Wer schießt auf das Atomkraftwerk?

Manchmal könnte ich selbst in die Luft gehen.

Natürlich kommt Selenski zuerst zu Wort.

Der Comedian mit dem olivgrünen T-Shirt, auch bekannt durch sein Mitwirken beim viergliedrigen Klavierspiel, beschuldigt Russland, das größte Atomkraftwerk Europas mit Raketen zu beschießen und warnt vor einer Katastrophe ähnlich der von Tschernobyl.

„Mein Gott“, denkt sich der Zuseher, ,,die Russen, die Russen. Diese Monster wollen ganz Europa radioaktiv verseuchen. Schickt dem Selenski Waffen, so viel ihr könnt, damit die Russen verjagt werden, bevor sie die Kernschnelze auslösen!“

Nachdem die Tagesschau gewissenhaft über Selenskis Sorgen berichtet hat, lässt sie  – zur Abrundund der Information der Zuseher – den nachstehenden GAU (Größter Anzunehmender Unfug) ab:

Das größte Atomkraftwerk Europas im Süden der Ukraine war in den vergangenen Tagen mehrfach mit Raketen beschossen worden.

Dabei wurden Teile der Anlage beschädigt, ein Reaktor musste abgeschaltet werden.

Russland und die Ukraine schieben sich dafür gegenseitig die Verantwortung zu.

„Mein Gott“, denkt sich der Zuseher, „wie kann man nur so verlogen sein, und den Raketenangriff auf das Atomkraftwerk auch noch abstreiten. Der Putin! Der Verbrecher!“

Soweit, so gut. Nun hat der Zuseher genug Gelegenheit gehabt, sich etwas dazuzudenken. Dann lassen wir noch ein Tröpfchen Wahrheit durchsickern: Das AKW ist seit Anfang März von der russischen Armee besetzt.

Sie wissen es also!

Saporischschja wurde schon vor einem halben Jahr von den Russen eingenommen und wird seitdem unter russischer Aufsicht betrieben. Es ist aber nicht nur von den Russen besetzt, es liegt in der Separatisten-Region Donezk. Eine Havarie würde also zuerst und zumeist jene Menschen treffen, denen Russland gegen die ukrainischen Truppen zu Hilfe geeilt ist.

Warum sollte also die russische Armee dieses Kernkraftwerk beschießen, das nach dem bisherigen Kriegsverlauf sicherlich schon als ein eigenes Stück wichtiger und daher schützenswerter Infrastruktur angesehen werden muss?

Warum stellt die Tagesschau diese Frage nicht?

Warum fragt die Tagesschau nicht, welches Interesse Selenksi daran haben könnte, in den abtrünnigen Regionen, wenn er sie schon nicht zurückerorbern kann, nichts als verbrannte Erde zu hinterlassen?

Man müsste sich nicht einmal darauf festlegen, dass die ukrainische Armee Saporischschja mit Raketen beschossen hat, um das den Russen in die Schuhe zu schieben. Wenn man keine eigenen Erkenntnisse hat – und die hat die Tagesschau offenbar nicht, dann ist eine gewisse Zurückhaltung verständlich.

Aber: Bei verständiger Würdigung der vorliegenden Informationen und ohne manipulative Absicht, hätte die Tagesschau ungefähr so berichten können:

Nach Angaben der russischen Armeeführung wurde das Atomkraftwerk Saporischschja in der Region Donezk, das seit Anfang März unter russischer Kontrolle steht, erneut von der ukrainischen Armee mit Raketen beschossen. Präsident Selenski bestreitet dies und bezichtigt seinerseits die Russen, das Kraftwerk angegriffen zu haben. Eine unabhängige Prüfung des Sachverhalts ist derzeit nicht möglich. Allerdings ist zu bedenken, dass für einen russischen Angriff auf ein in russischer Hand befindliches AKW im Separatisten-Gebiet kaum ein logisches Argument zu finden sein dürfte.

 

Soweit der heutige Kurzkommentar.

Die Ursache für die Kürze hat Julie auf NNE so dargestellt:

https://egon-w-kreutzer.de/wp-content/uploads/2022/08/num.de-Renovierungspause15.pdf

Trifft gleichermaßen natürlich auch mich.