Wo endet links?

Rezension zu Lucaz Kirch "Der Spaltpilz"

Wo links anfängt, das ist heute relativ leicht festzustellen. Da gibt es, als Orientierungshilfe, das von den Linken definierte und von den Linken mit Stacheldraht, Minenfeldern, Selbstschussanlagen und Hundelaufanlagen umzäunte rechte Lager. Rings um dieses Lager führt ein schmaler, unbefestigter, unkrautüberwucherter Fahrweg voller Schlaglöcher und tiefer Spurrinnen, der als „Mitte“ gilt – und von da aus dehnt sich in unendliche Weiten durch alle Klimazonen, über Ozeane und Gebirgsketten das Links.

Ich kann mich an Zeiten erinnern, da waren links und rechts schmale Randbezirke, die außerhalb einer Mitte lagen, während die Mitte sich als die Mehrheit der Wohlwollenden zwei Flügel leistete, nämlich den linken Flügel SPD und den rechten Flügel CDU, aus deren Kraft der lange anhaltende Höhenflug Deutschlands im gemeinsamen Flügelschlagen entstehen konnte, wobei kleine Richtungsänderungen, je nachdem, welcher Flügel gerade stärker schlug, durchaus geeignet waren, neue Perspektiven einzunehmen und den Kurs zu korrigieren.

Aus diesen Zeiten ist einer übrig geblieben, der sich damals als links verstanden hat, sich immer noch für links hält, aber sein Linkssein im Links von heute nicht mehr erkennen kann.

Als Lucaz Kirch hat dieser Eine seine Kritik an diesem Links in dem Artikel „Der Spaltpilz“ sehr umfassend und wohl begründet ausgebreitet und mich gebeten, diesen Aufsatz zu verlinken, oder, wenn möglich, zu rezensieren.

Ich will dem Inhalt seiner Ausführungen nicht unnötig vorgreifen. Nur so viel: Seine Gedanken kreisen, während er das beleuchtet, was ihm fremd und falsch erscheint, um die Frage, wo wohl die geblieben sind, die einst wie er und mit ihm gemeinsam in diesem frühreren Links, das er nicht mehr finden kann, ihre Heimat hatten. Ob sie wohl immer noch da seien, nur eben still geworden, nicht aus Weisheit, sondern aus Angst, nicht weil sie ihr Ziel erreicht haben, sondern weil sie das, was sie noch haben, nicht auch noch verlieren wollen. Ob sie nicht noch einmal zu motivieren wären, das linke Haus, das ihm womöglich heute erscheinen mag, wie die Liebig 34 nach der Räumung, auszuputzen, zu reparieren und zu renovieren und es in einem neuen Glanz erstrahlen zu lassen?

Wenn ich selbst zurückschaue, dann weiß ich nur zu genau, wovon er spricht und wonach er sich sehnt. Was uns unterscheidet, ist vermutlich nur der Ort an dem wir stehen geblieben sind. Er ist, wenn ich das richtig interpretiere, immer weiter mit dem Zeitgeist nach links gegangen, bis er feststellte, dass er sich in diesem Links nicht mehr auskennt und auch nicht mehr wohlfühlt. Mir war das Linkssein nicht so wichtig, dass ich deswegen meinen Platz verlassen hätte. Mein, in den Zeiten von Brandt und Schmidt gewachsenes soziales Weltbild, liegt nun inmitten des rechten Lagers, ohne dass ich mich darauf zu bewegt hätte. Die Grenzen sind neu gezogen worden.

So sehe ich – vom rechten Lager aus – um mich herum viele derjenigen, die Kirch im linken Lager nicht findet, und schaue ich durch den Drahtverhau nach links, dann sehe ich dort das gleiche, abstoßende Szenarium, dass er, der er sich immer noch dort aufhält, kaum anders wahrnimmt als ich.

Lesen Sie den Artikel. Es ist ein Augenöffner für alle, die guten Willens sind.

Lucaz Kirch „Der Spaltpilz“ bei Rubikon