
Die Tinte unter Trumps Dekret, Einfuhrzölle in Höhe von 25 Prozent auf Stahl und Aluminium zu erheben, ist noch nicht trocken, und schon warnt das Institut der Deutschen Wirtschaft, dies könne der „erste Schritt in den befürchteten Handelskrieg mit den USA sein“.
Nach meiner Wahrnehmung führen die USA zwar schon lange einen Handelskrieg gegen Deutschland, indem sie uns in die Pflicht nehmen, uns an Sanktionen gegen die halbe Welt zu beteiligen und dabei sowohl auf bestimmte Absatzmärkte als auch auf bestimmte ausländische Bezugsquellen zu verzichten, aber das kann man ja beim Institut der Deutschen Wirtschaft anders wahrnehmen. Es herrscht schließlich Meinungsfreiheit.
Zurück zur Sachlichkeit. Die Absicht des US-Präsidenten ist auf den ersten Blick vollkommen klar. Er verfolgt mit seiner Zollstrategie drei Ziele gleichzeitig.
- Die Arbeitslosigkeit in den USA bekämpfen, indem Importe durch Eigenproduktion im Binnenmarkt substituiert werden.
- Strategische Abhängigkeiten von Importen aus Drittstaaten minimieren.
- Auflösung des Handelsbilanzdefizits der USA durch weniger Importe und höhere Exporte.
Seine Begründung, die USA würden im Außenhandel (auch) von der EU schlecht behandelt, ist allerdings grob an den Haaren herbeigezogen.
Es war maßgeblich das US-Kapital, das die „Globalisierung“ vorangetrieben und den Wohlstand der USA auf Kosten der exportierenden Volkswirtschaften gesichert hat.
Dieser Effekt soll kurz erläutert werden:
Es gibt auf der einen Seite die Kaufkraft der Konsumenten einer Volkswirtschaft, die ganz überwiegend aus den Arbeitslöhnen generiert wird. Auf der anderen Seite gibt es das Warenangebot, das von den Konsumen abgenommen werden soll.
Im unerreichbaren Idealfall würde die erwerbstätige Bevölkerung eines Landes das gesamte Warenangebot im Inland herstellen, das zugleich von den inländischen Konsumenten vollständig wieder konsumiert wird.
Unerreichbar ist dieser Idealfall, weil die Bruttolöhne und -Gehälter, aus denen sich ja auch der Staat im Wesentlichen finanziert, nicht ausreichen, um die produzierten Waren (und Dienstleistungen) zu bezahlen. Die Ursache liegt in den Unternehmensgewinnen, die eben nur teilweise in den Konsum fließen, zu einem nicht unerheblichen Teil aber als Kapitalanlagen aus dem Markt der Realwirtschaft herausgenommen werden.
Nun existiert unabhängig von den Grundregeln der Wirtschaftswissenschaften, in denen Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, hinter der Nachfrage das schwer zu quantifizierende Phänomen „Bedarf“. Der Bedarf tritt nur in seltenen Ausnahmefällen klar in Erscheinung, nämlich zum Beispiel als der Wasserbedarf des Beduinen in der Wüste. Kann der Bedarf nicht gedeckt werden, stirbt der Beduine. Schon das „Existenzminimum“ das Deutschland mittels Bürgergeld absichert, geht weit über den Wasserbedarf des Beduinen hinaus. Daraus geht hervor, dass „Bedarf“ sehr früh in den Bereich der Wünsche übergeht, die erfüllt werden können, wenn die erforderliche Kaufkraft, also genug Geld, verfügbar ist.
Nun stellt sich in allen Volkswirtschaften aufgrund der Wirksamkeit einer Vielzahl von Parametern ein gewisses Wohlstandsgefüge ein, in dem Unter-, Mittel- und Oberschicht mit dem Grad ihrer Bedürfnisbefriedigung und Wunscherfüllung weitgehend zufrieden sind. Aus dieser jeweiligen Zufriedenheit ergeben sich sowohl der Beschäftigungsgrad als auch das Lohn- und Preisniveau – mit der Folge, dass der Markt „gesättigt“ ist und ein zusätzliches Angebot entweder nicht angenommen werden kann, weil die Kaufkraft fehlt, oder zwangsläufig ein anderes Angebot vom Markt verdrängt wird, so dass den Möglichkeiten für gesamtwirtschaftliches Wachstum Grenzen gesetzt sind, die grundsätzlich nur durch Neuverschuldung durchbrochen werden können.
Gelingt es nun im Zuge der Globalisierung, einen Teil des Angebots durch preiswerte Importe zu ersetzen, wird bei den Konsumenten Kaufkraft frei, die wiederum in neue Angebote aus der Binnenproduktion oder einfach nur in Preissteigerungen der Binnenanbieter fließen kann, ohne dass dies Auswirkungen auf die Zufriedenheit hat, weil ja der Bedarf weiterhin gedeckt werden kann.
Das ist im Prinzip der ganze Trick der Globalisierung, der natürlich auch eine Schattenseite hat, die darin besteht, dass unter Umständen die Unternehmen ganzer Branchen, die im Binnenmarkt produzieren, vollständig verschwinden, weil sie gegenüber den Importwaren nicht konkurrenzfähig sind. Man sprich hier vom „Import von Arbeitslosigkeit“.
Das ist allerdings ein schleichender Prozess, bei dem erst nach Jahren seiner fortwährenden Ausdehnung auf immer mehr Produkte erkennbar wird, dass der volkswirtschaftliche Schaden durch die zunehmende Arbeitslosigkeit, also die Nichtausschöpfung des volkswirtschaftlichen Leistungspotentials, größer ist als der Gewinn aus den billigen Importen.
Hier hat aber nicht, wie Trump versucht es darzustellen, die EU die USA über den Tisch gezogen. Was hier geschehen ist, war freie, weitgehend unregulierte Marktwirtschaft, in der betriebswirtschaftliches Gewinnstreben das volkswirtschaftliche Gleichgewicht beschädigt hat.
Es ist erst recht nicht so, dass die EU aus reiner Bosheit nicht im gleichen Umfang Waren aus den USA bezogen hat, wie die USA aus der EU abgesaugt haben. Es fehlte schlicht am attraktiven, auf den Bedarf der EU abgestimmten, preisgünstigen Angebot.
Was wird nun in den USA die Folge der Einfuhrzölle auf Stahl sein, und wie werden sich diese auf die deutsche Stahlindustrie auswirken?
USA
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Kapazitäten der US-Stahlwerke nicht ausreichen, um den Stahlbedarf der USA zu befriedigen. Die Errichtung neuer Stahlwerke dürfte frühestens in drei Jahren den Beginn einer regulären, kontinuierlichen Stahlerzeugung ermöglichen. Bis dahin wird der Stahlimport nur geringfügig nachlassen, nämlich nur da, wo die auf Stahl angewiesene Produktion nach der Preissteigerung durch die Einfuhrzölle nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann. Trump kann diesen Preisunterschied auch nicht direkt aus den Zolleinnahmen ausgleichen, weil er damit seine Zölle vollkommen ad absurdum führen würde. Der erste Effekt ist also ein geringfügiger Anstieg der Inflation. Da sich allerdings die Wirkung aller neu eingeführten Zölle in der Gesamtkalkulation addiert, dürfte der inflationäre Effekt der Zollpolitik an den Ladenkassen spürbar werden.
Nehmen wir also an, dass die Erträge aus den Zöllen verwendet werden, um den Ausbau der eigenen Stahlindustrie zu subventionieren, so wird dies einen positiven Effekt auf die Wettbewerbsfähigkeit des in Zukunft produzierten US-Stahls haben. Ob dieser Effekt ausreichen wird, um die Inflation wieder einzuhegen, ist auf Basis der mir zur Verfügung stehenden Daten nicht zu ermitteln.
Falls ja, könnten die USA in Bezug auf ihren Stahlbedarf in einigen Jahren autark geworden sein und vom Stahlpreis her wieder das Niveau vor der Zollerhebung erreicht haben. Trump hätte damit alle drei Ziele erreicht: Neue Arbeitsplätze geschaffen, strategische Abhängigkeiten reduziert und dem ausgeglichenen Außenhandel einen Schritt näher gekommen.
Deutschland
Zwanzig Prozent der deutschen Stahlerzeugung, so das Institut der Deutschen Wirtschaft, werden derzeit noch in die USA exportiert. Das erscheint, angesichts der Rahmenbedingungen, unter denen in Deutschland Stahl erzeugt wird, überraschend viel.
Dazu ist zunächst einmal zu sagen, dass die Stahlproduktion in Deutschland insgesamt rapide rückläufig ist. Hier die Zahlen aus Wikipedia – Werte in Millionen Tonnen:
Region | 2000 | 2010 | 2016 | 2018 | 2021 | 2023 |
---|---|---|---|---|---|---|
![]() |
46,4 | 43,8 | 42,1 | 42,4 | 40,1 | 35,4 |
In den 21 Jahren von Ende 2000 bis Ende 2021 ein Produktionsrückgang um 13,6 %, durchschnittlich jährlich 0,65 %.
In den 2 Jahren Ampel von Ende 2021 bis Ende 2023 ein Produktionsrückgang um 11,7 %, durchschnittlich jährlich 5,85 %.
Dennoch sind 2023 noch gut 7 Millionen Tonnen deutschen Stahls mit einem (von mir) geschätzten Wert von etwa 5 Milliarden Euro in die USA exportiert worden. Mag sein, dass die deutsche Stahlproduktion 2024 noch einmal zurückgegangen ist, aber diesbezüglich habe ich noch keine Zahlen gefunden.
Das Geheimnis der Exportstärke:
Stahl ist nicht gleich Stahl. Hochwertige Spezialstähle erfordern spezielle metallurgische Kenntnisse in Rezeptur und Verfahrenstechnik, vor allem dann, wenn sie trotz Energiewende und CO2-Besteuerung immer noch wettbewerbsfähig auf dem internationalen Markt bestehen sollen.
Von daher nehme ich an, dass deutscher Spezialstahl trotz des 25-%-Zolls in nahezu unveränderten Quantitäten auch weiterhin von den USA eingesetzt werden wird. Bis zum Aufbau neuer Kapazitäten in den USA werden diese Spezialstähle auch noch in Deutschland produziert werden.
Ich kann mir aber gut vorstellen, dass zum Beispiel Thyssen Krupp bereits in Gesprächen mit dem Department of Commerce in Washington und internationalen Investoren über den Bau von Stahl- und Walzwerken in den USA verhandelt.
Dies ist schließlich ein weiterer Plan von Präsident Trump, in Fortführung des von Biden eingeführten Inflation Reduction Act, ausländische Unternehmen mit billiger, zuverlässig verfügbarer Energie und Steuererleichterungen zur Errichtung von Produktionsstätten in den USA zu animieren.
Erst bei diesem Stand der Überlegungen sind die Befürchtungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft für mich nachvollziehbar:
Man geht dort vermutlich zuversichtlich davon aus, dass das Ergebnis der Neuwahlen zu keiner nennenswerten Veränderung der deutschen Wirtschafts- und Energiepolitik führen wird, was zwangsläufig zur Folge haben muss, dass die letzten Hochöfen das gleiche Schicksal erleiden werden wie die letzten deutschen Kernkraftwerke.
Wie drückte es Elon Musk schon im ersten Absatz seines Gastbeitrags für die Welt am Sonntag vom 28.12.2024 aus:
„Die Alternative für Deutschland (AfD)
ist der letzte Funke Hoffnung für dieses Land.“