
Deutschland auf dem Weg zurück in den Drei-Parteien-Staat.
Mit einem kleinen Unterschied. Es gibt nicht mehr das Zünglein an der Waage, als das sich die FDP über Jahrzehnte verstanden hat, um sich einmal der Union und ein andermal der SPD zuzuneigen. Stattdessen ist es die SPD, die sich einmal mit der Union gegen die Grünen und ein andermal mit den Grünen gegen die Union verbünden wird.
Insofern darf am heutigen Morgen durchaus davon gesprochen werden, dass die von den Wählern abgestrafte SPD einen sehr viel stärkeren Einfluss auf die Bundespolitik haben wird als es ihrem Wahlergebnis entspräche. Dass die AfD mit ihrem weitaus besseren Wahlergebnis keinen Einfluss haben wird, sollte niemanden verwundern. Die deutsche Demokratie spielt halt nach besonderen Regeln. Das war vor der Wahl bekannt und niemand konnte erwarten, dass das Wahlergebnis daran etwas ändern würde.
Akzeptieren wir also die Realität und werfen einen Blick in die Zukunft, die sich von da aus auftut.
Zunächst gilt es, alles zu vergessen, was Friedrich Merz vor der Wahl versprochen hat, und stattdessen zu versuchen, herauszufinden, worüber sich die künftige schwarz-rote Regierung in den Koalitionsverhandlungen überhaupt einig werden kann.
Dabei darf nicht vergessen werden, dass in der schwarz-roten Regierung unter Merz ein erhebliches, quicklebendiges grün-wokes Potential existiert, das wirksam bleiben wird, weil beide Koalitionspartner es über viele Jahre auf ihre jeweils eigene Art und Weise kultiviert haben.
Hier finden wir bei der SPD eine vom Original kaum zu unterscheidende Kopie der politischen Zielsetzungen der Grünen in Bezug auf die Klima- und Energiepolitik, in Bezug auf die Staatsfinanzierung durch „Reform“ der Schuldenbremse. Auch in Bezug auf die Wirtschaftspolitik hat die SPD keine anderen Rezepte als den Versuch, den durch Energieverteuerung und Bürokratie angerichteten Schaden durch staatliche Interventionen abzumildern. Was die Außenpolitik betrifft, sind Trump und Putin als Feinde markiert, während die EU zur neuen Schutzmacht Deutschlands aufgebaut und aufgerüstet werden soll. Der kleine Unterschied, den Scholz noch mit der Taurus-Lieferung gemacht hat, wird verschwinden, weil Scholz sich zurückziehen und Pistorius Platz machen wird.
Alledem stehen auf Seiten der Union alte und junger Merkelianer aufgeschlossen gegenüber. Es sind ja nicht nur Hendrik Wüst, Daniel Günther und der Häuptling der dysfunktionalen Hauptstadt, Kai Wegner. Man muss auch bedenken, dass der Bienenretter und Baumumarmer Markus Söder stets bereit ist, weit über Kompromisse hinaus dem Genossen Trend zu folgen, während Friedrich Merz, der jederzeit Einknickende, gerade in Anbetracht der selbst geforderten Eile bei der Regierungsbildung zu mehr Zugeständnissen bereit sein dürfte, als der Einhaltung seiner Wahlversprechen dienlich sein dürfte.
- Vom ersten Tag an Abweisung illegaler Migranten an der Grenze? Das wird nicht gelingen.
- Vom ersten Tag an forcierte Abschiebungen? Das wird nicht gelingen.
- Rückgängigmachung des Heizungsgesetzes? Das wird nicht gelingen.
- Aufhebung des Verbrennerverbots? Das wird nicht gelingen.
- Kein Bürgergeld für Erwerbsfähige, die nicht arbeiten? Das wird nicht gelingen.
Zu alledem wird es bestenfalls Placebo-Maßnahmen mit wunderschön klingenden Titeln geben, mit denen das anzustrebende Ziel jedoch weit verfehlt werden wird.
- Steuererleichterungen für die Wirtschaft? Das könnte funktionieren, wenn die Schuldenbremse gestrichen wird.
- Investitionsprogramm für die Wirtschaft? Das könnte funktionieren, wenn die Schuldenbremse gestrichen wird.
- Investitionsprogramm zur Sanierung der Infrastruktur? Wird eher nicht gelingen, auch wenn die Schuldenbremse gestrichen wird.
- Massive Förderung des Wohnungsbaus? Wird eher nur ganz zäh gelingen, weil die Bauvorschriften nur marginal gelockert werden.
- Massive Aufrüstung der Bundeswehr? Wird stattfinden, jedoch ziel- und planlos, wegen zu unterschiedlicher Interessen von D, EU und NATO.
Es ist fatal, aber der notwendige Politikwechsel wird von innen heraus nicht stattfinden.
Abzuwarten bleibt, wie sich Deutschland unter Merz außenpolitisch positionieren wird. Die momentane Aufstellung, hart gegen Russland und unbeugsam gegenüber den USA, ist so ziemlich die dümmste Ausgangsposition, um auf der Weltbühne wieder als wichtiger Player respektiert zu werden.
Hier tut sich gerade die größte Falle für Deutschland und die EU auf, wenn sich nämlich, was absehbar ist, Russland und die USA einigen, den Ukraine-Konflikt beizulegen, und Friedrich Merz die Bundeswehr ungeachtet dessen mit dem Taurus losschickt, um Selenskis politisches Überleben zu sichern.
Politik, so heißt es, ist die Kunst des Möglichen.
Wer das Unmögliche anstrebt, ist zum Scheitern verurteilt. Zum Unmöglichen zähle ich den Versuch, gegen den Willen Trumps in den Ukraine-Krieg einzugreifen, und das Bestreben, die europäischen NATO-Mitglieder unter deutscher Führung für deutsche geopolitische Interessen in diesen Krieg hineinzuziehen.
Zum Unmöglichen zähle ich ebenso den Versuch, die Industrienation Deutschland alleine mit Strom aus Wind und Sonne am Leben zu erhalten. Die letzte deutsche Regierung ist genau daran gescheitert, weil das Steueraufkommen nicht ausreicht, den dadurch ausgelösten Schaden zu ersetzen.
Unmöglich ist es ebenfalls, in einem Staat ohne klar definierte und geschützte Grenzen und ohne ein klar definiertes und geschütztes Staatsvolk die staatliche Ordnung dauerhaft aufrecht zu erhalten. Die neue Regierung könnte über ihre Uneinigkeit in dieser Frage zu Fall kommen, weil der Rattenschwanz an Problemen, der von der Migrationspolitik ausgelöst wird, die Lösung der Sachfragen in allen Politikfeldern erschwert.
Es ist nicht so, dass nun in Kürze die Welt untergehen wird. Nur: Besser wird es erst einmal auch nicht werden.