Was geht mich der Papst an?

Im Grunde sollte mir der Papst egal sein. Ein alter Mann in Rom, angetreten, um an einem ewig unvollendeten Brückenbauwerk für einige Jahre als Pontifex Maximus weiter zu basteln. Es gab Päpste, deren Brücke vom irdischen Jammertal bis hinauf ins himmlische Paradies führen sollte, andere wiederum bauten Brücken wie Belagerungsmaschinen, um die Mauern von Byzanz und Jerusalem überwinden zu können, wieder andere erträumten sich Brücken der Verständigung zwischen der Mutter Kirche und den Abtrünnigen Lutheranern, was es immer schwieriger machte, in dem über Jahrhunderte immer wieder neu ausgerichteten Bauwerk noch die Gestalt einer Brücke zu erkennen.

Franziskus ist nun bemüht, den Graben zwischen den altehrwürdigen Kirchenlehren und den modernen Auffassungen von Liebe, Sexualität und Familie zu überbrücken.

Im Grunde sollte mir der Papst egal sein. Im Grunde sollte ich mich mit allen freuen, die weder von der Kirche, noch von ihren eigenen Vorstellungen  lassen wollen, weil der Papst das Nadelöhr des rechten Glaubens und Lebenswandels so weit aufgebohrt hat, dass auch diese des Himmelreichs anteilig werden können, was zugleich einem posthumen Sündenerlass für alle darstellt, die in früheren Zeiten ob ihres Lebenswandels mit der Exkommunikation zu rechnen hatten.

Und obwohl es mir im Grunde egal sein sollte, gibt es mir zu denken.

Verhält sich Franziskus nicht ein bisschen wie Aaron? Aaron war derjenige, der, während Moses auf dem Berge Sinai die 10 Gebote empfing, dem ungeduldig wartenden Volk zu Willen war und das Götzenbild des Goldenen Kalbes errichtete, wozu geschrieben steht:

Als Aaron das sah, baute er vor dem Kalb einen Altar und rief aus: Morgen ist ein Fest zur Ehre des Herrn. Am folgenden Morgen standen sie zeitig auf, brachten Brandopfer dar und führten Tiere für das Heilsopfer herbei. Das Volk setzte sich zum Essen und Trinken und stand auf, um sich zu vergnügen.“ 

Essen, Trinken und Vergnügen. Brot und Spiele. Volkes Wille. Missachtung des Gesetzes. Chaos. Untergang.

Natürlich ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine alttestamentarische Geschichte handelt, von der man heute zu wissen glaubt, dass sie sich keineswegs so zugetragen hat, dass es sich lediglich um eine sinnstiftende Erzählung handelt, mit der Ereignisse einer einstigen Gegenwart mit der Erzählung aus der noch früheren Vergangenheit erklärt, begründet und auch gerechtfertigt werden sollten. Folglich der Versuch, eigene Schuld auf eine Generation längst verstorbener Vorfahren abzuwälzen.

Doch was würde sich am „Willen Gottes“ ändern, hätte nie jemand diese Geschichte um Aaron und das Goldene Kalb aufgeschrieben, bis sie schließlich in der Bibel landete? Nichts. Man müsste wohl mit der Schere des Zensors sehr viel tiefer schneiden, wollte man an jenen Punkt gelangen, ab dem die Kirche die Erscheinung einer demokratischen Partei annehmen könnte, die sich alle paar Jahre ein neues Programm gibt und Bereitschaft zeigt, auch Koalitionen mit anderen Parteien einzugehen und dafür per Kompromiss Abstriche von eigenen Inhalten und Zielen hinzunehmen.

Es sieht allerdings so aus, als sei Franziskus gewillt, die Schere anzusetzen. Ob es alte Zöpfe sind, die da fallen müssen, oder ob es sich um tragende Elemente in der Statik des Kirchenbaues handelt, wird sich allerdings erst herausstellen, nachdem sie gefallen sind. Zu diesen Akten der Selbstverstümmelung gehört vermutlich auch der Versuch des Franziskus, die trennenden Gegensätze zwischen Christentum und Islam zu überbrücken. Die herausragende Schwierigkeit, dass es nämlich „den Islam“ als monolithische Lehre gar nicht gibt, sondern mehrere, sich bekämpfende Strömungen, auch keinen Würdenträger des Islams, der in der öffentlichen Wahrnehmung einem römisch-katholischen Papst entspräche und als „Verhandlungspartner“ in Frage käme, scheint Franziskus nicht als Hindernis wahrnehmen zu wollen. Auch, dass seine jüngste Ankündigung  zum Umgang der Kirche mit Homosexuellen den Lehren des Islam und den Gesetzen der Scharia Hohn spricht, ficht ihn nicht an. Sollte er so clever sein, durch den Aufbau zusätzlicher Schwierigkeiten seine Verhandlungsposition stärken zu wollen? Meint er, er könne später einmal, durch den Verzicht auf die jetzt gezeigte Großzügigkeit gegenüber Homosexuellen, bei den Mullahs unter Umständen den Verzicht auf die Vielehe erreichen? Strebt er eine große, römisch-katholisch-islamische Koalition an, mit der Option auf eine allheilende Fusion?

Ich weiß ja nicht, was im Kopf eines Papstes so vor sich geht. Von außen betrachtet wirkt es auf mich so, als säße da nicht ein Fels des Glaubens auf dem Stuhle Petri, sondern ein schwankendes Rohr des Zweifels.

Schon bei Jesaja steht übrigens – in Bezug auf den kommenden Erlöser – geschrieben: Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen, bis er das Recht zum Sieg führt.

Irgendwann werden wir vom jenem geknickten Rohr, das bis zum Sieg des Rechts geschont wird, aus Rom sinngemäß zu hören bekommen, was Christian Wulff anlässlich des 20. Jahrestages der deutschen Einheit in seiner Dankesrede mit den Worten: „Der Islam gehört zu Deutschland“, zum Ausdruck brachte, nämlich: „Der Islam gehört zur Christenheit.“

Nun ja, das ist ziemlich unwahrscheinlich. Die Christenheit ließe sich das ja gefallen, wie das Beispiel Deutschland zeigt, aber ob der Islam sich von Rom als der Christenheit zugehörig vereinnahmen ließe, daran sind doch ganz massive Zweifel anzumelden.

Wenn auch nicht eben wirklich wahrscheinlich, aber vergleichsweise doch viel wahrscheinlicher wäre da eine Ansage aus Mekka, die da lautet: „Das Christentum gehört zum Islam.“

Das ist der Punkt, an dem ich zu verstehen beginne, dass mich der Papst doch etwas angeht.

Wenn auch in Deutschland und in vielen Staaten der EU die Säkularisierung weit fortgeschritten ist und eine starke Tendenz zum Atheismus zu beobachten ist: Unsere staatliche Rechtsordnung, unser Selbstverständnis als freie Bürger, baut auf christlich-abendländischen Werten auf. Die Visionen, die Lessing mit seiner Parabel von den drei Ringen zum Leuchten brachte und die heute offenbar in christlicher Demut von Papst Franziskus aufgegriffen werden, sind von der Realität der Gegensätze zwischen Grundgesetz und Scharia zu weit entfernt, um sich nicht vor der nun auch von Rom begünstigten Ausweitung des Einflusses des Islam zu sorgen. Der Weg von der säkular verfassten Bundesrepublik Deutschland zu einem islamischen Gottesstaat auf deutschem Boden ist mit  den wachsenden islamischen Parallelgesellschaften, in denen Friedensrichter nach der Scharia urteilen, während die deutsche Justiz religiöse Motive bei Muslimen strafmindernd anerkennt, doch bereits beschritten – und mit einem wachsenden Anteil der Muslime an der deutschen Bevölkerung wird dieser Trend nur schwer umzukehren sein.

Eines darf dabei nicht vergessen werden: Der Islam ist – zumindest theoretisch – zu unterscheiden in den „friedlichen Islam“ und seinen kriegerisch-missionarischen Arm, den „Islamismus“. Das Christentum hingegen hat seinen kriegerischen Arm, den man vielleicht „Christianismus“ nennen sollte, und der sich in Kreuzzügen, den Ketzer- und Hexenverfolgungen der Inquisition und den mit Feuer und Schwert vorgetragenen Missionierungsfeldzügen, insbesondere in Südamerika, einst stark gezeigt hat, längst verloren. Eine friedliche Koexistenz mit dem Islam wird daher nur möglich sein, wenn auch der Islamismus überwunden sein wird.

Darauf hat Rom nach meiner Einschätzung allerdings keinen Einfluss.

Und sollte tatsächlich der von Juden, Christen und Muslimen angebetete Gott ein und derselbe sein, dann fragt man sich, warum er drei so verschiedene und sich in Teilen stark widersprechende Religionsgemeinschaften geschaffen haben sollte. Ich finde darauf keine befriedigende Antwort.