Gesichert öko-extremistische Bestrebungen?

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Bundesregierung verurteilt, konkrete Maßnahmen zum Erreichen des deutschen Klimazieles aufzulegen.

Geklagt hat ein Verein, der sich „Deutsche Umwelthilfe“ nennt, als gemeinnützig anerkannt ist, und mich immer, wenn ich den Namen höre, an Marc Anton und seine wohl bekannteste Rede erinnert, wo es so oft heißt: „Doch Brutus ist ein ehrenwerter Mann.“

Aber von vorne.

Das Welt-Norm-Klima von 1871

Die durchaus nicht von allen Wissenschaftlern geteilte Überzeugung,

nach Millionen von Jahren der irdischen Klimageschichte, in der sich Warm- und Kaltzeiten abwechselten, sei es zu Beginn der Industrialisierung, so um 1850 oder 1870 herum, endlich gelungen, das derzeit herrschende Klima als das einzig gültige Welt-Norm-Klima zu definieren,

sollte nicht folgenlos bleiben.

Es war die große Zeit der Normensetzung. Erinnert sei da nur an das 1889  in Paris geschaffene Metermaß (Ur-Meter), das trotz seiner Speziallegierung vor allen schädlichen Einflüssen, also auch vor geringsten Temperaturschwankungen geschützt werden muss, damit die Welt daran jederzeit mit höchster Präzision ablesen kann, wie lang so ein Millimeter wirklicht ist, bzw. zu sein hat. Kein Wunder, dass dieser Schutzgedanke in den entscheidenden Köpfen der deutschen Regierung unter Angela Merkel wieder auftauchte als die aus dem Norm-Klima abgeleitete Norm-Temperatur nicht auf  dem seinerzeit festgesetzten Stand verharren wollte. Also wurde ein Gesetz beschlossen, mit dem das vorindustrielle Ur-Klima geschützt, bzw. gerettet werden sollte, was natürlich auch bedeutete, dass jedes andere, dräuend am Firmament aufsteigende Nachfolgeklima mit allen Mitteln bekämpft werden musste.

Gedankenexperiment Schritt 1

Betrachten wir dies im Gedankenexperiment zunächst einmal hypothetisch als einen auf einem Irrtum beruhenden und wegen fehlender Sachkenntnis beschlossenen Gesetzgebungsfehler, der jedoch durchaus immer noch erkannt und revidiert werden könnte.

 

Das Molekül des Verderbens

Nachdem es auf Erden im Widerspruch zum Norm-Klima wieder etwas wärmer geworden war, begann die fieberhafte Suche nach der Ursache. Wissenschaftler stellten eine sonderbare Korrelation zwischen Zehntelgraden Celsius, respektive Kelvin, und Verschiebungen der Zusammensetzung der Atmosphäre um etwa 100 bis 150 millionste Teilchen (0,0015 %) fest. Das ist ungefähr so, wie wenn Ihrem Kopf – so dieser denn noch voll behaart ist – statt 100.000 Haaren (entspricht dem Norm-Haarwuchs bei Rothaarigen) fehlerhafte 100.015 Haare entsprießen würden. Sie würden das ganz sicherlich feststellen, denn diese 15 Extra-Haare würden stark zur Erwärmung Ihrer Kopfhaut beitragen, weil die Arbeitswärme des Gehirns einfach nicht mehr vollständig in Richtung Weltall abgestrahlt werden könnte.

Was im Verlaufe der  gesamten Erdgeschichte, auch im Verlauf der überlieferten Menschheitsgeschichte nie eine Rolle spielen konnte, weil es schlicht erst mit der menschengemachten Industrialisierung in die Welt gekommen ist, dieses unheilvolle menschengemachte Kohlenstoffdioxid, löste diesmal, so die feste Überzeugung, den Hitzeschub, den globalen Fieberwahn aus, und wurde zum Feind der gesamten Menschheit – was sage ich? – zum Feind des gesamten Lebens auf dem Planeten ausgerufen.

Gedankenexperiment Schritt 2

Gehen wir auch hierzu in unserem Gedankenexperiment von der Hypothese aus, es handle sich um einen krassen Fehlschluss, der auf dem ersten Fehler aufbaut, und unterstellen, dass auch dieser Irrtum, in dem eine vage Korrelation zur Kausaltiät erhoben wurde, immer noch erkannt und revidiert werden könnte.

 

Die Regierung der Deindustrialisierung

Die Realität außerhalb unseres  Gedankenexperiments hat eine Regierung hervorgebracht, der es trotz brachialer Eingriffe in das Leben der Menschen, trotz massiver menschengemachter Aufschläge auf den Preis der Energie und trotz industriefeindlicher Politik einfach nicht gelingen will, den im Gesetz der Vorgängerregierung vorgeschriebenen Kampf gegen das Klima so weit zu treiben, dass die Modellrechnungen zu dem Ergebnis kämen, dass der Anstieg der 30-jährigen Weltdurchschnittslufttemperatur damit mit Sicherheit gebremst werden könne.

Dieser Regierung,

  • der nichts wichtiger ist als der Kampf gegen das Klima und die Klimaleugner, außer vielleicht noch der Kampf für die Gleichstellung aller nonbinären Geschlechter,
  • dieser Regierung, der niemand ernsthaft zur Last legen könnte, sie würde nicht alles in ihren Kräften Stehende und Liegende tun, um die CO2-Emissionen auf null herunterzufahren,
  • dieser Regierung ist es nun, nicht aus Einsicht in womöglich fehlerhafte Prämissen, sondern aus Sorge, das Gesamtziel zwar erreichen zu können, das eine oder andere Detailziel aber zu verpassen, eingefallen, die Detailziele nicht mehr einzeln zu verfolgen, solange dadurch das Gesamtziel nicht gefährdet wird.

Gedankenexperiment Schritt 3

Wo Ziele trotz komfortabler Mehrheiten im Bundestag auch trotz maximaler Anstrengung nicht erreicht werden können, kann es sich nur um den unvermeidlichen Einbruch der Realität in eine bis dahin aufrechterhaltene Fiktion handeln. Noch allerdings besteht keine Klarheit darüber, 

  • ob die Realität lediglich die Inkompetenz der Klimahüter erkennen lässt,
  • ob die Ziele selbst bei aller erforderlichen Kompetenz und Schaffenskraft ebenso unerreichbar bleiben würden,
  • ob beim Erreichen der Ziele erkennbar werden würde, dass die Prämissen der Zielsetzung so falsch waren, wie in Schritt 1 und 2 hypothetisch angenommen, zum Beispiel weil trotz totaler Dekarbonisierung aller menschlichen Aktivitäten der CO2-Gehalt der Atmosphäre weiter ansteigt, während die Temperaturen wider Erwarten und wie erhofft sinken – oder (noch rätselhafter) umgekehrt.

 

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH)

Anders als die Regierung ist die DUH für ihr Treiben keinem Wähler Rechenschaft schuldig und daher auch nicht verpflichtet, nur vernünftige und zielführende Maßnahmen zu ersinnen, die einer verständigen Bevölkerung per Gesetz aufzuerlegen sind. Die reine Logik sagt uns, dass die DUH damit weitaus besser dran ist als die Regierung, weil sie – abgehoben von der Realität – schlicht nur auf umstrittene Gesetze der Vergangenheit zu verweisen braucht, um die Regierung – die in der Kontinuität der Regierungen diese Gesetze geerbt hat – vor den Kadi zu zerren und zu verlangen, dass mehr getan und veranlasst werden müsse, obwohl die Realität bereits dem bisher Veranlassten wie ein ganzes Gebirgsmassiv im Wege liegt.

Gedankenexperiment Schritt 4

  • Wir stellen uns vor, es ginge nicht um den Schutz des Klimas, sondern, beispielsweise, um den Schutz der Erdkruste. Deren Zerbrechlichkeit ist bekannt. Gefahr geht hier vor allem vom menschengemachten Anbau von Karotten und den noch mächtigeren Rettichen aus, die ja tief in die Erdkruste eindringen, oberflächennahe Risse und Verwerfungen erzeugen, die – wie wir es von Windschutzscheiben der Automobile kennen (Carglass repariert!) – durchaus die Neigung haben, sich zu erweitern und zu vertiefen, bis wieder eine Kontinentalplatte mit allen furchbaren Folgen zerbirst. Die Frage, die wir uns zu stellen haben, lautet: Gäbe es dann eine Partei, die sich den Schutz der Erdkruste auf ihre Banner schreiben würde, und einen Verein, mit dem schönen Namen „Deutsche Erdkrustenhilfe“, der alle diejenigen Landwirte und Gemüsebauern mit strafbewehrten Abmahnungen überziehen würde, die ihre Produktion nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Plänen folgend im jeweils vorgeschriebenen Umfang auf erdkrustenferne Hydrokultur umgestellt haben. Wahrscheinlichste Antworten:

a) ja, wenn die Erträge aus diesem Geschäft mindestens den Umfang der Erträge aus dem Klimageschäft erreichen, oder

b) ja, auch dann, wenn sich damit gar keine Erträge erzielen ließen, weil die Rettung der Erdkruste nicht vom schnöden Mammon abhängig gemacht werden darf?

 

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg

Ohne voreilig unterstellen zu wollen, es handle sich bei Klage und Urteil um ein von interessierter Seite „bestelltes“ Ritual, auch ohne den Verdacht zu hegen, das OVG sei parteiisch, ist zur Kenntnis zu nehmen, dass das Gericht, offenkundig ohne sich um die materielle Realität zu scheren, der DUH vollständig recht gegeben und sich damit gesetzesbuchstabengerecht in den Dienst der Klimarettung gestellt hat. Die Justiz ist schließlich an Recht und Gesetz gebunden und das entsprechende Gesetz, zu dessen Einhaltung die Bundesregierung vom OVG verurteilt wurde, ist mit vollem Wortlaut im Bundesanzeiger veröffentlicht und in Kraft gesetzt worden.

Das Oberverwaltungsgericht darf daher an unserem kleinen Gedankenexperiment nicht teilnehmen. Für das OVG ist das Klimaschutzgesetz aus Merkel-Zeiten eben einfach ein Gesetz. Nichts, was das OVG – selbst wenn es das möchte – in Frage stellen dürfte. Daher ist die Klage gegen die gesetzeswidrig agierende Bundesregierung auch rechtens und es ist ihr stattzugeben. Richter ohne Fehl und Tadel. Was gibt es Schöneres?

Gedankenexperiment Schritt 5

Da wir nicht das OVG Berlin-Brandenburg sind, dürfen wir unabhängig und nicht weisungsgebunden weiterdenken. Welches Urteil wäre wohl gefallen, stünden die Richter am OVG Berlin-Brandenburg nicht unter der Oberaufsicht gleich zweier Länderjustizbehörden (rot-schwarz-grün und schwarz-rot) und hätten sie sich im Hinblick auf die Klage der DUH nicht nur juristisch schlau gemacht (Muss sich die Regierung an  Gesetze halten ja/nein?), sondern auch fachlich die Kongruenz von Realität und Gesetzesvorschrift gewürdigt (Geht das überhaupt ja/nein?).

 

Gedankenexperiment Conclusio

Lässt sich Marc Antons „ehrenwerter Mann“ sinngemäß auch auf DUH und OVG Berlin Brandenburg anwenden?

Man sollte diese Frage als Demokrat  und Gewaltenteilungsgläubiger gar nicht stellen müssen. Es besteht überwältigende Einigkeit, zumindest aber Konsens darüber, dass nichts unversucht bleiben darf, das Klima durch den entschlossenen Kampf gegen seinen Wandel in seiner natürlichen Normform von 1871 zu erhalten. Da ziehen das IPCC, die Grünen, deren Koaltionspartner, weite Teile der Opposition – also alle ehrenwerten demokratischen Parteien – sowie 99 Prozent der ebenso ehrenwerten demokratischen Wissenschaftler am gleichen Strick in die gleiche Richtung. Alles paletti!

Nur die Soziologie könnte vielleicht, wäre sie nicht noch demokratischer aufgestellt, den Einwand erheben, dass eine solche Vielzahl ehrenwerter Menschen, mit der Tendenz zur Übermächtigkeit, aus bestimmten Gründen in der realen Menschenwelt gar nicht gleichzeitig existieren könne. Doch eine solche Stimme erhebt sich nicht, weshalb sie auch nicht gewürdigt werden kann, wie überhaupt alle Stimmen, die sich vorsichtshalber nicht mehr erheben, nicht gewürdigt werden.

Dennoch bleibt ein gewisses Unbehagen dahingehend bestehen, dass es den vereinigten, ehrenwerten Demokraten einfach nicht gelingen will, die undemokratisch widerspenstige Realität zu zähmen, so dass die letzte Hoffnung der Demokraten darin bestanden haben mag, dass es die DUH mit ihrer Klage und das OVG mit seinem Urteil mit vereinten Kräften schaffen, der störenden Realität, wie sie sich außerhalb von Parlament und Kanzleramt  scheinbar unkaputtbar zeigt, Paroli zu bieten.

Eine schwächere, wankelmütigere, inkompetentere Regierung, die auf Wählerstimmen achtet und dabei das Große und Ganze aus den Augen verliert, hätte das Urteil des OVG Berlin-Brandenburg möglicherweise nicht begrüßt, als hätte sie es selbst bestellt, sondern ganz anders kommentiert. So, zum Beispiel:

„So nicht, liebes OVG und liebe DUH.
So nicht. Wir sind die Regierung –
– und wer seid ihr denn eigentlich?“

Dann würde diese  Regierung nur noch ein Wort sagen, nämlich: „Ätsch!“, und die ganze Klimazielgesetzgebung einfach mit sofortiger Wirkung von ihrer Parlamentsmehrheit aufheben lassen, weil so vermeintlich Schaden vom deutschen Volke abgewendet und sein Nutzen gemehrt werden könnte.

Zum Glück haben wir eine ganz andere Regierung, die nicht auf nationalegoistischen  Irrwegen unterwegs ist, sondern gerne und demütig Schaden für das deutsche Volk in Kauf nimmt, so lange noch ein Fünkchen Hoffnung besteht, der maximale Schaden, nämlich das menschheitsbedrohende Bersten der Erdkruste, könne noch abgewendet werden, und sollte es sich als unabwendbar erweisen, wenigstens sicherstellt,  dass das Unheil nicht von deutschem Boden aus seinen Anfang nimmt.