PaD 20 /2019 – Hier auch als PDF verfügbar: PaD 20 2019 Auf Grund gelaufen – Marine und Grundgesetz
Die Bundesmarine im Pech. Kaum sind wieder mal wenigstens drei von 6 U-Booten fahrbereit, sitzt schon wieder eines davon vor Norwegen nach versehentlicher Grundberührung fest.
Vermutlich hatten die diensthabenden Offiziere an Bord einfach nicht glauben wollen, dass es mit ihnen so schnell abwärts gehen könnte. Natürlich muss man ihnen zugute halten, dass es da unten ganz schön finster ist, weshalb man bei U-Booten auch getrost darauf verzichten konnte, für Kapitän, Steuermann und Lotse eine rundum vollverglaste Brücke auf das Deck zu setzen. Ganz im Ernst: Was mag sich die Verteidigungsministerin wohl dabei gedacht haben, Soldaten unter Wasser zu befehlen, wo sie nichts sehen können, auch nicht, wenn ihr Gefährt Fenster hätte. Wo bleibt denn da die Fürsorgepflicht?
Es ist richtig. Ich habe auch schon davon gehört, dass andere Staaten ebenfalls über Unterseeboote verfügen sollen. Doch was mag da wirklich dran sein? Wenn es nicht so paradox klänge, würde ich sagen, das sind doch Himmelfahrtskommandos. Da steigt doch keiner ein. Klar, da gab es diesen Film, „Das Boot“, in München gedreht, und nicht nur in München, sondern sogar in einer recht großen Attrappe. Eine Attrappe, aus Holz und Pappe, in Geiselgasteig. Die waren da keinen Augenblick unter Wasser. Weder Kaleu Prochnow, noch Kriegsberichterstatter Grönemeyer, waren auch nur einen Augenblick auf Tauchstation.
Gäbe es U-Boote, man hätte den Film doch viel realistischer gestalten können, nicht mit so Tricks und Fakes, nicht mit Schauspielern, sondern mit echten Matrosen.
Was soll also die Meldung von dem auf Grund gelaufenen deutschen U-Boot? Werden wir demnächst erfahren, dass es Krieg gibt, weil ein rein technisch unmögliches Unterwassergefährt von den Russen – unter Wasser! – angegrifen und versenkt wurde?? Das sind doch durchsichtige Schauermärchen.
Schiffe, und auch Boote sind Schiffe, sind dadurch gekennzeichnet, dass sie schwimmen. Oben! Schwimmen! Schiffe unter Wasser sind verloren. Unter günstigen Bedingungen kann man sie wieder heben und den Stahlschrott immer noch an die Chinesen verkaufen. Aber sonst …
Ich bitte Sie. Gäbe es wirklich Schiffe unter Wasser, dann wäre ja nichts mehr unvorstellbar.
Stellen Sie sich einfach vor, da gibt es als Krone des deutschen Rechtsstaats ein Grundgesetz. Das muss oben bleiben, an oberster Stelle, unsinkbar über den Untiefen der vom Parteiengezänk geprägten Gesetzgebung und dem Augiasstall juristischer Spitzfindigkeiten. Alles was Recht ist, ist im Grundgesetz eingekapselt. Es wie eine Zeitkapsel, die bei der Grundsteinlegung eines wichtigen Gebäudes mit eingemauert wird. Wasserdicht, säurefest, brandstabil – also letztlich unkaputtbar.
So ein Grundgesetz, das wird nicht einfach mal auf Zuruf eines Lobbyisten von einer englischen Anwaltskanzlei in Paragraphen gegossen, die dann im Anhang zu einem ganz anderen Gesetzpaket von einem fast leeren Plenarsaal ohne Aussprache durchgewunken werden. Nein, nein. Ein Grundgesetz wird mit Bedacht, in langer Arbeit, von klugen und weisen Frauen und Männern erarbeitet, reiflich diskutiert, auf mögliche Schwächen abgeklopft, und dann dem Volk zur Abstimmung vorgelegt, auf dass sich alle, zumindest aber die große Mehrheit, darüber einig sind: So wollen wir unser Zusammenleben organisieren. Das ist das grundsätzliche, unantastbare Recht. Das ist das Eichamt der Juristerei, und sollte es je verändert werden müssen, dann doch nur, wenn wieder eine Volksabstimmung darüber befindet.
Die ganz Alten können sich noch daran erinnern, 1949, als alle Deutschen zu den Urnen gerufen wurden, um dieses Grundgesetz zu beschließen, das nun nach 70 Jahren, noch so strahlt und glänzt wie in seiner ersten Stunde.
Das war der Augenblick, in dem die Bundesrepublik Deutschland ihre volle Souveränität erhielt, als die Feindseligkeiten des Zweiten Weltkriegs in einem Friedensvertrag endgültig beigelegt wurden. Der Augenblick, in dem jeder Deutsche (in den drei westlichen Besatzungszonen) glücklich aufatmen konnte, weil von einem unbewaffneten Deutschland nie wieder Krieg ausgehen würde. Der Tag, an dem jeder Deutsche (in den drei westlichen Besatzungszonen) mit seiner ureigenen unantastbaren Menschenwürde ausgestattet wurde, ein Tag des Bades in der Glückseligkeit.
Gottseidank! Gottseidank haben wir dieses Grundgesetz in Ehren gehalten und stets verhindern können, dass irgendjemand – mit welcher Absicht auch immer – an dieser freiheitlich demokratischen Grundordnung rüttelt.
Jetzt feiern wir Geburtstag und freuen uns darauf, am 26. Mai, als die zweite, dritte und vierte Generation seit 1949 unseren Bund mit Grundgesetz noch einmal erneuern und bestätigen zu können, wie ein steinaltes Ehepaar, das sich am Tag der Gnadenhochzeit noch einmal das Ja-Wort gibt.
Wie? Am 26. Mai geht es nicht um die Bestätigung des Grundgesetzes durch eine bundesweite Volksabstimmung? So etwas gäbe es nicht, eine bundesweite Volksabstimmung, die sei grundgesetzwidrig? Wo leben Sie denn: Im Grundgesetz steht: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
Ja, was soll das denn dann sein, am Sonntag, nächste Woche? Wahlen? Keine Abstimmung? Was soll den gewählt werden?
Ein E … U-Parlament? Wie? Wir wählen unsere Volksvertreter doch in den Bundestag, oder? Und der Bundestag wählt den Bundeskanzler. Der Bundeskanzler stellt sein Kabinett zusammen und der Bundespräsident ernennt die Minister.
Was ist das denn, dieses E … U – Parlament? Könnte …, könnte vielleicht …?‘ Ja ist denn bald wieder Fasching? Ein „Elferrats-und Umzugs-Parlament“? Dürfen da jetzt alle mitwählen, nicht nur die Mitglieder der Karnevalsvereine?
Nein! Es gibt eine Europäische Union? Die Vereinigten Staaten von Europa? Alle?
Ach so. Es gibt keine Vereinigten Staaten von Europa, nur die EU, und da sind von den rund 50 Staaten auch nur 27 1/2 dabei, hm? Und wofür ist das gut?
Ach so. Für die Wirtschaft, Keine Zölle? Hm. Waaaaas!?‘ Auch keine D-Mark mehr? Aber schon noch eine Bundesbank, ja? Aber die hat nichts mehr zu sagen, das Sagen hat jetzt eine EU-Zentralbank?
Davon steht aber nichts im Grundgesetz!
Wie? Sie meinen, im Grundgesetz steht jetzt an der Stelle, wo früher stand:
Der Bund errichtet eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank.
Da steht jetzt ein zweiter Satz, und der lautet:
Ihre Aufgaben und Befugnisse können im Rahmen der Europäischen Union der Europäischen Zentralbank übertragen werden, die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet.
Und Sie sind sicher, dass Deutschland seine Währungshoheit aufgegeben hat? Ist das nicht fatal?
Ach so, Deutschland hat nicht nur seine Währungshoheit aufgegeben? Deutschland hat in einer nicht nachvollziehbaren Weise und in nirgends geschlossen dokumentiertem Umfang überhaupt alle möglichen Hoheitsrecht aufgegeben. Davon steht aber auch nichts im Grundgesetz!
Was? Was soll da stehen, in welchem Artikel 24?
Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen. Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.
Und solche Gesetze wurden beschlossen? Und mit „zwischenstaatliche Einrichtung“ ist diese E .. U gemeint. Dann hat sich Deutschland also aufgelöst?
Dann wählen wir am nächsten Sonntag tatsächlich unser E … U – Parlament, das für uns den E .. U – Regierungschef wählt, Gesetze für die ganze E … U erlässt. Dann ist der Traum von den gleichen Lebensbedingungen auf dem europäischen Kontinent also wahr geworden. Gibt es keine Steuer-Oasen mehr unter den Mitgliedsländern, und diese E … U hat auch ein Grundgesetz, besser noch als unseres? Wann wurde denn darüber abgestimmt?
Ach so. Die E … U hat kein Grundgesetz. Es gibt nur Verträge. Sie hat auch keine Regierung, sondern nur Kommissare. Die werden auch nicht vom Parlament gewählt, sondern vom Europäischen Rat, und in dem Rat sitzen wieder die Regierungschefs der Mitgliedsländer.
Aber die Kommissare sind doch wenigstens an die Gesetze gebunden, die das E … U – Parlament beschließt?
Nein? Wie? Nein? Das Parlament hat kein Initiativrecht? Es darf nur über das beraten, was ihm von der Kommission vorgelegt wird, und im Zweifelsfall erlässt die Kommission auch Gesetze, ohne das Parlament zu beteiligen? Ja wofür braucht es dann dieses Parlament überhaupt?
Ach so. Ja, das leuchtet ein. Nachdem wir unsere Hoheitsrechte an die E … U abgegeben haben, hat der Bundestag praktisch nichts mehr zu sagen. Die damit entstandene Lücke in der demokratischen Legitimation muss natürlich geschlossen werden. Da braucht es ein Parlament. Schon klar. Aber sollte dieses Parlament, als Volksvertretung, sozusagen, nicht sehr viel mehr Rechte haben? Und was tut dieser Rat da im Hintergrund? Der ist doch überflüssig wie ein Kropf. Wenn wir schon im Parlament nichts mehr zu entscheiden haben, was nicht die Billigung der E … U findet, dann braucht Deutschland doch auch keinen Bundeskanzler mehr, höchstens noch, als Regionalverband der E … U vielleicht einen Grüßonkel als Ministerpräsident, aber der darf doch dann nicht in der E … U den dicken Max spielen und die Absichten des Parlaments hintertreiben, indem er tausendmal mehr Einfluss auf die Kommission hat, als dieses sonderbare Parlament!
Mir wird ein bisschen schwindelig. Habe ich mich tatsächlich so lange nicht mehr um Politik gekümmert, dass ich jetzt dastehe, wie ein hilfloser Schüler an der Tafel, während die ganze Klasse feixt?
Kann es denn wirklich sein, dass in den alle den Jahren, die ich nicht aufgepasst habe, unser ehernes Grundgesetz auf Grund gelaufen ist? Sie machen mir Angst! Sind wenigstens die Grundrechte geblieben? Meinungsfreiheit?‘ Versammlungsfreiheit? Briefgeheimnis? Unverletzlichkeit der Wohnung?
Alles nur noch leere Hülsen?
Es ist noch schlimmer? Die Todesstrafe ist durch die Hintertüre wieder eingeführt – gegen Aufständische jedenfalls. Es gibt eine Aufstandsbekämpfungstruppe, die in der ganzen E … U eingesetzt werden kann, auch ohne Zustimmung der betroffenen Staaten? Die Zentralbank kauft massenhaft Staatsanleihen? Ein E … U – Gerichtshof, der auf keiner E … U -Verfassung aufbaut, weil es keine gibt, entscheidet über die Zulässigkeit der Gesetzgebung und der Rechtssprechung in den Mitgliedsstaaten und achtet dabei auch unser deutsches Grundgesetz nicht?
Ja, verdammt noch mal? Warum soll dann der 70 Geburtstag des Grundgesetzes noch gefeiert werden, wo es doch offensichtlich nur noch als Zombie, als Untoter, durch die Amtsstuben geistert?
Ach so. Ich habe mich geirrt. Das Grundgesetz wurde nie vom Deutschen Volke beschlossen. Es musste den Alliierten mehrfach zur Genehmigung vorgelegt werden, bevor es, nach den geforderten Änderungen in Kraft gesetzt werden konnte. Und Sie haben da einen Redeauszug von Carlo Schmid zu Hand, einem der „Väter“ dieses Grundgesetzes, gehalten am 8. September 1948 im Parlamentarischen Rat – lassen Sie hören:
Diese Organisation als staatsähnliches Wesen kann freilich sehr weit gehen. Was aber das Gebilde von echter demokratisch legitimierter Staatlichkeit unterscheidet, ist, dass es im Grunde nichts anderes ist als die Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft; denn die trotz mangelnder voller Freiheit erfolgende Selbstorganisation setzt die Anerkennung der fremden Gewalt als übergeordneter und legitimierter Gewalt voraus. Nur wo der Wille des Volkes aus sich selber fließt, nur wo dieser Wille nicht durch Auflagen eingeengt ist durch einen fremden Willen, der Gehorsam fordert und dem Gehorsam geleistet wird, wird Staat im echten demokratischen Sinne des Wortes geboren. Wo das nicht der Fall ist, wo das Volk sich lediglich in Funktion des Willens einer fremden übergeordneten Gewalt organisiert, sogar unter dem Zwang, gewisse Direktiven dabei befolgen zu müssen, und mit der Auflage, sich sein Werk genehmigen zu lassen, entsteht lediglich ein Organismus mehr oder weniger administrativen Gepräges. Dieser Organismus mag alle normalen, ich möchte sagen, inneren Staatsfunktionen haben; wenn ihm die Möglichkeit genommen ist, sich die Formen seiner Wirksamkeit und die Grenzen seiner Entscheidungsgewalt selber zu bestimmen, fehlt ihm, was den Staat ausmacht, nämlich die Kompetenz der Kompetenzen im tieferen Sinne des Wortes, das heißt die letzte Hoheit über sich selbst und damit die Möglichkeit zu letzter Verantwortung. Das alles hindert nicht, dass dieser Organismus nach innen in höchst wirksamer Weise obrigkeitliche Gewalt auszuüben vermag.
Liebe Leser!
Herzlichen Dank, dass Sie diesem etwas skurril anmutenden Text bis hierher gefolgt sind.
So, wie es tatsächlich U-Boote gibt, die unter Wasser hervorragend navigieren, aber eben auch auf Grund laufen können, wenn menschliches oder technisches Versagen vorliegen, gibt es auch tatsächlich „unterirdische Staaten“. Staaten, die schon bei ihrer Gründung nicht souverän waren und die, als es möglich gewesen wäre, diese volle Souveränität zu erlangen, im umfassenden, parteiübergreifenden menschlichen Versagen nichts eiliger zu hatten, als ihre Souveränität wieder abzugeben. Hätte man 1989/90 im Zuge der so genannten Wiedervereinigung (es war ja nur der Beitritt der gleichzeitig erst gegründeten neuen Bundesländer zum Geltungsbereich des Grundgesetzes) den Mut gehabt, tatsächlich nach Art. 146 Grundgesetz, nach dieser von den Alliierten in das Grundgesetz eingefügten „Befreiungsklausel“ für ein mündiges Volk zu handeln:
Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Dann hätten wir in Kürze tatsächlich Anlass und Gelegenheit, einen Staatsfeiertag in Erinnerung an das Inkrafttreten unserer Verfassung zu begehen.
So aber frage ich mich allen Ernstes: Was gibt es nach 70 Jahren ohne Verfassung bei stetig fortschreitender Zerstörung des Geistes des Grundgesetzes von 1949 zu feiern?
Und: Was gibt es am nächsten Sonntag eigentlich zu wählen? Einen Kommissionspräsidenten? Never! Das wird uns nur vorgegaukelt. Volksvertreter? Never! Wie soll man ohne parlamentarische Mindestrechte ein nicht existentes EU-Volk vertreten? Das ist doch Quark! Was also dann?
Wissen Sie es?