Wissen ist Macht, vorenthaltenes Wissen ist doppelte Macht

Wenn sowieso schon alle darüber reden,
warum nicht auch noch ich?

Vor gerade einmal 20 Jahren, also schon deutlich nach der guten alten Zeit, wurde in Deutschland das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) geschaffen und in Kraft gesetzt. Warum es dazu überhaupt gekommen ist, wird man wohl nie mehr herauszufinden vermögen, wäre doch für vorausschauende Politiker und sonstige Elitäre absehbar gewesen, was dabei herauskommen wird: Nichts als Ärger.

Nun ist die Aufregung unter Lämmern und Belämmerten groß:

„Das geht doch nicht! Der Staat will uns nicht mehr informieren! Wir werden beschisssen, das müssen wir wissen …“

Blah, blah, blah …

Spaß für einen Augenblick beiseite:

Es ist das Verdienst von „Frag den Staat“ (https://fragdenstaat.de),
die von Philipp Amthor im Namen der CDU in die Koalitionsgespräche eingebrachte Aufhebung des Informationsfreiheitsgesetzes erkannt und publik gemacht zu haben.
Von daher verweise ich gerne und ausdrücklich auf deren Berichterstattung über den Meuchelmord an der Demokratie.

Und weiter geht’s mit Humor:

Wir alle haben irgendwann erfahren, dass ein Eisberg aus zwei fest miteinander verwachsenen Teilen besteht: Der sichtbaren Spitze und dem sechs mal größeren, abgetaucht-unsichtbaren Teil. Für zugängliche und unzugängliche Informationen gilt das analog. Die sichtbare Spitze ist das, was freimütig erzählt wird und gelegentlich noch einigermaßen mit den Fakten in Übereinstimmung zu bringen ist, der abgetaucht-unsichtbare Teil ist das, was gemeinhin als geeignet angesehen wird, die Bevölkerung zu verunsichern.

Je mehr aber von neugierigen Bevölkernden versucht wird, der Spitze näher zu kommen, um sie besser untersuchen zu können und die wahre Substanz vom schimmernden Popanz der Oberfläche zu unterscheiden, wozu mit dem Informationsfreiheitsgesetz in grob fahrlässiger Weise geradezu ermuntert wurde, desto größer die Gefahr für die leichtsinnigen Wahrheitssucher, mit dem großen Rest zu kollidieren. Nicht missverstehen: Um die Wahrheitssucher wäre es dabei nicht schade, die wachsen immer wieder nach. Die Sorge muss der Integrität des Eisbergs gelten!

In der christlichen Seefahrt hat es sich schon lange vor der Jungfernfahrt der Titanic herumgesprochen, dass man nicht nur der Spitze des Eisbergs ausweichen, sondern auf möglichst großen Abstand dazu gehen soll, um den Eisberg nicht zu gefährden und obendrein Gefahr zu laufen, von den Verteidigungskräften des Eisbergs versenkt zu werden.

Mit der Außerkraftsetzung des IFG leistet die Koaltion in statu nascendi Außergewöhnliches zur Sicherung des aller Gefahren entrückten Wohlbehagens der Bevölkerung und für absolute, zweifelsfreie Gewissheit.

Die Absicht der Sicherung des Wohlbehagens ist quasi selbsterklärend 

und folgt der alten Spruchweisheit: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!“ Dem mag zwar entgegenstehen, dass Unkenntnis vor Strafe nicht schützt, doch dies trifft hier eben exakt nicht zu. Im Gegenteil: Die Strafbarkeit ist in der unerwünschten Kenntnis begründet. Unkenntnis hingegen schützt vor Strafe, und wo eine Strafe weder droht noch dräut, ist das Wohlbehagen sicher.

Die Verheißung absoluter Gewissheit ist nicht so einfach zu erläutern.

Sehen Sie, der kritisch denkende Mensch stößt bei seiner Suche nach der Wahrheit nur allzu oft an seine Grenzen. Das Unglaubliche ist einfach zu groß, zu zahlreich und zudem allgegenwärtig, so dass schon die Frage: Wo zu beginnen, und welche staatliche Stelle um Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu bitten wäre, zu Nervenzusammenbrüchen aus Verzweiflung über das eigene kleine Ich führt, sobald die unendlichen Weiten des zu beackernden Feldes jede Hoffnung es je vollständig zu durchdringen schwinden lassen.

Wer dieses psychische Tief überwindet, eine (1) Auskunft begehrt und sie bei Verweigerung auch noch einklagt, wird in der Regel mit einer kleineren Anzahl der in Frage kommenden Dokumente abgespeist, und bald erkennen, dass auch darin gut die Hälfte der Information vorsorglich geschwärzt wurde.

Wenn das Transparenz sein soll, wie sie mit dem Informationsfreiheitsgesetz hergestellt werden sollte, dann ist das, was das Gesetz bestenfalls bewirken kann, doch nur peinlich bis zum Fremdschämen. Also weg damit. Es geht doch ohne IFG viel besser.

Wie in der Mathematik, wäre auch die Politik ohne den unbedingten Glauben an eine Reihe von Axiomen, also unerschütterlicher Grundannahmen, vollkommen unverständlich, ja geradezu sinnlos, zweckfrei, chaotisch, verrückt und keinesfalls experimentell reproduzierbar.

Das hier zutreffende System von Axiomen ist schnell dargelegt:

  1. Politiker lügen vor Wahlen.
  2. Solange Demokratie herrscht, liegt jeder beliebige Zeitpunkt vor Wahlen.
  3. Politiker unterschiedlicher Parteien lügen mit unterschiedlichen Lügen aneinander vorbei.
  4. Die Wahrheit befindet sich irgendwo in jenem Bereich des Raums der Möglichkeiten, der noch von keiner Politiker-Aussage besetzt ist.
  5. Die Axiome 1. bis 4. können durch menschengemachte Gesetze, und seien sie noch so gut gemeint und durchdacht, nicht außer Kraft gesetzt werden.

Daraus ergibt sich die erwartete absolute Gewissheit in drei einfachen Aussagen:

  1. Alle von Politikern aufgestellten Behauptungen, Schlussfolgerungen, Zielsetzungen und Prognosen sind falsch oder irreführend.
  2. Alle in einklagbaren Politiker-Dokumenten enthaltenen, geschwärzten und nicht geschwärzten Informationen sind ebenfalls falsch oder irreführend.
  3. Im Gegensatz zu 1. und 2. besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass eigene, abweichende Überlegungen und Erkenntnisse zutreffend sind, selbst wenn sie aus Aussagen von Politikern abgeleitet sind.

Es ist leicht zu erkennen, dass das Informationsfreiheitsgesetz nach Satz b. nur auf eine vernachlässigbar kleine Teilmenge aus Satz a. zielt, ohne dass es hülfe, damit der Wahrheit – und schon gar nicht der ganze Wahrheit – näher zu kommen.

Es spricht daher nichts dagegen, dieses Gesetz im Rahmen des Bürokratie-Abbaus ersatzlos zu streichen und damit die politische Arbeit deutlich zu vereinfachen.