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  Paukenschlag
am Donnerstag

der wöchentliche Kurzkommentar (No. 35)


Egon W. Kreutzer - 30. August 2007
 












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Aufschwung! Wachstum! Wohlstand!

Das Signal von Meseberg - und worauf es sich bezieht


Die Koalitionsklausur in Meseberg hat ein übergeordnetes Leitmotiv hervorgebracht: Union und SPD wollen sich in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode vor allem der deutschen Wirtschaft widmen. Der Aufschwung soll gestärkt und niemand soll zurückgelassen werden, so Angela Merkel. Was aber verstehen Politiker unter Aufschwung und Wachstum, woran messen sie Wohlstand?

Die Zahl, um die es geht, heißt Brutto Inlandsprodukt, sie ist ein Ergebnis der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR), die vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden nach EU-einheitlichen Vorgaben durchgeführt werden. Nehmen wir getrost an, dass die allermeisten Politiker keine Ahnung haben, worüber sie sprechen, wenn sie vom Brutto Sozialprodukt, vom Brutto Inlandsprodukt oder vom Brutto Nationaleinkommen reden.

Die Große Koalition hat zu Beginn des Jahres die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte erhöht und salbadert seitdem von sprudelnden Steuerquellen. Kein Politiker scheut sich, den rein statistischen Effekt, dass nämlich die Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer vollständig als Erhöhung des Brutto-Inlandsproduktes ausgewiesen wird, als echtes "Wirtschaftswachstum" zu verkaufen und so die statistische Folge einer Steuererhöhung zur "brummenden Konjunktur" umzudeuten. Dies hat mich erneut angeregt, mich mit der Frage zu beschäftigen, ob - und inwieweit - die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen des Deutschen Statistischen Bundesamtes überhaupt geeignet scheinen, die Leistungsfähigkeit und Wertschöpfung der Volkswirtschaft transparent und unzweideutig darzustellen. Dass das Zahlenwerk vollständig den Vorgaben der EU entspricht, also zumindest zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine formale Vergleichbarkeit ermöglicht, ist kein ausreichender Grund, die zum Teil haarsträubenden Konglomerate von Sein und Schein, die sich zur volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung summieren, als unabänderliche und alleingültige Betrachtungsweise hinzunehmen.

Meine Kritik am derzeitigen Zahlenwerk setzt fundamental da an, wo die gültigen Definitionen einen "Wertschöpfungsbegriff" hervorgebracht haben, der weder mit dem ursprünglichen Wortsinn, noch mit der Realität in Einklang steht und nur noch dazu dient, am Ende eine möglichst große Zahl - und deren Wachstum darzustellen.

Ein geradezu abartiges Streben nach Vollständigkeit und Fülle, das weder vor rein privaten, noch vor kriminellen Arten menschlicher Beschäftigung halt macht, definiert selbst den puren Werteverzehr noch in eine Wertschöpfung um.

Die Quellen leistungsloser Einkommen, nämlich die Zinslasten der gesamten Volkswirtschaft, die Miet- und Pachterträge sowie die Gewinne der Unternehmen werden wie selbstverständlich der "Wertschöpfung" zugerechnet, was aber nur möglich ist, indem für weite Teile der sog. Wertschöpfung Schätzungen angestellt werden - denn zutreffendes Zahlenmaterial liegt weder vor, noch könnte es, selbst mit bestem Willen, überhaupt erhoben werden. Diese Betrachtungsweise, die - aufgrund fortgesetzter Übung - korrekt und zulässig erscheint, ist aber keineswegs die einzige, und schon gar nicht die transparenteste Möglichkeit, die volkswirtschaftliche Gesamtleistung darzustellen. Das Statistische Bundesamt gibt in der Informationsschrift "Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen - Inlandsprodukt und Nationaleinkommen, Methoden und Verfahren, herausgegeben vom Statistischen Bundesamt, aktuelle Online-Version, Stand 2002" viele nützliche Hinweise dazu, wie die einzelnen Elemente und das Gesamtergebnis der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen entstehen. Daraus lassen sich nicht nur die Schwächen und Probleme, sondern auch die Anforderungen an ein besseres, aussagekräftigeres Statistik-Modell ableiten.

Im ersten Abschnitt dieser Abhandlung werden daher Zitate aus dieser Informationsschrift vorgestellt und so kommentiert, dass der Aussagewert der VGR und die darin liegende Problematik deutlich werden.

Dem folgt ein Vorschlag für eine neue Form der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die ich als "Primär-Sozialprodukt" bezeichne. Diese Darstellungsform, das PSP, stellt die Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen des Statistischen Bundesamtes nicht in Frage, ermöglicht aber dadurch, dass die Basisdatenanders neu interpretiert und anders zugeordnet werden, eine neue und hochinteressante Betrachtungsweise.

 

Über Inhalt und Aussagewert
der konventionellen Form der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen

Zitate und Kommentare

 

A) Zur Qualität der Werte in BNP und BIP

Der Gewinn, die unbekannte Größe

Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Zitat 1:

Allerdings kann eine selbständige Berechnung von BIP und BNE über die Verteilungsseite derzeit nicht erfolgen. Hierfür fehlen vor allem statistische Angaben über die Gewinne von Einzelunternehmen.

Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Zitat 2:

Weder der eine, noch der andere Einkommensansatz kann im deutschen statistischen System als selbständiger Rechenweg zum BNE verwendet werden; die oben mitgeteilten Ergebnisse wurden "nachträglich" unter Einbeziehung des Produktionsansatzes ermittelt.

Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Zitat 3:

Die Berechnung des BIP auf einem dritten Weg über die Verteilungsseite (Einkommensansatz) ist in Deutschland wegen der nur sehr lückenhaften Informationen über Unternehmensgewinne nicht vollständig möglich.

Kommentar:

Das Statistische Bundesamt sagt damit letztlich, dass es zwar zwei große Zahlen veröffentlicht, die Brutto-Inlandsprodukt (BIP) bzw. Brutto-Nationaleinkommen (BNE) genannt werden, dass aber unklar bleibt, wem die "Wertschöpfung" letztlich zufließt, weil über die Gewinne aus der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung keine ausreichenden Informationen vorliegen. Es erklärt damit implizit ebenfalls, dass auch die Entstehungsrechnung mit so erheblichen Unsicherheiten belastet ist, dass die Ermittlung der Unternehmensgewinne aus der Differenzrechnung zwischen den nachweisbaren Teilen der Verteilungsrechnung und der vollständigen Entstehungsrechnung nicht zwingend als korrekt angesehen werden kann. Letztlich bekennt das Statistische Bundesamt damit in aller Unschuld, dass es keine Chance hat, darzustellen, wie hoch die Gewinne aus der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung tatsächlich ausfallen - und wer sie einsteckt.

Schemenhafte Zinserträge

Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Zitat 4:

Aus der Summe der (unbereinigten) Bruttowertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche ergibt sich das Bruttoinlandsprodukt, indem zwei globale Übergangspositionen be-rücksichtigt werden. Einerseits muss nach den derzeit gültigen Konzepten die unter-stellte Bankgebühr (Zinsspanne der Kreditinstitute, FISIM) noch als gesamtwirtschaft-licher Vorleistungsverbrauch abgesetzt werden; da diese Ausgabenart nicht in den Vorleistungen der Ausgangsstatistiken enthalten ist, wäre sonst die Bruttowertschöp-fung überhöht. (...)

Zitat: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Zitat 5:

Als "Differenzmethode" lassen sich die Sonderregelungen bei den finanziellen Unter-nehmen (Kreditinstitute und Versicherungen) bezeichnen, weil hier der Produktions-wert bereits als Differenz von bestimmten Ertrags- und Aufwandspositionen bestimmt wird.

 

Kommentar:

Das ist ein etwas verzwickter Sachverhalt. Die finanziellen Unternehmen, also die Banken, nehmen Zinsen von Kreditnehmern ein und zahlen Zinsen an Einleger aus. Die Differenz (und nur die Differenz) wird als die "Produktion" oder die "Wertschöpfung" dieser finanziellen Unternehmen im Kredit- und Einlagegeschäft angesehen. Die Zinszahlungen an Einleger gelten sinngemäß als "Vorleistungen" welche die Banken für ihre Produktion erbringen müssen. Nun erklärt das Statistische Bundesamt, die in den Herstellungskosten der "nichtfinanziellen Wertschöpfung" bereits enthaltenen Zinsen dürften nur insoweit als Bruttosozialprodukt gezählt werden, wie sie nicht bereits als Produktion der Banken und Versicherungen gezählt werden, zieht also die Zinsspanne der Banken vom unbereinigten Brutto-BIP wieder ab. Daraus ergibt sich der folgende, überaus interessante Effekt: In den Herstellkosten der Bereiche der nichtfinanziellen Wertschöpfung sind ursprünglich alle sogenannten "Kapitalkosten" enthalten, also auch die vollständigen Zinslasten der erhaltenen Kredite. Da die Zinsspanne der Banken, also der Unterschied zwischen eingenommenen Soll-Zinsen und ausgeworfenen Haben-Zinsen, als "Wertschöpfung" der finanziellen Unternehmen in das BIP eingeht, wird die Leistung der übrigen (!) Bereiche um genau diesen Betrag pauschal korrigiert. Im Endeffekt bleibt die gesamte volkswirtschaftliche Zinslast als "Wertschöpfung" im BIP enthalten, es wird lediglich den Banken der Gefallen getan, ihnen eine eigene Wertschöpfung zuzugestehen und diese im BIP auszuweisen.

B) Das Ringen um Vollständigkeit

Nichtmarktproduzenten und Nichtmarktproduktion

Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Zitat 6:

Bei der Kategorie der sonstigen Nichtmarktproduzenten besteht die Hauptproduktion dagegen aus (sonstiger) Nichtmarktproduktion, die anderen Einheiten in der Regel unentgeltlich oder zu wirtschaftlich nicht signifikanten Preisen zur Verfügung gestellt wird. Beispiele hierfür sind die öffentliche Verwaltung oder die Privaten Organisationen ohne Erwerbszweck. Da für die unentgeltlich abgegebenen Leistungen keine Marktpreise zur Verfügung stehen, werden Bruttowertschöpfung und Produktionswerte hier durch die Addition der Aufwandposten dieser Einheiten ermittelt (Additionsmethode).

Kommentar:

Die in grandiosem Bürokratendeutsch formulierten Sätze bedeuten, dass jeder Beamte, jeder Lehrer, jeder freiwillige Rotkreuzhelfer, jeder Soldat und jeder Pfarrer im BIP ihren festen Platz haben. Man nimmt die Kosten, also im wesentlichen die Personalkosten, die sie verursachen, addiert die weiteren Kosten der Organisation hinzu und schon hat sogar der Verteidigungsminister mit den laufenden Kosten der Bundeswehr seinen Beitrag zum BIP geleistet.

Eine Methode, die - auch wenn die Einschätzungen über den Wert der Verteidigung Deutschlands am Hindukusch sehr unterschiedlich sind - durchaus ihre Berechtigung hat. Wissensvermittlung an Schulen und Hochschulen stellt einen Wert dar, die Prüfung eines Bauvorhabens und die Erteilung einer Baugenehmigung ebenfalls, der Grundbucheintrag, der Streifengang der Polizei, die Untersuchungsergebnisse der Forschungseinrichtungen des Verbraucherministeriums - alles das sind bereitgestellte Leistungen, die einen Wert repräsentieren, der sich am besten durch die dafür aufgewendeten Kosten ausdrücken lässt.

Prostitution in Eigenleistung?

Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Zitat 7:

Neben den bereits erwähnten, breit angelegten Vollständigkeitsprüfungen wurden für viele Rechenbereiche der VGR gesonderte Vollständigkeitsuntersuchungen vorgenommen durch Abgleich mit speziellen, zum Teil auch nichtamtlichen Datenquellen (z.B. über Eigenleistungen im Baubereich, Prostitution, Nachhilfeunterricht, Trinkgelder, Naturaleinkommen).

Kommentar:

Es wird sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Zahlen, die sich letztlich zum BIP aufsummieren, unter Nutzung jedweder Gelegenheit auf das größtmögliche Niveau gehoben werden, was dann "Vollständigkeit" genannt wird.

Zuschlagen, wo immer es geht!

Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Zitat 8:

Auf der Grundlage dieser Vollständigkeitsprüfungen wurden für jeden Rechenbereich der Entstehungsrechnung des BIP spezielle Untererfassungszuschläge hergeleitet. Diese Zuschläge sind integraler Bestandteil der Berechnungen, es handelt sich also nicht um eine eigenständige, autonome Zusatzrechnung. Zweck dieser Zuschläge ist ausschließlich die Vollständigkeit des BIP sicherzustellen, die Zusetzungen umfassen also alle möglichen Arten von Untererfassungen (z.B. statistische Abschneidegrenzen, andere Lücken im Statistiksystem, Steuer- und Abgabenhinterziehung). Aus diesem Grunde ist es auch nicht ohne weiteres möglich, aus diesen Zuschlägen direkt Schätzungen zum Umfang der "Schattenwirtschaft" abzuleiten.

Kommentar:

Noch ein klarer Hinweis darauf, dass es zu den wichtigsten Aufgaben der Statistik gehört, ein möglichst hohes Endergebnis ausweisen zu können.

Die Produktion des Finanzministers

Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Zitat 9:

Damit das Bruttoinlandsprodukt (zu Marktpreisen) sowohl von der Entstehungs- als auch von der Verwendungsseite her gleich ist, sind der Bruttowertschöpfung (zu Herstellungspreisen) die Nettogütersteuern (also Gütersteuern abzüglich der Gütersubventionen) global hinzuzufügen.

Kommentar:

Das Statistische Bundesamt sagt damit aus, dass auch der Finanzminister produziert, und zwar Mehrwertsteuer, Tabaksteuer, Ökosteuer und andere Verbrauchssteuern. Die nicht einmal mehr nur scheinlogische Denkfigur, eine steuerliche "Abschöpfung" als eigene "Wertschöpfung" anzusehen, und sei es auch nur, um vorgeblich gleiche Werte - sowohl von der Entstehungs- als auch von der Verwendungsseite her auszuweisen, stellt eine Perversion der Statistik und eine missbräuchliche Verwendung des Begriffes "Wertschöpfung" dar, die nur noch der Zielsetzung dient, einen möglichst hohen Gesamtwert auszuweisen. Dieser Ansatz ist durch und durch falsch und irreführend.

Prof. Schneider, Linz, und die Schattenwirtschaft

Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Zitat 10:

Eine völlig andere Fragestellung ist die einer getrennten Schätzung des Umfanges der Schattenwirtschaft. Solche Schätzungen werden immer wieder von Wirtschaftsforschern vorgenommen und in den Medien verbreitet. Allerdings kann die VGR hierbei aus mehreren Gründen keine Hilfestellung leisten. Zunächst ist für die Vollständigkeit des BIP die Frage, ob eine Wirtschaftstätigkeit steuerlich erfasst wird oder nicht, ob sie legal oder illegal ist oder ob sie im Verborgenen stattfindet irrelevant. Zweitens gibt es keine einheitliche Definition für das Schlagwort Schattenwirtschaft. Drittens müssten die über die angewendeten Rechenverfahren implizit erfassten schattenwirtschaftlichen Aktivitäten nachträglich aus dem BIP herausgerechnet werden, ohne dass über deren Umfang entsprechende Informationen vorliegen.

Kommentar:

Hier konnte sich das Statistischen Bundesamt den kleinen Seitenhieb auf den Schattenwirtschaftsprofessor Schneider aus Linz, offenbar nicht verkneifen, dass es nämlich die von diesem in die Welt gesetzten Zahlen (ca. 360 Milliarden Umfang der Schattenwirtschaft in Deutschland) nicht nachvollziehen kann.

Dass aber zugleich erklärt wird, es sei für das BIP irrelevant, ob eine Wirtschaftstätigkeit steuerlich erfasst wird oder nicht, ob sie legal oder illegal ist, ob sie offen oder verdeckt ausgeübt wird, lässt noch einmal ganz deutlich erkennen, dass der Begriff der Wirtschaftstätigkeit weit gesteckt ist und deutlich über das hinausgeht, was Gegenstand jenes Wachstums sein darf, dessen Grundlagen die große Koalition zu stärken versprochen hat.

 

Der Erkenntnisgewinn und die Anforderungen an eine neue Sichtweise

Es ist nicht zu übersehen: Nichts, womit sich die deutsche Bevölkerung beschäftigt, entgeht der statistischen Erfassung. Die Eigenleistung am Eigenheim wird dem Brutto-Inlandsprodukt ebenso zugerechnet, wie der Mietwert der selbstgenutzten Immobilie, Honorare für Nachhilfestunden und Schäferstündchen werden - auch mit Hilfe nicht-amtlicher Quellen - abgeschätzt und zugeschlagen, die Arbeit der Beamten in der Öffentlichen Verwaltung, die Arbeit ehrenamtlicher und bezahlter Helfer in gemeinnützigen Organisationen, die Aufklärungsarbeit der Bundeswehrpiloten in Afghanistan - alles das ist Brutto-Inlandsprodukt.

Und weil so manches weder registriert noch versteuert wird, hilft man sich mit weiteren Nebenrechnungen und impliziten Zuschlägen so lange weiter, bis auch beim besten Willen nirgends mehr ein Euro aufzufinden ist, der dem Brutto-lnlandsprodukt zu Herstellungskosten noch zugerechnet werden könnte. Es ist aber auch nicht zu übersehen, dass trotz aller Mühe, die darauf verwendet wird, den Umfang der Wertschöpfung darzustellen, die VGRen sich als völlig unzureichend erweisen, wenn man von den Statistikern wissen möchte, wie hoch die aus dem Wirtschaften entstandenen Gewinne ausgefallen sind. Das bleibt im Dunkeln, nicht zuletzt auch deshalb, weil der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung keine monetäre Flussrechnung unterlegt wird, folglich auch Geldmengen- und Vermögensänderungen nicht betrachtet werden. Gestaltete man die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung nach den Grundsätzen der Ordentlichen Buchführung (GOB), es bliebe keine der derzeit offenen Fragen unbeantwortet. Die Bilanz, als Instrument des Vermögensvergleichs, und die Gewinn- und Verlustrechnung, als Instrument zur Erläuterung der Entstehung der Vermögensdifferenz, wiesen einen identischen gesamtvolkswirtschaftlichen Gewinn oder Verlust aus, dessen Herkunft ebenso offensichtlich wäre, wie seine Verwendung und sein Verbleib.

Wie eine Annäherung an dieses Ziel geschehen könnte, zeigt der nachstehende gedankliche Ansatz für eine neue Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung.


Das Primär-Sozialprodukt (PSP)

Methodik

Eine Betrachtungsweise, die, wie eingangs gefordert, den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung genügt, macht die Einführung von wenigstens vier gegeneinander abgegrenzten "Wirtschaftssubjekten" erforderlich. Es sind dies

a) die Privaten Haushalte ohne nennenswertes Vermögen (HoV)

Hierin finden sich die Haushalte der Arbeiter und Angestellte, der Rentner, der Arbeitslosen und der Sozialhilfeempfänger. Ebenso aber auch die Haushalte der kleinen Gewerbetreibenden. Das hier gehaltene Finanz- und/oder Produktivvermögen wird selten den Wert von 1 Mio Euro übersteigen und im wesentlichen in Form von Spar- und Versicherungsverträgen, kleinen Wertpapierdepots bzw. als die Aktiva des eigenen Betriebs (soweit diese durch Eigenkapital gedeckt ist) vorliegen.

b) die Privaten Haushalte mit nennenswertem Finanz- und/oder Produktivvermögen (HmV)

Hierin finden sich die Haushalte der mittelständischen und großen Privatunternehmer, der Leitenden Angestellten der Großunternehmen, vor allem aber die Haushalte der großen Kapitalvermögen. Das hier gehaltene Finanz- und/oder Produktivvermögen wird selten den Wert von 1 Mio Euro unterschreiten und im wesentlichen in Form von Grund und Boden, Unternehmensbeteiligungen und großen Finanzanlagen vorliegen. Das Vermögen dieser Privaten Haushalte mit nennenswertem Finanz- und/oder Produktivvermögen umfasst wertmäßig den allergrößten Teil der Wirtschaftsunternehmen, deren gesonderte Darstellung sich daher erübrigt.

c) der Staat

Zum Staat gehören alle Organe des Öffentlichen Dienstes, einschließlich der Träger der staatlichen Sozialversicherung.

d) das Ausland

Die Kategorie Ausland bringt einerseits den Saldo aus dem Außenhandel (Handels- und Leistungsbilanz), andererseits aber auch den Vermögens-Transfer (Auslandsinvestitionen der Inländer/Inlandsinvestitionen von Ausländern) zum Ausdruck.

Flussrechnungen und Vermögensvergleich

Alle Transaktionen, die innerhalb eines der vorbeschriebenen Wirtschaftssubjekte verbleiben, werden dort kumuliert. So wird z.B. die Beschaffung von Investitionsgütern, die ein Unternehmen aus dem Bereich HmV herstellt und an ein anderes Unternehmen aus dem Bereich HmV liefert nur innerhalb dieses Bereiches statistisch erfasst, wird aber in Bezug auf die Vermögensveränderungen und Liquiditätsflüsse zwischen den vier betrachteten Subjekten nicht dargestellt. Gleiches gilt für Miet- und Zinszahlungen die im HmV-Bereich zwischen einzelnen Personen oder Gesellschaften fließen.

Transaktionen, welche die Grenzen zwischen den betrachteten Wirtschaftssubjekten überschreiten werden in einer Flussrechnung dargestellt und letztlich zur Bilanzierung der Vermögensveränderungen herangezogen.

Basis für die Flußrechnungen und die Betrachtung der Vermögensveränderunen sind zwei weitgehend eigenständige Rechnungen, nämlich die Enstehungsrechnung und die Verteilungsrechnung.

 

Die Entstehungsrechnung

Definition des Begriffs Wertschöpfung

Die Forderung nach mehr Transparenz und Klarheit macht ein kritisches Nachdenken über die derzeitige Definition der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung erforderlich.

Es muss bezweifelt werden,

dass die für die Gewährung professioneller erotischer Dienstleistungen gezahlten Preise und Trinkgelder einen für die Bemessung der Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft relevanten Wert darstellen.

Es muss gefragt werden,

ob in Eigenleistung errichtete Wohnhäuser eine der (Volks-) "Wirtschaft" zurechenbare Wertschöpfung darstellen - und, falls dies bejaht wird, welcher Wert denn durch andere private Freizeitgestaltung (Lesen, Skifahren, Modellbahnbau) geschaffen und im BIP ausgewiesen wird. Letztlich ist es nicht schlüssig begründet, warum sogenannte "Schwarzarbeit" (egal, ob mit fragwürdigen Methoden geschätzt oder mit fragwürdigen pauschalen Zuschlägen implizit berücksichtigt) oder - noch weiter gegriffen - ein gewisses Maß an "Schattenwirtschaft" dem BIP zwingend zuzurechnen ist.

Es muss geklärt werden,

warum der Nachweis der Stärke einer Volkswirtschaft auch noch auf der Vermutung fußen soll, es gäbe einen gewissen Anteil an Steuerhinterziehung, und dass die vermutete Steuerhinterziehung vermuten lässt, dass Wertschöpfung zum Zwecke der Steuerhinterziehung verborgen wird.

Wäre es nicht sehr viel klarer und transparenter, die Produktion einer Volkswirtschaft alleine am Umfang der regulären, offiziellen, legalen Produktion und Leistungserbringung zu bemessen?

Dann wäre die Produktion eines Industrieunternehmens, das 1.000 Mitarbeiter beschäftigt und durch sinnvolle Organisation sowie Bereitstellung der notwendigen Produktionsmittel verkaufsfähige Werte entstehen lässt, ein selbstverständlicher Bestandteil des Sozialproduktes. Das Ergebnis der Arbeit von anderen 1.000 Menschen, die als Schwarzarbeiter tätig sind, gehört nicht dazu. Ihre Beschäftigung ist gekennzeichnet dadurch, dass sie überwiegend alleine, allenfalls in Kleinstgruppen, unorganisiert und unregelmäßig Arbeitsgelegenheiten nutzen, die zumeist aus dem näheren sozialen Umfeld angeboten werden. Ihre Leistungen werden ohne einklagbaren Qualitätsstandard mit mehr oder minder angemessenem Aufwand erbracht. Das Ergebnis dieser Beschäftigung gehört ebenso wenig ins Sozialprodukt, wie der Kuchen, den die Hausfrau bäckt, obwohl es gleichzeitig Wirtschaftsbetriebe gibt, deren Kuchenprodukte von vergleichbarer oder minderer Qualität sehr wohl dem Sozialprodukt zuzurechnen sind.

Es kann also nicht darauf ankommen, was entsteht.
Der Hinweis darauf, dass ein bestimmtes Produkt oder eine Leistung als Gegenstand wirtschaftlicher Tätigkeit von Marktproduzenten oder - aus anderen Gründen und mit anderer Zielsetzung von Nichtmarktproduzenten hergestellt oder angeboten wird, kann nicht ausreichen, um jede im privaten Bereich erbrachte, vergleichbare Leistung dem Sozialprodukt zuzurechnen. Die Bandbreite der Möglichkeiten reicht von der Muttermilch bis zur Eigenleistung beim Hausbau, es gibt so vieles, was außerhalb wirtschaftlicher Interessen geleistet und hergestellt wird. Wer versucht, innerhalb dieser sogenannten "schattenwirtschaftlichen Grauzone" eine Grenzziehung zu finden, wird immer nur unbefriedigende Ergebnisse erzielen. Legt man die Trennungslinie jedoch ganz eindeutig dorthin, wo zwischen privatem und öffentlichem Bereich unterschieden werden kann, lösen sich die Schwierigkeiten nahezu vollständig auf. Ein wesentlicher Grund, der für diese Trennungslinie spricht, ist u. a. auch die Tatsache, dass jede "wertschöpfende Tätigkeit" die einen gewissen Umfang übersteigt, bereits bei Erreichen sehr niedriger Grenzwerte per Gesetz und Vorschrift zumindest mit einer Gewerbeanmeldung in den öffentlichen Bereich eintreten muss, und, was viel wichtiger ist, dass bei Erreichen einer gewissen, gar nicht so hohen Schwelle, alleine organisatorische Notwendigkeiten ganz automatisch dazu führen, einem Unternehmen den gesetzlichen - und damit öffentlichen - Rahmen zu geben.

Die Reduzierung verbleibender Grauzonen auf ein normales, nichtkriminelles Maß ist Aufgabe der Staatsorgane. Was diese nicht entdecken und korrigieren, sollte nicht Gegenstand spekulativer Phantasien der Statistiker sein.

Der heutzutage anzutreffende Zustand, dass Finanzbeamte jedem Kleinunternehmer, der nicht innerhalb weniger Jahre nach Gründung seines Unternehmens einen Gewinn nachweisen kann, vorhalten, er habe keine Gewinnerzielungsabsicht, folglich auch keinen Geschäftsbetrieb, was er betreibe sei "Liebhaberei", seine Aufwendungen folglich steuerlich nicht relevant - während die Statistiker gleichzeitig versuchen, auch noch die kleinste "Liebhaberei" irgendwie als "Wertschöpfung" zu klassifizieren und zur gewünschten hohen Zahl zu addieren, ist nicht mehr länger haltbar.

In ein vernünftiges, transparentes System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung dürfen ausschließlich Elemente einfließen, die aus dem öffentlich, offiziell, legalen Bereich des Wirtschaftens und der Wertschöpfung stammen. Leistungen, die - ob entgeltlich oder unentgeltlich - im privaten Bereich erbracht werden, sind im Sozialprodukt fehl am Platze.

Die Abgrenzung zwischen Wertschöpfung und Gewinnen

Der Aufwand, der zur Erstellung einer Leistung erforderlich ist, und der Preis, der für die Leistung oder das Produkt erzielt werden, sind zwei sehr verschiedene Begriffe. Während der Aufwand in einer direkten Beziehung zur Leistung steht, und sich bei vergleichbarem Ergebnis nur in engen Grenzen beeinflussen lässt, ist der erzielbare Preis ein Ergebnis der Marktverhältnisse. Die Differenz zwischen dem notwendigen Aufwand und dem Preis ist entweder ein Gewinn, oder ein Verlust. Gewinn und Verlust stehen in keinem zuverlässig und dauerhaft vorhersehbaren Verhältnis zum Aufwand.
Gewinne - oder Verluste - sind alles andere als Elemente der Wertschöpfung.

Gewinne - also alles, was über die Deckung der entstandenen Kosten, einschließlich des angemessenen Unternehmerlohns hinausgeht - sind die Folge geschickten Wirtschaftens, oft auch erfolgreicher Spekulation. Wer es schafft, Lieferanten, Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen zu übervorteilen und dabei eine Monopolposition zu erringen oder zu erhalten, der macht mit dem geringsten Aufwand den höchsten Gewinn. Natürlich soll kein Unternehmer seine 12-Stunden-Tage und 80-Stunden-Wochen unentgeltlich abliefern. Für erbrachte Leistung steht jedem ein adäquates Einkommen zu. Das gilt ebenso für den Leitenden Angestellten, den Vorstand der Aktiengesellschaft, den Geschäftsführer der GmbH - warum denn nicht. Die arbeiten, erbringen Leistungen. Aber warum muss ein Unternehmen darüber hinaus Dividenden für Aktionäre erwirtschaften und darauf achten, dass der Börsenkurs ständig steigt?

Schöpft ein gemeinnütziges Unternehmen, das seine Leistungen zu Herstellungskosten abgibt, denn weniger Wert, als ein gewinnorientiertes Wirtschaftsunternehmen, dass die gleichen Leistungen zu höheren (um den Gewinn erhöhten) Preisen verkauft?

Doch wohl nicht!

Folglich kann festgehalten werden, dass die Wertschöpfung einer Volkswirtschaft, wenn sie vergleichbar, klar und transparent sein soll, nur zu tatsächlichen Herstellkosten (im Unterschied zu "kalkulatorischen Kosten"), sowie ohne den erwirtschafteten Gewinn oder Verlust erfasst werden sollte. (Das ist übrigens genau der Ansatz, der bereits für den Bereich der "Nichtmarktproduzenten" als "Additionsmethode angewandt wird - und deren Wertschöpfung abbildet.) Der darüber hinaus erzielte Gewinn entsteht schließlich erst dadurch, dass die Abnehmer der Produkte und Leistungen dafür mehr als den Wert der tatsächlichen Wertschöpfung bezahlen (müssen). Die Abnehmer lassen damit erkennen, dass sie den Nutzen der erworbenen Produkte oder Leistungen höher bewerten, als den Aufwand, der für die Wertschöpfung erforderlich war. Diese Einschätzung der Abnehmer ist ein Element, das möglicherweise Aufschluss gegen kann, über Verwerfungen des Marktes (Monopole, Oligopole) aber es handelt sich dabei nicht um eine Wertschöpfung und folglich nicht um ein Element der Entstehung des Sozialproduktes.

Mieten und Zinsen sind nicht Wertschöpfung,
sondern Formen der Verteilung

Wenn, wie vorstehend beschrieben, in der vorgestellten neuen Betrachtungsweise der VGR die Unternehmensgewinne nicht als Wertschöpfung angesehen werden, dann muss dies für Zinsen und Mieten gleichermaßen zutreffen. Wenn ein Produzent Kredite aufnehmen und dafür Zinsen zahlen muss, befriedigt er damit die Gewinnerwartung des Geldgebers. Das heißt, dass ein Teil seiner Wertschöpfung dem Gläubiger zufließt. Gleiches trifft für die Schuldzinsen der Konsumenten zu. Ein Teil ihrer Löhne und Gehälter bzw. der Transferleistungen, die ihnen zufließen, werden aufgewendet, um die Gewinnansprüche von Gläubigern zu befriedigen. Die Zinsforderung ist alles andere als Wertschöpfung, sie ist "Wertabschöpfung" und Quelle leistungsfreien, parasitären Einkommens. Mit den Mieten und Pachten verhält es sich ebenso.

Die Erschließung eines Grundstücks, die Errichtung von Gebäuden und deren Unterhalt und Pflege sind, soweit diese Leistungen nicht ganz oder teilweise dem privaten Bereich zuzuordnen sind, tatsächliche Wertschöpfung und folglich dem Sozialprodukt zuzurechnen. Die Vergütung für die (Ab-)Nutzung ist jedoch keine Wertschöpfung, sondern eine Ausgleichszahlung für eine allmähliche Wert-Minderung. Die Befürworter der derzeitigen Auffassung, Mieten seien selbstverständlich Teil des Sozialprodukts, sogar diejenigen Mieten, die man als Entgelt für selbstgenutztes Wohneigentum unterstellt, müssten im Sozialprodukt ausgewiesen werden, müssen sich die Frage gefallen lassen, wie oft eine Mietwohnung denn (wertmäßig) dem Sozialprodukt nach ihrer Herstellung noch zugerechnet werden soll - und warum!
Stellt man sich jedoch auf den Standpunkt, dass leistungsfreie Einkommen, wie sie aus Miet-, Pacht- und Zinseinkünften entstehen, als "Wertschöpfung" im Sozialprodukt völlig fehl am Platze sind, erschließt sich von da aus die Grundidee jener neuartigen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, hier als das "Primäre Sozialprodukt" be-zeichnet wird, fast automatisch.

 

Primäres Sozialprodukt (PSP)
Bundesrepublik Deutschland 2006

Hinweis zur Gültigkeit der eingesetzten Zahlenwerte:

Die nachstehende, mit Zahlen gefüllte Gesamtdarstellung fußt zwar auf Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2006, diese mussten jedoch zum Teil durch notwendige Umrechnungen pauschal verändert, zum Teil durch eigene Schätzungen ergänzt und zuletzt insgesamt konsolidiert werden.

Es handelt sich also primär um eine Darstellung des Modells einer veränderten VGR.
Die teilweise Nutzung offizieller statistischer Zahlen erfolgte lediglich, um "ein Gefühl für die Größenordnungen" zu ermöglichen.

Zur korrekten Darstellung eines PSP mit gültigen Zahlenwerten wäre eine durchgängige gezielte Datenerhebung erforderlich, die mir so nicht möglich ist.

Darstellung der Entstehungsseite

Schließt man Gewinne, Zinsen, Mieten und Pachten von der Betrachtung der Wertschöpfung vollständig aus, bleiben in der Entstehungsrechnung lediglich die Werte der Arbeitnehmerentgelte stehen. Alle übrigen "Kosten", die ggfs. im Sinne der "Additionsmethode" zu berücksichtigen wären, lassen sich auf Unternehmensgewinne, Zinsen, Mieten und Pachten (Unternehmens- und Vermögens Einkommen) zurückführen, da jegliche verwendete Materie und jegliche Primärenergie völlig kostenlos aus dem Inventar des Planeten Erde bzw. aus der Strahlung der Sonne zur Verfügung stehen und nur durch die Beanspruchung und Durchsetzung von "Eigentumsrechten" überhaupt kostenpflichtig werden, was bei den Inhabern der Eigentumsrechte zu Gewinnen, Zinsen, Mieten, Pachten oder Lizenzeinnahmen, also letztlich wieder zu Unternehmens- und Vermögenseinkünften führt.

Vorleistungen, die außerhalb der eigenen Volkswirtschaft erbracht wurden, also Importe, werden über den Außenhandelssaldo korrekt erfasst und in der Verwendungsrechnung ausgewiesen.

Der statistische Nachweis der Entstehung des Sozialprodukts nach Wirtschaftsbereichen kann in der Betrachtungsweise des Primären Sozialprodukts folglich vollständig über die Höhe der je Wirtschaftsbereich gezahlten Arbeitnehmerentgelte, einschließlich der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, geführt werden. Darin enthalten und nur nachrichtlich gesondert ausgewiesen, ist die vollständige Wertschöpfung für Ausrüstungsinvestitionen. Die Saldierung mit den Abschreibungen wäre in der Entstehungsrechnung kontraproduktiv. Die Ausrüstungsinvestitionen wurden geschaffen, stellen also eine Wertschöpfung der Periode dar. Bei Abschreibungen handelt es sich hingegen um den (zumeist unter steuerlichen Gesichtspunkten bezifferten) Wertverlust für Abnutzungen, also um eine Minderung des Vermögens an Produktivkapital - die zudem weitgehend unabhängig von der tatsächlichen Wertminderung, primär von der verflossen Zeit abhängt. Ein Wertverlust für Abnutzung ist aber ungeachtet dessen nicht als Minderung der primären Wertschöpfung der Periode anzusetzen.

In Zahlenwerten, die mangels zugänglicher statistischer Werte hier auf Basis pauschaler Rückrechnungen beispielhaft eingesetzt wurden, um einen Vergleich mit den Daten des BIP näherungsweise zu ermöglichen, sähe die

Entstehungsrechnung des PIP für das Jahr 2006
so aus:

   Produktionswerte nach Bereichen

 Mrd. Euro

 E1  Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

 12,5

 E2  Produzierendes Gewerbe

 461,8

 E3 Baugewerbe

 105,5

 E4  Handel, Gastgewerbe und Verkehr

  228,4

 E5  Finanzierung, Vermietung, Unternehmens-Dienstleister

 65,0

 E6  Öffentliche und private Dienstleister

 272,5

     
 E0  Summe PSP zu Arbeitskosten

 1.145,7

 E7  darin Investitionsgüter Wirtschaft

 221,7

 E8  darin Investitionsgüter Staat

 16,4

Die Summe von 1.145,7 Milliarden Euro entsprächen bei der beabsichtigten, puristischen Betrachtung der vollständigen tatsächlichen Wertschöpfung der Volkswirtschaft.
Dieses Primäre Sozialprodukt bildet eine zuverlässige und aussagekräftige Basis für eine ganze Reihe von abgeleiteten Kennzahlen (von der Staatsquote bis zu den Wachstumswerten), deren Werte sich von dieser Basis aus ganz signifikant in Richtung "Wahrheit" verändern würden.

Die Aufschlüsselung der Liquiditätsströme nach den vier getrennt betrachteten Wirtschaftssubjekten ergibt folgendes Bild:

Haushalte ohne nennenswertes Vermögen

 Mrd. Euro

 Zufluss Netto-Löhne und Gehälter

 600,0

 Transferleistungen

 380,0

 Gesamtzufluss aus Produktion (= Masseneinkommen)

 980,0

   
 Haushalte mit nennenswertem Vermögen  
 Lohnzahlungen netto

 - 600,0

 Steuern, Abgaben

 -545,7

 Mittelabfluss für Produktion (= Kosten)

 -1.145,7

   
 Staat  
 Zufluss Steuern/Abgaben aus Produktion

 545,7

 Transferleistungen

 -380,0

 Mittelzufluss aus Produktion

  165,7

   
 Ausland

 +/- 0

   

Darstellung der Verteilungsseite

Die Verteilung des Primären Sozialproduktes ist die Darstellung aller erzielten Einkommen. Weitgehende Klarheit bietet die Statistik bereits heute über die Einkommen der Haushalte der Arbeitnehmer, der Rentner und der Arbeitslosen, soweit diese nicht über nennenswertes Vermögen verfügen. Aus der Lohnsumme werden rund 600 Mrd. Euro als Nettolöhne ausbezahlt, weitere 380 Mrd. Euro werden über Transferleistungen der Sozialsysteme und der Gebietskörperschaften umverteilt und ausgeschüttet, sodass als "Masseneinkommen" 980 Mrd. Euro bereitstehen.

Addiert man die Einkommen aus Gewinnen, Zinsen, Mieten und Pachten und der Verwertung weiterer Rechte (Patente, Lizenzen, sonst. Verwertungsrechte), ergibt sich zunächst ein Betrag, der weit höher liegt, als der Wert der in der Entstehungsrechnung als Primäres Sozialprodukt ausgewiesen wird.

Dieser, dem Marx'schen Mehrwert sehr ähnliche Einkommensüberschuss resultiert aus dem Unterschied zwischen Wertschöpfung und Umsatz, zwischen Kosten und Preisen. Es handelt sich um "den Gewinn" der jeweiligen Periode. Mit der Darstellungsform des Primären Sozialprodukts wird dann allerdings nachgewiesen, aus welchen Quellen, außerhalb der Wertschöpfung, sich dieser Einkommensüberschuss speist. Es sind dies

der Außenhandelsbeitrag,
im Beispiel der Exportüberschuss zu Verkaufspreisen,

der Vermögensverzehr
aus "Entsparen",also der Umwandlung langfristiger Kapitalanlagen, Spargelder, Lebensversicherung etc. in Liquidität, sowie aus dem Verkauf von nichtmonetären Vermögensbestandtteilen, insbesondere Immobilien, Unternehmensanteilen, aber auch von Schmuck, Kunstgegenständen, Edelmetall, und aus dem "Wertverlust durch Abnutzung", und, als Sonderform der Vermögensveränderung

die Netto-Neuverschuldung,
die erforderlich ist, um den Absatz des Teils des PSP zu Verkaufspreisen zu ermöglichen, der im Binnenmarkt verbleibt.

 

Verteilungsungsrechnung Deutschland, 2006

   Einkünfte nach Arten

 Mrd. Euro

 VT1  Netto-Löhne und Transferleistungen

 980,0

 VT2  Einkommen aus Unternehmensgewinnen

421,2

 VT3  Einkommen aus Zins/Miete kumuliert

 300,0

     
 VT0  Summe Verteilungsmasse

 1.701,2

     
   Das Verteilungsvolumen speist sich aus folgenden Quellen:  
 Q1  Konsum Private Haushalte ohne Vermögen

 921,5

 Q2  Zinsen und Mieten von Haushalten ohne Vermögen

 300,0

 Q3  Konsumausgaben des Staates

 265,7

 Q4  Investitionen des Staates

 24,3

 Q5  Exportüberschuss

 189,7

 Q0  Summe Verteilungsmasse

 1.701,2

Die den Privaten Haushalten mit nennenswertem Vermögen entstehenden Konsumausgaben (35 Mrd) bleiben als Zuflüsse und Abflüsse innerhalb des gleichen Wirtschaftssubjektes und saldieren sich zu Null. Das gleiche gilt für Zins- und Mietzahlungen sowie für die Investitionen im HmV-Bereich.

 

Die Fortschreibung der Geldflüsse nach den vier getrennt betrachteten Wirtschaftssubjekten ergibt folgendes Bild:
Haushalte ohne nennenswertes Vermögen

 Mrd. Euro

 Zufluss Netto-Löhne und Gehälter

 600,0

 Transferleistungen

 380,0

 Gesamtzufluss aus Produktion (= Masseneinkommen)

 980,0

 Konsumausgaben

 - 921,5

 Zinsen/Mieten

 - 300,0

 Sonderabgaben an den Staat

 - 5,0

 Liquiditätsmangel

 - 246,5

   
 Haushalte mit nennenswertem Vermögen  
 Lohnzahlungen netto

 - 600,0

 Steuern, Abgaben

 -545,7

 Mittelabfluss für Produktion (= Kosten)

 -1.145,7

 Privatisierung Staat (Erwerb von Staatsvermögen)

 - 20,0

 Sonderabgaben Staat (Lkw-Maut, Bundesbankgewinn etc.)

 - 30,0

 Steuern auf Einkommen und Gewinne

 - 50,0

 Umsatzerlöse aus Konsum Staat+Privat

 1.187,2

 Zinsen/Mieten

 300,0

 Umsatzerlöse Investitionen Staat

 24,3

 Exportüberschuss

 189,7

 Liquiditätsüberschuss

 455,5

   
 Staat  
 Zufluss Steuern/Abgaben aus Produktion

 545,7

 Transferleistungen

 -380,0

 Mittelzufluss aus Produktion

  165,7

 Erlöse aus Sonderabgaben

 35,0

 Erlöse aus Privatisierungen

 20,0

 Steuern aus dem HmV-Bereich

 50,0

 Konsumausgaben des Staates

 - 265,7

 Investitionen des Staates

- 24,3  

 Liquiditätsmangel

 - 19,3

   
 Ausland

 +/- 0

 Außenhandelssaldo

 - 189,7

 Liquiditätsmangel

 -189,7


Die Verteilungsgewinne und Verluste saldieren sich in der Liquiditätsrechnung auf Null.

 

Darstellung der Vermögensveränderungen

Zur Ermittlung der Vermögensveränderugen muss aufbauend auf der Summe aus Wertschöpfung und Einkommensüberschuss nachgewiesen werden, wohin die Gesamteinkünfte geflossen sind. Der Unterschied zu der Darstellung der Quellen des Verteilungsvolumens besteht darin, dass innerhalb dieser "Verwendungsrechnung" die Umwandlungsprozesse zwischen unterschiedlichen Vermögensarten, die Verschuldungsveränderungen sowie der Werteverzehr durch Abnutzung dargestellt wird.

Dabei wird vor allem deutlich, auf welche Weise die zur Kompensation der Verteilungsverluste erforderliche Liquidität beschafft wird.

Der Staat hilft sich dabei durch Steuereinnahmen auf die Gewinne der Haushalte mit Vermögen, durch Privatisierungerlöse, Sondererlöse und Nettokreditaufnahme.

Die Privaten Haushalten ohne nennenswertes Vermögen können die benötigtet Liquidität durch Entsparvorgänge, Veräußerung von Vermögenswerten und Neuverschuldung beschaffen.

Auch bei den Privaten Haushalten mit nennenswertem Vermögen finden die zugeflossenen liquiden Mittel unterschiedliche Verwendung.

Hier zunächst sie Weiterführung der Liquiditätsflüsse

Haushalte ohne nennenswertes Vermögen

 Mrd. Euro

 Zufluss Netto-Löhne und Gehälter

 600,0

 Transferleistungen

 380,0

 Gesamtzufluss aus Produktion (= Masseneinkommen)

 980,0

 Konsumausgaben

 - 921,5

 Zinsen/Mieten

 - 300,0

 Sonderabgaben an den Staat

 - 5,0

 Liquiditätsmangel

 - 246,5

 Entsparen zu Gunsten HmV

-125,7

 Netto-Kreditaufnahme

 120,8

 Liquiditätssaldo

 0,0

   
 Haushalte mit nennenswertem Vermögen  
 Lohnzahlungen netto

 - 600,0

 Steuern, Abgaben

 -545,7

 Mittelabfluss für Produktion (= Kosten)

 -1.145,7

 Privatisierung Staat (Erwerb von Staatsvermögen)

 - 20,0

 Sonderabgaben Staat (Lkw-Maut, Bundesbankgewinn etc.)

 - 30,0

 Steuern auf Einkommen und Gewinne

 - 50,0

 Umsatzerlöse aus Konsum Staat+Privat

 1.187,2

 Zinsen/Mieten

 300,0

 Umsatzerlöse Investitionen Staat

 24,3

 Exportüberschuss

 189,7

 Liquiditätsüberschuss

 455,5

 Ankauf Vermögenswerte von HoV

 - 125,7

 Verkauf Beteiligungen an ausländische Investoren

85,0 

  Liquiditätssaldo

 414,8

   
   
 Staat  
 Zufluss Steuern/Abgaben aus Produktion

 545,7

 Transferleistungen

 -380,0

 Mittelzufluss aus Produktion

  165,7

 Erlöse aus Sonderabgaben

 35,0

 Erlöse aus Privatisierungen

 20,0

 Steuern aus dem HmV-Bereich

 50,0

 Konsumausgaben des Staates

 - 265,7

 Investitionen des Staates

- 24,3  

 Liquiditätsmangel

 - 19,3

 Netto-Kreditaufnahme

 19,3

  Liquiditätssaldo

 0,0

   
 Ausland

 +/- 0

 Außenhandelssaldo

 - 189,7

 Liquiditätsmangel

 -189,7

 Ankauf Vermögenswerte von HmV

 - 85,0

  Liquiditätssaldo

 -274,7

Neben dem Liquiditätszufluss aus dem Ausland wurde durch die Kredite an HoV und Staat zusätzliche Liquidität in Höhe von 140,1 Mrd. in den Markt gebracht.

Es ergeben sich die folgenden Vermögensveränderungen:

 Haushalte ohne nennenswertes Vermögen  
 Vermögensminderung durch Veräußerung von Vermögenswerten

 - 125,7

 Vermögensminderung durch Neuverschuldung

 - 120,8

 Vermögensveränderung gesamt

 -246,5

   
 Haushalte mit nennenswertem Vermögen  
 Vermögenszuwachs Produktivvermögen

 329,7

 Vermögensminderung durch Abnutzung (Reaktivierung nur bei Veräußerung)

  - 329,7

 Vermögenszuwachs übrige Kapitalanlagen (+125,7/-85,0)

 40,7

 Vermögenszuwachs Liquide Mittel

 414,8

 Vermögensveränderung gesamt

 455,5

   
 Staat  
 Vermögensminderung durch Privatisierung

 - 20,0

 Vermögensminderung durch Neuverschuldung

 - 19,3

 Vermögenszuwachs durch Investitionen

 24,3

 Vermögensminderung durch Abschreibung (Netto-Inv.)

 - 4,3

 Vermögensveränderung

 - 19,3

   
 Saldo aller Vermögensveränderungen = Außenhandelsüberschuss

 189,7

Anmerkungen zu den Abschreibungen:

Die Vorgehensweise, das den Produktionsmitteln zugeführte Vermögen im Jahr des Zugangs vollständig abzuschreiben, entspricht der tatsächlich vorhandenen Absicht, das Wirtschaftsgut durch Produktion zu verbrauchen. Es entspricht zudem der Tatsache, dass der durch die Produktion entstehende Vermögenszuwachs aus Gewinnen in jeder Entstehungsperiode ausgewiesen wird und dass durch den Verkauf von Betriebsmitteln aus dem HmV-Bereich hinaus, Restwerte dem Vermögen zuverlässig wieder gutgeschrieben werden. Beim Verkauf innerhalb des HmV wechseln Geldvermögen (Liquidität) und Produktivvermögen (Investitionsgut) lediglich den Eigentümer, es findet innerhalb des übergeordneten Wirtschaftssubjekts HmV keine Vermögensveränderung statt.

Schlussbemerkung

Der Versuch, das Wirtschaften innerhalb einer Volkswirtschaft unter drei in sich abgeschlossenen "Käseglocken" zu betrachten, entspringt der einfachen Erkenntnis, dass "Kunden" in zwei wichtigen Erscheinungsformen auftreten, zwischen denen unbedingt strikt unterschieden werden muss.

In Wolf's wahnwitzige Wirtschaftslehre Band I habe ich das so ausgedrückt:

Da sind einerseits diejenigen Kunden, die als Unternehmen Waren und Leistungen zum Zweck der eigenen Leistungserbringung beschaffen, und andererseits die Kunden, welche die Gesamtleistung der Wirtschaft letztlich in Form von ‚Endverbraucher-Erzeugnissen' (vom Mohnbrötchen bis zur Eigentumswohnung) erwerben.
Das Unternehmen, das als Kunde auftritt, ist immer und in jeder Ausprägung nur ein Zwischenglied der auf den Endverbraucher oder Konsumenten ausgerichteten Produktionskette. Ein wirtschaftlich gut geführtes Unternehmen wird in seinen Preisen alle eigenen Aufwendungen vollständig an den Käufer weitergeben, unabhängig davon, wie viele Einzelstufen der Produktion und Leistungserzeugung auf dem Weg zum Endverbraucher auch stehen mögen, wie viele wirtschaftliche Verästelungen auch immer zu beobachten sind.

Bezahlt wird alles am Ende vom Endverbraucher.
Auch das Briefpapier, auf dem der Elektrizitätsversorgungskonzern seine Rechnungen schreibt, ist von den Holzfällern und Altpapiersammlern über die Papiermühle und die Druckerei zwar oft von Lieferanten an Kunden weitergegeben worden, bezahlt wird es aber endgültig erst vom Stromkunden, dem es als minimaler Promille-Anteil des Strompreises in Rechnung gestellt wird. Diesem Vorgehen trägt übrigens in geradezu genialer Weise der Vorsteuerabzug im Mehrwertsteuer-System Rechnung: Derjenige, der keine Vorsteuer in Abzug bringen kann, ist das Ziel des Wirtschaftens. Der Endbezahler.

Es ist übrigens der gleiche Endbezahler, der über seine Steuern und Sozialabgaben, Bußgeldbescheide und Verwaltungsgebühren die Ausgaben der öffentlichen Hand bezahlt. Er ist es, der Panzer, Jagdflugzeuge und zugehörige Munition finanziert. Es ist der Endbezahler, der für das Rote Kreuz spendet und der über seine Stromrechnung die Rot-Kreuz-Spende der Papiermühle anteilig mitbezahlt.

Alle Produktion landet zwangsläufig und in ihrer letzten Konsequenz beim einzelnen Menschen. Das ganze Spiel des Wirtschaftens - ob mit Investitionsgütern, Büromaterial oder Straßenbau - dient nur dazu, ganz am Ende einen Endbezahler zu finden. Einen Kunden, der mit allem Notwendigen und allem Überflüssigen direkt oder auf dem Umweg über öffentliche oder gemeinnützige Institutionen in dem Maße bedient werden muss, wie er unter allen Anstrengungen gerade noch zu bezahlen in der Lage ist.

Niemand würde eine Walzstahlstraße mit dreistelligem Millionenaufwand errichten, wenn das damit erzeugte Stahlblech nicht am Ende in Form von Kotflügeln, Bratpfannen und Computergehäusen wieder von einem Endverbraucher verbraucht, von einem Endbezahler bezahlt würde. Auch wenn ein Teil des Walzblechs zunächst wieder in den Maschinenbau geht, für die Herstellung von Maschinen, die die tollsten Sachen können, die z.B. Chips herstellen, die dann wieder die Walzstraße steuern, damit der Prozess sicherer wird, der die Vorstufe zur Außenhaut Ihres neuen Autos darstellt.

Nochmals zum Einprägen: Natürlich gibt es neben dem privaten Verbrauch auch den öffentlichen Verbrauch, aber wem dienen Schulen und Kindergärten, Kataster- und Standesämter, die Kriminalpolizei und das Bundesinstitut für Fleischforschung? Sie sind nette kleine Nebenaggregate, die mit dazu beitragen, dass es den Bürgern gut geht. Und wer finanziert den ganzen Aufwand? Der Endbezahler!

Wenn dem so ist, entdecken wir ein Paradoxon:

Da gibt es auf der einen Seite die Wirtschaft. Ganz vorne stehen Unternehmer, die die Urerzeugung schaffen, die Erz und Kohle aus der Erde holen lassen, oder Rohöl, oder Kartoffeln oder Bäume aus dem Wald. Dann folgen die Investitionsgüterhersteller mit vielfachen Wirtschaftsbeziehungen untereinander und alle geben alle Kosten und jeweils einen mehr oder weniger ausgeprägten Gewinn in ihren Preisen weiter. Denken Sie sich über das Ganze eine Käseglocke und Sie stellen fest, dass das ganze System für sich alleine nicht funktionieren kann, solange nicht aus dem Zusammenspiel der Wirtschaftsunternehmen Produkte entstehen, die aus der Käseglocke hinaus finden und dort auf Endbezahler stoßen, die gewillt sind, über die Preise den gesamten innerwirtschaftlichen Aufwand und die von den Unternehmen angestrebten Gewinne zu bezahlen.

Auf der anderen Seite steht, das wissen wir, der Konsument, der die vom Bauern aus der Erde geholten Kartoffeln in der Pfanne aus Blech aus dem Walzwerk mit von Turbinen und Generatoren aus Erdöl gewonnenem Strom brät und auf der Tischplatte aus erst im Wald gefällten, dann in kleine Späne zerlegten und dann wieder in Form gepresstem Holz, isst. Außerdem stehen auf dieser Seite der Staat und einige andere, vom Endbezahler finanzierte Institutionen, die den Rest abnehmen.

Um Ihrem möglichen Einwand vorzugreifen. Natürlich zahlen auch Unternehmen Steuern. Aber diese Steuern könnten genauso gut auch vom Endverbraucher erhoben werden. Das Unternehmen zielt auf einen Nettogewinn. Nach Steuern! Alle Unternehmenssteuern müssen über den Preis doch wieder vom Endbezahler (außerhalb der Käseglocke) übernommen werden, sonst hätte das Unternehmen kein Geld, um Steuern zu bezahlen. Es ist so. Sollten Sie ein Unternehmen kennen, das anders rechnet, dann wird es bald ein Fall für das Insolvenzgericht sein.

Sie sehen das Paradoxon noch nicht?

Auch nicht mit verschärftem Nachdenken? Sehen Sie genau hin und rechnen Sie mit! Dem Endbezahler steht, solange er nicht sein ererbtes oder sonst wie angesammeltes Vermögen angreift, nichts anderes zur Verfügung, als sein Lohn oder sein Gehalt aus nichtselbständiger Arbeit. Der vom Endverbraucher insgesamt zu zahlende Preis setzt sich zusammen aus den Produktionskosten (die in der Regel auch Zinsen für Fremdkapital beinhalten) und dem Gewinn, den sich die Insassen der Käseglocke für ihr unternehmerisches Engagement erwarten.
Lohn und Gehalt sind aber nur ein Teil der Produktionskosten. Die Kaufkraft des Endverbrauchers liegt also zwangsläufig unter den notwendigerweise geforderten Preisen für die Waren und Leistungen, die er abnehmen muss, damit sich unter der Käseglocke kein Verwesungsgeruch entwickelt.

Selbst wenn wir überflüssigerweise differenzierter betrachten und feststellen, dass Unternehmer und reine Kapitalgeber ja auch konsumieren, ein Teil der Zeche also im Vorfeld ausgeglichen wird (unter der Käseglocke bleibt), stehen wir doch erschüttert vor der Tatsache, dass die Bevölkerung, deren Lohn- und Gehaltssumme ja nur einen Bruchteil des Produktionswertes ausmacht, damit niemals in der Lage sein kann, die ihr zugeteilte Rolle des Endbezahlers vollständig wahrzunehmen. Die Ergebnisse dieser nicht widerlegbaren Situation sind vielgestaltig.

1.Es müssen immer wieder Unternehmen zusammenbrechen, Unternehmen, deren Produkte für den Endbezahler und den Staat so wenig interessant sind, dass der Geschäftsbetrieb aus den zu geringen Umsätzen nicht aufrecht erhalten bleiben kann. Das knappe Geld ist an ihnen vorbeigegangen. Mit dem Zusammenbruch eines Unternehmens ist das ehedem in dieses Unternehmen eingebrachte Eigenkapital, evtl. seit Jahrhunderten vererbtes Vermögen, dort gelandet, wo es dringender gebraucht wird. Irgendwo im Rest der Wirtschaft.

2.Die meisten Unternehmen sind gezwungen, mit (hohen) Fremdkapitalanteilen zu arbeiten. Sie planen für sich und versprechen dann den Geldgebern, dass ihr Produkt gut genug sein wird, um sich in der Menge zu verkaufen, die erforderlich ist, um Gewinn zu machen und die Schulden tilgen zu können. Da Darlehen meistens mit Laufzeiten von mindestens fünf Jahren aufgelegt werden, ergibt sich eine interessante Verschiebung zwischen der Ausgabe und den notwendigen Einnahmen. Das Unternehmen gibt heute auf einmal aus, was die Endbezahler über einen Zeitraum von vielen Jahren wieder abliefern müssen. Sie müssen aber ein bisschen mehr abliefern, weil die Zinsen auch bezahlt werden müssen und die Investition eine Rendite abwerfen soll. Das Unternehmen muss also zwangsläufig noch mehr Endbezahler überzeugen, als aufgrund des üblichen Verhältnisses zwischen Preis und Lohn erforderlich wären. Würde man die übliche Unterscheidung zwischen Aufwand und Kosten unterlassen, eröffnete sich ein klarerer Blick darauf, dass Unternehmensgewinne, die in Unternehmen erwirtschaftet werden, die sich mit Krediten finanzieren, nichts sind, als ‚als Gewinn ausgewiesene' Kredite. Gewinne werden zumindest zeitlich vorverlegt. Das Ganze ist ein ungewisser Wechsel auf die Zukunft.

3.Um den Endbezahlern die Rechnung etwas senken zu können, wird versucht, kostengünstiger zu wirtschaften, in dem Teile der Produktionskosten aus anderen Märkten (anderen Käseglocken) preiswerter bezogen werden. Ob es sich nun um klassische Importe, um eigene Standorte in fremden Märkten, oder nur um das derzeit so beliebte Outsourcing handelt, ist dabei wenig relevant. Über solche Strategien kann der Abgabepreis an den Endbezahler gesenkt werden. Sobald diese Preissenkung den Betrag übersteigt, der durch gleichzeitig wegfallende Nachfrage (Wegfall von Löhnen und Gehältern durch Fremdbezug) zu verkraften ist, hat sich der "Umweg" gelohnt. Das puffert ein bisschen ab und verspricht z.B. einer guten Importnation ein Stückchen mehr Wohlstand, als denen, die sich das nicht leisten können. Die zweite Schiene in diesem Spiel zwischen unterschiedlichen Märkten ist - mit umgekehrtem Vorzeichen - der Export. Gutbezahlte Exporte vergrößern die Zahl der erreichbaren Endbezahler, ohne dass diese dafür im Rahmen dieser volkswirtschaftlichen Käseglocke Löhne erhielten. Auch das vermehrt den relativen Wohlstand derer, die einen guten Exportmarkt finden. Dabei spielt der Grad der Bedarfsdeckung im Inland nur eine untergeordnete Rolle. Denken Sie an die ehemalige DDR. Exportweltmeister im kommunistischen System, trotz erheblicher Mangelwirtschaft innerhalb der eigenen Grenzen. Kurz gesagt, wer preiswert importiert und zu guten Preisen exportiert, schafft sich Vorteile. Die Kehrseite der Medaille sieht derjenige, der unter der anderen Käseglocke sitzt. Wer billig abgibt, dessen Wohlstand muss sinken, wer teuer einkauft, dessen Wohlstand muss ebenso sinken. So wird der Markt, der gezwungen ist, seine Produkte preiswert zu exportieren, immer bescheidener werden, der Markt, der es sich leistet, teuer zu importieren, wird für die eigene Wirtschaft immer ungemütlicher. Die Verschiebungen zwischen den Märkten lösen das Problem aber nicht, sie verlagern es nur und führen zu einer Verlangsamung des Prozesses auf der einen Seite und zu einer Beschleunigung des Prozesses auf der anderen Seite.

4. Eine andere und parallel zu den übrigen Möglichkeiten geschaffene Methode, den Unterschied zwischen Preis und verfügbarer Kaufkraft vorübergehend aufzuheben, ist der Konsumentenkredit, bis hin zur Hypothek für das Eigenheim. Damit wird der Endbezahler in die Lage versetzt, Geld, das jetzt benötigt wird, damit die Wirtschaft nicht zusammenbricht(!), auch jetzt an die Wirtschaft abzuliefern. Dafür muss er dann später zurückhaltender sein, oder neue Schulden aufnehmen oder schon jetzt ganz fest daran glauben, dass er später einmal mehr verdienen wird. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, verschwinden die Wirkungen dieser Maßnahmen, Tricks und Mauscheleien aber vollständig aus der Gesamtbetrachtung. Insgesamt werden Waren und Dienstleistungen für mehr Geld verkauft, als den Käufern dafür (in Form von Lohn/Gehalt und dem Staat daraus in Form von Steuern) zur Verfügung gestellt wird. Damit trotzdem alles bezahlt werden kann, ist der Staat gezwungen, das notwendige Geld dafür zur Verfügung stellen zu lassen. Das lässt er auch zu, fast vollautomatisch und mit eigentlich nur marginalem eigenem Einfluss auf die Entwicklung der Geldmenge. Die Geldmenge wird von den Banken geschöpft, durch Kreditvergaben und durch Beleihung von Wertpapieren und durch die Diskontierung von Wechseln bei der Bundesbank.

Der Zwang zum Geldmengenwachstum entsteht aber auch an der Börse, wenn Kursgewinne realisiert werden ohne dass dem auch realisierte Kursverluste gegenüberstünden. Die Geldmenge folgt dem ‚Wertanstieg' von Immobilien wegen der dadurch steigenden Beleihungsmöglichkeiten, sie wächst zwangsläufig durch Wertsicherungsklauseln bei Mietverträgen, sie wächst mit jedem Policendarlehen, das eine Lebensversicherung vergibt, mit jedem Wechsel, der zur Diskontierung eingereicht wird. Wir sind wieder bei der zwangsläufigen und unausweichlichen Veränderung des Geldwertes, wir haben eine Quelle der Inflation gefunden.

 


 

Es ist zwar nicht so, dass ich Aufsätze, Kommentare und Paukenschläge nur schreibe,
um Bücher zu verkaufen, aber so, dass ich Aufsätze, Kommentare und Paukenschläge
nur schreiben kann, weil ich Bücher verkaufe, so ist das schon.




a


* 1949 im
oberfränkischen Neustadt bei Coburg

Egon W. Kreutzer
der Verfasser dieses Artikels
Wolf's wahnwitzige Wirtschaftslehre weist Wege in eine gerechtere Zukunft.

Brandneu: Band IV - Kritik und Überwindung des aggressiven Eigentums.
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