Versuchen Sie nie, das Selbstbestimmungsgesetz zu Ende zu denken!

Es ist verabschiedet, und Klaus Wowereit würde dazu wohl sagen: „Und das ist gut so!“, und dabei sollten wir es belassen.

Es gibt in jeder Familie ein intensiv pigmentiertes Schaf.

Und, dass Onkel Willi gerne mal mit grell bemalten Lippen im Unterrock aus dem Bad kommt, daran haben wir uns längst gewöhnt. Bis die Episode vorbei ist, nennen wir ihn halt Tante Lilli – und gut ist’s. Dass er jetzt in diesem Aufzug auch auf die Straße darf, ohne öffentliches Ärgernis zu erregen, ist doch prima. Da kommt er wenigstens wieder mal unter Leute.

Das bisschen Mehrarbeit für die Standesämter, ich bitte Sie, dafür soll plötzlich kein Geld mehr da sein? Lächerlich.

Nein, nein. Es kehrt doch nur Normalität ein. Die Realität darf sich entfalten. Außerdem ist Tante Lilli schon zu alt, um noch schwanger zu werden. Solche Probleme sind doch alle an den Haaren herangezogen. Wirklich sportlich war sie auch nie. Mit dieser Figur in die Umkleidekabine der Frauennationalmannschaft? Das würde sich Tante Lilli nicht einmal im Vollrausch trauen. Vom Lebenswandel her ist auch mit einer Haftstrafe nicht zu rechnen. Außerdem würde sie sich auch im Frauenknast gar nicht wohlfühlen. Der ganze Tratsch und Klatsch, das ist nicht ihr Ding.

Also, von mir aus betrachtet, droht keine Gefahr, und ich denke, in 99 Prozent der Familien der inländischen Bevölkerung sieht das ganz genau so aus.

Belassen wir es dabei.

Wer weiter denkt, begibt sich auf sehr dünnes Eis. Nicht wegen der 10.000 Euro Strafe für die falsche Anrede. Mein Gott, was ist das schon? Ein bisschen Bares haben wir doch alle unterm Kopfkissen oder in der Portokasse. Das ist es nicht.

Ich meine, und damit beginnt der gefährlich Pfad …

– TRIGGERWARNUNG!  –

Empfindsame Naturen könnten von den folgenden Ausführung
leicht traumatisiert oder retraumatisiert werden.
Für Ihr persönliches Weiterlesen endet am nächsten Punkt
die Verantwortung des Autors.

Ich meine also, dass das Selbstbestimmungsrecht mit der freien Wahl des Geschlechts ebensowenig ausgeschöpft sein kann, wie die Meinungsfreiheit mit dem Nachsprechen von Tagesschau-Texten. Oder?

Nein, nicht was die Spötter so verbreiten. Nicht so Sprüche, wie: „Er identifiziert sich jetzt als Badewanne und lässt sich regelmäßig volllaufen.“ Das ist doch nur dummes Zeug. So weit kommt es auch nicht. Da bin ich ganz sicher.

Aber, wie wäre es mit dem Hotelgast, der sich als Obdachloser identifiziert und vom Zimmerservice verlangt, dass das Bett gegen eine Parkbank, die Decken und Kissen gegen Altpapier ausgetauscht werden? Gut, in Nobel-Hotels von 600 Euro aufwärts pro Nacht, da werden Wünsche möglich gemacht, da braucht der Gast noch nicht einmal auf sein Selbstbestimmungsrecht hinzuweisen, ein Wink mit der Kreditkarte genügt da völlig. Aber was macht man in einem kleinen Landgasthof, wo das Doppelzimmer pro Nacht – inklusive Frühstück! – noch unter hundert Euro vermarktet wird? Die haben doch gar keine alten Zeitungen mehr, die haben doch längst alle WLAN in den Zimmern, fürs Informationsbedürfnis. Vor  welchem Gericht wird der Hotelgast dann sein Recht auf eine angemessene Menge Altpapier geltend machen.

Der Hotelier kann auch nicht einfach verkünden, dass Gäste, die sich als Obdachlose identifizieren, nicht aufgenommen werden. Das darf er gar nicht. Da verstößt er ganz schnell gegen das Diskriminierungsverbot.

Andererseits kann er sich auch nicht darauf vorbereiten. Wie soll der Hotelier denn erahnen, als was sich seine Gäste im Laufe der nächsten Monate identifizieren werden. Schon an diesem leicht überschaubaren Beispiel öffnet sich ein Abgrund an Unvorhersehbarkeit, neben dem sich die Notwendigkeit, den bärtigen Muskelprotz mit Frau Mönckemiller anzusprechen, um straffrei davonzukommen, doch geradezu lächerlich ausnimmt.

Aber es gibt noch viel problematischere Fallkonstellationen. Einige davon sind schon länger bekannt, wurden bisher aber noch nicht akzeptiert. Da wäre der Brandstifter, der sich als Feuerwehrmann identifiziert und auch regelmäßig mit den Einsatzfahrzeugen ausrückt, der nette junge Mann, der sich als Enkel aller vertrauensseligen Omas identifiziert. Dann die ganzen Verwechslungsspiele, wie „Good Cop, bad Cop“, und so weiter. Sie sehen, die Bandbreite des Selbstbestimmungsrechts weitet sich und wird zum Mündungsdelta, bevor der ganze Ozean der Selbstbestimmung seine Wogen an die Ufer der deutschen Küsten an Nord- und Ostsee rollen lässt.

Da fangen die echten Probleme aber erst an.

Was, wenn ein Glatzkopf wie Kojak, sich als  Samson definiert? Kennen Sie beide nicht? Da hab‘ ich jetzt keine Zeit für. Anderes Beispiel.

Was, wenn ein weißer alter Mann, der die ewigen Anfeindungen satt hat, sich als waschechter Nubier identifiziert? Ich meine, die Tante Lilli, zum Beispiel, da sieht man das ja dran. Lippenstift und Unterrock, und so.  Aber die Hautfarbe der Nubier? Das würde ich niemanden raten, sich täglich ein Vollbad in flüssiger dunkelbrauner Schuhcreme zu gönnen, obwohl das immer noch ginge. Anders, wenn  die Farbe als Tattoo aufgebracht wird, das geht ja nicht mehr weg, wenn er zwölf Monate später  eine neue Identität als Chinese annehmen wollte? Es ist ganz klar, das Signalling muss seine Grenzen haben. Menschen. die mit Low-Signalling-Identities in Kontakt kommen, müssen eben einfach das richtige Gespür haben, und den Nubier entweder von sich aus als „besonders attraktives Nubier_In ohne spezielles Pronomen“ ansprechen, oder einfach in die Ignoranz gehen. Wobei Letzteres keineswegs unbedenklich ist, denn die Schwelle zur Diskriminierung von Minderheiten ist auch dabei schnell überschritten.

Es wird an diesem Argumentationsstrang entlang auch deutlich, dass spätestens jetzt dringend Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich der forensischen Psychiatrie erforderlich werden, um die immer öfter notwendige Unterscheidung zwischen selbstbestimmt angenommenen Identitäten und pathologischen Identitätsstörungen, wie sie bei Borderline-Patienten in eher milder, bei  Schizophrenie-Patienten in extremer Ausprägung vorzufinden sind, sicher treffen zu können. Da der Nachvollzug möglicher früherer Identitäten strafbar ist, sind die Psychiater, um Fehlurteile zu vermeiden, darauf angewiesen, den sekundären Symptomen, auch bei nur schwacher Ausprägung, besondere Beachtung zu schenken.

Es reicht dabei nicht, dass offizielle oder nur öffentliche Bestätigungen für eine Identität vorliegen. Hochstapler sind in den Kreisen, in die sie eingedrungen sind, oft bestens vernetzt, sind aber dennoch weder Adelige noch Ölmagnaten,  Bankdirektoren, Wirtschaftsminister oder Wirecard Manager. Wo da die entsprechende, standesamtlich eingetragene aktuelle Identifizierung fehlt, sind Abklärungen dringend erforderlich.

Nur wer sich eindeutig als das identifiziert hat, was er darstellt, kann und muss auch so gelesen werden, schon alleine zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der sich so Identifizierenden.

Um das besser verständlich zu machen, kehre ich von den Berufsidentifizierenden zurück zu den sich sexuell irgendwie Identifizierenden. Es geht nicht an, dass ein Wesen, das bei seiner Geburt von Eltern, Hebamme und Arzt voreilig als biologisch weiblich gelesen wurde, sich ebenso  gleichberechtigt als Frau ausgeben darf, wie jemand der sich – trotz aller hinderlichen körperlichen Attribute – in einem persönlichen Entscheidungsprozess willentlich positiv für diese Rolle entschieden hat.

Ohne individuelle  persönliche Geschlechtsentscheidung ist der Mensch doch erst einmal divers. Wer sich nicht bemüht, seine Rolle in der Gesellschaft zu finden, der bleibt halt divers.

Das ist der Weg aus dem Dilemma: Wer sich nicht aufrafft, sich für ein Geschlecht zu entscheiden, der hat keines. Bekommt auch keines, darf weder in die Damen-, noch in die Herrenumkleide. Ohne die so definierte Geschlechtsreife ist die Person als minderjährig einzustufen und kann nicht an Wahlen teilnehmen, für die Volljährigkeit vorgeschrieben  ist. Andererseits bleibt die Person im Kindergeldbezug und der Schulpflicht unterworfen …

Ist doch nicht schlimm.

Auch minderjährige Diverse dürfen nicht diskriminiert werden.

Außerdem gibt sich das  mit der Zeit ganz von alleine. Wenn erst einmal eine Mehrheit als divers geboren worden ist, regt sich da niemand mehr  auf. Alles Gewohnheitssache.