Die ÖDP – Stachel im Fleische

Es könnte so ungefähr 15 Jahre her sein, da plakatierte die ÖDP in Bayern ihr Bild mit dem Reißnagel:

 

Nun hat die fast vergessene und von den Grünen weitgehend als Gründüngung untergepflügte Kleinpartei allerdings wieder einmal den Stachel gezeigt.

Nicht den Reißnagel, wie auf dem Plakat, sondern den Stachel von Bienen, Wespen, Hornissen, sowie die Beiß- und Saugwerkzeuge von Bremsen, Schnaken und anderen blutsaugenden Insekten.

Die ÖDP hat in Bayern ein Volksbegehren aus der Taufe gehoben, dass vom 31. Januar an vierzehn Tage lang in den Rathäusern gezeichnet werden kann.

Ziel: Erhalt der Bienen und aller anderen Insekten, durch regulatorische Eingriffe in die Landwirtschaft.

Man dürfe die bayerische Landschaft nicht den agrarischen Großunternehmen mit ihren von Horizont zu Horizont reichenden Monokulturen überlassen, sondern die kleinbäuerlichen Kleinstrukturen erhalten und fördern, zusammenhängende Schutzgebiete schaffen, Gewässerrandstreifen aus der Bewirtschaftung nehmen, bienenschädliche Chemie von den Äckern und Weinbergen verbannen, denn ohne Bienen und andere an der Befruchtung von Nutzpflanzen beteiligte Insekten, könnten nicht nur die Erträge einbrechen, Insektenschutz sei zugleich auch Vogelschutz, und nicht zuletzt gäbe es noch vieles andere Kleingetier, das auf Insektennahrung angewiesen sei.

So ungefähr der Tenor des ersten Berichtes, der mir dazu heute unter die Augen kam: Süddeutsche Zeitung – Im Insektenhotel wird es still

Jeder, der schon vor vierzig Jahren ein Auto fahren durfte, kann sich erinnern, dass im Sommer ein harter Schwamm benötigt wurde, um die Windschutzscheibe praktisch nach jeder Fahrt von mehr als 30 Kilometer von daran zerplatzten Insektenleichen zu reinigen. Das ist vorbei. Selbst nach 600 Kilometern ist die Ausbeute an gekillten Insekten an Scheinwerfern, Kühlergrill und Windschutzscheibe kaum noch der Rede wert. Natürlich gibt es dafür auch eine physikalische Begründung: Die Formgebung heutiger Automobile ist sehr viel aerodynamischer als früher, ein Teil der früher eingesammelten Insekten wird heute vom Luftstrom einfach mitgerissen und „umgleitet“ das Fahrzeug. Die Überlebensschance dürfte dabei etwas höher sein, als beim Aufprall – aber nichts Genaues weiß man nicht.

Vogelschützer, die sich vor nicht allzulanger Zeit noch sehr kritisch der so genannten Ganzjahresfütterung widersetzten, weil die Vögel ihre natürlichen Nahrungsquellen sonst vernachlässigen, sich also ungesund ernähren würden (der Meisenknödel als der Hamburger der Gefiederten), und so auch anfälliger für Krankheiten und u.U. sogar unfähig, Junge aufzuziehen, haben ihre Empfehlungen geändert. Wo es nicht genug Insekten gibt, sei eine Ganzjahresfütterung am Futterhäuschen geboten, heißt es jetzt.

Dies alles bedenkend, gelangte ich zu dem Schluss, das Volksbegehren sei eine nicht nur sinnvolle, sondern sogar wichtige Initiative. Mitmachen geboten.

Doch dann las ich, was unser fränkischstämmiger Ministerpräsident dazu denkt, und da kamen mir schon wieder arge Zweifel.

„Schwere Verwerfungen“ in der Landwirtschaft seien zu befürchten. Kleinbäuerlichen Betrieben würde die Lebensgrundlage entzogen – hoppla! Was sieht der Landesvater  da auf uns zukommen? Wo im Volksbegehren hat er diese Gefahren gewittert?

Zugleich äußerte sich auch die Bundesagrarministerin Klöckner, ihr Ministerium werde die Initiative nicht unterstützen.

Beides hier nachzulesen: Bayerischer Rundfunk

Dann las ich die weisen Worte des bayerischen Bauernpräsidenten. Artenvielfalt sei im Interesse der bayerischen Bauern, aber das Volksbegehren sei der falsche Weg dahin! Vor allem würden die Initiatoren des Volksbegehrens die Naturschutzleistungen der Bauern verschweigen. Das ist schon ein hammerharter Vorwurf! Aber noch härter ist der Vorwurf, würden die Forderungen durchgesetzt, müssten die Bauern verarmen, weil dann einige förderrechtliche Grundlagen für den finanziellen Ausgleich wegfallen.

Auch dies hat der Bayerische Rundfunk dankenswerter Weise öffentlich  gemacht.

Die Meinung der bayerischen Grünen wurde weniger intensiv verbreitet. Die musste ich mir erst mühsam ergoogeln – und, die Grünen haben ihre parteitaktischen Überlegungen über Bord geworfen, oder hoffen, als die in der ersten Reihe Marschierenden wahrgenommen zu werden, und unterstützen das Volksbegehren der ÖDP mit aller Kraft.

So steht es auf der Website der Grünen zu lesen.

Und der Hog’n, das Onlinemagazin aus’m Woid, verbreitet die Information, dass CSU, FDP, Freie Wähler (der Aywanger!) und die AfD das Volksbegehren nicht unterstützen.

Es besteht jedoch kein Grund zur Aufregung.

10 Prozent der Stimmberechtigten also rund 950.000 Bayern müssten sich eintragen. Ob das geschafft wird? Da müssten sich schon ein paar CSU- und Freie-Wähler-Wähler, und etliche der Öko-, Bio- und Kleinbauern dafür entscheiden, obwohl ihnen, laut Söder und Bauernpräsident nur Unheil droht. Werden die notwendigen Stimmen nicht erreicht, ist der Ofen erst einmal aus.

Sollten die Stimmen erreicht werden, könnte der Landtag rein theoretisch  den mit dem Volksbegehren vorgelegten Gesetzentwurf annehmen. Die Regierungsmehrheit von CSU und Freien Wählern wird allerdings ablehnen.

Der Ablehnung folgt der Volksentscheid. Alle bayerischen Wahlberechtigten müssten zu den Urnen gerufen werden und abstimmen. Erhält der Gesetzentwurf dann eine Mehrheit, ist er zum Gesetz zu erheben.

Vermutlich wird die bayerische Staatsregierung aber wieder einmal einen eigenen Gegenvorschlag einbringen und beim Volksentscheid mit zur Abstimmung stellen. Dafür wird dann massiv geworben, um die minimalen Zugeständnisse als einen „Mia-san-mia-Wahnsinn!“ hinzustellen, auf den alle Bayern, einschließlich der Franken, mächtig stolz zu sein haben.

Ich geh‘ zum Unterschreiben.