
Der neue Finanzminister, dem der Hauhalt für 2025 erst noch gelingen muss, von dem für 2026 ganz zu schweigen, steht da wie der Engel bei den Hirten auf dem Felde und verkündet eine frohe Botschaft nach der anderen.
Es fehlen dem Bund alleine so um die 30 Milliarden für die nächsten vier Jahre. Insgesamt sollen dem Staat (mit Ländern, Gemeinden und Sozialkassen) 80 Milliarden fehlen. Das ist, für sich alleine betrachtet, schon ein ziemlicher Haufen Geld. Außerdem müssen ab sofort fünf Prozent vom BIP für Rüstung ausgegeben werden. Das wiederum ist – schon mal alleine für sich betrachtet – ein halber Bundeshaushalt.
Wer hätte das gedacht?
Nun, so schlimm kann das nicht sein, denkt sich der Steuerzahler. Das Geld fehlt ja nicht wirklich, es kommt bloß nicht ganz so viel rein, wie bisher geschätzt. Man fragt sich nur, warum vorher so viel mehr geschätzt wurde, wo doch seit dem ersten Rezessionsjahr klar war, dass die Anstrengungen, die selbst und hoch gesteckten Klimaziele zu erreichen, endlich greifen. Selbst Habeck wusste, und es war sein Plan, dass dann halt einfach aufgehört werden wird, zu produzieren. Die Wirtschaftsweisen und die Steuerschätzer haben das erst mit Verzögerung erkannt, woraus man schließen kann, dass sie mit ihren Prognosen immer noch mindestens um zwei Jahre und vermutlich auch 50 Milliarden Euro wegfallender Staatseinnahmen hinterherhinken.
Die überaus klugen und mächtigten Volksvertreter des 20. Deutschen Bundestages waren schlauer und haben, weil der 21. Deutsche Bundestag diese Kraft nicht mehr aufbringen würde, vorsorglich schnell noch Schuldenermächtigungen erteilt, in einem Umfang, dass sich der Bund samt Kanzler und Kabinett sogar drei Jahre lang ganz ohne Steuereinnahmen über Wasser halten könnte. Es steht also genug Geld zur Verfügung.
Was also jammert Herr Klingbeil?
Er schwimmt doch geradezu in Schuldenermächtigungen, und vom alten, 2022er Sondervermögen Bundeswehr könnten auch noch ein paar Milliärdchen herumliegen.
Er wird doch nicht auf das alte Raffelhüschen-Märchen hereingefallen sein, Deutschland sei nicht mit 2,x sondern mit 17,x Billionen verschuldet?
Sie kennen das nicht? Doch, doch. Der Raffelhüschen ist überzeugt, dass jemand, der mit zwanzig Jahren einen unbefristeten Mietvertrag über monatlich 1.000 Euro unterschreibt, dadurch auf einen Schlag 600.000 Euro Schulden angehäuft habe, weil er schließlich bis an sein Lebensende Miete zu zahlen habe. Jedenfalls sieht er das beim Staat so, weil der unter anderem bis in die ferne Zukunft hinein Beamtenpensionen zu zahlen habe.
Das sind keine Schulden, Herr Raffelhüschen! Das sind zukünftige Zahlungsverpflichtungen, die selbstverständlich aus zukünftigen Einnahmen bezahlt werden. Erst wenn die zukünftigen Einnahmen dafür nicht ausreichen, könnten Teile dieser Zahlungsverpflichtungen tatsächlich zu Schulden werden. Bei MMNews veröffentlichen sie den Käse auch noch unwidersprochen.
Nein, das ist höchtswahrscheinlich nicht das Problem des Herrn Klingbeil.
Es ist ein uralter Trick.
Wer sich hinstellt, und – großspurig und wahrheitsgemäß – erklärt, eine bestimmte Aufgabe zu erledigen, das sei doch ein Klacks und nicht der Rede wert, erntet Hohn und Spott, wenn auch nur das Geringste dabei schiefgeht. Wer vorher aber jammert und stöhnt, die Aufgabe sei unlösbar, und sich bitten und anbetteln lässt, es doch wenigstens zu versuchen, der wird mit Lorbeeren überhäuft, wenn das Problem, nachdem er sich daran abgearbeitet hat, wenigstens nicht noch viel größer geworden ist.
Es ist ein uralter Trick.
Wer sich hinstellt, und sagt, ich brauche dazu keine Unterstützung und nur wenig Geld, muss sehen, wie er zurechtkommt, wenn sich unerwartete Schwierigkeiten einstellen. Wer von vorneherein jammert, dass er mit dem Budget auf keinen Fall zurechtkommt, um dann das Doppelte zu erhalten, kann bei unerwarteten Schwierigkeiten immer damit rechnen, dass er noch einen satten Nachschlag erhalten wird.
Es ist ein uralter Trick.
Der funktioniert aber nur, wenn der Auftraggeber selbst keine Ahnung hat und den Schwierigkeitsgrad und den erforderlichen Aufwand nicht einschätzen kann.
Es gibt nach meinem Dafürhalten in dieser Bundesregierung niemanden, der auch nur einigermaßen nachvollziehbar darlegen könnte, wofür – ab sofort – jährlich über 200 Milliarden Euro in den Rüstungsetat gesteckt werden sollen. Wenn Herr Wadephul erklärt, dreieinhalb Prozent seien für die reine Rüstung, eineinhalb Prozent für die Kriegsertüchtigung der Infrastruktur, liefert er damit ja auch keine belastbaren Fakten, sondern nur das Scheinargument, es sei ja gar nicht alles für die Rüstung, es gäbe da auch dual-use Effekte. Wenn eine Brücke dem zivilen Verkehr genügt, aber für Panzer verstärkt oder ersetzt werden muss, dann fällt das zu 100% unter Kriegstüchtigkeit, und wenn ein Brückenneubau 100% teurer wird, weil er auf Einzellasten von 80 Tonnen ausgelegt wird, statt von 50 Tonnen, dann sind die Mehrkosten zu 100% Militärausgaben.
Bevor beschlossen wird, mehr Geld auszugeben, muss es doch um die grundsätzliche Frage gehen, welchem Zweck die Aufrüstung dienen soll. Erst dann kann es darum gehen, was dafür zu beschaffen ist.
Da gibt es die grundsätzliche Unterscheidung in zwei Zielrichtungen, entweder Aufrüstung für die Abschreckung, was heißt, einer Strategie zu folgen, dem Gegner im Ernstfall so großen Schaden zufügen zu können, dass er gar nicht erst an einen Angriff denkt, oder Aufrüstung für den Sieg, was heißt eine Strategie zu verfolgen, die es ermöglicht, den Gegner vollständig niederzuwerfen und sich sein Land zur Beute zu machen.
Strategie 1 hat seit 80 Jahren mit eher geringem Aufwand das Gleichgewicht des Schreckens zwischen der Sowjet-Union/Russland und dem Westen gewährleistet. Der über dieses Abschreckungspotential hinausgehende Militäraufwand der USA kann dem nicht zugerechnet werden, der wurde für ganz andere, offen oder verdeckt aggressive militärische Aktionen – von Vietnam bis Afghanistan – und als weltweite Droh- und Druckkulisse gegenüber schwachen, nicht atomar bewaffneten Staaten aufgebracht. Dass Deutschland mit weniger als 2% BIP mit unter diesem Abschreckungsschirm Platz gefunden hat, war stets genug des Guten. Ein triftiger Grund für eine Verdreifachung der deutschen Rüstungsausgaben ist hier nicht zu finden. Trotz der Hyperschallraketen der Russen. Das holen die US-Rüstungsunternehmen schon bald wieder auf.
Strategie 2 ist natürlich etwas vollkommen anderes. Da klingt es auch superheldentoll, wenn Friedrich Merz die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Streitmacht des westlichen Teils Europas ausbauen will. Saudumm ist nur, dass Russland immer noch, und durchaus im Vergleich zu den Militärausgaben der USA sehr preisgünstig, die Waffenarsenale der Strategie 1 bereithält und diese einsetzen wird, wenn die Integrität des Staates ernsthaft bedroht sein sollte, selbst wenn der angreifende Staat nicht über Atomwaffen verfügt. Da laufen wir in eine tödliche Sackgasse.
Jetzt wie verrückt Panzer und Haubitzen, Drohnen aller Art, Luftabwehrraketen, Mittel der elektronischen Kampfführung und smarte Gefechtsfeldmunition zu beschaffen, weil der Krieg in der Ukraine mit solchen Waffen geführt wird, bringt weder den notwendigen Abschreckungseffekt, noch hilft es, wenn Russland die Ultima Ration darin sehen sollte, seine Atomwaffen in einem vernichtenden Schlag gegen uns einzusetzen.
Es hilft da m.E. auch wenig, davon auszugehen, dass wir ja gar nicht so alleine, sondern ringsum von Freunden umgeben sind, die sich mit uns auf den Feind stürzen werden. Erstens ist das nicht sicher, dass da alle mitmachen, und zweitens sollte bedacht werden, dass Russlands Raketen eben auch Lissbon, Madrid, Paris, London, Rom und sogar Warschau erreichen können.
Oder soll sich die Aufrüstung gar nicht gegen Russland richten? Soll die Bundeswehr Interventionsarmee bleiben? Brauchen wir endlich eigene Flugzeugträger, um unsere Freiheit weltweit verteidigen zu können, noch bevor sie ernsthaft bedroht wird? Wollen wir, und will die EU, einen Militärapparat nach dem Vorbild der USA aufbauen, aber nicht, um Zugriff auf Erdölreserven zu bekommen, sondern um windhöffige und/oder sonnenverwöhnte Flächen zu erorbern, um die deutsche Stromversorgung zu sichern?
Bevor diese Bundesregierung Jahr für Jahr fünf Prozent des BIP in Rüstungsvorhaben versenkt, würde ich als Bürger und Steuerzahler gerne wissen, welchem Zweck diese Aufrüstung dienen soll und welche zweckdienlichen Mittel dafür beschafft werden müssen. Die fünf Prozent sind mir schon viel zu festgeklopft und viel zu wenig hinterfragt, als dass ich glauben wollte, es handle sich um eine seriöse Berechnung.
Und ich will nicht hören, dass das alles so schwierig und so teuer wird, sondern fragen, warum das mögliche Maß an Sicherheit nicht auf andere Weise – und sei es mit den Mitteln der Diplomatie – nicht auch mit einem Bruchteil der jetzt veranschlagten Kosten hergestellt werden kann.