FDP auf Ausstiegskurs

Es sieht so aus, als habe Christian Lindner endlich den Weg gefunden, die FDP aus der Ampel so herauszulösen, dass die beiden Koaltionspartner am Ende mit einem Maximum an Gesichtsverlust dastehen, während die FDP als der Weiße Ritter sich aufmacht, die sparsame schwäbische Hausfrau vor dem Schuldturm zu retten.

Obwohl es die Pläne und Ziele der Grünen sind, die Deutschland in eine existenzbedrohende Schieflage gebracht haben, lässt Lindner die Abbruchbirne bevorzugt  auf die SPD niederknallen.

Boris Pistorius, den aussichtsreichen Kandidaten im  Kopf-an-Kopf-Rennen um die Kanzlerkandidatur der SPD, hat er mit kaum mehr als zwei Sätzen vollständig entzaubert. Sinngemäß: „Der hat mehr Geld zu Verfügung als  je ein Verteidigungsminister vor ihm. Damit sollte er doch auskommen können.“

Auch die „größte Sozialstaatsreform seit 20 Jahren“, wie Hubertus Heil sein Baby „Bürgergeld“ bezeichnete, als er es vor weniger als zwei Jahren (10. 11. 2022) noch in den Himmel lobte, wird von der FDP torpediert. Zaghafte Beschlüsse der Koalition zur Korrektur würden nicht ausreichen, tönt FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, dessen Rhetorik klingt, als wollte die FDP aus Bürgergeldempfängern wieder „Personen im Hartz-IV-Bezug“ machen, nur mit noch einmal deutlich verschärften Zugangsbeschränkungen.

 

Die Grünen bedenkt Lindner hingegen nur noch mit flapsigen Kommentaren, wie beim Sommerinterview, als er auf die Frage nach einem Kanzler Habeck ganz trocken antwortete, das wäre ihm ein bisschen zu viel Grün.

Oder wenn er Lisa Paus bloßstellt, wenn er kommentiert: „Die Aussage der Kollegin Paus ist rätselhaft, denn das Ehegattensplitting wird auf keinen Fall abgeschafft.“

 

Die Strategie funktioniert offenbar. Lindner dividiert SPD und Grüne knallhart auseinander. So sehr sich rot und grün auch beim Aushandeln des Koalitionsvertrages unterstützt haben, so wenig  wagen sie es nun noch, sich gegenseitig gegen Lindner  beizuspringen. Da muss jetzt die SPD in ihren Themen genau so für sich alleine untergehen wie die Grünen mit ihren Themen. Nur nicht in den Strudel des Untergangs hineinreißen lassen!

Lindner ist es gelungen, in dieser Koaltion die Richtlinien der Politik in einem weitaus stärkeren Maße zu bestimmen als der Bundeskanzler. Ich kann aber nicht erkennen, dass Olaf Scholz unter dieser Situation leiden würde. Es scheint ihm eher ganz recht so zu sein, vor allem auch, dass die Initiative inzwischen von Habeck auf Lindner übergegangen ist.

Bleibt die Frage offen: Was  will Lindner in Bezug auf die Bundestagswahl 2025  mit dieser Strategie erreichen?

Klar. Hauptziel ist, wieder die 5%-Hürde zu überspringen und in den Bundestag einzuziehen.

Aber was dann?

Für eine Neuauflage der Ampel wird es nicht reichen. Ob sich  grün und gelb unter Merz in einer Jamaika-Koalition wieder vertragen würden? Das möchte ich bezweifeln.

Es sieht für mich nicht so aus, als verfolge Christian Lindner über das Ende dieser Koalition hinaus gezielte koalitionstaktische Ziele. Es sieht für mich so aus, als  wolle sich die FDP mit dem Ende der Ampel und ihrem Ausscheiden aus der Regierungsverantwortung einfach noch einmal „ehrlich“ machen, ihr eigenes Profil wieder herausarbeiten und selbstbewusst vorzeigen – damit ein paar Zehntelprozente in der Wählergunst zulegen und dann für mindestens vier Jahre wieder in die Oppositon abtauchen.

Es ist schwer zu sagen, ob es besser  ist, nicht zu regieren, statt schlecht zu regieren oder schlecht zu regieren, statt nicht zu regieren.

Die FDP hat sich in beiden Rollen versucht.

Was wäre anders gekommen, wenn es anders gekommen wäre?