Gedanken zum Jahreswechsel 2023 – 2024

PaD 49 /2023 – Gedanken zum Jahreswechsel 2023 2024

 

Ist es die Zeit, die dahineilt,
oder sind wir es,
die in der Zeit vorwärtsstürmen,
ruhe- und rastlos?

Wann haben wir uns das letzte Mal wirklich Zeit genommen? Nicht nur das kleine bisschen Zeit, in das wir das vermeintlich Notwendige gequetscht haben, sondern die wirkliche Zeit?

Sie fragen sich, was ich meine, mit „die wirkliche Zeit“?

Die „wirkliche Zeit“, das ist für mich jene Zeit, in der die Zeit der Uhren und der Kalender, während ich sie erlebe, keine Rolle spielt.

Diese wirkliche Zeit hat keine Ausdehnung, es ist gleichgültig, ob in der Uhrenzeit währenddessen eine Sekunde, eine Stunde oder ein Tag vergeht. Sie hat eine andere, eine besondere Qualität, sie ist wie das Verweilen in einer höheren Dimension. Einige haben für eine solche Zeit den Begriff „im Flow sein“, und das ist tatsächlich eine ihrer Erscheinungsformen. Andere nennen es: „Wenn ich ganz und gar bei mir bin.“ Für wieder andere ist es das genaue Gegenteil, sie erleben wirkliche Zeit, wenn sie aus dem eigenen Leben vollständig heraustreten und – vor allem beim Lesen eines guten Buches – in dessen Geschichte versinken.

Eines ist jedoch immer gleich: Die „wirkliche Zeit“ zu erleben, tut gut. Ein Bad in der wirklichen Zeit erfrischt, es bringt Erholung, es erfüllt und macht glücklich.

Daher wünsche ich Ihnen allen, dass es Ihnen gelingen möge, in den nächsten Tagen, zu Weihnachten und bis zum Jahreswechsel, sich die Zeit, die Sie finden, auch zu nehmen, ganz und gar bei sich zu sein, in den Flow zu geraten, in einer anderen Geschichte zu versinken oder für den anderen, der sie braucht, bedingungslos da zu sein.

Zeit ist eben nicht nur Geld. Der Satz ist sowieso falsch. Geld ist gestohlene Zeit. Der Satz trifft es eher.

Zeit ist das, womit man sie anfüllt.

Wirkliche Zeit, darin findet sich immer eine Form der Liebe.

Damit bin ich bei den Gedanken zum Jahreswechsel, die ich in diesem Jahr überschrieben habe mit dem Satz: „Ich liebe Deutschland.“ Es ist eine Zeitreise, ja ein Zeitsprung, aus den jungen Jahren der Bundesrepublik in die Gegenwart.  Dabei empfehle ich ausnahmsweise das PDF-Format, weil der Text dann in der gleichen Gestalt bei Ihnen auf dem Bildschirm erscheint, wie ich es mir vorgestellt habe.

Vorher aber sage ich noch meinen herzlichen Dank

für Ihr Interesse an meinen Gedanken,
für Ihre Anregungen und Kommentare,
für Ihre Beiträge zu meiner Kaffeekasse,
und dafür, dass es Sie gibt.

Wem sollte ich sonst erzählen, was mich bewegt?

Ich wünsche Ihnen ein frohes, glückliches Weihnachtsfest,
einen Ausflug in die wirkliche Zeit
und einen guten Start in die Zukunft des Jahres 2024.

Ihr

Egon W. Kreutzer


Gedanken zum Jahreswechsel 2023 – 2024

Ich liebe Deutschland

 

Die Bundesrepublik Deutschland trat am 23. Mai 1949 mit der Inkraftsetzung des Grundgesetzes in die Geschichte ein, 125 Tage später erblickte ich als „Eingeborener“ Bürger dieser Republik das Licht der Welt.

Die Rückseite der 50-Pfennig-Münze, die ab 1949 geprägt wurde, hat es mir als Kind schon angetan, obwohl ich die Symbolik erst viel später verstanden habe.

Die noch junge Frau, vom Künstler ursprünglich als Akt gestaltet, für die Münze nachträglich „bekleidet“ mit eng anliegendem Kleid und einem im Nacken verschlungenem Kopftuch, barfuß knieend, setzt mit kräftigen Händen behutsam eine Eiche in die deutsche Erde. Ein Bild, das in seiner Ausdrucksstärke und Schlichtheit Anklänge an Albrecht Dürer aufweist und den aufmerksamen Betrachter nicht so schnell wieder loslässt.

In meiner Vorstellung musste dieses Bäumchen, so liebevoll, wie es gepflanzt wurde, einfach wachsen und gedeihen.

Im nächsten Jahr werden wir nun beide 75 Jahre alt.

 

Ein Mensch, der dieses Alter erreicht, sollte – auch wenn er sich gesund und fit fühlt – spätestens jetzt daran denken, seine Angelegenheiten zu regeln. Schließlich stellt er fast täglich fest, wie das Schicksal einen seiner Zeitgenossen nach dem anderen aus dem Leben ruft. Es ist nicht mehr so, dass die Einschläge nur näher kommen, sie gehen schon weit über einen selbst hinaus und treffen längst auch die Jüngeren. Manche sterben nach langer Krankheit, manche erliegen einem Unfall, andere trifft es sprichwörtlich „plötzlich und unerwartet“.

Für einen Staat sollten 75 Jahre eigentlich kein Alter sein. Schließlich erneuert er sich mit seiner Bevölkerung permanent. Dass die Alten verschwinden ist normal, und dass die Jungen nachwachsen und übernehmen, wäre im Grunde auch normal. In Bezug auf Deutschland sind 75 Jahre allerdings ein hohes Alter, ein sehr hohes, vielleicht schon ein zu hohes Alter. Ein Blick in die Vergangenheit lässt erschrecken.

Wie lange hatte das Dritte Reich Bestand? War es von 1933 bis 1945? Waren es nur 12 Jahre? Und was war von 1945 bis 1949? Vier Jahre „Nichts“?

Die Weimarer Republik? 1918 bis 1933 – auch ein verdammt kurzes Leben.

Das Kaiserreich währte immerhin von 1871 bis 1918 – aber eben auch nur 47 Jahre. Zu kurz, um die Früchte der Arbeit im Alter noch genießen zu können.

Nun könnte man argumentieren, es habe an den Kriegen gelegen,  die Deutschland führte, und an den Niederlagen, in denen die Kriege für Deutschland endeten. Das ist bei oberflächlicher Betrachtung sicherlich richtig und soll für die Schulbücher durchaus genügen.

Aber es ist eben nur eine oberflächliche Betrachtung. Die Frage, warum Deutschland Kriege führte, die in seiner Niederlage endeten, haben Heerscharen von Historikern zu beantworten versucht, sind aber eben meist im Gestrüpp der überlieferten Fakten hängengeblieben.

Ernsthaft bedacht, stelle ich die Behauptung in den Raum: Niemand auf dieser Welt hätte Wilhelm II. zwingen können, drei Tage nachdem Österreich-Ungarn erst Serbien und dann Russland den Krieg erklärt hatte, Russland ebenfalls den Krieg zu erklären und daraufhin in Luxemburg und Belgien einzumarschieren.

Doch da tritt ein Begriff ins Rampenlicht, der zu jener Formel: „Staaten kennen keine Freundschaft, nur Interessen“, im Widerspruch zu stehen scheint. Gemeint ist die „uneingeschränkte Bündnistreue“, die das Kaiserreich der Donaumonarchie zugesichert hatte.

Da kriechen aus den Tiefen des Gedächtnisses die Nibelungen hervor. In Treue zu Hagen von Tronje weigerten sich Gunther, Gernot und Giselher, Siegfrieds Mörder Hagen an Kriemhild auszuliefern. Jahre später folgt daraus das grausame Schlachten am Hofe König Etzels im Hunnenland.

Treue, ein deutscher Wesenszug. Ein edler Wesenszug in einer Welt voller Edler, wo Treue als ein Versprechen auf Gegenseitigkeit gehandelt wird.

Ein strunzdummer Wesenszug in einer Welt voller Lügner und Betrüger. Treue heißt doch nur, um eines  anderen willen Ungemach auf sich zu nehmen, bis hin zum Tod. In Erwartung, der andere werde dies, im umgekehrten Fall, auch für mich auf sich nehmen.

Treue. Treue ist unter dem Vorzeichen des allgemeinen Sittenverfalls zur letzten ethisch-moralischen Hüpfburg seniler Senioren verkommen, und doch tritt sie nun wieder in der martialischen Pracht, aus der man schon immer Heldensagen und Kriegerdenkmale extrahiert und in Bronze gegossen hat, auf die Bühne. Davon später mehr.

 

Die junge Bundesrepublik, aufgebaut von jenen, die aus dem Dritten Reich noch übrig waren, meine Jahrgangsschwester, schaute, genau wie ich, zu dieser Zeit mit blauen Augen auf sich selbst und kaum darüber hinaus, galt es doch, irgendwie am Leben zu bleiben und ins Leben zu finden. Ein nützliches Glied der Gesellschaft zu werden, das lag noch fern vor uns.

Immerhin waren es die alten Lehrer, die uns Wandertage bescherten. Ich durfte erst – zu Fuß und mit dem Rucksack mit Butterbroten drin – auf den Stiefvater steigen, die Saulöcher (damals noch nur Natur) besichtigen, den Froschgrund entlanggehen, Rüttmannsdorf, Höhn  und Brüx erwandern.

 

 

Dann ging es mit der Bahn nach Coburg.

Die Morizkirche mit der eingeritzten Markierung, wie hoch das Blut des intriganten Mönches gespritzt sei, den Graf Hermann von Henneberg eigenhändig vom Turm gestoßen haben soll, die Veste, im Wiederaufbau, nachdem sie von den Amis in den letzten Kriegstagen noch ordentlich beschossen worden war, die Ehrenburg, der Schlossplatz, die Arkaden, das Theater – dort auch die erste Theatervorstellung meines Lebens zu Weihnachten „Peterchens Mondfahrt“ – all das wurde so zur erweiterten, erlebten und erwanderten Heimat.

Bald darauf ging es mit der Bahn ein Stück weiter. Staffelstein, Vierzehnheiligen, die Kapelle des Hl. Veit auf dem Staffelberg und Schloss Banz mit seinen ägyptischen Mumien.

Bamberg, die Altstadt, die Kirchen. Nürnberg, die Burg, die Folterwerkzeuge, die Lorenzkirche, der Englische Gruß von Veit Stoß, der Brunnen mit dem nahtlos ins Gitter eingeschmiedeten  Ring.

Dann Kelheim, der Donaudurchbruch, Kloster Weltenburg, die Befreiungshalle, die Walhalla, Regensburg, die steinerne Brücke.

Noch später dann raus aus Bayern. Drei Tage am Rhein mit dem Bus. Bingen, Rüdesheim, Burg Katz, Burg Maus, die Loreley, die Pfalz bei Kaub –  das waren alles Schulausflüge mit fast 40 Schülern und einer Lehrkraft. Wir waren leicht zu beaufsichtigen. Da ist nichts passiert.

In dieser Zeit gab es auch eine Woche in Stuttgart bei Tante Martha. Mein Vater hat ihr die Wohnung renoviert, sie ist mit mir losgezogen. Straßenbahnfahren, Kaufhäuser von innen durchstreifen. Dann, weil das Renovieren schnell gegangen war, zu dritt in die Wilhelma, auf den Killesberg, auf den Fernsehturm, zum Flughafen.

 

Ein Eis auf der Flughafenterrasse. Hin und wieder landete oder startete eine Maschine. Welches Glücksgefühl!

Im Jahr darauf alleine mit dem Zug nach Bremen. Onkel Hermann und Tante Tilly besuchen.

Straßenbahnfahren, Kaufhäuser von innen besichtigen, das Rathaus, der Roland, die Böttcherstraße – für mich heute das Vorbild für Harry Potters Winkelgasse, das Glockenspiel aus Porzellan – und fast täglich ein paar Stunden auf dem Rad von der Neuen Vahr ins Umland gestrampelt. Onkel Hermann konnte nur mit dem rechten Bein kraftvoll ins Pedal treten. Im Linken steckte immer noch ein Granatsplitter aus dem europäischen Kräftemessen von 14/18.

Vom Krieg wusste ich nichts, und was ich zufällig erfahren, meist auch nur aus Erwachsenengesprächen aufgeschnappt hatte, lag in einer so fernen Vergangenheit, dass es vollkommen unwirklich war.

Das Haus, in dem ich bis zum zwölften Lebensjahr wohnte, das erfuhr ich so nebenbei, war  ausgerechnet  eines der beiden, die in Neustadt in den letzten Kriegstagen noch einen Bombentreffer erhalten hatten. Vom riesigen, 60 Meter hohen „Gaskessel“, Wahrzeichen meiner Heimatstadt, wusste ich, dass er von Flugzeugen mit Bordkanonen beschossen worden war: Aber zum Glück hatte man das Gas aus der Kokerei vorher vollständig entleert, in Teilen ins Netz gedrückt, so dass die große Explosion ausgeblieben war. Dass die halbe Verwandtschaft, die ich nie vermisste, weil ich sie nicht kennengelernt habe, in Oberlind von Fliegerbomben ausgelöscht worden war – ja. Die Informationen waren da, aber sie blieben blass und ohne Emotionen. Nur wenn uns die Sonntagsspaziergänge ein Stückchen an der Zonengrenze entlang führten

  


     

 

und die Eltern in Panik gerieten, wenn wir Kinder – spielend herumrennend – in den Bereich zwischen den Grenzpfählen und dem Stacheldrahtzaun gerieten, hinterließ das ein komisches Gefühl, denn es hieß, die Russen würden uns erschießen.

Während ich also allmählich die nähere und die etwas fernere Heimat kennenlernte, trafen sich General De Gaulle und Adenauer und verabredeten die deutsch-französische Freundschaft. Auch zu den Briten verbesserte sich das Verhältnis schnell, und man hörte munkeln, dass jeder Landser froh war, wenn er in amerikanische oder britische Gefangenschaft geraten war, statt von den Russen erwischt zu werden.

Eines Tages, viele Jahre  später, wurde mir dann klar, das Deutschland und ich – vermeintlich unabhängig voneinander – zum gleichen Weltbild gelangt waren. Hier die Amis, die uns nur Gutes getan hatten, dort die Russen, vor denen man stets auf der Hut sein musste, weil sie jede Schwäche sofort ausnutzen würden, um Deutschland, also die BRD, zu überfallen, nachdem sie sich die DDR sowieso schon unter den Nagel gerissen hatten. Kennedy und Chruschtschow verkörperten das Gute und das Böse. Das Kasperl und den Teufel. Deutschland aber war beiden haushoch moralisch überlegen, denn von deutschem Boden würde nie wieder Krieg ausgehen.

Es war ein gutes Deutschland. Es hat uns ernährt, obwohl noch viele kleine Bauern statt des Traktors  ein Pferd oder  einen Ochsen als Zugtier für Pflug und Wagen im Stall stehen hatten. Es hat uns Wohnung gegeben, Briketts für den Ofen, es hat uns gekleidet, und der Schneider und geschickte Frauen  verstanden die Kunst, aus alt neu zu machen, wie auch der Schuster  gerne tätig wurde, um einen schiefgetretenen Absatz zu reparieren oder die fast durchgelatschte Laufsohle zu ersetzen. Alle hatten Arbeit und alle konnten sich von dem Lohn, den sie dafür erhielten, nach und nach, und oft auf Raten, ein neues Möbelstück, den Kühlschrank, das UKW-Radio, den Staubsauger, zu Weihnachten den Christbaum und die Geschenke leisten, und die Beschenkten freuten sich ehrlich über die Geschenke, weil es sich um Dinge handelte, die sie brauchen konnten.

 

Es ging uns gut. Und alle hatten ein Lächeln im Gesicht. Meines (ich war der mit dem Pulli mit V-Ausschnitt) vielleicht schon ein bisschen skeptisch …

Dass das das Verdienst von Ludwig Erhard war, der die Ideen seines Vordenkers  Alfred Müller-Armack politisch umsetzen konnte, ist mir auch erst viel später klargeworden, als ich hinter den arbeitenden Menschen und ihrem wachsenden Wohlstand die Idee der Sozialen Marktwirtschaft kennenlernen durfte.

Ja. Es war ein gutes Land, dieses Deutschland. Und ich war immer noch ein guter Junge als ich 1965 vor der Berliner Mauer auf dem Podest stand, das installiert worden war, um das Mahnmal der Schande, mitten in Berlin errichtet, vom erhöhten Standplatz besser sehen zu können. Auch das war noch ein Schulausflug – und es war wohl Pflicht, möglichst allen westdeutschen Schülern die Mauer zu zeigen. Viel interessanter aber waren die langen Nächte im Riverboat, mit Live-Musik auf vier oder fünf Etagen. Mitten in der Frontstadt und ohne Sperrstunde.

Dieses Gefühl, dass es allenthalben aufwärts geht, dass du auf einer großen Woge mitschwimmst, immer goldeneren Zeiten entgegen, das war so stark und zumindest unter der Jugend so allgegenwärtig, dass niemand überhaupt auf die Idee gekommen wäre, der Trend könnte enden oder gar umschlagen.

 

 

Heute sind wir alt geworden, meine geliebte Bundesrepublik und ich.

Es ist viel passiert seither, und wir haben uns durchgeschlagen. Wie es bei alten Ehepaaren so ist, achteten wir aufeinander. Doch seit einigen Jahren entwickelt sie sich von mir weg. Sie spricht noch zu mir, aber nicht mehr liebevoll und zärtlich und glücksverheißend, sondern bösartig, schrullig, fordernd. Das Alte, das Gute, ist wie ausgelöscht.

Was wir uns erarbeitet und aufgebaut hatten, verschleudert sie wahllos an Fremde.

Es fällt mir nicht leicht und ich will ich es mir nicht eingestehen, aber alle Symptome deuten auf eine fortschreitende Demenz. Ehemaliges Wissen, all ihre Erfahrungen und unser komplettes einstiges Wertesystem sind bei ihr wie verschüttet und von Wahnideen überwuchert.

Als hätten alle Gottheiten aus dem Pantheon sich verschworen, ihr einzuflüstern, sie, und nur sie ganz alleine, sei auserwählt und daher verpflichtet, die Welt zu retten.  Sie müsse nur allen Einflüsterungen unverzüglich und mit all ihrer Kraft Folge leisten. Und obwohl sie schon länger schwächelt und sich kaum noch auf den Füßen und den Kopf nicht mehr oben halten kann, rafft sie sich trotz aller Schwäche immer wieder  auf zu unerklärlichen Taten.

Ihren Kampf gegen alles, was sie in ihrem Amoklauf aufhalten könnte, führt sie mit geradezu übermenschlichem Einsatz. Keine Ecke im Lande mehr, wo nicht das grauenvolle Rechts lauert und von ihr zur Strecke gebracht werden muss.

  • Dieses Rechts, das sich verschworen hat, standhaft die deutsche Sprache vor ihren Übergriffen zu bewahren,
  • dieses Rechts, das Pippi Langstrumpfs Vater immer noch als Negerkönig kennen will,
  • dieses Rechts, das einen Mann trotz Strafandrohung auch dann noch Mann nennen will, wenn der sich mit Langhaarperücke, Stöckelschuhen und Reizwäsche als Frau definiert,
  • dieses Rechts, das immer noch nicht glauben will, dass alle Corona-Maßnahmen Schaden vom deutschen Volke abgewendet hätten und mit Hass und Hetze nach einer „Aufarbeitung“ giert,
  • dieses Rechts, das nicht glauben will, dass die Abschaltung der Atomkraftwerke ebenso alternativlos gewesen sei, wie der Verzicht auf russisches Gas und die Öffnung der Grenzen für die Mühseligen und Beladenen aus aller Welt,
  • dieses Rechts, das meint, den Unterschied in der Behandlung deutscher Obdachloser und ausländischer Wirtschaftsflüchtlinge – hier, wenn‘s hochkommt, Wärmestuben, dort großzügige Unter-bringung in Luxushotels – öffentlich anprangern zu müssen,
  • dieses Rechts, das sich fragt, wie viele Milliarden die Ukraine uns schon gekostet habe und noch kosten wird, selbst wenn sie nicht so schnell in die EU aufgenommen werden sollte,
  • dieses Rechts, das nicht aufhören will, Deindustrialisierung, Arbeits- und Bedeutungslosigkeit an die Wand zu malen, immer in der verzweifelten Hoffnung, eines der Argumente könne noch zu ihr durchdringen, sie wieder auf einen gesunden Kurs bringen,

all dieses Rechts ist Ziel ihrer fortgesetzter Attacken, bei denen sie vor nichts mehr zurückschreckt, außer – bisher noch – vor dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren, gegen alle, in denen sie in ihrem weltumspannend-panpatriotischen Wesen Feinde erkennt, weil sie sich weigern, ihr letztes Hemd herzugeben, damit sie den Raumfahrernationen Indien und China noch Entwicklungshilfe überweisen kann.

Tag für Tag mit ihr zusammenzuleben, wird allmählich zur Tortur. Nicht nur, aber auch, weil sie in ihrer Verschwendungssucht längst mehr ausgibt als wir auf unsere alten Tage noch einnehmen. Sie habe noch etliche Sondervermögen in Reserve, sagt sie dann, die könne sie immer noch angreifen. Gleichzeitig greift sie mir mit beiden Händen in die Taschen. Ich könnte ja noch einen Euro vor ihr verborgen halten.  

 

Elegie

 

Und trotzdem liebe ich sie immer noch.

Ja, es ist eine Liebe in der Art der Liebe des pflegenden Angehörigen, der sich an das Gute erinnert, was ihm widerfahren ist, und der sich in der Pflicht fühlt, dieses Gute zu vergelten.

Es ist eine verzweifelte Liebe, in der Gewissheit, dass nichts je wieder gut werden wird. Die Krankheit ist zu weit fortgeschritten. Die Pflege verlängert zwar das Leben, aber eben auch das Leiden.

Es ist mir von wohlmeinenden Freunden schon angeraten worden, sie in ein Heim zu  stecken. Dahin, wo sie gegen eine feste Gebühr jeden Tag und so lange es nötig ist, die exakt nach Minuten und Sekunden bemessene Pflege und Fürsorge erhält, bis mir die Heimleitung eines Tages mitteilen wird, dass sie friedlich dahingeschieden sei.

Aber das geht nicht. Ich bin doch ein Teil von ihr, von dieser Republik, die meine Heimat ist. Geht sie ins Heim, muss ich doch mit. Also nehme ich es auf mich, um meiner Freiheit willen, mit ihr als  Klotz am Bein noch mein eigenes Leben leben zu wollen.

So lange ich noch kann, bleibe ich bei ihr.

So lange ich noch kann, werde ich mich an unsere guten Zeiten erinnern und allen, die es interessiert, davon erzählen.

 

Aus uns beiden wird nichts mehr. Aber vielleicht fällt ja das eine oder andere Wort über unsere Vergangenheit auf fruchtbaren Boden, so dass sich Menschen finden, die sich daran machen, das Gute neu zu erschaffen.

Ohne diese stille Hoffnung würde ich das Jahr 2024 gar nicht erst erleben wollen.

 

Elegie Ende

 

Nun habe ich Ihnen ganz zu Beginn dieses Gedankenganges den Begriff der Treue nahegelegt. Es war die Rede der unverbrüchlichen Bündnistreue des deutschen Kaisers gegenüber Franz Joseph I. von Österreich-Ungarn. Eine Treue, die in die große Katastrophe des 20. Jahrhunderts führte.

Dass dann ein Österreicher aus Braunau am Inn die Deutschen einen Treueschwur auf sich selbst ablegen ließ und diese ihm mehrheitlich folgten, zuerst durchaus begeistert, aufs Ende zu dann eher nur zum Schein, weil Verrätern der Tod drohte, das hat zum Gelingen der unausweichlichen Folgekatastrophe durchaus beigetragen, auch wenn deren Grund schon zuvor – spätestens – mit dem Vertrag von Versailles gelegt worden war.

Seit einiger Zeit ist in Deutschland die „Treue“ wieder hoch im Schwange. Da ist die unverbrüchliche Bündnistreue in der NATO, der folgend Deutschland meinte, auch der Ukraine Treue schwören zu müssen, weil die NATO die Ukraine unbedingt haben will. Diese Treue zur Ukraine, die sich Deutschland mehr als das Zehnfache dessen kosten lässt, was im Lande selbst für die Förderung des Sozialen Wohnungsbaus bereitgestellt wird, hat uns längst wieder in einen Kalten Krieg geführt, der angeblich geführt werden muss, um dem heißen Krieg zuvorzukommen, auf den sich der versammelte Westen mit seinen in hochentwickelten Waffensystemen materialisierten „Werten“ schon nächstes Jahr in einem vier Monate dauernden Manöver, direkt an der Westgrenze Russlands vorbereiten wird.

Nein, nein. Das ist kein Spiel mit dem Feuer. Das ist kein Zündeln an der Lunte. Das dient alles nur der Wahrung unserer Sicherheitsinteressen. Gehen Sie weiter. Hier gibt es nichts zu sehen.

 

Dazu kommt noch das unverbrüchliche Eintreten für das Existenz- und Kriegsführungsrecht des Staates Israel, das bald dazu führen wird, dass deutsche Kriegsschiffe ins Rote Meer entsandt werden, weil die Huthis aus dem Jemen dort Schiffe unter Beschuss nehmen, die sie mit Israel in Verbindung bringen.

Natürlich stehen „wir“ auch in transatlantischer Treue fest zu allen Präsidenten der USA, sofern die nicht Trump heißen, und unsere Treue geht so weit, dass wir uns sogar weigern, ernsthaft die Frage zu stellen, wer denn wohl die Pipelines in der Ostsee ins Wasser gejagt hat. Als stünden sich immer noch Kennedy und Chruschtschow, der Engel und der Satan gegenüber,  was allerdings schon damals nicht so ganz der Realität entsprochen hat.

 

Während der Ex-Kinderbuchautor, der nicht mehr so genannt werden will, bisher nicht davon abgerückt ist, Deutschland zum Kotzen zu finden, sollen die Deutschen eben dieses Deutschlands nicht aufmucken, wenn die im Widerspruch zur StVO (dort heißt es in §37: Rot ist oben, Gelb in der Mitte und Grün unten) regierende Lichtzeichenanlage in wahrer Heldenverehrung für den Ex-Comedian Selenski schwelgt und Unterstützung verspricht, so lange es nötig ist, obwohl ihr die Ukraine im Allgemeinen und die Ukrainer im Besonderen irgendwo vorbeigehen, weil die ganze transatlantische Treue ja nicht die Sicherheit der Ukraine und das Wohlergehen der Ukrainer zum Ziel hat, sondern ausschließlich darauf gerichtet ist, Russland zu schaden.

Hat Angela Merkel vor einem Jahr nicht selbst öffentlich bekundet:

„Und das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit hat auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht.“

Die „Weltwoche“ sinnierte seinerzeit (15.12.2022) über die Rolle Frankreichs:

„Interessanter ist das Schweigen Frankreichs. Dessen Präsident François Hollande nahm an den Verhandlungen teil. Ging auch er mit unlauteren Motiven in die Gespräche? Hatte auch er eine doppelte Agenda?

Man würde es gerne wissen. Aber es ist gut möglich, dass Paris es – anders als Berlin – wirklich ernst meinte. Darauf deuten die Friedensfühler hin, die Frankreich in der gegenwärtigen Krise immer wieder nach Moskau ausstreckt, zuletzt vor ein paar Tagen.

Damit hätte Merkel nicht nur Deutschlands wichtigsten und größten Nachbarn im Osten verprellt, sondern auch den engen Freund im Westen desavouiert.

So ein Geniestreich gelang nur zweien ihrer Vorgänger. Dem Kaiser und dem Führer.“

Nimmt man dem süffisanten Schlusssatz seinen vermeintlich vorherrschenden, scherzhaften Ton und betrachtet ihn ganz nüchtern als Tatsachenbehauptung, ist man ganz nahe an der Wahrheit – und ganz nahe am Aufkeimen einer Zukunft, in der aus dem diplomatischen Verprellen  wieder ein blutiger Krieg erwachsen wird.

 

Ich habe in diesem Artikel auch versucht, Ihnen meine spezielle Treue zu Deutschland nahezubringen und verständlich zu machen.

Diese Treue bezieht sich aber nicht auf Menschen, nicht auf Institutionen, nicht auf Bündnispartner, sondern einzig auf diese großartige Nation im Herzen Europas, die, schon lange bevor der Staat Deutschland entstanden ist, zur Blüte der Kunst und  der Wissenschaften so vieles beigetragen hat, deren Menschen, nicht nur durch die gemeinsame Sprache, sondern auch durch das christliche Wertesystem miteinander verbunden waren, egal, in welche Ränke und Händel sie von ihren Fürsten, Königen und Kaisern auch verwickelt wurden.

So bin ich, in der Überzeugung, Deutschland müsse sich gegebenenfalls verteidigen können, 1969 der Einberufung zur Bundeswehr gefolgt, statt wie etliche meines Jahrgangs nach Berlin zu gehen, wo der Arm der Bundesrepublik nicht hinreichte. Aber ich habe vorher noch einmal den Braven Soldaten Schwejk gelesen und die drei Bände „08/15“  von Hans-Joachim Kirst, und war bereit, zu dienen, aber für Deutschland, nicht für ehrgeizige Offiziere und sadistische Schleifer, nicht als „Kanonier Vierbein“, sondern als „Gefreiter Asch“ und wenn es dumm zugehen sollte, auch als Schwejk.

 

Ich hatte das unverschämte Glück, in diesem Deutschland nunmehr lange 74 Jahre in einer Friedenszeit leben zu dürfen. Ich will mit meinen Kräften und Fähigkeiten dazu beitragen helfen, dass dieser äußere Frieden auch meinen Kindern und Enkeln für lange Zeit erhalten bleiben möge, und ich will dazu beitragen, dass der innere Zerfall aufgehalten wird, dass ein neuer  Anfang gemacht wird, der  uns, den Deutschen, noch einmal viel Arbeit und Anstrengung abverlangen wird, bis die Schäden an der physischen Substanz und die Schäden an der geistigen Verfassung behoben sein werden.

Der Anfang dieses Prozesses wird dann zu erkennen sein, wenn es wieder mehrheitlicher Konsens in Deutschland sein wird, dass einem positiven Konservatismus, verbunden mit dem selbstbewussten Eintreten für unsere nationalen Interessen, nicht mehr länger das Etikett „gesichert rechtsextremistisch“ umgehängt werden wird.

 

Die zunehmend unangenehmer werdenden Umstände des Lebens und Arbeitens in Deutschland werden einen Teil zur Besinnung beitragen, doch das Wiedererwachen der Vernunft sollte auch ohne den materiellen Leidensdruck aus der Mitte des Volkes kommen, das seinen Willen friedlich, aber unmissverständlich artikuliert, das den guten alten Werten wieder zur Geltung verhilft und jenen, die sich andienen, die Geschicke des Landes zu lenken, gar keine andere Wahl mehr lässt, als ihren Amtseid wörtlich zu verstehen und ernst zu nehmen.

Deutschland, als gegenwärtige Manifestation einer Jahrhunderte währenden Entwicklung auf Basis eines gemeinsamen geschichtlichen Erbes, hat den Kaiser und die Monarchie, den Führer und die Diktatur überstanden, ist zweimal auferstanden aus Ruinen …

Soll es jetzt von innen heraus zerbrechen, weil es ausgerechnet unter dem Vorzeichen der Demokratie gelungen ist, die Distanz zwischen Volk und Regierung so groß werden zu lassen, dass eine vernünftige Kommunikation zwischen beiden nicht mehr möglich erscheint und das Verständnis für die Bedürfnisse der jeweils anderen Seite vollständig verloren gegangen zu sein scheint?

 

Holen wir uns unser Deutschland zurück.

Lasst uns jetzt  damit beginnen.

 

Auf ein gutes  neues Jahr 2024

Ihr

Egon W. Kreutzer