Großer deutscher Sportvermarkter vor dem Abgrund

Die „FC Bayern München AG“ steht vor dem schwierigsten Jahr seit ihrer Gründung vor 22 Jahren.

Die wirtschaftlichen Kennzahlen sind schlecht. Die Erholung nach den beiden Pandemiejahren ist zwar sichtbar, aber eben noch lange nicht in Fahrt gekommen. Das Jahresergebnis – Corona Jahre ausgenommen – ist das schlechteste seit der Spielzeit 2011/12, in der nur 11,1 Millionen übrig geblieben sind, doch das waren immerhin noch 3 Prozent Umsatzrendite. 2021/21 wurde ein Ergebnis von 12,7 Millionen erwirtschaftet, aber das waren nur noch 1,9 % vom Umsatz, der in den vergangenen 10 Jahren von 373,4 auf 665,7 Millionen Euro angewachsen ist. Ein Vergleich mit den wirklich guten Jahren von 2015 bis 2018/19 mit Ergebnissen von 30 Millionen und mehr, 2018/19 sogar 52,5 Millionen, zeigt deutlich, dass die Erfolgsgeschichte danach in sich zusammengebrochen ist.

Mit Müh‘ und Not ist den Kickern des FC Bayern in der letzten Spielzeit, buchstäblich in letzter Minute noch gelungen, die Meisterschale des deutschen Bundesligafussballs zu erringen. Dies erinnert fatal an ein Geschehen am anderen Ende der Tabelle, wo es dem HSV zuletzt nur mit Müh‘ und Not noch gelungen ist, sich über die Relegation den Liga-Erhalt zu sichern, bis eben auch das am 12. Mai 2018 nicht mehr gelungen ist.

Die Zahl der „Problembären“, die mit dazu beigetragen haben, der Mannschaft das „Mia san mia Gefühl“ auszutreiben, ist groß. Hier können nur die wichtigsten erwähnt werden, die seit der Ära Hoeness-Beckenbauer von der Substanz gezehrt haben, von der so viel da war, dass erst in der letzten Saison sichtbar wurde, dass der vielfache Meister inzwischen auf dem Zahnfleisch daherkommt.

Beginnen wir mit den Trainern. Der Fehlschlag mit dem hochgejubelten, aber ergebnisschwachen Jürgen Klinsmann, der von der Mentalität her einfach nicht zu den Bayern-Spielern passte, wurde noch schnell überstanden. Mit Niko Kovac, dessen Gastspiel beim FCB nur vier Monate dauerte, begann die jüngste Serie der Trainerfehlbesetzungen. Ihm folgte Hansi Flick, der den Bayern wieder das Siegen beibrachte, doch Flick war für die FC Bayern Bosse offenbar nicht standesgemäß genug. Ein von Kovac „mitgebrachter Co-Trainer“ konnte nur eine Notlösung sein. Danach musste unbedingt wieder eine strahlende Siegerfigur her, und die schien mit Julian Nagelsmann gefunden. 

Ein Zeichen dafür dass, der Vorstand, insbesondere der Sportvorstand Hassan Salihamidzic, einst als  Zögling von Uli Hoeness zum FCB gekommen, jedes Gefühl dafür verloren hatte, welchen Typus Trainer eine von den Erfolgen der Vergangenheit mit Selbstbewusstsein bis zum Stehkragen angefüllte Mannschaft braucht, um ihr Potential auszuspielen. Einer, der auf der Erfolgsleiter zwar weit, aber noch lange nicht bis ans oben gekommen war, und – selbst hungrig bis gierig – gekommen ist, die anderen anzutreiben,  ist nicht der Mann, der einen Spieler, der die eigenen Stärken kennt und weiß, dass sie allemal ausreichen, um die Meisterschaft erneut einzufahren, mit der Taktik von Zuckerbrot und Peitsche noch motivieren könnte. Eher im Gegenteil. Julian Nagelsmann war nicht „Mia san mia fähig“.  Als sich der Verein Ende März 2023 von ihm trennte, war eigentlich schon alles zu spät. Der frisch ins Boot geholte Thomas Tuchel konnte die Mannschaft zwar motivieren, wenigstens noch die Meisterschale zu gewinnen, doch,  dass mit dem Gewinn der Meisterschaft Salihamidzic und Oliver Kahn aus dem Vorstand ausschieden, in dem neben den beiden Bankern, Jan Christian Dreesen und Michael Diederich , sowie dem Marketing Mann Andreas Jung, nun niemand mehr mit Fußballerblut vertreten ist, ist ein weiteres Zeichen für die Trennung zwischen dem Management, das an Rendite interessiert ist, und den Spielern, denen es auf fußballerische Erfolge und persönliche Weiterentwicklung ankommt.

Nun wäre es möglich, dass eine Mannschaft siegt, obwohl der Vorstand ihr dies nicht gerade leicht macht. Beim FCB kommen in dieser Saison aber noch einige weitere Probleme dazu, davon zwei schwerwiegende.

Das erste schwerwiegende Problem ist die Position zwischen den Pfosten. Das Vertrauensverhältnis zwischen Vorstand und Manuel Neuer ist fast ebenso problematisch wie Neuers nicht ausheilende Wintersportverletzung. Wann er wieder auf dem Platz stehen wird und ob seine Leistungen dann noch denen des  früheren“Welttorwarts“ entsprechen, ist ungewiss. Dennoch hat man Yann Sommer, der sich gerade gut in die Mannschaft eingelebt hatte, für wenig Geld (6,75 Mio.) wieder ziehen lassen, und Alexander Nübel, den dritten Mann im Tor, gleich mit. Bleibt auf dieser Position akutell nur noch Sven Ulreich.

Mit dem Abgang von Lucas Hernández (47 Mio), Marcel Sabitzer (19 Mio) und Sadio Mané (30 Mio) hat man zwar das Budget für den Einkauf von Harry Kane auffüllen können, doch alle drei hier genannten hatten ihre Position in der Mannschaft gefunden und werden, jeder für sich, eine Lücke hinterlassen.

Damit zum zweiten schwerwiegenden Problem. Dieses Problem heißt Harry Kane und der soll für Thomas Tuchel Wunder vollbringen.

Die Kaufleute im Vorstand, bemüht auch noch die letzte Million Ablöse zu sparen, haben mit dem wochenlangen Theater um den Wechsel Kanes jedoch vor allem eines geschafft, nämlich dem Rest des Kaders zu zeigen, dass die Unterschiede in der Wertschätzung an den Dollar-Zeichen in ihren Augen abgelesen werden können. Kane kann in diesem FCB gar nicht mehr aus der Rolle des Wundertieres herauskommen und wird daher einsam als der Solitär auf dem Platz bleiben, als der er eingekauft wurde. Tuchels Aufgabe reduziert sich damit fast vollständig darauf, die Restmannschaft zu Zuarbeitern für  das teuer eingekaufte Ballgenie zu machen, während Kane immer nur bei Tuchel anzumahnen braucht, er bräuchte mehr Zuspiel, mehr Vorlagen, um seine Qualtität beweisen zu können.

Wie Sané, Goretzka, Davies, Kimmich und vor allem Musiala damit umgehen werden, ist nicht abzusehen. Natürlich sind alle Profis. Natürlich können alle den taktischen Anweisungen des Trainers folgen, doch wenn sich daraus Spieltag für Spieltag immer noch ein bisschen mehr Frust aufstaut, dann könnten diese fünf Spieler ausreichen, um den FCB in der Spielzeit 23/24 auf einem Tabellenplatz zwischen 10 und 15 landen zu lassen.

Ich fürchte, es wird so kommen.

Absolut sicher bin ich mir, dass die Meisterschale am Ende der neuen Saison nicht in München landen wird.