Wo sie herkommt, die Merz-Billion

Zum Schuldenmachen gehören zwei.

Das wissen vor allem jene, die schon einmal – ob bei einer Bank oder bei der Erbtante – einen Kredit nachgefragt und keinen bekommen haben. Das kann ein ziemlich bitteres Erleben sein, wenn das Geld dringend gebraucht wird.

Friedrich Merz mit seiner Koalition braucht das Geld zwar nicht dringend, aber der feste Wille es auszugeben ist so mächtig, dass trotzdem Schulden gemacht werden sollen. Aber bei wem?

Momentan geistern Gerüchte durch die Welt, es sei geplant, „Sparkonten“ zu enteignen und im Gegenzug Schuldscheine auszugeben.

Eine verrückte Idee.

Geld, das Anleger bei Banken halten, bezeichne ich lieber als „Einlagen“. Auch wenn es sich um „Erspartes“ handelt, hat das nichts mit jenen kleinen Sparbüchern mit gesetzlicher Kündigungsfrist zu tun, die einem zuerst einfallen, wenn von Sparkonten die Rede ist.

Wer richtig viel Geld mobilisieren will, muss an die großen Einlagen ran, deren Konditionen schon in individuellen Einzelvereinbarungen zwischen Bank und Einleger festgelegt werden. Zu diesen Konditionen gehört regelmäßig eine Aussage zum Kündigungstermin, bzw., wenn kein fester Rückzahlungstermin festgesetzt ist, eine Vereinbarung über die Dauer der Kündigungsfrist, die der Bank eingeräumt wird, um dem Einleger die Einlage zurück zu erstatten.

Das ist nun aber kein boshaftes Verhalten der Bank, sondern eine Notwendigkeit, die umso zwingender wird, je höher die Beträge sind, um die es geht.

Die Bank hat das Geld ja nicht.
Sie muss es erst beschaffen.

Die Bank nimmt die Einlagen doch nur herein, um damit selbst (langfristige) Geschäfte zu machen. Daher kann sie nur versprechen, das Geld zu einem festen Zeitpunkt wieder bereitzustellen (Kündigungstermin, Ablauftermin) oder frühestens x Monate nach der Kündigung durch den Einleger. Sie schützt sich damit auch vor dem so genannten Bank Run, also dem Versuch aller Einleger, gleichzeitig ihr Geld zurückzufordern und von der Bank abzuziehen.

Eine Massen-Enteignung von Einlageguthaben durch den Staat, oder, wie manche glauben, durch die EU, würde diesen Schutzmechanismus aushebeln. Da die Banken auf der anderen Seite die von ihnen vergebenen Kredite nicht plötzlich fällig stellen können, was viele ihrer Kreditnehmer in den Ruin treiben würde, wären sie gezwungen, sich kurzfristig von anderen Vermögensteilen zu trennen, was stets die Gefahr mit sich bringt, unter Wert verkaufen zu müssen oder nicht rechtzeitig Abnehmer zu finden, was die Bank selbst in Schwierigkeiten bringen kann.

Ich halte diesen Schritt wegen der damit verbundenen Gefahren für den Finanzmarkt für ausgeschlossen, ganz abgesehen davon, dass es sich um eine sehr komplizierte Methode handelt, für deren Einsatz überhaupt kein Anlass besteht. Vergleichbares gilt übrigens für die so genannten „Zwangshypotheken“, von denen auch immer wieder die Rede ist.

Der Bund wird daher auch für die nun geplante massive Neuverschuldung auf das bewährte Instrument der Bundesanleihen zurückgreifen und sich im so genannten „Primärmarkt“ der Geldschöpfung der Geschäftsbanken bedienen. Dazu muss kein bereits existentes Geld mobilisiert werden, es wird stattdessen neues, frisches Buchgeld geschaffen. Üblicherweise werden neue Bundesanleihen unter den Banken der Bietergruppe versteigert, das heißt, die Anleihen werden nicht zum Nominalwert, sondern mit Zu- oder Abschlägen ersteigert, in denen sich vor allem die Zinserwartungen der Bieter widerspiegeln. Für die Bezahlung dieser Wertpapiere braucht die Bank kein Geld. Es ist alleine eine Angelegenheit der Buchhaltung.

Das mag für Nichtkaufleute verrückt klingen, und wer keine Banklehre hinter sich gebracht hat, kann selbst als Kaufmann nicht sofort verstehen, was sich da abspielt, aber es ist einfach ein Spiel mit dem Buchgeld. Die Bank schreibt dem Konto des Bundes den Erlös der Versteigerung seiner Anleihen gut und nimmt diese Anleihen dafür in ihr Vermögen auf. Mehr passiert nicht.

Spannend ist der nächste Schritt, der direkt zu des Pudels Kern führt. Verfügt nämlich der Bund über das frisch geschaffene Buchgeld und zieht es dabei von dieser Bank ab, kommt die Zentralbank als „die Bank der Banken“ ins Spiel. Dort ist für jede Bank ein Zentralbankkonto eingerichtet. Geld, das von einer Bank zu einer anderen Bank fließt, ob nun von Kunden verfügt oder von der Bank selbst veranlasst, wird auch vom einen Zentralbankkonto abgebucht und dem anderen zugebucht.

Reicht das Zentralbankguten der abgebenden Bank nicht aus, nimmt diese einen Kredit der Zentralbank in Anspruch und verpfändet dafür die gerade ersteigerten Bundesanleihen an die Zentralbank.

Das nennt man Staatsfinanzierung durch die Notenpresse. Die ist verboten. Deshalb müssen erst die Geschäftsbanken die Bundesschuldscheine ersteigern, bevor sie von diesen zur Refinanzierung bei der Zentralbank hinterlegt werden können.

Es gibt aber auch den Sekundärmarkt. Am Sekundärmarkt (an der Börse) können private und institutionelle Anleger privates Kapital in die Staatsfinanzierung investieren, indem sie Anleihen kaufen, die von den Banken in den Markt gebracht bzw. von privaten und institutionellen Anlegern angeboten werden.

Festverzinsliche Werpapiere sind eine risikoarme Anlageklasse. Am Ende der Laufzeit wird der Nennwert ausgezahlt und die Kursschwankungen während der Laufzeit sind nur gering. Dafür bringen sie auch nur eine geringe bis moderate Verzinsung.

Damit die Banken neu emittierte Anleihen auf dem Sekundärmarkt unterbringen können, müssen die Anleger umschichten. Um sie dazu zu animieren, zum Beispiel Aktien zu verkaufen, um Anleihen ankaufen zu können, müssen höhere Zinsen angeboten werden. Schon mit der Ankündigung der massiven Staatsverschuldung durch Merz & Co. sind die Renditen der Staatsanleihen deutlich gestiegen. Wenn begonnen wird, die bereitgestellten Schuldentöpfe tatsächlich auszuschöpfen, ist ein weiterer Anstieg der Renditen zu erwarten, was dazu beitragen dürfte, dass der Höhenflug der Aktien gebremst, beendet oder in einen Sinkflug umgekehrt wird. Dies wiederum kann zu einer Beschleunigung der Umschichtung beitragen.

Die Ausweitung der Staatsverschuldung zieht also nicht nur Kapital vom Aktienmarkt ab, sie kann dabei auch Kurswertverluste auslösen.

Wie stark sich das zusätzliche Sondervermögen und die Lockerung der Schuldenbremse auswirken werden, hängt maßgeblich davon ab, in welchem Tempo tatsächlich von den Kreditermächtigungen Gebrauch gemacht wird und davon, welcher Anteil der daraus gespeisten Staatsausgaben im Binnenmarkt verbleibt.

Grundsätzlich gilt: Je schneller ausgegeben wird, desto weniger fließt in den Binnenmarkt.

Zu hoffen, dass die künftige Koalition in der Gewissheit, genug Geld zur Verfügung zu haben, eine eher besonnene Ausgabenpolitik betreiben wird, wäre allerdings verwegen. Sie wissen, dass sie nur vier Jahre zur Verfügung haben.

Von daher ist leider nicht auszuschließen, dass die Versteigerung von zehnjährigen Bundesanleihen im Primärmarkt bei angebotenen Nominalzinsen von 66 2/3 Prozent mangels Bieterinteresse zum Jahresende 2026 zum Erliegen kommt und dann eben doch Sparbücher enteignet und Zwangshypotheken eingetragen werden müssen. Nur zu unserem Besten! Denn nur so, wird es dann heißen, kann das Geldvermögen der Deutschen überhaupt noch vor Putin und dem Klimawandel gerettet werden.

Wer dann noch nicht weg ist, wird an Republikflucht nicht einmal mehr denken dürfen.

P.S.:

Was uns da aufgezwungen wird, nachdem  wir hoffnungsfroh glaubten, der Spuk der Ampel sei vorrüber, ist der blanke Horror. Zu viel, um es in einem Kopf überhaupt noch zu erfassen, geschweige denn, es noch – und sei es auch nur bruchstückhaft – mit Verstand zu kommentieren.

Es bleibt als schwacher Trost nur die Gewissheit, dass aus den gleichen Gründen auch kein großer Plan dahinterstehen kann. Es ist einfach nur der Prozess des chaotischen Zusammenbrechens. Einem Kartenhause gleich zerfällt der schöne Schein von Einigkeit und Recht und Freiheit, und mit ihm zerfallen alle Gewissheiten.

Muss der Esel aufs Eis, wenn’s ihm zu gut geht? Ist die Menschheit unfähig, Frieden und Wohlstand dauerhaft zu ertragen?

Ist denn alles, was entsteht, auch wert, dass es zugrunde geht?

Ich bin ein Teil von jener Kraft, Die stets das Böse will und stets das Gute schafft. … Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, Ist wert, daß es zugrunde geht; Drum besser wär’s, daß nichts entstünde. So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, Mein eigentliches Element.