Das Sterben der Pflegeheime

Mit 3.000, 4.000 oder 5.000 Euro pro Monat wird zur Kasse gebeten, wer sein Leben im Pflegeheim verbringen darf, bzw. muss. Die Zahlungen der Pflegekasse decken das nicht ab, so dass von der Rente nur selten mehr übrig bleibt, als das vorgeschriebene Taschengeld. Was dann noch nicht gedeckt ist, holt sich irgendwann das Amt von den Unterhaltspflichtigen, also den Kindern, so vorhanden.

Wo das viele Geld bleibt und wofür es ausgegeben wird, diese Frage wird in der öffentlichen Debatte kaum einmal gestellt. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass die als Kapitalanlage angebotenen Beteiligungen an Pflegeheim-Fonds, die in der Regel für den Beginn des Engagements in die nächste neu aus dem Boden zu stampfende Einrichtung, hohe steuerliche Vorteile und für die Nutzungszeit respektable Renditen versprechen, nicht dafür geschaffen sind, die bestmögliche Betreuung der Pflegebedürftigen und die angemessene Bezahlung des Personals sicherzustellen.

Doch da scheint jetzt eine rote Linie überschritten worden zu sein.

Alleine im Januar haben zwei große Pflegekonzerne das Handtuch geworfen und Insolvenz angemeldet.

Davon betroffen sind

22.000 Heimbewohner in rund
140 Einrichtungen von Convivo und Curata und
7.800 Mitarbeiter.

Die Ursachen dafür werden mit

  • unzureichender Auslastung (Convivo: nur noch 70%, statt 95% in der stationären Pflege) 
  • Fachkräftemangel
  • Personalkostensteigerung durch Verpflichtung, nach Tarif zu zahlen, seit 09/2022
  • hohe Kosten für Mieten und Leasinggebühren
  • gestiegene Energiekosten und allgemeine Inflation

angegeben.

Es ist betriebswirtschaftliche Notwendigkeit und zudem strafbewehrte Pflicht, im Falle von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenz anzumelden.
Nun könnte man das abwiegelnd so betrachten wollen, dass halt „die Konkurrenz“ das Geschäft belebt und bessere Angebote machen kann, so dass ungesunde Unternehmen schlicht und einfach, auch zum Wohle der Kundschaft, vom Markt verschwinden.

Dem ist aber nicht so.

Was wir hier sehen ist der Anfang vom Ende einer einst äußerst lukrativen Branche, die insgesamt von den veränderten Rahmenbedinungen  schwer und offenbar unvorbereitet getroffen wurde. Ich verweise noch einmal auf meine gestrige Auswertung der Betriebsaufgaben, Insolvenzen und Arbeitsplatzverluste aus den letzten 6 Monaten. Neben einer beängstigend großen Zahl von Kliniken und anderen Einrichtungen der stationären Gesundheitsversorgung, waren auch dort diese Senioren- und Pflegeheime aufgelistet:

AWO, Ostwestfalen-Lippe, Sozialträger, der Rotstift schlägt zu. Die AWO zieht sich aus 1 Berufskolleg, 3 Wohnanlagen, 1Frauenschutzzentrum, mehreren Kitas zurück und kann so auf 200 Mitarbeiter verzichten

Marienhaus GmbH, Köln,  Seniorenzentrum St. Josefshof, das Haus wird geschlossen

Alveslohherhof, Alveslohe, Seniorenheim, hat den Betrieb eingestellt

Kursana, Regensburg, Altenheim, wird geschlossen

Haus Adelby, Flensburg, Pflegeheim, muss Insolvenz anmelden

Martha-Stapenhorst-Heim, Bielefold, Seniorenheim, hat Insolvenz beantragt.

Haus Am Lehmanger, Braunschweig, Pflegeheim, hat Insolvenz beantragt

Am Kurpark, Bad Soden, Seniorenwohnzentrum, wird per 31.3.23 geschlossen

 

Das ist doch verrückt!

Da wird seit vielen Jahren über den Pflegenotstand geklagt, der allerdings mehr umfasst als nur die stationären Pflegeplätze.

Doch gerade dazu hat das RWI-Institut erst vor gut einem Jahr erklärt: Es fehlen Hunderttausende Pflegeplätze, alleine bis 2040 sei ein Zubau von 322.000 neuen Pflegeplätzen erforderlich, was einen Investitionsaufwand von 125 Milliarden Euro bedeute –

und nun rutschen die Einrichtungen reihenweise in die Insolvenz, nachdem,
wie ebenfalls das RWI berichtet, schon 2019 jedes vierte Pflegeheim Verluste geschrieben hat.

Es ist Zeit, sich auf die Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung einzurichten.
Denn der Staat, der eigentlich verpflichtet ist, die Investitionen für die Errichtung und Ausstattung der Einrichtungen zu tragen, tut es nicht und wird es nach Wumms und Doppelwumms in Zukunft noch weniger können.

Und das kommt dabei heraus:

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