Traktätchen über den Begriff „Impfpflicht“

Die Impfpflicht ist in aller Munde.

Die einen fordern sie lauthals, die anderen erwarten sie ängstlich. Kritik gibt es nur hinter vorgehaltener Hand – und da kann man auch im engsten Kreise der Vertrauten noch an den Falschen*) geraten.
*) sog. „IM“, Insubordinations Melder

In dieser Erörterung soll zunächst der Begriff in seine Bestandteile zerlegt werden.

„Impf!“, muss zunächst einmal als ein Imperativ angesehen werden. „Impf!“, schreit der Sanitätsoffizier den Sanitätsgefreiten an, und dann tut der das, weil ihm sonst wegen Befehlsverweigerung Unannehmlichkeiten drohen.

„Pflicht“ beschreibt hingegen eine „Aufgabe“, die vom Verpflichteten zu erfüllen ist. Die Pflicht verlangt immer eine Aktivität der Verpflichteten. Der Steuerpflichtige hat seine Steuerschuld an das Finanzamt abzuführen. Der Wehrpflichtige hat sich für eine bestimmte Zeit an der Waffe ausbilden zu lassen und im Ernstfall die Pflicht, gewaltsam Gefahren von Deutschland abzuwehren. Den Grundstückseigentümer trifft die Räum- und Streupflicht, und so er dieser nicht nach-, und jemand zu Schaden kommt, trifft ihn die Haftpflicht. Er hat also für den Schaden zu haften, was im Allgemeinen heißt, dass er eine Ersatzleistung zu erbringen hat. Die Schulpflicht verpflichtet die Eltern von Kindern, sie zur Schule anzumelden und dafür zu sorgen, dass sie dort auch regelmäßig zum Unterricht erscheinen. Die Gurtpflicht verpflichtet den Autofahrer einen Sicherheitsgurt anzulegen. Die Warnwestenpflicht verpflichtet den gleichen Autofahrer, eine genügende Anzahl von Warnwesten mitzuführen. 

Zur Pflicht gehört zwangsläufig eine Aussage, was den Verpflichteten erwartet, sollte er seiner Pflicht nicht nachkommen. Im Arbeitsrecht zum Beispiel wird auf die Verletzung einer Dienstpflicht eine Abmahnung folgen, bei mehrfacher Pflichtverletzung wird die fristlose Kündigung ausgesprochen, ggfs. kann auch Schadensersatz gefordert werden.

Was also kann, nach diesen Vorüberlegungen, mit dem Begriff „Impfpflicht“ gemeint sein?

Es ist der Befehl, zu impfen. Weil es sich allerdings nicht um einen Befehl im militärischen Sinne handelt, wird die zivile Pflicht daraus. Impfpflicht heißt, jeder, der unter die Impfpflicht fällt, hat zu impfen. Er hat andere zu impfen. Wir befinden uns in einer Aktiv-Konstruktion. Unterstellt, die Grundsätze der Vernunft finden noch Beachtung, kann die Impfpflicht also nur für entsprechend ausgebildete Personen aus dem medizinischen Bereich, also für Ärzte und Pflegepersonal ausgesprochen werden. Diese können per Impfpflicht zum Impfdienst in Impfzentren oder in ihren eigenen Praxen verpflichtet werden – so es dafür eine gesetzliche Grundlage gibt – und dann müssen die impfen, impfen, impfen, ob sie nun mit dem Herzen dabei sind oder nicht.

Was Herrn Söder und anderen Pseudovirologen aber eigentlich vorschwebt, ist die „Geimpftseinspflicht“ für die gesamte Bevölkerung. Nun kommt „Geimpftsein“ aber nicht über die Menschen wie der Heilige Geist. Der Geimpfseinwollende wird sich seine Impfung freiwillig abholen. Was aber ist mit dem Nichtgeimpftseinwollenden? Muss der vom unter Impfpflicht stehenden Medizinpersonal mit der Spritze in der Hand solange gejagt werden, bis er japsend am Straßenrand zusammenbricht, auf dass  ihm das Vaccin in den Arm gespritzt werden kann? Und was, wenn seine Kräfte doch noch reichen, um sich zur Wehr zu setzen? Muss dann – wie bei der Polizei – das SIK (Sonder-Impf-Kommando) angefordert werden, damit dem Nichtgeimpftseinwollenden endlich der Schuss gesetzt werden kann?

Es scheint, der Begriff „Impfpflicht“ führt eher nach Absurdistan als zum vollständigen Doppel+booster+x-Geimpftsein aller nicht Geimpftseinwollenden.

Also bleibt an dieser Stelle nur der Versuch, die Absicht derjenigen, die eine Impfpflicht einführen wollen, begrifflich vom Kopf auf die Füße zustellen. Wir geraten von der Aktiv- in die Passivkonstruktion, die im Deutschunterricht früherer Grundschulklassen auch als „Leideform“ bezeichnet wurde, was durchaus der ausdrucksstärkere Terminus ist. Es geht nicht um eine Pflicht, sondern darum, ein Leid, wie es ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit nun einmal ist, zu erdulden.

Die klassische – und einzig wirksame – Methode, jemanden zu der Duldung unerwünschter Handlungen an seinem Körper zu zwingen, ist die Nötigung. Die Nötigung funktioniert jedoch nur, wenn dem Genötigten glaubhaft mit einem größeren Übel gedroht wird und dies – zumindest exemplarisch – auch in abschreckender Weise an anderen so vollzogen wird, dass der Genötigte nicht nur die Folterinstrumente auf dem Tisch liegen sieht,  sondern sich auch darüber klar werden kann, was deren Anwendung bedeutet.

Zum Glück leben wir in einem Land, in dem Nötigung unter Strafe steht.

Strafgesetzbuch (StGB) § 240 Nötigung

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Unglücklicherweise ist dies jedoch zugleich ein Land, in dem Gesetze und Verordnungen schnell und unbürokratisch den jeweils aktuell für richtig gehaltenen Einfällen der Regierung angepasst, oder eigens zum Zwecke des Wegfalls der Rechtswidrigkeit verabschiedet werden.

Was gestern noch rechtswidrig war und sogar mit dem Grundgesetz kollidierte, kann nach der derzeitigen „ethisch-moralischen Verfassung der Republik“ morgen ganz ohne Grundgesetzänderung, auf dem Wege einfacher Gesetze oder auch nur Verordnungen zu gültigem Recht erhoben werden. 

Darum ging es ja wohl am Donnerstag und am Freitag im Bundestag, in der Ministerpräsidentenrunde und im Bundesrat:

Rechtswidriges gerichtsfest zu machen.

Die Begründung wurde ja von einigen der Beteiligten auch schamlos ausgesprochen:

Es gab zu viele Gerichtsbeschlüsse,
mit denen Maßnahmen als unzulässig befunden
und aufgehoben wurden.

Früher hieß es: Recht muss Recht bleiben.

Heute ist sie anscheinend wieder auferstanden, aus Ruinen: Die Partei, die Partei …