Im Widerspruch zur gesellschaftlichen Realität

PaD 1 /2023 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad 1 2023 Im Widerspruch zur gesellschaftlichen Realität

Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Katholische Kirche in Deutschland ein Kirchenausschlussverfahren gegen Gott vorbereitet.

Die Intention dieses Paukenschlages ist weit davon entfernt, die Leser mit der dritten satirischen Abhandlung dieses Jahres zu ergötzen. Es ist eher eine – von göttlicher  Heiterkeit inspirierte – Bibelstunde, die sich um die Worte der Weihnachtspredigt  des Benediktiner-Paters Joachim Wernersbach rankt, der in ungeheuerlicher Offenheit und Klarheit für die „traditionelle“ Familie aus Mann, Frau und Kind eingetreten ist und dabei die staatsreligiöse Transgender-Lehre als „seltsame, moderne Strömung“ bezeichnete, die eben nicht im Einklang mit der unvorstellbar schönen göttlichen Ordnung stünde.

Der Shitstorm, der über Pater Wernersbach hereinbrach, beschränkte sich dabei nicht nur auf Atheisten, Heiden und moderne Pharisäer, sondern führte zum aktiven Mittun der hohen Geistlichkeit. Pater Wernersbachs Abtei bescheinigte ihm fehlendes pastorales Einfühlungsvermögen, hielt ihm vor, seine Wertungen stünden im Widerspruch zur gesellschaftlichen Realität und würden große Teile der Gesellschaft in vielfacher Hinsicht diskriminieren, nämlich im antiquierten Frauenbild, im Verständnis von Familie und in der impliziten Ablehnung der queeren Mitmenschen und der LGBT-Gemeinde.

Pater Wernersbachs Vorgesetzter, der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt, meinte, die Aussagen Wernersbachs  seien „unüberlegt und unverantwortlich“ (eine Wortwahl, die wir so ähnlich von Angela Merkel noch im Ohr haben, als sie die Wahl Thomas Kemmerichs zum thüringischen Ministerpräsidenten als „unverzeihlich“ brandmarkte). Dass Wernersbach mit seiner Predigt Gläubige vor den Kopf gestoßen habe, werde nicht ohne Konsequenzen bleiben können.

Soweit das aktuelle Rumoren in klerikalen Kreisen, wo sich doch tatsächlich die Überzeugung festgesetzt zu haben scheint, dass das, was Pater Wernersbach die „göttliche Schöpfung“ nannte, vor dem Hintergrund der veränderten gesellschaftlichen Realität seine Berechtigung verloren hätte.

Versuchen wir einen Blick auf das nahe Ende der Zeit, wenn Gott sich am jüngsten Tage vor seinem irdischen Richter  Wolfgang Ipolt wird verantworten müssen. Wahrlich, ich sage euch, eher kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr als dieser Gott ins Himmelreich. Sein Sündenregister ist lang, und er hat sich fürwahr als Wiederholungstäter offenbart.

Erster Sündenfall Gottes

Als die Welt und alles was in ihr ist geschaffen war und Adam und Eva im Paradiese wohnten, ergab es sich, dass die gesellschaftliche Realität sich so entwickelt hatte, dass das Verbot, die Früchte vom Baum der Erkenntnis zu essen, belanglos geworden war und Adam und Eva, in aller Unschuld von jenen  Äpfeln naschten.

Was aber fuhr da in diesen Gott, der die gesellschaftliche Realität einfach nicht anerkennen wollte? Er verdammte Adam und Eva und alle ihre Nachkommen zu einem leidvollen Leben auf Erden. Im Schweiße ihres Angesichts sollten sie fortan ihr Brot essen, unter Schmerzen sollten sie Kinder gebären und statt ewig zu leben des Todes sterben und zu Staub werden, von dem sie genommen waren.

Man stelle sich vor: Dies alles nur, wegen einem Biss in einen Apfel!

Wie konnte  Gott seine Geschöpfe nur so vor den Kopf stoßen, sie als zweitklassige Wesen diskriminieren und in die Verdammnis werfen?

Wir können gespannt sein, wie Gott sich aus dieser Geschichte herauswinden wollen wird.


Zweiter Sündenfall Gottes

Kaum waren Adam und Eva des Paradieses entwöhnt und hatten sich mit der neuen Situation arrangiert und fühlten sich als Verstoßene frei, ihre eigene gesellschaftliche Realität zu erschaffen, da passte das Gott schon wieder nicht. Es war ihm ein Greuel, dass sich die Menschentöchter von den Gottessöhnen zu Frauen nehmen ließen und ihnen Riesen gebaren, die zu den hochberühmten Helden der  Vorzeit wurden. Und überhaupt kam Gott zu dem Schluss, dass die Menschen – die sich ja nichts anderes zuschulden kommen ließen, als  es sich in der gesellschaftlichen Realität wohlergehen zu lasen – in  der Tiefe ihrer Herzen nur immerdar böse waren. Statt sich ihnen verständnisvoll anzunähern und echtes Einfühlungsvermögen zu zeigen, beschloss er klammheimlich, die gesamte Menschheit wieder vom Angesicht der Erde zu tilgen und noch einmal neu anzufangen.

So geschah es dann. Vierzig Tage lang öffnete Gott die Schleußen des Himmels und ersäufte in den Fluten alles Lebendige auf Erden. 


Dritter Sündenfall Gottes

Gott war  jedoch nicht konsequent genug. Vielleicht hatte er auch nur keine Lust, wirklich noch einmal ganz von vorne anzufangen, und so hatte er vorsorglich beschlossen, seinen Freund Noah, mit dem er gerne herumwandelte, zu retten. Er erzählte Noah also von seinem Plan und sagte ihm, er  möge ein Schiff bauen aus Tannenholz, dreihundert Ellen lang, fünfzig Ellen breit und dreißig Ellen hoch. Umgerechnet auf heutige Maßstäbe wäre das ein Containerschiff von etwa 80.000 Bruttoregistertonnen. Viel zu groß, um nur Noahs Großfamilie zu erretten. Aber darum ging es ja auch nicht bei den Abmessungen der Arche. Darin sollten von allen Tieren, von allem Fleisch, je ein Paar, Männchen und Weibchen leben bleiben. Und so sprach Gott zu Noah: „Von den Vögeln nach ihrer Art, von dem Vieh nach seiner Art und von allem Gewürm auf Erden nach seiner Art, von den allen soll je ein Paar zu dir eingehen, dass sie leben bleiben.“

Nein, das kann mir niemand weismachen, dass es sich um göttliche Dummheit oder fahrlässige Schludrigkeit gehandelt hat, als er Noah gebot nur heterosexuelle Pärchen auf die Arche zu schaffen. Er hat ganz bewusst den Tod der lesbischen Libellen, der transsexuellen Tapire, der schwulen Schwalben, der queeren Quallen und all der anderen wunderbaren Geschlechter, die sich in der gesellschaftlichen Realität herausgebildet hatten, nicht nur in Kauf genommen, sondern gezielt herbeigeführt, und Noah war nicht Manns genug, sich Gott in den Weg zu stellen und diesen Frevel zu verhindern, der ja weit über jede andere denkbare Form der Diskriminierung hinausging.

Dies wäre schon für sich alleine ein für alle Zeiten ein unverzeihliches Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewesen, hätte er nicht auch noch voller Hohn und Spott, nachdem sich die Wasser wieder verzogen hatten, die Regenbogenfahne der Vernichteten an den Himmel gemalt und dann schmählich verblassen lassen.

Vierter Sündenfall Gottes

Ja, nachdem die Erde wieder trocken geworden war, sprach er zu Noah: „Geh aus der Arche, du und dein Weib und deine Söhne und deiner Söhne Weiber mit dir! Alle Tiere, die bei dir sind, von allem Fleisch: Vögel, Vieh und alles Kriechende, was auf Erden kriecht, sollen mit dir hinausgehen und sich regen auf Erden und sollen fruchtbar sein und sich mehren auf Erden!

Und um Noah und den Seinen Sicherheit zu geben und ihre Angst zu verscheuchen, setzte er hinzu: „Ich will fortan die Erde nicht mehr verfluchen um des Menschen willen, wiewohl das Dichten des menschlichen Herzens böse ist von seiner Jugend an; auch will ich fortan nicht mehr alles Lebendige schlagen, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht!

Daran hat er sich gehalten, aber nur im Großen und Ganzen, nicht im Kleinen und Feinen.

Da hatte sich in den Städten Sodom und Gomorra eine gesellschaftliche Realität äußerster sexueller Freizügigkeit herausgebildet, was Gott – aus welchen Gründen auch immer – zutiefst missfallen hat, obwohl er doch sonst nicht müde wurde, zu Fruchtbarkeit aufzurufen, was nun mal, so wie er selbst es eingerichtet hat, ohne Sex schwer möglich ist.

Nun, die Geschichte ist bekannt. Er hat die beiden Städte mit Feuer und Schwefel verbrannt. Wollte  aber nicht, dass jemand sehen kann, was  er da anrichtet, und weil Lots Weib unbedingt einen Blick auf das Inferno richten musste, hat er diese Zeitzeugin zum Schweigen gebracht, indem er sie in eine Salzsäule verwandelte.

Wo war da die geforderte pastorale Einfühlsamkeit? Ja. So wie man landläufig sagt: Die war wohl beim Teufel.


Fünfter Sündenfall Gottes
von Mose gerade noch verhindert

Mose, der Anführer, der das Volk Israel aus der ägyptischen Gefangenschaft geführt und dabei das Rote Meer geteilt hatte, war ein begeisterter Bergsteiger und so ließ er es sich auch nicht nehmen, als die Wanderschar am Berg Sinai vorbeikam, dessen Gipfel zu erklimmen.

Flugs bildete sich im Lager am Fuße des Berges eine neue gesellschaftliche Realität heraus. Das Volk, des alten Gottes und des Wartens auf die Wiederkehr des Moses müde, machte sich aus Gold das Bildnis eines Kalbes. Sie beteten es an, feierten mit Speis und Trank und standen danach auf, um ihre Lust zu treiben.

Oh wie schnell war Gott da wieder auf 180! Er sprach zu Mose: Ich habe dies Volk gesehen. Und siehe, es ist ein halsstarriges Volk. Und nun lass mich, dass mein Zorn über sie entbrenne und sie verzehre.

Mose musste Gott lange gut zureden und inständig bitten, nicht schon wieder alles zu zerstören, was er gerade erst vor den Ägyptern errettet hatte, bis sich bei Gott die Einsicht zeigte. Wäre aber  Mose ihm nicht entgegen getreten, Gott hätte auch diese Menschen vernichtet, die doch nur ihren Spaß haben wollten und sich dazu einen Goldgott schufen, von dem sie wussten, er würde sie gewähren lassen.

 

Nun mag man Pater Wernersbach vorhalten,
dass die Taten JHWHs nicht mehr der gesellschaftlichen Realität entsprächen, denn diese sei inzwischen seit 2.000 Jahren von den Anschauungen des Jesus von Nazareth, auch Christus genannt, geprägt, und bei dem ginge es ja immer nur um die Liebe, um die Gnade, um das Verzeihen, weshalb, wie schon Zarah Leander zu verstehen gegeben hat, Liebe nicht Sünde sein kann.

Allerdings berichtet Markus im 7. Kapitel seines Evangeliums überdeutlich, dass Jesus so manche Art dessen, was die gesellschaftliche Realität als Liebe bezeichnet, durchaus als böse und damit als Sünde angesehen hat. Jesu Worte sind da so überliefert: „Von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen heraus die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Arglist, Ausschweifung, Missgunst, Lästerung, Hochmut, Unvernunft. All dies Böse kommt von innen heraus und macht den Menschen unrein.“

Da mag nun Bischof Ipolt argumentieren, dass der Begriff der „Unzucht“, so wie ihn Luther bei der Bibelübersetzung gewählt hat, ja einem steten Wandel unterliege, dass es also, wenn man den heutigen Zeitgeist bemüht, „Unzucht“ gar nicht mehr gäbe. Wenn es irgendwo im Christentum noch verwerfliches sexuelles Verhalten gäbe, dann sei das die sexuelle Gewalt gegen Kinder. Gegen die hätte Wernersbach in diesen Tagen in seiner Weihnachtspredigt ruhig noch argumentieren dürfen, da hätte sich noch kein öffentlicher Shitstorm geregt. Ob das allerdings in zehn Jahren immer noch gelte, sei dahingestellt.

 

Solcherlei Rechtfertigung für das Abweichen vom Gesetz durch Bezugnahme auf die gesellschaftliche Realität ist aber nichts als ein löchriger Schleier, mit dem die Blöße, die man sich gibt, nicht wirklich bedeckt werden kann.

Gott liebt die Sünder, aber nicht die Sünde! Gott will, dass die Sünder ihre Sünde erkennen, Reue zeigen, Buße tun und hinfort nicht mehr sündigen.  Jesus hat sich nicht zurückgehalten, die neue gesellschaftliche Realität gewaltsam in die alte Ordnung zurückzuführen als er die Tische der Händler und Wechsler umgeworfen hat und sie mit dem Strick geschlagen und aus dem Tempel getrieben hat.

Noch mehr entsetzte ihn jedoch die „gesellschaftliche Realität“ der hohen Geistlichkeit, der Schriftgelehrten und Pharisäer, und was er  von denen hielt, das hat er ausgesprochen in einer Klarheit, wie sie heute in Deutschland vor lauter „Mimimi“ und „Delegitimierungsangst“ gar nicht mehr vorstellbar ist:

 

Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler,
die ihr das Himmelreich zuschließt vor den Menschen! Ihr geht nicht hinein und die hineinwollen, lasst ihr nicht hineingehen.

Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr Land und Meer durchzieht, damit ihr einen Proselyten (Heide, der zum Judentum bekehrt wird) gewinnt; und wenn er’s geworden ist, macht ihr aus ihm ein Kind der Hölle, doppelt so schlimm wie ihr.

Weh euch, ihr blinden Führer, die ihr sagt: Wenn einer schwört bei dem Tempel, das gilt nicht; wenn aber einer schwört bei dem Gold des Tempels, der ist gebunden.

Ihr Narren und Blinden! Was ist denn größer: das Gold oder der Tempel, der das Gold heiligt?

Und: Wenn einer schwört bei dem Altar, das gilt nicht; wenn aber einer schwört bei dem Opfer, das darauf liegt, der ist gebunden.

Ihr Blinden! Was ist denn größer: das Opfer oder der Altar, der das Opfer heiligt?

Darum, wer schwört bei dem Altar, der schwört bei ihm und bei allem, was darauf liegt.

Und wer schwört bei dem Tempel, der schwört bei ihm und bei dem, der darin wohnt.

Und wer schwört bei dem Himmel, der schwört bei dem Thron Gottes und bei dem, der darauf sitzt.

Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr den Zehnten gebt von Minze, Dill und Kümmel und lasst das Wichtigste im Gesetz beiseite, nämlich das Recht, die Barmherzigkeit und den Glauben! Doch dies sollte man tun und jenes nicht lassen. 

Ihr blinden Führer, die ihr Mücken aussiebt, aber Kamele verschluckt!

Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr die Becher und Schüsseln außen reinigt, innen aber sind sie voller Raub und Gier!

Du blinder Pharisäer, reinige zuerst das Innere des Bechers, damit auch das Äußere rein werde!

Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr seid wie die übertünchten Gräber, die von außen hübsch scheinen, aber innen sind sie voller Totengebeine und lauter Unrat!

So auch ihr: Von außen scheint ihr vor den Menschen gerecht, aber innen seid ihr voller Heuchelei und missachtet das Gesetz.

Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr den Propheten Grabmäler baut und schmückt die Gräber der Gerechten und sprecht: Hätten wir zu Zeiten unserer Väter gelebt, so wären wir nicht mit ihnen schuldig geworden am Blut der Propheten!

Damit bezeugt ihr von euch selbst, dass ihr Kinder derer seid, die die Propheten getötet haben.

Wohlan, macht auch ihr das Maß eurer Väter voll! 

Ihr Schlangen, ihr Otterngezücht! Wie wollt ihr der höllischen Verdammnis entrinnen?

Darum: Siehe, ich sende zu euch Propheten und Weise und Schriftgelehrte; von ihnen werdet ihr einige töten und kreuzigen, und einige werdet ihr geißeln in euren Synagogen und werdet sie verfolgen von einer Stadt zur andern, auf dass über euch komme all das gerechte Blut, das vergossen ist auf Erden, vom Blut Abels, des Gerechten, bis zum Blut Secharjas, des Sohnes Berechjas, den ihr getötet habt zwischen Tempel und Altar.

Wahrlich, ich sage euch: Das alles wird über dieses Geschlecht kommen.

 

Wie eingangs bereits erwähnt:

Es mehren sich untrügliche Anzeichen dafür, dass die Katholische Kirche in Deutschland ein Kirchenausschlussverfahren gegen Gott vorbereitet.