NNE – Net News Express – ein vorgezogener Nachruf

Am 30. November 2023 – knapp 15 Jahre nach dem Start – wird sich NNE aus dem Internet verabschieden.

Ich bin davon gleich dreifach betroffen und sehe mich daher berechtigt, wenn nicht gar berufen, als Erster das Wehklagen anzustimmen.

1. Verlust einer wichtigen, umfassenden und kritischen Informationsquelle

Seit einer gefühlten Ewigkeit steht NNE bei meiner täglichen ersten Informationsrunde am Morgen an erster Stelle. Wie kein anderes, mir bekanntes Newsportal verschafft NNE einen umfassenden Überblick über die aktuellen Ergeignisse, wobei eben nicht die Einordnungen und Wertungen des Mainstreams wiedergegeben werden, sondern die Kommentare jener freien Geister, die mit ihren Blogs die Hintergründe beleuchten und immer wieder da einen Kontrapunkt setzen, wo die offizielle Melodie gar zu monoton und weichgespült erklingt. Viele Anregungen für eigene Aufsätze habe ich bei NNE gefunden, gelegentlich auch Anlass zu einer Widerrede, wenn ich mit den dort gefundenen Kommentaren überhaupt nicht einverstanden war.

Auf diese Quelle werde ich, sobald ich das erste Türchen des diesjährigen Adventskalenders öffne, nicht mehr zugreifen können. Ich werde es aber kaum schaffen, täglich hunderte von Blogs abzugrasen, hunderte von Artikeln anzulesen, um selbst die Spreu vom Weizen zu trennen, wie das NNE bisher für mich ganz diskret erledigt hat. Natürlich gibt es auch andere „News-Portale“, doch dabei handelt es sich entweder um automatisch generierte Seiten, die kaum mehr als die Titelseiten der Mainstream-Medien präsentieren, wie z.B. Google News, oder um „Autorenkollektive“ wo die immer gleichen Stimmen sich unter einem gemeinsamen Dach versammelt haben und abwechselnd – mit täglich kaum mehr als einer Handvoll Artikeln – ihre Meinungen kundtun, wie z.B. bei der „Achse des Guten“ oder bei „Tichy’s Einblick“. Aber den Überblick, so umfassend, seriös und ausgewogen, wie ihn NNE verschafft hat, habe ich anderswo nicht wieder entdeckt.

2. Verlust einer Plattform zur Verbreitung meiner eigenen Artikel

Jeder Blog ist nur so erfolgreich, wie es die Links erlauben, die von anderen dorthin gesetzt werden. Dabei wechseln die „Partner“ immer wieder einmal. Eine  Zeit  lang war ich zum Beispiel regelmäßig bei EPOCH TIMES vertreten, hatte meine Auftritte „Hinter den Schlagzeilen“ bei Roland Rottenfußer, doch nirgends war es mir vergönnt, über viele Jahre durchgehend verlinkt zu werden, wie bei NNE. Gut zehn Prozent meiner Besucher erreichten mich über NNE. Wie viele davon über die Jahre meinen Blog direkt gebookmarkt haben, also in der Statistik nicht mehr als „Von NNE gekommen“ erfasst wurden, weiß ich nicht zu sagen, doch denke ich, dass auch das nicht wenige sind.

Ja. Ich werde NNE als Multiplikator meiner Texte vermissen und einen Einbruch in meiner Besucherstatistik feststellen, der so leicht nicht wieder auszubügeln sein wird.

3. Verlust privater Freiräume

Was nur Teilen der NNE-Besucher bekannt sein dürfte: Das Büro der NNE-Chefredaktion und mein Büro befinden sich im gleichen Gebäude, auf der gleichen Etage.

 

Wir arbeiteten bisher mehr Wand an Wand als Hand in Hand, wie die Skizze der Räumlichkeiten zeigt.

Allerdings hatten wir tagsüber kaum Berührungspunkte. Frau Kreutzer erschien täglich, man konnte die Uhr danach stellen, gegen 6.30 Uhr in ihrem Büro und verließ es meistens erst nach 19 Uhr wieder. Begegnungen gab es praktisch nur, wenn wir gleichzeitig zum Rauchen an die frische Luft gingen. Manchmal trafen wir uns auch zufällig beim Mittagessen im Restaurant „Bei Wolfgang“. Da wurden schon auch einmal ein paar Worte gewechselt, und wenn bei NNE der Computer streikte, durfte ich versuchen, ihn mit guten Worten wieder zum Laufen zu bringen, aber im Großen und Ganzen hatte ich nichts mit ihr zu tun und konnte meinen Tag nach Lust und Laune selbst gestalten.

Das wird sich nun ändern.

Julie wird sich daran erinnern, dass wir verheiratet sind. Nicht, dass sie das vergessen hätte, es bestand nur kaum Gelegenheit, wie ein altes Ehepaar zusammenzuhocken, die alten Fotoalben durchzublättern und von vergangenen Tagen zu schwärmen. Ab dem ersten Dezember hat sie aber nichts mehr zu tun. Nun ja, nicht gleich und nicht gar nichts. Erst einmal wird sie sich über alles hermachen, was sie schon immer machen wollte. Aber das dauert ein paar Tage – dann wird so etwas wie Langeweile einkehren, und dann wird eher sie es sein, die sagt:  Komm, lass‘ uns was gemeinsam unternehmen.  Und, was soll ich machen? Ich werde dem nachgeben müssen, und dann ist es vorbei, mit dem entspannten Dasein. Da muss ich dann sehen, wo ich die Zeit hernehme, für meine diversen Spielereien und der halben Stunde stillen Nichtstuns, die ich zwischen die Arbeit an meinen Artikeln bisher immer einschieben konnte. Wenn es dumm zugeht, werde ich womöglich selbst kaum noch zum Schreiben kommen. Ich muss zugeben, davor graut es mir.

Allerdings sollte ich wirklich nicht so egoistisch sein.

Es könnte ja auch Vorteile haben.

  • Zum Beispiel den, dass wir endlich wieder einmal, eigentlich erstmals, einen gemeinsamen Urlaub ins Auge fassen könnten. Bisher war die maximale Abwesenheit Julies auf vier Tage beschränkt, und das immer nur an nachrichtenarmen Feiertagen, also zum Beispiel von Gründonnerstag bis Ostersonntag.
  • Zum Beispiel den, dass Julie ihren Stress abschütteln und selbst wieder ein bisschen zur Ruhe kommen und zu sich selbst finden kann, was dann auch für mich eine stressabbauende Wirkung haben wird.
  • Zum Beispiel den, dass sich unser Tagesablauf nicht mehr am Zeitplan der NNE-Aktualisierungen orientiert, sondern alles etwas lockerer, spontaner und damit einfacher werden wird.

Ach, ich weiß es nicht.

NNE war eine tolle Seite,
die ich sehr vermissen werde. Schade.

NNE war eine tolle Seite,
die von einer tollen Frau jahrelang ganz alleine betreut wurde.

NNE wird bald Vergangenheit sein.
Die tolle Frau aber, wird mir bleiben.