Da ist sie wieder, die K-Frage.
Geht es da jetzt um ein K-Wort, das gleichberechtigt neben den N-Wort im Verzeichnis der verbotenen Buchstabenkombinationen geführt wird? Mir sind diese „geheimnisvollen“ Kindergarten-Sprech-Konstruktionen ein Greuel. Soll ich vielleicht raten, ob es sich um die Kackhaufen-Emoji-Frage handelt, die derzeit ja auch aus gegebenem Anlass ventiliert wird, oder um die Konkubinatskostenabsetzbarkeits-Frage, um die Komposthaufen-CO2-Emissionsfrage, um die Koalitionsfrage oder doch um die Kanzler-Frage? Und wenn es die Kanzler-Frage sein soll: Welche Frage stellt der Kanzler denn – sich, oder uns?
Oder geht es bei der K-Frage darum, was jemanden qualifiziert, Kanzler zu werden?
Darüber sollte tatsächlich wieder einmal diskutiert werden, ob das reicht, was dazu vorgegeben ist.
Du willst Kanzler werden? Dann check doch mal deine Chancen!
- Deutsch musst du sein, jedenfalls ist das die landläufige Meinung – verbindlich geschrieben steht das nirgends, und
- mindestens 18 Jahre alt.
- Dann kannst du Kanzler.
Ich weiß nicht, ob das jemals ausgereicht hat, um vor Missgriffen sicher zu sein, ich weiß aber auch, dass das durchschnittliche Bildungs- und Intelligenzniveau in Deutschland seit der Inkraftsetzung des Grundgesetzes gesunken ist. Was damals, bei einer Altersgrenze von 21 Jahren selbstverständlich vollkommen ausreichend erschien, muss heute, noch dazu bei herabgesetzter Altersgrenze, nicht mehr zutreffen.
Glücklicherweise stehen vor der Ernennung zum Bundeskanzler aber noch diverse weitere Hürden.
Da steht zum Beispiel die Notwendigkeit, vor der Ernennung durch den Bundespräsidenten von einer Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages gewählt worden zu sein. Das engt die Zahl der Kandidaten dann allerdings doch massiv ein. Erschwerend kommt hinzu, dass es immer nur einen Bundeskanzler gleichzeitig geben kann. Die so genannte „Doppelspitze“ ist vom Grundgesetz nicht vorgesehen.
Das erweiterte Qualifikationsprofil sieht also so aus:
Du musst deutsch und mindestens 18 Jahre alt sein und viele Freunde im Bundestag haben.
Hier tut sich eine weitere, auf den ersten Blick schwer zu erkennende Hürde auf. Es genügt nicht, viele Freunde im aktuellen Bundestag zu haben.
Man braucht viele Freunde im neu gewählten Bundestag!
Den kann man aber noch gar nicht kennen , wenn man als ambitionierter Kandidat vor der Wahl den Hut in den Ring werfen muss. Das ist problematisch. Olaf Scholz, der Wiederwählbare, hat da im Augenblick echte Sorgen. Unter jenen Freunden, die ihn einst gewählt haben, grassiert die so genannte Pistorius-Schwäche, was dazu führt, dass sich viele Pistorius zu- und von Scholz abwenden. Diese „Gefolgschaft“ unverändert im neuen Bundestag würde wohl nicht ein zweites Mal ausreichen. Scholz müsste also zu den verbliebenen alten hinzu etliche neue Freunde finden, im neuen Bundestag, damit es noch einmal reicht.
Wie aber schafft man es, dass ausreichend viele neue Freunde in den neuen Bundestag kommen?
Als Kandidat für die Kandidatur – und das ist Olaf Scholz, der Amtierende, ja derzeit, hat man offenbar irgendwie auch die Verantwortung dafür, dass die Wähler da draußen im Lande möglichst viele dieser Freunde in den Bundestag entsenden, weil man sonst die angestrebte Mehrheit verfehlen könnte und alle Anstrengungen nur zu einem Platz auf den harten Bänken der Opposition reichen würden.
Wir sehen vor uns eine Verkettung von Vorbedingungen, die sich zusammenkürzen lässt auf den Satz:
Die Wähler müssen mich wollen.
Das ist die Theorie.
In der Praxis kommen die Wähler erst ganz zuletzt, und die denken auch nur, dass sie dich wählen, wenn sie ihre Stimme abgeben. Wahr ist jedoch, dass du für die Wähler überhaupt nicht wählbar bist. Dumm gelaufen, was?
Wenn du also wahlkämpfst, dann kommt es darauf an, den Wählern ein Versprechen zu machen, dass du nur einlösen kannst, wenn die Wähler einen Bundestag zusammenwählen, in dem sich eine potentielle Freundesmehrheit für dich findet, und wenn es dir wiederum gelingt, aus dieser potentiellen Mehrheit heraus eine konkrete Mehrheit für dich von dir zu begeistern.
Ja. Ein Kandidat muss seine potentiellen Freunde begeistern.
Dafür stehen ihm theoretisch unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Er kann zum Beispiel in die Rolle des charismatischen Retters der Nation schlüpfen, feurige Reden schwingen und Ziele formulieren, die bis zu dem Augenblick, in dem er sie vorgibt, noch vollkommen unerreichbar erschienen. Er kann in die Rolle des belesenen Bedenkenträgers schlüpfen und die Ziele und Absichten seiner Konkurrenten so lange mit kritischem Blick unter die Lupe nehmen, bis daran nichts Gutes mehr zu erkennen ist. Er könnte die beiden genannten Methoden kombinieren, was aber schwierig ist, weil sich unweigerlich Widersprüche ergeben, die nur mit größter Fabulierkunst übertüncht werden können. Letztlich hat es sich bewährt, auf ein ganz anderes Pferd zu setzen und einfach nur zu versprechen, dass man als Kanzler alle großen und kleinen Wünsche seiner Freunde erfüllen wird, solange sie die Steuereinnahmen und die grundgesetzkonformen Sondervermögen und Wumms-Kredite nicht allzu deutlich übersteigen.
Nur böswillige Geister könnten darin erkennen, dass der Kandidat, um Kandidat zu werden, zuerst seinen engen und treuen Freunde, die sich meist in der eigenen Partei finden lassen, verspricht, sie für ihre Stimme praktisch mit Geld und guten Gaben zu bezahlen, und dann darüber hinaus auch noch jene zwingend erforderlichen potentiellen Freunde, die sich von solchen Versprechen erst noch überzeugen lassen müssen. Dies ist jedoch nichts Anrüchiges. Das ist ganz normal. Alle Kandidaten, es gibt ja mehr davon, müssen auf die gleiche Weise arbeiten, wenn sie überhaupt eine Chance haben wollen. Wie sähe das denn aus, wenn einer, der Kanzler werden will, denen, die ihn wählen sollen, sagen würde: „Ich werde immer nur das tun, was ich für richtig halte, egal was meine Wähler davon halten“? Das funktioniert doch nicht!
Wenn das soweit geklärt ist, wenn der Kanzler seinen Freunden also versprochen hat, was er versprechen kann, geht es darum, dafür zu sorgen, dass diese Freunde auch in den Bundestag gewählt werden. Auch das geht nicht ohne Versprechen, weshalb die zu wählenden Freunde sich unter den Wählern eine Zielgruppe suchen, die natürlich groß genug sein muss, um damit zu einer Mehrheit im Bundestag zu gelangen, der dann alles versprochen wird, was diese Zielgruppe sich wünschen könnte.
Hier rächt sich nun endlich die über lange Jahre gepflegte Strategie des „divide et impera“. Das Wahlvolk ist zu oft geteilt worden. Das hat es beherrschbar gemacht, keine Frage. Aber es lässt sich nicht nun auch nicht mehr auf Kommando zum Wahltag wieder in ausreichend große Blöcke zusammenfügen, um mit einer klar abgrenzbaren Zielgruppe noch Wahlen gewinnen zu können. Das ist schon problematisch genug.
Nun kommt bei der Wahl im Februar allerdings noch der ganz große Knall-Effekt hinzu, den es so bei Wahlen in Deutschland noch nie gegeben hat:
- Trotz des Erstarkens der AfD gilt nach wie vor: Um Kanzler zu werden und eine Regierung führen zu dürfen, braucht es die absolute Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages.
- Sollte die AfD 30 Prozent der Sitze für sich gewinnen, was niemand ausschließen kann, dann liegt die absolute Mehrheit nicht mehr bei 50,1 Prozent, sondern schon bei 71,5 Prozent der für die Kanzlerwahl überhaupt relevanten Sitze, weil sich niemand mit Stimmen der AfD zum Kanzler wählen lassen wird. Dieses Maß an Zustimmung unter den sich abgrenzend als „Demokraten“ bezeichnenden Abgeordneten im Bundestag hat in der Vergangenheit noch kein Kanzler erreicht – und es wird wohl auch in Zukunft keiner mehr erreichen können.
- Für die regulär-demokratische Opposition verbleiben theoretisch nur noch knapp 20 Prozent der Sitze des Bundestages, praktisch könnten es auch weniger werden, je nachdem, wie weit die Regierungskoalition über die notwendige Mindestmehrheit hinauswachsen sollte. Und unter diesen Verhältnissen soll ein K.anzler gewählt werden?
Wer kann denn da überhaupt noch Kanzler werden? Im Augenblick lässt sich das nur in Wahrscheinlichkeiten ausdrücken.
75 % Friedrich Merz, dem es lediglich gelingen muss, Markus Söder von seiner Anti-Grün-Strategie abzubringen.
55 % Olaf Scholz, weil er überallhin anschlussfähig ist, ausgenommen die AfD und die halbe SPD.
45 % Boris Pistorius, der zunächst noch über Olaf Scholz obsiegen und den Grünen beweisen müsste, dass er sich ebenso dem grünen Gedankengut verpflichtet fühlt, wie bisher Olaf Scholz.
10 % Robert Habeck, der so gut wie nichts im Gepäck hat, womit er außerhalb der Grünen noch Freunde gewinnen könnte.
Damit ist eigentlich vollkommen klar, dass Friedrich Merz, würde er es wagen, ein konstruktives Misstrauensvotum einzubringen, ganz ohne Wahlkampf und ohne den Stress mit den Wahlvorbereitungen in den Kommunen, den Druckereien und Papierfabriken, sich noch in diesem Jahr zum Kanzler wählen lassen könnte.
Könnte. Wären da nicht die Abgeordneten der AfD.
Das Parteiverbotsverfahren wird wohl bis zum 23. Februar nicht zum Tragen kommen. Ist zu kompliziert und die Hürde zu hoch.
Ich hätte da einen Alternativvorschlag für die Alternative.
Wenn es schon möglich ist, der AfD einen stellvertretenden Vorsitzenden zu verweigern, warum sollte es nicht möglich sein, den AfD-Abgeordneten speziell bei der Kanzlerwahl, wo sie als Extrem-Opposition sowieso niemals nicht einen eigenen Kandidaten, bzw. eine Kandidaten durchbringen werden, das Stimmrecht zu versagen, um den künftigen Kanzler nach der Wahl nicht erst mühsam vom Odium von den Falschen (mit-) gewählt worden zu sein, reinwaschen zu müssen?
Es würde sich dadurch ja wirklich nichts ändern. Nichts.
Es wäre sogar ein Zeichen der Größe seitens der AfD, würde sie dem auch öffentlich zustimmen. Das wäre dann schon wieder fast ein Anflug demokratischer Gesinnung …
Entschuldigung. Was empören Sie sich da schon wieder. Man muss den Tatsachen ins Auge blicken, und Tatsache ist, dass die AfD mit ihren Abgeordneten im Bundestag die Politik der Demokraten ganz erheblich erschwert, ohne dass die AfD auch nur im Geringsten etwas davon hätte. Da muss man sich doch über Lösungsmöglichkeiten Gedanken machen dürfen.