordnung mit der nicht amtlichen Abkürzung „SchAusnahmVuaÄndV“ mit der nächsten Verordnung zur Änderung etwas Neues, möglicherweise ganz Anderes besagt.

Wer nun daherkommt, und behauptet, die Kritik an dieser Form, ein Gesetz zu gestalten und zu veröffentlichen, sei an den Haaren herbeigezogen, weil doch BILD und Lauterbach bei Plasberg, der Stern und das gemeinsame Morgenmagazin von ARD und ZDF das, was sich ändert, zeitnah in einfacher und verständlicher Sprache vermitteln, während mit dem Gesetzestext die geforderte Eindeutigkeit und Klarheit hergestellt werden müsse, erregt meinen Zorn.

Das erinnert an jene Zeiten, als die katholische Kirche in Deutschland die Messe grundsätzlich und ausnahmslos auf Latein gelesen hat, was die Masse der Gläubigen schutzlos den Anweisungen von Pfaffen und Bischöfen ausgeliefert hat.

Der Vergleich zwischen dem Gesetz und einem Kaugummi drängt sich auf:

Beide verlieren beim Gebrauch sehr schnell Form und Geschmack.

Zumindest beim Kaugummi ist das die Absicht des Herstellers.

 

Weitere Anlässe für zornige Reaktionen gibt es beinahe wie Sand am Meer. Ich trau mich zu wetten, dass Ihnen spontan zwischen drei und dreißig Themen, Maßnahmen, Absichten und Sinnverdrehungen einfallen, über die Sie sich in den letzten Wochen und Monaten aufgeregt haben. Kanalisieren Sie die Aufregung in Richtung Zorn und adressieren Sie Ihren Zorn an Ihren Verstand. Der wird Ihnen die Möglichkeiten aufzeigen, die Ihnen zur Verfügung stehen. Und wenn es nur ein Körnchen Sand ist …

Es wirkt.

 

Eine Ermunterung dazu bietet seit vielen Jahren die ÖDP mit diesem Bild:

 

Agnes Becker, Stellvertretende Vorsitzende der ÖDP Bayern, sagte:

„Wenn man nüchtern bilanziert, ist die ÖPD die einzige Partei, die gegen den Willen der CSU Gesetze durchgebracht hat.“

Die Süddeutsche Zeitung hat dies im Februar 2019 mit diesem Artikel bestätigt.