
Merz und Klingbeil wollen die Wirtschaft wieder auf Trab bringen.
Fragt man sich, was die deutsche Wirtschaft in den letzten drei Rezessionsjahren gelähmt hat, dann fallen einem gleich mehrere zutreffende Antworten ein:
- Energie ist im internationalen Vergleich zu teuer und soll noch teurer werden.
- Strom ist nicht mehr wirklich zuverlässig verfügbar und wird noch unzuverlässiger werden.
- Bürokratie lähmt alle Unternehmen und kostet viel zu viel.
- Es fehlt an Fachkräften.
In Bezug auf die Energiekosten gibt es Pläne, sie zu senken. Diese Pläne haben jedoch allesamt einen gewaltigen Pferdefuß: Beim derzeitigen Energie-Mix, und beim weiteren Ausbau von Wind und Sonne, steigen die tatsächlichen Energiekosten weiter. Kostensenkungen kann der Staat nur dadurch ermöglichen, dass er entweder die Steuer- und Abgabenlast auf Energie senkt, oder die Preise aus dem Steuersäckel subentioniert. Beides läuft auf das Gleiche hinaus: Steuererhöhungen an anderer Stelle, die sich unweigerlich ihren Weg durch die Wirtschaft fressen und die Energiekostensenkung durch Gewinnschmälerung an anderer Stelle wieder auffressen. Selbst wenn nur die Konsumenten durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer belastet würden, ergäbe sich kurzfristig die Notwendigkeit von Lohnerhöhungen, die wieder von den Unternehmen aufgebracht werden müssten. Dass hier im Geschiebe der Lasten mal jemand für ein halbes oder ganzes Jahr einen Vorteil hat, ändert nichts daran, dass immer nur Geld von der linken in die rechte Tasche verschoben wird.
In Bezug auf die Verfügbarkeit von Energie hat Katharina Reiche zwar nun endlich tatsächlich den Bau neuer Gaskraftwerke auf der Agenda. Dummerweise spuckt ihr aber schon die EU in die Suppe und schreibt vor, wie viele es überhaupt werden dürfen, und wie viele davon H2-ready zu sein haben und ab wann sie spätestens mit Wasserstoff betrieben werden müssen. Mit einer Wasserstoff-Fata-Morgana lässt sich aber kein Strom erzeugen, schon gar kein preiswerter, und bis das erste neue Gaskraftwerk steht, werden munter weiter Zufallsstromerzeuger ans Netz gebracht, die keineswegs zu seiner Stabilisierung beitragen. Wer auf eine unterbrechungsfreie Stromversorgung mit minimalen Toleranzen bei Spannung und Frequenz angewiesen ist, wird sich zweimal überlegen, ob er nach dem Ende der Ampel nun wirklich schon in Deutschland investieren soll.
Bürokratie-Abbau wird vollmundig versprochen. Es sieht sogar so aus, also ob zumindest Genehmigungsverfahren im Baubereich entrümpelt und beschleunigt werden könnten, dass hier tatsächlich ein Durchbruch gelingen könnte, halte ich für nahezu unmöglich. Da müsste schon ein Krieg die Notwendigkeit hervorbringen, ganz und gar pragmatisch Prioritäten zu setzen und sich von allen in langen Jahren selbst auferlegten Beschränkungen zu befreien, um das nackte Überleben zu sichern. Dann scheißt sich keiner mehr um Bauvorschriften und das letzte Habitat des Wintergoldhähnchens. Aber so?
Der Fachkräftemangel hat sich als stabil erwiesen. Die Sache mit den „Goldstückchen“ hat sich als ebenso schwierig herausgestellt, wie die Goldwäscherei im Gebirgsbach. Man muss Tonnen von Sand und Geröll durchsieben, um irgendwann einmal ein Nugget zu finden, und nur selten hat sich die Mühe dann wirklich gelohnt. Natürlich könnte die Wirtschaft die erforderlichen Fachkräfte gezielt anwerben, und die kämen auch nach Deutschland, wenn sie eine Wohnung fänden, wenn sie für ihre Kinder Schulen fänden, die noch funktionieren, wenn sie ihre Meinung nicht beim Grenzübertritt am Zoll abgeben müssten – und vor allem, wenn in Deutschland Gehälter gezahlt würden, von denen man sich mindestens den gewohnten Lebensstandard leisten kann. Letzteres will sich die Wirtschaft offenbar nicht leisten, und so wird der Fachkräftemangel fortbestehen.
Nun hat man vermeintlich die Patentlösung zur Ankurbelung der Wirtschaft gefunden:
Verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten
Das klingt prima, nur, wem hilft es?
Das Wichtigste, was der Laie über Abschreibungen wissen muss, lässt sich kurz so darstellen:
Wer sich ein Wirtschaftsgut anschafft, also investiert, hat in der Regel eine ziemlich gute Vorstellung davon, wie lange er dieses Wirtschaftsgut, beispielsweise die Möbel für einen Büroarbeitsplatz nutzen können wird, bevor sie ersetzt werden müssen. Das Finanzamt hat davon ebenso eine Vorstellung und in langen Jahren branchenspezifische Tabellen erstellt, in denen festgehalten ist, welches Wirtschaftsgut wie lange genutzt werden kann und mit welchem Prozentsatz von den Gestehungskosten es deshalb über diesen Zeitraum jährlich abgeschrieben werden darf. Bei Büromöbeln geht man von 10 Jahren aus und kann folglich jährlich 10% abschreiben.
Was bedeutet „Abschreiben“?
Ziel jedes Wirtschaftsunternehmens ist es, am Geschäftsjahresende einen Gewinn erzielt zu haben. Darauf freut sich auch das Finanzamt, denn es will den Gewinn besteuern. Der Gewinn ist, grob gesprochen, was vom Umsatz nach Abzug der Kosten übrig bleibt. Die Tücke liegt im Begriff „Kosten“. Die Anschaffung der Möbel für einen Büroarbeitsplatz hat zwar Geld gekostet, doch die 5.000 Euro, die dafür ausgegeben wurden, erkennt das Finanzamt nicht als Kosten an. Das Finanzamt sagt: Das ist eine Ausgabe, und ausgeben kannst du soviel du willst, aber als steuerlich relevante Kosten kann nur die jährliche „Wertminderung“ betrachtet werden. Und wenn die Möbel 10 Jahre halten, dann beträgt die jährliche Wertminderung bei linearer Abschreibung eben nur 500 Euro, und nur um diese 500 Euro kannst du deinen zu versteuernden Gewinn mindern.
Das ist eine relativ kluge Regelung. Die Kosten werden auf 10 Jahre verteilt, und über diese 10 Jahre wird ein bisschen weniger Steuer fällig, weil ja jedes Jahr 500 Euro abgeschrieben werden können. Nach zehn Jahren allerdings sind die Möbel vollständig abgeschrieben und wirken sich nicht mehr auf den steuerlichen Gewinn aus.
Was verändert sich nun, sollte die Bundesregierung beschließen, dass – zum Beispiel – Büromöbel künftig in den ersten drei Jahren mit jeweils 30% und im vierten Jahr mit 10 % abgeschrieben werden dürfen?
Sehr wenig.
- Unternehmen, denen es – zum Teil aus den oben genannten Gründen – schlecht geht, die also gar keinen Gewinn ausweisen, sondern Verluste schreiben, hilft die verbesserte Abschreibungsmöglichkeit nichts. Man kann nicht Steuern sparen, wenn man sowieso keine zahlt. Auch mit dem allerschönsten neuen Büroarbeitsplatz nicht. Das trifft vermutlich recht viele Unternehmen. Die hohe Zahl an Insolvenzen spricht da eine deutliche Sprache. Von daher ist es für solche Unternehmen, die dringend eine Entlastung bräuchten, deren Rettung vielleicht in einer Investition in neue Maschinen und Anlagen bestünde, vollkommen witzlos. Es gibt keine Entlastung.
- Unternehmen, denen es gut geht, die also mit der Sonderabschreibung in den ersten drei Jahren deutlich weniger Steuern zahlen, zahlen dafür (im hier genannten Beispiel) ab dem fünften bis zum zehnten Jahr deutlich höhere Steuern. Unter dem Strich gleich sich das aus, sieht man von inflationären Einflüssen und möglicherweise veränderten Steuersätzen in der Zukunft ab. Der Nutzen besteht lediglich in der höheren Liquidität in den ersten drei Jahren. Das kann die Investion erleichtern, den Fremdmittelbedarf senken, es kann der höhere Gewinn nach Steuern aber auch einfach ausgeschüttet werden.
Grundsätzlich gilt: Ein Unternehmen investiert nicht um Steuern zu sparen oder um die Steuerlast auf spätere Jahre zu verschieben.
Ein Unternehmen investiert, um seine Fähigkeit zur Geschäftstätigkeit zu erhalten, auszuweiten oder zu verbessern, in der Absicht, zukünftig Gewinne zu erzielen. Wenn höhere Abschreibungsmöglichkeiten bestehen, werden diese selbstverständlich mitgenommen. Was denn sonst?
Es sind aber nur Mitnahme-Effekte. In den wenigsten Fällen, wird eine verbesserte Abschreibungsmöglichkeit den Ausschlag für eine Investitionsentscheidung geben.
Was bleibt, sind Investitionen, die sowieso erfolgt wären, und ein paar Jahre sinkender Steuereinnahmen.
Als man die Besserverdienenden noch mit den so genannten Bauherren- und Erwerber-Modellen motiviert hat, in den Wohnungsbau zu investieren, war das eine andere Sache. Die hohe Abschreibung auf die Immobilie hat erst einmal die Steuerlast aus dem normalen Erwerbseinkommen gesenkt, und anschließend sollten die Mieter die Wohnung selbst zu Ende finanzieren, jedenfalls auf dem Papier. Da hat sich der gierige Investor meistens nur mit den steuerlichen Effekten beschäftigt und die Wohnung, bzw. eine entsprechende Musterwohnung vor der Unterschrift oft genug noch nicht einmal besichtigt.
Ob eine derartige Motivation bei hinreichend vielen seriösen Wirtschaftsunternehmen ebenfalls besteht, wage ich zu bezweifeln.