
PaD 24 /2025 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad24 2025 Tun was getan werden muss
Es ist das, was wir nicht ergründen können.
Das, was uns zwingt,
zu denken, was wir denken
und zu tun, was wir tun.
Das trifft bei Weitem nicht nur jene Menschen, die mit weit klaffenden Brüchen in ihrer Biografie auftreten und von den Weichenstellungen berichten, zu denen sie sich gezwungen sahen. Es trifft alle Menschen. Auch jene, die tagein, tagaus nur ihrem alten Trott folgen, die nähere Heimat nie verlassen und endlich still und zufrieden sterben. Auch denen boten sich Gelegenheiten, auch sie hätten Chancen ergreifen können, auch sie hätten vor Risiken fliehen können, doch haben sie sich dagegen entschieden.
Diese Einleitung mag befremdlich erscheinen. Hat sich die Menscheit doch weitgehend darauf geeinigt, dass wir als vernunftbegabte Wesen über einen freien Willen verfügen, der uns – im Rahmen unserer Fähigkeiten und unseres Vermögens – erlaubt, sowohl das Richtige als auch das Falsche zu tun. Deshalb, und nur deshalb, braucht es Religionen und Gesetze, das Begriffspaar von Schuld und Unschuld, sowie, selbst im Nullsummen-Spiel, die Unterscheidung in Nutzen und Schaden.
So muss es doch unumstritten bleiben, dass auch jeder selbst die Verantwortung für das trägt, was er anrichtet, es sei denn, der zuständige Psychiater erkennt auf eine psychische Störung, die eine Schuld mindert oder gar schuldunfähig machen kann.
So einfach ist es nicht.
Verzeihen Sie, wenn ich das Unerklärliche für den Anfang ziemlich hilflos mit dem Satz umschreibe: Es liegt immer etwas in der Luft …
Der Geruchssinn des Menschen ist zwar im Vergleich zu den Riechorganen von Hunden oder Insekten verkümmert, vor allem, weil uns unsere Augen präziser erkennen lassen, was wir begehren und was wir ablehnen, doch die Metapher „es liegt was in der Luft“ können wir immer noch richtig interpretieren.
Im Zwischenmenschlichen sind es zumeist Spannungen, ein unmerkliches Knistern, das auf nichts Konkretes zurückgeführt werden kann, und dennoch da ist. Lange vor dem Ehebruch deutet es sich an, schleicht sich in die gewohnten Rituale der Liebe ein, die sich lange noch anfühlen, wie immer, aber etwas verloren haben, nämlich ihre ursprüngliche Motivation.
Ursprüngliche Motivationen entstammen unseren Vorstellungen und Wünschen.
Wir sind bereit, alles zu tun, um diese Vorstellungen und Wünsche wahr werden zu lassen. Unter glücklichen Umständen gelingt das. Nicht selten aber stellt sich heraus, dass ein Paar auf gänzlich unterschiedliche Vorstellungen und Wünsche hinarbeitet, dass die Partner sich gegenseitig in der Wunscherfüllung behindern, dass in der Ehe keiner das findet, was er gesucht hat und verwirklichen wollte, und dann liegt sie in der Luft, die Bereitschaft auszubrechen. Die Bereitschaft öffnet die Augen für Gelegenheiten, und plötzlich ist die Entscheidungssituation da.
„Die oder ich!“, schreit die betrogene Ehefrau in höchster Erregung …
Was nun? Ausbrechen, die Koffer packen, oder reumütig zurückkehren? In dem Augenblick ist die Ratio weit weg. Warum die in diesem Augenblick getroffene Entscheidung so und nicht anders gefallen ist, lässt sich nachträglich nicht mehr befriedigend begründen. Fakt ist nur: Diese Entscheidung erschien in dem Augenblick als sie getroffen wurde als die einzig richtige, und es handelt sich um eine irreversible Weichenstellung.
Irreversibel bedeutet aber nicht, dass es in der Zukunft keine weiteren Weichen mehr gäbe, es bedeutet nur, dass sich an der Weiche die Gleise trennen, und dass nicht beide Gleise vom selben Zug gleichzeitig befahren werden können.
Die Ehefrau, die im Zustand höchster moralischer Überlegenheit geschrien hat: „Die oder ich!“, hat übrigens auch eine Entscheidung getroffen, nämlich wieder einmal ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen nicht auszusprechen, sondern ihm die Entscheidung zu überlassen und sich wieder einmal damit abzufinden. Dies aber nur am Rande.
Hier muss daran erinnert werden, dass Hirnforscher schon vor Jahren herausgefunden haben, dass eine „innere Instanz“ die Entscheidung getroffen hat, bevor sie im Bewusstsein erschienen ist. Auch, dass sich die Ratio dann im Grunde nur noch damit beschäftigt, diese Entscheidung zu begründen und, soweit noch möglich oder erforderlich, die Methoden der Umsetzung auszuwählen.
Nun entstammen Konflikte nicht ausschließlich scheiternden Paarbeziehungen. Man kann sich auch von vornherein von irgendeiner anderen Seite behindert und eingeschränkt fühlen. Daraus entsteht kein Krieg, wenn man in der Lage ist, sich, ohne andere Einschränkungen in Kauf nehmen zu müssen, weit genug aus dem Weg zu gehen. Wo die eine Seite der anderen jedoch immer wieder unangenehm auf die Pelle rückt, wie eine Stubenfliege die immer wieder das Käsebrot anfliegt, weil es in ihrer Natur und der Käseduft in der Luft liegt, liegt auch die finale Auseinandersetzung in der Luft und wird sich beinahe zwangsläufig entladen. Der letzte Gedanke der noch für einen Augenblick zuckenden Stubenfliege wird dabei sein: „Ich habe ihm doch gar nichts getan …“
Wo es sich nicht um eine lästige Fliege handelt, sondern gleich um ein halbes Dutzend Wespen, die sich am Zwetschgendatschi laben wollen, könnte die gleiche Auseinandersetzung für beide Seiten schmerzhaft enden. Der eine schlägt zu, weil er diesen ganz starken Impuls in sich verspürt, und die Wespe sticht, weil sie den ganz starken Impuls, zuzustechen, ebensowenig unterdrücken kann, wie den Drang, sich einen winzigen Bissen vom Kuchen zu holen.
Damit sind wir beim Krieg.
Ich versuche mich hier einmal an einer etwas aus der Reihe tanzenden Aussage über den Krieg:
Krieg ist eine der Möglichkeiten,
den Versuch zu unternehmen,
Hindernisse aus dem Weg zu räumen.
Nimmt man diese Aussage ernst, ergibt sich daraus die Erkenntnis, dass es nicht das Hindernis ist, um das es im Krieg geht, sondern das hinter dem Hindernis liegende Ziel. Dies wiederum macht es einfacher, zu erkennen, wer warum und zu welchem Zweck auf den Krieg hinarbeitet und ihn schließlich herbei führt.
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Krieg in der Regel nur eine der zur Auswahl stehenden Möglichkeiten ist, ein Ziel zu erreichen, wobei wiederum einige dieser Möglichkeiten am Hindernis vorbei zu einer Lösung führen könnten. Rational betrachtet käme Krieg also nur in Frage, wenn es sich um die einfachste Lösung handelt und der Aufwand in Relation zum Ergebnis als lohnend ansgesehen wird.
Diese Denkweise ignoriert allerdings jene „innere Instanz“, die ja nicht nur im entscheidenden Augenblick die finale Entscheidung präsentiert, sondern eben diese Entscheidung fraglos schon lange vorher vorbereitet hat. Damit sind wir wieder beim überglücklichen, im siebten Himmel schwebenden Brautpaar, das über die Jahre aus allen Wolken fällt und irgendwann hart in der Realität aufschlägt, weil die ursprüngliche Motivation beider Partner, in der Ehe ihre Wünsche und Hoffnungen zu erfüllen, einer niederschmetternden Resignation gewichen ist, die danach nicht selten in bitterböse Aggression umschlägt.
Dass ein solcher Effekt in einer Zwangsehe sehr viel wahrscheinlicher auftreten wird als nach einer Liebesheirat, dürfte nicht schwer nachzuvollziehen sein. Auch nicht, dass sich hier eine deutliche Parallele zum Verhältnis zwischen den Palästinensern und Israel abzeichnet.
Betrachten wir es rein aus israelischer Sicht, so haben sich die Palästinenser als ein dauerhaftes Hindernis für die notwendige Siedlungsexpansion erwiesen und zudem mit immer neuen asymmetrischen Nadelstichen auch das Sicherheitsgefühl der Israelis gestört. Die letzte Attacke der Hamas hat das Fass zum Überlaufen gebracht und den Krieg im Gaza-Streifen ausgelöst, der mit der vollständigen Vernichtung der Hamas und der vollständigen Vertreibung der Palästinenser zu Ende gebracht werden soll.
Dummerweise ist es auch in diesem Konflikt wie in jeder Ehekrise: Die Verwandtschaft mischt sich ein.
Hier auf palästinensicher Seite zunächst die Hisbollah, dann die Huthis und letztlich die Mullahs in Teheran, die wiederum freundschaftliche Beziehungen zu Russland pflegen.
Aus dem ursprünglich kleinen, überschaubaren Hindernis, das schon fast vollständig aus dem Weg geräumt war, ist – und das war vorhersehbar, aber offbar nicht einkalkuliert – ein hundertmal größeres Hindernis geworden. Die Gefahr, der Zwangsehe trotz aller Anstrengungen nicht entkommen zu können, und nur darum geht es im Kern immer noch, stand als drohendes Menetekel an der Wand.
Was also tun?
Israel stand bereits im Krieg. Nicht nur mit den Palästinensern, sondern auch mit deren arabisch-schiitischen Verwandten. Allesamt unterstützt vom waffenreichen Onkel in Teheran. Die Entscheidung konnte überhaupt nur für den Angriff auf den Iran fallen. Der war als das Haupthindernis identifiziert. Auch wenn die Ratio hätte warnen wollen, mit der brennenden Kerze auf das Pulverfass loszugehen: Die „innere Instanz“ wusste, das Bewusstsein würde Argumente dafür bereitstellen, und so war die iranische Atombombe geboren, die verhindert werden musste, obwohl die US-Geheimdienste nicht davon überzeugt sind, dass es diese Bombe gibt oder geben würde.
Der Onkel in Teheran,
vom Westen, dessen frühgeschichtliche Kenntnisse offenbar so gering sind, ihn immer wieder als Steinzeitmenschen zu bezeichnen, obwohl der Islam, auf den sich das bezieht, überhaupt erst im frühen siebten Jahrhundert unserer Zeitrechnung entstanden ist,
war zwar grundsätzlich nach seinen Möglichkeiten vorbereitet, wurde aber dennoch böse überrascht, als statt der Einladung zu neuen Verhandlungen über sein Atomprogramm plötzlich zweihundert israelische Kampfflugzeuge ihre Bombenlast über seinem Land abgeladen haben. Nun ist er zornig.
Der Zorn hat sich in den letzten Tagen in etlichen Angriffswellen auf das winzige und daher dichtbesidelte Israel entladen. Eine neue Erfahrung für die Israelis. Der Iron Dome hat Risse bekommen, und wenn die Einschläge auch noch lange nicht jene Zerstörungen bewirkten, wie das israelische Bombardement auf den Iran: Israel weiß, dass es ohne die eigene Vewandtschaft nicht gelingen wird, diesen Krieg zu gewinnen.
Damit ist Donald Trump zum Dreh- und Angelpunkt der weiteren Entwicklung der Weltgeschichte geworden.
Ich glaube ihm, dass er das nicht wollte.
Seine am 20. Januar 2025 geschlossene Ehe mit dem amerikanischen Volk, von diesem teils erhofft, teils bis zuletzt erbittert bekämpft, war von Wünschen und Hoffnungen getragen, Amerika wieder groß zu machen. Stärke im Inneren und aus dem Inneren heraus, wirtschaftliche Stärke vor militärischer Stärke, Abhängigkeiten aus der Globalisierung auflösen und den linkswoken Zeitgeist durch eine neue Ära der Vernunft abzulösen.
Die Hindernisse, die er da im Ausland gesehen hat, waren die industrielle Konkurrenz und die Rohstoffabhängigkeit, durch die insbesondere China in sein Blickfeld rückte, aber natürlich auch die EU. Dem hoffte er, durch eine protektionistische Neuordnung des Welthandels entgegentreten zu können. Und nun das, der Hilferuf aus Tel Aviv.
Ich wage die Vermutung, dass Trumps „innere Instanz“ bereits abgelehnt hat. Ich wage die Vermutung, dass diese Ablehnung auch bereits in seinem Bewusstsein angekommen ist.
Dieser Krieg, der sich für die USA als um eine Zehnerpotenz riskanter entpuppen könnte als der Afghanistankrieg, der bereits nicht gerade einen glücklichen Ausgang für die USA genommen hat, wäre ein massives Hindernis bei der Erreichung seiner eigenen Ziele.
Dass er den Plan seiner Strategen im Pentagon bereits abgesegnet, aber ihn noch nicht zur Ausführung freigegeben hat, während weiterhin iranische Raketen auf Israel fallen, und dass er öffentlich darüber redet, er werde es tun, vielleicht auch nicht, ist m.E. mehr als nur ein taktisches Verwirrspiel, um Teheran doch noch zur Kapitulation oder wenigstens an den Verhandlungstisch zu bringen.
Es ist nach meiner Einschätzung der auch nach dem vierten Termin bei der Eheberatung nicht auslöschbare Gedanke, die Fortsetzung der Parterschaft mit Netanjahu würde seine Vorstellungen, Wünsche und Ziele mit Israel in den Abgrund reißen.
Chamenei hat seinen Standpunkt gestern erklärt.
Der Iran wird nicht kapitulieren.