Wenn der gemeine Christ erst einmal empört ist, dann will er alles Mögliche: Rache, Vergeltung, Strafe, Aufklärung, gerne auch ein Häppchen Rufmord – bloß nicht das, was der christliche Glaube gebietet, nämlich Vergebung.
Da hat es ein alter, schon im Ruhestand befindlicher Priester gewagt, eine Predigt zu halten und den Gläubigen darin nahegelegt, Vergebung zu üben.
Klar. Das haben alle schon einmal gehört, die sich noch zu Gottesdiensten in Kirchen versammeln. Das macht man so. Im Vergeben ist man großzügig – solange die Sünde und der Sünder nur als abstraktes Gedankenkonstrukt auftauchen, lässt sich – ganz ohne innere Beteiligung – auch ebenso abstrakt vergeben.
ABER!
Wenn da ein wirklicher Sünder entdeckt ist, einer der Schändliches getan hat, einer, über dessen Tun und Denken man sich als „Gerechter“ nur empören kann, ja empören muss, wenn man nicht in Verdacht geraten will, man neige dazu, die gleichen Sünden selbst zu begehen, dann kann und darf und soll man doch nicht vergeben – und wenn sich dann einer hinstellt und Vergebung predigt, ja, dann ist der doch pervers! Zumindest aber „null sensibel“ und „arrogant“.
Wie reimte Wilhelm Busch so schön:
„Katholisch werden ist nicht schwer,
katholisch sein dagegen sehr!“
(Gilt auch für Vater und evangelisch!)
Nun, es kostet die tatsächlichen Opfer sicherlich große Überwindung, jenem konkreten Priester zu vergeben, der sie als Kinder und Jugendliche ganz real und brutal sexuell missbraucht hat.
Aber welches Problem haben die gar nicht Betroffenen, diese „Gaffer in der Kirchenbank“ damit, einem Sünder zu vergeben?
Als Jesus an einen Ort kam, wo die Steinigung einer Ehebrecherin stattfinden sollte, wandte er sich an die Gaffer, die sich ihre Steine schon zurechtgelegt hatten, und sprach: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!“
Ja. Nicht jeder ist Gottes Sohn und von so übernatürlicher Gefasstheit, dass er seinen Glauben tagtäglich und unter allen Umständen problemlos leben kann.
Es ist nachvollziehbar, dass sowohl ein Opfer, als auch jemand, der sich gut in die Opfer hineindenken kann, nicht in der Lage ist, dem Täter zu verzeihen.
Es ist aber etwas völlig anderes, und für mich vollkommen unverständlich, wenn ein Priester, der an die christliche Tugend der Vergebung erinnert, weil er die zwei Zeilen im Vaterunser: „und vergib uns unsere Schulden, wie wir vergeben unsern Schuldigern“, nicht nur verstanden, sondern auch ernst genommen hat, dafür beschimpft und zumindest gedanklich gelyncht wird.
Das hat mit dem Glauben, den Jesus gelehrt hat, nichts zu tun. Gar nichts.
Doch der Zeitgeist wütet eben nicht nur im Wirtshaus und im Internet, nicht nur zwischen links und rechts, sondern auch in den Kirchen, zwischen Alt- und Neutestamentlern. „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ hat wieder einmal die Oberhand gewonnen. Das Gebot: „Liebet eure Feinde“, verstößt gegen die selbstherrliche Null-Toleranz-Gesinnung, in deren Namen jede Unmenschlichkeit mit dem Anstrich des Guten und Gerechten versehen wird. Es ist ein Geist des Unverstandes, Stolz darauf, nichts zu wissen, aber aus starkem Gefühl heraus vernichtend urteilen zu können.
Wo jemand erkennt, nicht stark genug zu sein, nicht die Größe zu besitzen, vergeben zu können, ja nicht einmal vergeben zu wollen, ist immer noch alles gut, darf er sich immer noch Christ nennen und darauf vertrauen, dass ihm vergeben werden wird, wenn er ernsthaft darum bittet.
Wenn jemand jedoch glaubt, eine Ermahnung zur Vergebung sei Grund genug, dem Priester, der diese ausspricht, zu erklären, er brauche hier wirklich nicht mehr zu predigen, dann möge der doch bitte – ob nun als Bischof (Felix Genn, Münster) oder als Laie – zuerst einmal versuchen herauszufinden, was und woran er eigentlich glaubt.
!!!!
Und wenn das gelungen sein sollte, möge er
- entweder seine Ämter niederlegen und aus der Kirche austreten
- oder aufhören, solchen unchristlichen Unfug zu reden, der seinen Ursprung im „demokratischen Wahlkampf, im Stimmenfang um jeden Preis“ hat, nicht aber im christlichen Glauben.
Nur Narren verwechseln „Vergebung“
mit „Akzeptanz“ oder „Toleranz“.
Diese Narren sitzen reihenweise in unseren Parlamenten und predigen Toleranz gegenüber Straftätern und Akzeptanz für Straftaten, weil sie das Problem von der anderen Seite her gründlich missverstehen. Die können gar nicht genug vergeben, vergessen und verzeihen und die Sünde, bzw. die Straftaten schönreden!
Von Margarete Bause heißt es, sie habe gesagt: „Nur weil jemand vergewaltigt, beraubt oder hoch kriminell ist, ist das kein Grund zur Abschiebung. Wir sollten uns stattdessen seiner annehmen und ihn akzeptieren, wie er ist. Es gibt Menschenrechte.“
Und Kathrin Göring-Eckardt soll geäußert haben: „Die sexuellen Übergriffe in Schorndorf lassen sich zwar keineswegs entschuldigen, aber sie zeigen einen Hilferuf der Flüchtlinge, weil sie zu wenig von deutschen Fauen in ihren Gefühlen respektiert werden.“
Wir haben ein weltliches Gesetz, und ein göttliches.
Das weltliche Gesetz gilt solange, bis es vom Gesetzgeber geändert wird. Ansonsten ist der Rechtsstaat reif, in der Pfeife der Despoten geraucht zu werden, die sich seiner bemächtigt haben. Daher muss man Frau Bause sagen, sie sei im Irrtum, wenn sie glaube, es gäbe ein Menschenrecht auf Vergewaltigung.
Das göttliche Gesetz gilt, solange unser Glaube stark genug ist. Wenn ein Pfarrer Rau zu dem Schluss kommt, kein Täter habe ein Recht auf Vergebung, dann verdreht er den Inhalt des Glaubens gleich doppelt!
Es ist kein Recht. Es ist ein Akt der Gnade. Ein Akt der göttlichen Gnade, der in der Feier des Hl. Abendmahles jedem zuteil werden kann, der sich ernsthaft darum bemüht.
Will Pfarrer Rau seinem Gott verbieten, einem Sünder gnädig zu sein, will er seinem Gott verbieten, die Worte zu sprechen: „Dir sind deine Sünden vergeben?“
Im Lukas-Evangelium finden sich im 11. Kapitel ab Vers 37 Jesu Weherufe gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten. Sie sind heute aktueller denn je.
11.39 Der Herr aber sprach zu ihm: Ihr Pharisäer, ihr haltet die Becher und Schüsseln außen rein; aber euer Inneres ist voll Raubgier und Bosheit.
11.40 Ihr Narren, hat nicht der, der das Äußere geschaffen hat, auch das Innere geschaffen?
11.41 Gebt doch, was drinnen ist, als Almosen, siehe, dann ist euch alles rein.
11.42 Aber weh euch Pharisäern! Denn ihr gebt den Zehnten von Minze und Raute und allerlei Gemüse, aber am Recht und an der Liebe Gottes geht ihr vorbei. Doch dies sollte man tun und jenes nicht lassen.
11.43 Weh euch Pharisäern! Denn ihr sitzt gern obenan in den Synagogen und wollt gegrüßt sein auf dem Markt.
11.44 Weh euch! Denn ihr seid wie die verdeckten Gräber, über die die Leute laufen und wissen es nicht.
11.45 Da antwortete einer von den Schriftgelehrten und sprach zu ihm: Meister, mit diesen Worten schmähst du uns auch.
11.46 Er aber sprach: Weh auch euch Schriftgelehrten! Denn ihr beladet die Menschen mit unerträglichen Lasten und ihr selbst rührt sie nicht mit einem Finger an.
11.47 Weh euch! Denn ihr baut den Propheten Grabmäler; eure Väter aber haben sie getötet.
11.48 So bezeugt ihr und billigt die Taten eurer Väter; denn sie haben sie getötet, und ihr baut ihnen Grabmäler!
Keine Sorge.
Der Kreutzer gehört weder einer Partei, noch einer Kirche an. Es nervt mich nur, wenn ich hier wie da sehen muss, wie Unwissen und Unverstand um sich greifen, wie Werte und Ordnung zerstört werden, als seien sie ebenso willkürlich in die Welt gesetzt worden, wie sie jetzt in eitlem Aufbegehren abgeräumt werden.
Was ist wohl der Kern des vierten Gebotes? Wo die Väter nur als verachtenswerte alte weiße Männer, die Mütter nur Lustobjekte und Gebärmaschinen wahrgenommen werden, kann es den nachwachsenden Generationen nicht wohlergehen auf Erden.