Ein bisschen verrückt erscheint mir das alles schon

Die Meinungsfreiheit soll die Demokratie gefährden? Wo gibt's denn so was?

Also, aufgemerkt! Es erscheint mir verrückt.

Was mir erscheint, ist subjektiv. Was subjektiv ist, kann einer Tatsachenbehauptung zwar nahekommen, aber es kann keine sein.

Schriebe ich: „Es ist verrückt“, dann wäre das eine Tatsachenbehauptung, die sich allerdings als falsch heraustellen würde, sollten sich Correctiv und andere Checker ihrer annehmen, und dann wäre sie nicht nur falsch, sondern eben auch strafbar. Der passende Paragraph – und der Satz bleibt im Konjunktiv – ließe sich finden.

Natürlich schreibe ich nicht: „Es ist verrückt!“ Ich bin ja nicht blöd.

„Ich bin ja nicht blöd“, ist wieder eine Tatsachenbehauptung. Eine Tatsachenbehauptung, die allerdings ebenfalls als falsch herausgestellt werden könnte, sollten die Checker darüber herfallen. Warum die Checker darüber herfallen sollten? Keine Ahnung. 

Es erscheint mir nur so, dass die gar nicht über die Aussagen, Meinungen, Tatsachenbehauptungen herfallen, sondern ausschließlich über entsprechend „markierte“ Bürger. Sie kennen das aus der modernen Kriegsführung. Da sitzt unten, mitten unter den Feinden im Versteck der Beleuchter, der das Ziel mit einem Laserstrahl markiert, und  dann kommt von oben die Bombe oder Rakete oder Drohne (alles Feminina) – oder eben DER Marschflugkörper, die gucken, wo der Laserstrahl hinzielt, und stürzen sich hinein.

Wie gesagt, auch das erscheint mir nur so.

Bis vor Kurzem hielt ich es für ausreichend, meine Äußerungen mit solchen „Tricks“ unter den Schutzschirm der Meinungsfreiheit zu retten. Da gab es schon mehrere trefflich hilfreiche Formulierungen. Klassisch: „Meiner Meinung nach“, oder „meines Erachtens“, oder etwas kreativer, „ich schätze das so ein“, oder, „da liegt die Vermutung nahe“, oder, „könnte es nicht sein, dass …“, oder, unübertrefflich, „manche glauben ja sogar …“, bzw., besonders infam, „ein Restzweifel bleibt jedoch ….“.

Seit jedoch in Regierungskreisen offen darüber gesprochen wird, dass viele Fein­de der De­mo­kra­tie  ganz genau wis­sen, was auf den So­ci­al-Media-Platt­for­men ge­ra­de noch so unter Mei­nungs­frei­heit fällt, weshalb man Gesetze ändern und nachschärfen müsse, ist klar: Diese Tricks ziehen nicht mehr länger!

Ein bisschen verrückt erscheint mir das alles schon.

Das, mit dem „mir erscheint es“, werde ich nun wohl auch nicht mehr verwenden. Es könnte ja sein, dass es eines Tages heißen wird, wer Erscheinungen hat, ist ein Fall für die Psychiatrie. Nicht dass ich mir das wünsche. Aber dann wäre es ja so, als würde man selbst die Einweisung unterschreiben, weil Selbsterkenntnis wie ein Geständnis zählt und den umständlichen Gerichtsweg über Beweisaufnahme, Anklage, Verteidigung, und all solchen Kram hinfällig werden lässt.

Es ist auch wurscht, oder wurst, je nachdem ob ein Bayer oder ein Niedersachse das liest, ob so eine Vermutung, sprachlich richtig, im Konjunktiv bleibt, oder ob sie als gesicherte Erkenntnis über die Zukunft formuliert wird.

(Ich kann hier nur ein unverfängliches Beispiel heranziehen: „In zehn Jahren wird der Nordpol für immer eisfrei sein“, das bliebe folgenlos, auch wenn ich nicht dazuschreibe, „meiner Meinung nach“. Würde ich aber schreiben, was ich nicht tue, hier nur um der Verständlichkeit willen andeute: „In zehn Jahren sind jene Feinde der Demokratie, die ganz genau wissen, was gerade noch so unter Meinungsfreiheit fällt, allesamt in der Psychiatrie versammelt“, dann wäre es wurscht, ob ich „meiner Meinung nach“ noch dazuschreibe oder nicht. Das geht nämlich gar nicht.)

Es ist nicht mehr möglich, eine Meinung zu formulieren, es sei denn, sie ist zum jeweiligen Zeitpunkt unverdächtig, also regierungsamtlich durch entsprechende gleichlautende Veröffentlichungen abgesegnet.

Wir sind – ideengeschichtlich – in einem neuen Anlauf des Überwachungsstaates bereits über den Punkt hinaus gelangt, an dem Bert Brecht im April 1935 das Traktätchen, „Fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit„, in der in Paris, Basel und Prag erscheinenden Zeitschrift „Unsere Zeit“ veröffentlichte, wobei ein Teil der Auflage – heimlich – auch in Deutschland verbreitet wurde, getarnt als  „Satzungen des Reichsverbandes Deutscher Schriftsteller“.

Brecht hatte noch die Hoffnung, die Zensur überlisten zu können, indem er dazu riet, sich der stilistischen Mittel Shakespeares zu bedienen, der in der Rede des Antonius an der Leiche des Cäsar mit der wiederholten Betonung der Wendung: „… doch Brutus ist ein ehrenwerter Mann“,  die Gewissheit des Gegenteils hervorzurufen verstand. (Wir haben das im Deutsch-Unterricht noch laut vorlesen müssen, bis uns die perfekte Betonung gelungen ist.)

Wer heute noch publizieren würde „… doch Habeck ist ein ehrenwerter Mann“, der hätte doch sofort den Staatsanwalt und das SEK im Morgengrauen an der Haustür stehen, wegen Delegitimierung des Staates und seines Repräsentanten mittels eben dieser einschlägig bekannten Formulierung „ehrenwerter Mann“, die ja nicht nur auf gewisse mafiöse Familien hinweist, sondern eben auch auf den Dolchstoß in den Rücken des Cäsars und daher bereits verleumderische Züge trage, zumal ja Annalena, Ricarda und Omnid, anders als Cäsar, allesamt noch unter den Lebenden weilen.

Nein. Ich habe nicht behauptet, Habeck sei ein ehrenwerter Mann, und natürlich wollte ich auch absolut nicht das Gegenteil zum Ausdruck bringen, ich wollte ein BEISPIEL zum Besten geben, nur ein Beispiel, das aber mit Max Mustermann nicht funktioniert hätte. Den Mustermann hätte Marc Anton auch heutzutage in keiner Grabrede erwähnt. Also habe ich den Habeck hergenommen, ohne ihn zu meinen. Ich hätte genauso auch den Scholz hernehmen können …

So kann man sich heute nicht mehr entschuldigen.

Nicht mit der Ansage, es habe sich nur um ein Beispiel gehandelt, und dann auch noch Habeck und Scholz als austauschbar ins Beispiel einzusetzen! Das macht die Schuld ja nur noch größer. Wer sich entschuldigt, verstrickt sich nur noch tiefer. Man muss nicht nächtelang Kafka gelesen haben, um zu wissen: Aus dieser Lage gibt es keinen Ausweg mehr.

Doch dann richte ich mich wieder auf und sage mir: Ein bisschen verrückt erscheint mir das alles schon!

Woran geht die Demokratie zugrunde, wenn ich armer Tor in einem Beispiel nur beispielhaft formuliere: „Habeck ist ein ehrenwerter Mann“? Wie kann die Verfassung, also unser aller deutsches Grundgesetz in Gefahr geraten, wenn ich als Beispiel vortrage: „Habeck ist ein ehrenwerter Mann“?

Ich hatte seit früher Jugend einen Hang zur Satire, zum Kabarett, zum politischen Witz, liebte die Auftritte des Dieter Hildebrandt ebenso wie die Klimbim-Steeger und ihre Truppe, war damals zu besten Zeiten von Bärmeier und Nikel begeisterter Leser und Abonnent der „Pardon“, hatte mir auch das berühmte „Lübke Kompendium“ gekauft, indem unser Staatsoberhaupt durch den Kakao gezogen wurde.

Ich bewahre es seit 1968. Es ist, dem Zeitgeist geschuldet, noch anders als Bernd Zellers Merkel Autobiografie“Frechheit“, die ich am Samstag frisch aus der Druckerpresse als Neuerscheinung erhalten habe, aber eben auch immer noch einfach gut. Harald Rolf Sattler zog Lübke durch die Fettnäpfchen seiner Zeit. Zeller lässt das ganze Erdenleben der Unsterblichen – vom Ende der Baumzeit bis zum Anfang der Post-Beitritts-Ära – mit all ihren unvergesslichen, wertvollen Sätzen, die sowohl gehört als  auch ungehört verhallen durften, noch einmal an uns vorüberziehen.

„I like Lübke“ wird man nachträglich nicht mehr verbieten. Lohnt nicht. Ob Zellers spitze Feder in Zeichnung und Text noch lange unbeschadet wirken können wird? Ich weiß es nicht, aber ich mache mir Sorgen. Sorgen, die ich mir 1968 nicht gemacht habe. Nicht, weil ich damals so viel jünger und dümmer gewesen wäre, sondern weil das die Zeit des Aufbruchs und der Befreiung war, in der man die Sorge und die Angst vor dem Staat abzuschütteln begann, während jetzt die Zeit des Rückfalls wie eine stockfinstere Neumondnacht über uns hereinbricht. Reichelt und Tichy wagen sich mit offenem Visier an die Front und glauben, ihre Bekanntheit schütze sie, weil Attacken gegen sie das Spiel entlarven würden. (Beide verlinkte Videos sind sehenswert.)

Hans Georg Maaßen mag Ähnliches geglaubt haben, als er es wagte, den Mund zu weit und zu öffentlich zum Widerspruch aufzumachen. Und, was hat er nun davon?

Haldenwang!, für uns alle … und sich selbst als Verdachtsfall.

Ich wüsste nicht, wen Bekanntheit noch schützen sollte. Selbst Greta ist untendurch. Sie sagt Dinge, die nicht gesagt werden dürfen.

Es erscheint mir verrückt?

Es ist verrückt!

Es macht keinen Unterschied mehr, ob man seine Meinung durch die Blume oder sehr direkt zum Ausdruck bringt. Es ist egal. Kein noch so schön gewobenes Netz aus Konjunktiv, Vermutungsgesäusel und Herumgemeine kann den vom grünen Staat zertifizierten Trusted Flagger davon abhalten, das Unerwünschte aus der Öffentlichkeit auszutilgen. Es braucht weder eine strafrechtliche Grundlage, noch steht dem Betroffenen ein Rechtsweg offen. „Nun ist es halt mal so“, würde die Merkel sagen, und vielleicht noch: „… und gut ist’s!“, hinterher, während Faeser, Buschmann und Paus immer noch versuchen, die Beendigung der Demokratie mittels der Beendigung der Meinungsfreiheit mit „wehrhafter Demokratie“ und einem Kampf gegen da, wo der Daumen links ist, zu rechtfertigen.

Rainer Füllmich sitzt unter unglaublichen Haftbedingungen und unter unglaublichen Anschuldigungen im Knast, nachdem die weisungsgebunde Justiz auf unglaubliche Weise seine Abschiebung aus Mexiko in die Wege geleitet hat. Das erzählen umstrittene Quellen, die Google nicht finden will, sehr viel ausführlicher als die erste dazu verlinkte. Der Mainstream erzählt derweil vom Betrüger Füllmich, der Spendengelder veruntreut haben soll.

Sie sollten nun, weil Sie darüber bei mir gelesen haben, keinesfalls glauben, dass die Verhaftung Füllmichs und die lange Untersuchungshaft irgendetwas mit seiner sachlichen Corona-Aufklärungsarbeit zu tun hätten. Erstens steht davon nichts in der Anklageschrift, weder in der ursprünglichen, noch in der nachgebesserten, und was nicht amtlich ist, gibt es schließlich nicht, und zweitens hat der Deutsche Bundestag die Corona-Aufarbeitung selbst in die Hand genommen und dieser Tage zu einem vorläufigen Abschluss gebracht. Das hätten Sie wissen können.

Sie sollten sich hüten, so etwas auch nur zu denken. Die Versuche, Gehirnwellen zu interpretieren und daraus Gedanken zu erkennen, sind schließlich bereits im Gange. Nein. Sie können sicher sein. Niemand wird ohne sein Wissen als Versuchskaninchen eines solchen Gedankelese-Experiments benutzt werden. Die echte Anwendung gegenüber Verdachtsfällen findet schon gar nicht statt, und sollte sie stattfinden, und sollte das öffentlich werden, dann wird das Verfassungsgericht das rügen und eine gesetzliche Regelung fordern. Schlaf, Kindlein schlaf …

Verrückt.

Wenn etwas verrückt wurde, dann steht es nicht mehr da, wo es vorher stand. Es befindet sich noch auf der gleichen Ebene, das impliziert das Verb „verrücken“, aber wenn man es sucht, wo es vorher war, findet man es dort nicht mehr. Es kann die kleine Kommode sein, die immer gleich neben der Tür stand. Die findet man schon wieder. Wenn aber alles verrückt wurde, wenn eines  Morgens weder die Couch noch der Esstisch, weder der Teppich noch die Sessel, sich noch an ihrem Platz befinden, wenn die Stühle einen Kreis um die Bodenvase bilden und die Stehlampe als neues Zentrum mitten im Raum angekommen ist, dann stimmt eben einfach gar nichts mehr und der Raum, in dem man sich einst wohlfühlte, ist zum Horrorkabinett geworden.

So geht es mir mit Deutschland.

Kennen Sie übrigens Habecks Witz zur angebotsorientierten Stromversorgung? Soll er neulich gutgelaunt am Kabinettstisch losgelassen haben:

Morgenthau
ich euch alle eure Kühlschränke und Gefriertruhen ab.

Disclaimer:

Hiermit versichere ich,

  1. dass ich diesen Text vollkommen nüchtern und emotionslos zur Kommentierung der jüngsten Transformationsereignisse geschrieben habe. Es steckt nicht die geringste Spur von Hass darin, und
  2. dass dieser Text lediglich der staatsbürgerlichen Information zur meinungsfreiheitsrechtlichen Lage dient, um ggfs. unter Aufbietung einer Mehrheit auf demokratischem Wege eine Veränderung herbeizuführen. Es steckt nicht die geringste Spur von Hetze darin, wohl aber viel Meinungsfreiheit.

Checker, denen dies anders erscheinen sollte, seien vorsorglich ausdrücklich auf die Subjektivität ihrer Wahrnehmung hingewiesen.

 

Brecht schrieb in den Fünf Schwierigkeiten die Wahrheit zu schreiben auch diese Sätze, die für mich besonders Gewicht haben:


Ebenso ist Mut nötig, um die Wahrheit über sich selber zu sagen, über sich, den Besiegten.

Viele, die verfolgt werden, verlieren die Fähigkeit, ihre Fehler zu erkennen. Die Verfolgung scheint ihnen das größte Unrecht. Die Verfolger sind, da sie ja verfolgen, die Bösartigen, sie, die Verfolgten, werden ihrer Güte wegen verfolgt.

Aber diese Güte ist geschlagen worden, besiegt und verhindert worden und war also eine schwache Güte,
eine schlechte, unhaltbare, unzuverlässige Güte;
denn es geht nicht an, der Güte die Schwäche zuzubilligen, wie dem Regen seine Nässe.

Zu sagen, daß die Guten nicht besiegt wurden,
weil sie gut, sondern weil sie schwach waren,
dazu ist Mut nötig.