Haarsträubend! Deutschland fordert besseren Schutz vor Whistleblowern

 

 

Auch heute noch gilt: Ketzer sind auszurotten!

Paukenschlag am Donnerstag No. 9 /2019 – Hier auch als PDF pad 9 2019

Im sechsten Jahrhundert unserer Zeitrechnung gab Kaiser Justinianus den Auftrag, alle bestehenden Rechtsquellen und Gesetzbücher so zusammenzuführen, so dass ein einheitliches, übersichtliches, widerspruchsfreies  und – wo erforderlich – den aktuellen Gegebenheiten angepasstes Gesetzbuch fortan als alleinige Quelle gültigen Rechts enstünde. Das Ergebnis war der  CODEX JUSTINIANUS. Dieses Rechtsbuch wurde zu einer Quelle geltenden Rechts; es war in Deutschland als Subsidiarrecht gültig bis zur Verordnung des Bürgerlichen Gesetzbuches am 18. Aug. 1896.

Im ersten Buch des Codex Justitianus wird die Lehre der katholischen Kirche für „alle Völker, die unter unserer milden Herrschaft  stehen“ verbindlich verordnet. Im Wortlaut heißt es dann:

§ 1. Diejenigen, welche diesem Gesetze folgen, sollen den Namen katholischer Christen führen, die übrigen aber, welche Wir für töricht und schwachsinnig erklären, als Abtrünnige vom Glauben, mit Ehrlosigkeit bestraft und zunächst mit dem Zorne Gottes, dann aber auch nach Unserem Dafürhalten, welches Wir aus himmlischem Ratschluss schöpfen, mit Strafe verfolgen werden. Den Ketzern soll kein geistliches Amt und keine Gelegenheit gegeben werden, den Irrwitz ihres hartnäckigen Gemütes auszusprechen. Zu wissen sei Allen, dass Dasjenige, was vielleicht von einer solchen Art Menschen durch irgendeinen besonderen, betrügerischer Weise erschlichenen Befehl ausgewirkt worden, ungültig ist. Alle Ketzerhaufen sollen von unerlaubten Zusammenkünften abgehalten und statt dessen der eine und höchste Name Gottes überall gepriesen und im Zeugnis des zu Nicäa festgesetzten und von den Vorfahren auf uns gekommenen Glaubensbekenntnisses und göttlichen Religion stets genannt werden.

Diese vielleicht absonderlich wirkende Einleitung habe ich vorangestellt, um das „Ringen“ der EU um einen besseren Schutz von Whistleblowern verständlicher zu machen, hat sich doch am Selbstverständnis der Herrschenden, alleine bestimmen zu dürfen, was straflos geglaubt und öffentlich gemacht werden darf, seit 1.500 Jahren offensichtlich nichts geändert.

Das EU-Gesetzesvorhaben, das dem Parlament von der Kommission zur Behandlung vorgelegt wurde, kann nicht wirklich als Gesetz zum besseren Schutz von Whistleblowern bezeichnet werden, eher schon als „Gesetz zum besseren Schutz vor Whistleblowern“. Damit fügt es sich nahtlos in jene justinianische Denkweise ein, die zwischen Rechtgläubigen und Ketzern, Loyalen und Illoyalen, politisch Korrekten und mündigen Bürgern unterscheidet.

Die Verhaltensvorschriften für Whistleblower sind so haarsträubend irrwitzig, dass man glaubt, sich bei einem Wiesenbesuch stockbesoffen ins Spiegellabyrinth verirrt zu haben, und mit gesteigertem Harndrang immer verzweifelter, aber ergebnislos, versucht, den Ausgang zu finden.

Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem großen Rüstungsbetrieb beschäftigt und haben herausgefunden, das in der Elektronik  eines Waffensystems nicht die sündhaft teuren, einzeln qualitätsgetesteten, MIL-zertifizierten Chips und Platinen verbaut werden, die vorgeschrieben sind, sondern billige Massenware aus dem Bereich der Consumer-Elektronik, die, selbst wenn  sie 100%ig in Ordnung wäre, einige der erforderlichen Funktionen nur eingeschränkt zur Verfügung stellen kann. Sie wissen zudem, dass dieses Vorgehen  mit dem Auftraggeber im Beschaffungsamt abgestimmt ist, haben sogar Kenntnis von der Höhe des geflossenen Schmiergeldes, kennen das Beratungsunternehmen, das im Verteidigungsministerium die Strippen gezogen hat …

Aber Sie wissen eben auch, dass Soldaten, die mit so bestückten Waffensystemen kämpfen sollen, dem Gegner praktisch wehrlos ausgeliefert sein werden, und obwohl Sie als Angestellter jährlich eine hohe Gewinnbeteiligung erhalten, treibt Sie Ihr Gewissen, diese Schweinerei  öffentlich zu machen, um den Schwindel zu beenden.

Nach dem Willen der  Kommission müssen Sie nun  zuerst einmal intern in Ihrem Unternehmen Beschwerde einlegen und abwarten, was geschehen wird. Reicht Ihr  Mut dafür aus????

Nur wenn das nicht fruchtet (und Sie noch leben, und noch auf Ihre Beweise zugreifen können, und ihre Familie nicht bedroht wird) dürfen Sie den zweiten Schritt tun, nämlich sich an eine öffentliche Behörde wenden.

Vielleicht ans Bundeswehr-Beschaffungsamt, wo womöglich der mit-profitierende Auftraggeber sitzt? Vielleicht an eine weisungsgebundene Staatsanwaltschaft, die Ihre Anzeige liegen lässt und nach einem Jahr das nicht eröffnete Verfahren einstellt? Vielleicht bei der nächsten Polizeidienststelle???

Erst wenn auch das ergebnislos geblieben ist, und Sie noch leben und noch auf Ihre Beweise zugreifen können und Ihre Familie nicht bedroht wird, dürfen Sie sich an die Öffentlichkeit wenden, bevorzugt an ein faktencheckendes Qualitätsmedium aus dem Hause Springer oder Bertelsmann, der Funke Mediengruppe, oder gleich an Anne Will und Frank Plasberg.

Wer wirklich einer großen Schweinerei auf der Spur ist, der ist vermutlich besser dran, gleich Selbstmord zu begehen, als sich auf dieses hanebüchene Prozedere einzulassen.

Das EU-Parlament hat dies vermutlich ähnlich gesehen und wollte den Gesetzentwurf der Kommission so abändern, dass eben nicht der Schutz vor dem Whistleblower, sondern der Schutz des Whistleblowers erreicht wird.

Unsere allseits geliebte Justizministerin Barley, die auf  der offenen deutschen Bühne Sympathien zu erwerben sucht, indem sie die Maklercourtage einzig dem Immobilienverkäufer aufbürden will, was den Immobilienerwerb m.E. eher verteuern, statt verbilligen wird, hat in Brüssel klar gemacht, dass das dreistufige Verfahren (Anm. des Verfassers: zum frühzeitigen Erkennen möglicher Gefahren für Staat und Wirtschaft und Seilschaften) ein rote Linie darstelle, die nicht überschritten werden dürfe.

Schutz für Whistleblower hin oder her. Die Öffentlichkeit direkt über herausragende Schweinereien zu informieren, ohne rechtzeitig eingreifen und die Information verhindern zu können: Das geht offenbar gar nicht!

Außerdem ist auch Frankreich  (der neue Freundschaftsvertrag!) der gleichen Überzeugung.

Ich frage mich: Welche sinnvolle Begründung kann es dafür geben, die Information der Öffentlichkeit über Riesenschweinereien auf diesem Wege zu verhindern, und nur darum geht es, außer derjenigen, dass da einigen Leuten der Arsch  derart auf Grundeis geht, vor lauter Leichen im eigenen Keller, dass sie sich gar nicht mehr anders zu helfen wissen.

Denn eins darf  man nicht vergessen: Der Whistleblower, der nach Verabschiedung dieses fragwürdigen Rechts nicht den vorgeschriebenen Weg geht, und damit vielleicht Gesundheit, Leben,  oder auch nur Ersparnisse vieler Menschen rettet, der geht wegen Verletzung  gültigen EU-Rechts in den Knast oder muss sich in die ecuadorianische Botschaft in London flüchten.