Mein Weltfrauentag im Baumarkt

Jedenfalls beginne ich diesen Tag im örtlichen Baumarkt.

Im Baumarkt gibt es noch die klassischen Rollenmuster. Die Männer arbeiten, führen kluge Beratungsgespräche, wissen, wo was steht – und die Frauen kassieren.

Früher, sehr viel früher, als es noch nicht Baumarkt hieß, sondern Eisenwarenhandlung oder Baustoffhandel, als es sich noch nicht um Filialen großer Ketten handelte, sondern um inhabergeführte Einzelunternehmen, waren die ihren Bedarf befriedigenden Männer noch unter sich. Nicht selten wurde am Tresen auch noch fleißig geraucht, während der Zuständige für Kettensägenketten irgendwo im hintersten Regal nach der passenden Kette für das 50 cm Schwert suchte. Frauen gab es da zwar auch, doch saßen die dort beschäftigten Frauen nicht an der Kasse – solche Kassen, wie heute, gab es damals noch gar nicht –  sondern für den Kunden unsichtbar hinter sieben geheimnisvollen Türen im noch geheimnisvolleren Büro, wo sie sich gelegentlich zu viert und zu fünft um den Zugriff auf das eine schwarze Wählscheibentelefon am Schwenkarm heftig streiten mussten.

Die Männer haben ihren Job über die Jahrzehnte nahezu unverändert beibehalten. Sie wissen, wo was steht, führen kluge Beratungsgespräche und wirken arbeitsam. So arbeitsam, dass man sie heute fast noch seltener zu sehen bekommt, als damals die Frauen in ihren hinteren Büros. Wobei „zu sehen bekommen“ noch lange nicht heißt, mit ihnen auch in den erwünschten kommunikativen Kontakt zu kommen.

Ich nehme mir heute einen dieser großen flachen, schwer lenkbaren Wagen, weil ich großflächig einzukaufen gedenke. Nach so einem Lockdown ist die Sehnsucht nach einem vollen Einkaufswagen im Baumarkt sehr groß. Der Versuch, die alte Weisheit: „Gehe nie hungrig in den Supermarkt!“, auf den Baumarkt zu übertragen schlägt fehl. Der Schrauben-Nägel-Lack-und-Bohrhämmer-Magen ist seit Monaten leer!

Außerdem ist Frühling. Muss nicht noch dringend etwas eingepflanzt werden? Ersatz für die eingegangene Klematis vom letzten Jahr? Ein Apfelbäumchen? Tomaten- und Erdbeerpflänzchen?

Irgendwann werde ich den Wagen voll haben, mich in die Schlange vor den Weltfrauentagsbegünstigten einreihen, der mir vom Zufall Zugewiesenen ein Stück nach dem anderen auf das Band so positionieren, dass der Strichcode leicht erkennbar oben liegt, dann auch schnell alles wieder zurück auf meinen Wagen laden, erst die Kundenkarte zücken und dann das Bargeld, und dann darauf achten, wie sich ihre Maske vor Aufregung über die schöne große Rechnung schneller hebt und senkt.

Dann raus auf den Parkplatz. Die hinteren Sitzlehnen umgeklappt, die fünfte Tür am Wagen nach oben gehoben – und die Beute sicher verstaut.

Ein paar hundert Meter weiter lockt die Waschstraße. Kann ich widerstehen?

Wieder die Frau an der Kasse, deren Atem schneller geht, wenn ich sage: „Einmal das volle Programm, bitte!“

Einreihen in die Schlange der Car-Wash-Bedürftigen. Meterweise dem Höllenschlund der Einfahrt näherkommen. Vorgewaschen, schaumgebadet, abgespritzt, politurbetröpfelt, doppelt föhngetrocknet, unterbodengewaschen und felgengeschruppt auf der anderen Seite wieder raus, noch schnell die Außenspiegel wieder abspreizen …

Nee, von Weltfrauentag hab‘ ich noch nichts gemerkt.

Trotzdem: Ein Blumensträußchen für meine Liebe zuhause, über das sie sich sehr freuen wird, das liegt hinten zwischen Wandfarbeimer und LED-Decken-Balkenleuchte-incl.-Leuchtmittel, direkt auf der Schachtel mit der neuen Konturenlehre, die ich bestimmt bald gut gebrauchen kann.

Noch schnell ein Hamburger-Pommes-Softdrink-Menü am Drive-In-Schalter? Bekommt man ja zuhause nicht. Also, ja.

 

Jetzt aber heim. Ziemlich spät geworden. Man hat es auch als Mann nicht leicht. Das sag‘ ich euch!

(Soll niemand glauben, ich hätte das frei erfunden!)