Ist es wirklich Krieg?

Ein Gedicht eines Israelis, veröffentlicht 2006, entstanden wohl schon früher, verfasst auf Englisch,

soll der Antwort auf die Fage: „Ist es wirklich Krieg?“, vorangestellt werden.

Synopsis Synopse
There are no happy endings
There are no tears of joy
The sun can burn
Nein, es gibt kein Happy End
Nein, es gibt keine Freudentränen
Und keine Sonne, die sie wegbrennen könnte
Happiness is a state
Gloom is a feeling
Rain cleanses the filth
Glück ist nur ein Zustand
Trübsinn, das ist ein Gefühl
Regen wäscht den Dreck weg
We  ar all waiting
Some are running
Clouds protect
Wir alle warten
Manche rennen
Wolken schützen
We fight in our dreams
Restless nights
Tornados pass us by
Wir kämpfen in unseren Träumen
Unruhe erfüllt die Nächte
Tornados ziehen an uns vorbei
Sadness is common
A smile is an effort
Death is our finality
Traurigkeit ist überall
Jedes Lächeln strengt an
Der Tod ist unsere Bestimmung

(Original und Übersetzung sind urheberrechtlich geschützt)

Es sind Gedanken, die einen Eindruck davon vermitteln, wie es sich anfühlt, als Feind inmitten von Feinden wahrgenommen zu werden, jederzeit mit Angriffen, Tod und Vernichtung rechnen zu müssen, ohne einen Ausweg erkennen zu können.

Es sind Gedanken, die weder hinter dem fröhlichen Treiben an sonnigen Tagen am Strand, noch im aufgeheizten Klima der Diskotheken des Nachts, je ganz verschwinden, die nur betäubt, nur vergessen werden wollen, aber den Hintergrund des Lebens bilden, in einer Region am Mittelmeer, die mit Jerusalem als Zentrum nicht weniger als drei Weltreligionen hervorgebracht hat.

Ist es Krieg?

Wie hätte ein Palästinenser sein Lebensgefühl zum Ausdruck bringen sollen, wenn nicht mit ähnlichen, fast wortgleichen Klagen? Als Feind, vom Feind umgeben und eingezäunt, jederzeit mit Übergriffen, Angriffen, Vertreibung, Tod und Vernichtung rechnen zu müssen, ohne einen Ausweg erkennen zu können?

Nein. Es ist kein Krieg.

Es ist ein unauflöslich erscheinendes, unaufhörlich sich wiederholendes Unheil. 

Ein so niederschmetterndes Unheil, dass der Tod, in jedem Versuch, es zu besiegen, tausendmal besser erscheint, als es ohne Wehr und Gegenwehr zu erdulden.

Nein. Es ist kein Krieg.

Einen Krieg kann man beenden. Aus einem Krieg kann eine Nachkriegsordnung hervorgehen. Aus einem Krieg kann Frieden, ja sogar Freundschaft erwachsen.

Ein Unheil kann nicht beendet werden, ein Unheil bringt keine Ordnung und auch keinen Frieden hervor.

Tel Aviv, schon 1909, lange vor der Staatsgründung Israels als erste jüdische Stadt in Palästina von Einwanderern gegründet, mag mit den Ausschlag dafür gegeben haben, dass das Britische Empire Palästina, damals noch unter der Herrschaft des Osmanischen Reiches stehend, eroberte. Dem folgte die Balfour-Deklaration, mit  der die Briten  die Garantie für eine Heimstätte des jüdischen Volkes in Palästina abgaben. 1922 erteilte der Völkerbund den Briten schließlich das Mandat für Palästina, einschließlich Jordanien. Weiterlesen bei Wikipedia.

Selbst wenn man den Briten des beginnenden 20. Jahrhunderts nur die allerbesten Absichten unterstellt, muss man rückblickend feststellen, dass das Experiment der Ansiedlung kulturfremder Menschen nach gewaltsamer Eroberung des vorgesehenen Landstrichs einen neuen Brandherd auf dieser Erde geschaffen hat, der – wie ein aktiver Vulkan – in unregelmäßigen Abständen zu immer neuen, nicht präzise vorsagbaren Eruptionen von Gewalt und Tod führt und auch durch noch so viele Verteidigungsmaßnahmen nicht gebändigt werden kann.

Man muss sich heute die Frage stellen, ob Möglichkeiten der Annäherung bestanden hätten, ob Chancen zur Integration ungenutzt geblieben sind, ob Palästina, hätten es die Juden den Osmanen abgekauft, so wie die USA Alaska von Russland gekauft haben, heute ein friedlicher Landstrich namens Israel wäre, doch fällt die Antwort darauf ausgesprochen schwer. Es bleibt ja immer noch das Trauma des Holocaust, das die Juden bis heute begleitet, und ihr „Nie wieder!“ hervorgerufen hat. Ein „Nie wieder!“, das mit größtmöglicher Aufrüstung und Wehrhaftigkeit unangreifbar machen und mit Kernwaffen die maximale Abschreckung auslösen soll.

Die aktuellen Ereignisse zeigen, dass dies nicht bzw. nur bedingt funktioniert.

There are no happy endings
There are no tears of joy
The sun can burn

Sie wissen es. Beide wissen es.

Doch damit nicht genug. Die Welt ist viel zu klein geworden als dass es nicht alle wüssten. Der Iran weiß es, die Ägypter wissen es, die Saudis wissen es, die Briten wissen es, die USA wissen es, in Russland weiß man es, und alle, die einen Brandherd brauchen, und sei es nur, um von einem anderen Brandherd abzulenken, wissen sich seiner zu bedienen. Nur die Deutschen wollen es nicht wissen, fühlen sie sich doch an allem Leid der Welt schuldig, stehen in unverbrüchlicher Treue zu Israel und dem Existenzrecht des Staates Israel, unterstützen aber auch die Palästinenser und helfen nach jeder gewaltsamen Zerstörung im Gaza-Streifen und in der Westbank mit reichlich Hilfsgeldern beim Wiederaufbau.

Was hat der Mossad gewusst? Die Frage führt zu nichts. Vermutlich haben Mossad und Netanjahu alles gewusst, nur nicht den genauen Termin. Die Landung der Alliierten war von der Wehrmacht auch erwartet worden, die Truppenkonzentrationen in England waren niemandem entgangen, nur rechnete man eben damit, dass die Landung a) bei Calais und b) erst unter besseren Witterungsbedingungen erfolgen würde, und ging folgerichtig irrtümlich davon aus, der Angriff in der Normandie sei nur ein Scheinangriff zur Ablenkung.

Es ist kein Krieg. Es ist ein Unheil.

Dieses Unheil hat einen fraktalen Charakter. Wir sehen ein ineinander verschachteltes, sebstähnliches Gebilde von Fremdkörpern.

Ölreiche arabische Staaten als Fremdkörper in einer Welt westlicher Werte
umschließen Israel als Fremdkörper innerhalb des arabisch-muslimischen Kulturkreises,
wobei wiederum Israel die Palästinenser als Fremdkörper im eigenen Staat ansieht
und diese wiederum wechselseitig Hamas und Fatah als Fremdkörper ansehen.
Es nimmt nicht Wunder, dass dann innerhalb der Palästinenser eine Friedensaktivistin wie Farhat Naser, die nicht an Hass als Lösung glauben will, wie ein Fremdkörper erscheinen muss.

Nach aktueller Nachrichtenlage gehe ich davon aus, dass die Hamas schon morgen, spätestens am Freitag die weiße Fahne zeigen wird. Israel wird den Gazastreifen danach mit Bodentruppen durchkämmen, es wird noch zu vereinzelten Scharmützeln kommen, doch auch die Strom- und Wassersperren werden aufgehoben und die Zufuhr von Hilfsgütern – zwar kontrolliert – wieder zugelassen werden.

Danach folgt das Warten auf den nächsten großen Ausbruch.

Vom Autor des vorangestellten Gedichts stammt auch die folgende Frage aus den Tagen eines vorhergegangenen Ausbruchs:

„When you contemplate the amount of energy, ressources, money and ingenuity our enemies have put into planning this war, you can’t help but wonder. If the palestinian cause really was their primary concern why didn’t they use those ressources an help them build an economically viable country?“

(Wenn man bedenkt, wie viel Energie, Ressourcen, Geld und Einfallsreichtum unsere Feinde in die Planung dieses Krieges gesteckt haben, kommt man nicht umhin, sich zu wundern. Wenn die palästinensische Sache wirklich ihr Hauptanliegen war, warum haben sie diese Ressourcen nicht genutzt, um ihnen beim Aufbau eines wirtschaftlich lebensfähigen Landes zu helfen?)

Man kann diese Frage allerdings mit der gleichen Berechtigung auch an Israel richten. Wenn Frieden und Sicherheit so wichtig sind, warum wurden die für das Militär aufgewandten Ressourcen nicht zu einem Teil genutzt, um den Palästinensern beim Aufbau eines wirtschaftlich lebensfähigen Landes zu helfen?

Es ist ein Unheil.