
Da heißt es immer, einer müsse nur mit gutem Beispiel vorausgehen, dann folgen alle anderen schon nach.
Ich weiß nicht, wer sich das ausgedacht hat. Sucht man nach Beispielen, findet man ausschließlich das Gegenteil.
Hat nicht der tapfere Lindner alles daran gegeben, selbst die eigene Karriere und den Wiedereinzug der FDP in den Bundestag, nur um die ewigen Streitereien der Ampel in der Vorweihnachtszeit zu beenden? Und was ist? Die streiten munter weiter. Nur dass die Hackordnungskämpfe nun öffentlicher ausgetragen werden und auch Schläge unter die Gürtellinie, versteckt in Formeln, wie „sittliche Reife“, plötzlich zu den Usancen des Ringens um den Nutzen für das deutsche Volk gehören. Hört mir doch auf!
Wäre das schon alles, es wäre zwar genug, aber doch immer noch eträglich. Ist aber nicht alles. Da wollen ARD und ZDF mit gutem Beispiel vorangehen und einen Beitrag zum Abtragen der Brandmauer leisten, ein versöhnliches Duell zwischen Alice Weidel und Robert Habeck ermöglichen – und was passiert? Ein Aufschrei des Entsetzens gellt, von links, vom Rhein, bis rechts, zur Elbe, und Robert Habeck sieht sich vom Volkszorn genötigt, sich daran nicht beteiligen zu wollen.
Weil wir gerade bei Robert Habeck sind: Hat er nicht alles versucht, den weihnachtlichen Frieden zu retten, indem er den Mühseligen und Beladenen eins ums andere Mal versicherte, es kämen nun die goldenen Zeiten, in denen nicht nur die Inflation sinkt, sondern auch die Preise? Hat er nicht die Automobilhersteller ermuntert, die Preise so weit zu senken, dass endlich erschwingliche E-Mobile für nicht mehr als rund 20.000 Euro auch von den Ärmsten gekauft werden können? Hat er nicht oft und oft versichert, der Strom werde nun billiger, und hat er nicht nie versäumt, darauf hinzuweisen, dass der Strom schon wieder viel billiger geworden sei?
Ach, was hilft in Deutschland ein einsamer Rufer von der Küste? Die Leute waren ja gewillt, ihm Glauben zu schenken und die Ebbe in der Kasse ebenso dem Mond zuzuschreiben, wie den Tidenhub in der Kieler Förde, aber dann kommen die Dänen, die Schweden und die Norweger daher, und beschweren sich, dass sie mit ihren in die Höhe getriebenen Strompreisen nicht nur die deutschen Strompreise subventionieren, sondern dass sie sogar noch vollkommen selbstlos helfen würden, den deutschen Blackout zu verhindern. Das rüttelt die schon fast sedierten deutschen Bedenkenträger natürlich wieder auf, und es mehren sich die Stimmen, die eine Abkehr von der Energiewende fordern, und berufen sich ausgerechnet auf Angela Merkel, die nach dem Einstieg in den Atomausstieg erst den Ausstieg aus dem Einstieg voranbrachte, nur um dann in einem neuerlichen Anlauf den totalen Ausstieg aus dem Ausstieg in den Einstieg durchzusetzen. Ein Ausstieg aus der Energiewende wäre also nur eine Sonderform der Kontinuität, worauf sich Friedrich Merz berufen könnte, wäre da nicht die AfD, die das schon länger fordert und die Idee damit zuschanden geritten hat.
Und überhaupt: Bräuchten wir nicht eigentlich dringend endlich wieder einmal ein stromloses Weihnachten?
War das nicht immer so wunderbar romantisch, wenn zur Bescherung die Kerzen am Weihnachsbaum mit Streichhölzern entzündet wurden und ihr warmes Licht den Gabentisch erhellte? War es nicht schön, wenn die kleine Familie sich unter dem Baum die musikalische Einstimmung mit Gesang und Blockflötenspiel selbst verschaffte? Die Zeiten, als kein Fernsehgerät in die gute Stube dröhnte, als niemand am Handy wischend eine Leerstelle am Tisch füllte, ohne anwesend zu sein? War es nicht wunderbar, wenn dann das Feuerchen im Küchenherd lustig knisterte und das Wasser im Topf mit den Würstchen darin hörbar zu sieden begann? Wenn sich Oma und Opa mit Tränen in den Augen mit den selbstgebackenen Plätzchen bekrümelten, während die Enkelkinder ihre Geschenke auspackten und sich über die handgestrickten Strümpfe aus der aufgedröselten Wolle aus Omas altem Pullover ganz toll freuen konnten?
Eigentlich geht Deutschland da ja dem ganzen christlichen Abendland als leuchtendes Beispiel der Besinnung auf die alten Werte voraus. Doch selbst unsere kollektive Vorfreude auf ein dämmrig-schönes Weihnachtsfest im Kerzenschein wirkt nicht. Die ganze Welt um uns herum will vom grellen und lauten, stromgemachten Weihnachtsrummel nicht ablassen und bläst weiter jede Menge CO2 in den Tag- und Nachthimmel, obwohl jeder weiß, dass es die vielbesungene Weiße Weihnacht auch erst wieder geben wird, wenn wir den Weg zurück ins vorindustrielle Zeitalter geschafft haben werden, woran auch wieder nur wir, tapfer voranschreitend arbeiten.
Auch in Bezug auf den Frieden auf Erden geht Deutschland hartnäckig seinen Weg. Gerade in den langen, dunklen Winternächten haben wir es als einziges Land auf Erden geschafft, die Sicherheit auf Straßen und Plätzen, in Bussen und Bahnen, und wo sonst auch immer erforderlich, durch Messerverbotszonen mehr als nur herzustellen, sondern geradezu zu gewährleisten. Was für ein Unterschied zu den Zuständen, wie sie anderswo herrschen, wie zum Beispiel in der Ukraine und den angrenzenden östlichen Landstrichen. Wie um die Durchsetzung der innerdeutschen Messer- und Waffenverbotszonen zu unterstützen, werden wir nicht müde, unsere Waffenarsenale in Richtung Ukraine auszulagern. Auch darin sind wir beispielhaft. Kein anderes EU-Land baut die eigenen Waffenbestände so rigoros ab, keine anderes EU-Land sendet obendrein so viel Geld nach Kiew, wie wir. Nun warten alle darauf, dass Trump die Amtsgeschäfte in Washington übernimmt und die Ukraine-Hilfe der USA einstellt. Denn dann endlich werden wir auch in dieser Angelegenheit die Spitzenposition eingenomnmen haben, die uns zweifellos zusteht und uns endlich auch unserer Taurus-Marschflugkörper entledigen können.
Insgesamt sind wir auf einem guten Weg, wir nähern uns auch bald wieder der Vollbeschäftigung. Was in diesem Jahr zögerlich, weil testweise, begonnen wurde, nämlich vorlaute Regierungskritiker mit Hausbesuchen von Polizei und Staatsanwälten zu beglücken, dürfte kurz vor der endgültigen Freigabe für alle gemeldeten Verdachtsfälle stehen, wobei als Verdachtsfälle deutlich mehr als zehn Millionen Personen angenommen werden. Natürlich müssen diese Fälle allesamt in der nächsten Legislaturperiode abgearbeitet werden, wofür folglich nur rund 1.500 Tage zur Verfügung stehen, Wochenenden und Feiertage eingeschlossen. Das ergibt bis zu 7000 Hausdurchsuchungen täglich, die wiederum erfordern täglich 70.000 Polizisten, und weil die auch mal eine Pause brauchen oder krank werden oder Sport machen oder Pistolenschießen üben müssen, bringt das alleine rund 150.000 neue, gutbezahlte und nahezu emissionsfreie Arbeitsplätze, die sich noch dazu aus den im Anschluss an die Durchsuchungen fälligen Strafen finanzieren dürften, und sollte das nicht reichen, könnte man dazu übergehen, den Verdächtigen die Kosten für die Durchsuchungen aufzuerlegen. Hinzu kommen noch einmal ungefähr gleich viele neue Stellen beim Zoll. Schließlich kann man beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz nicht einfach dem vertrauen, was die Unternehmen freiwillg melden. Sonst hätten wir aus dem Abgasskandal ja gar keine Lehren gezogen. Da braucht es weltweite Präsenz deutscher Beamter – und damit dürften sich auch die Fluggesellschaften wieder an die deutschen Flughäfen locken lassen. Schließlich winkt da ein Millilardengeschäft mit Billionen von Passagiermeilen.
Was Donald Trump und Elon Musk veranlasst, statt Hass und Hetze mit der ganzen Strenge der Demokratie zu bekämpfen und möglichst auszurotten, das wilde Toben der so genannten Meinungsfreiheit praktisch gar nicht mehr zu reglementieren und einzuhegen, wird wohl für alle Zeiten im Dunkel bleiben. Dass nicht einmal der Hegemon, kaum dass das Kapitol die Farben gewechselt hat, unserem Beispiel folgen will, ist zwar befremdlich, aber kein Grund, im Streben und in der deutschen Gründlichkeit nachzulassen. Nach vier Jahren ist Trump wieder weg – und dann brechen auch in den USA wieder glücklichere Zeiten an.
Was auch immer geschieht, wir sind auf dem richtigen Weg, und wo wir sind, ist vorne.
Bleiben Sie gespannt. Wir sind nur noch eine kleine Dunkelflaute vom Blackout entfernt. Will uns die Welt auch immer noch nicht folgen, von den Erfahrungen, die wir dabei sammeln werden, werden letztlich alle profitieren und glücklich sein, dass wir sie an unseren Erkenntnissen teilhaben lassen. Erst in der Dunkelflaute wird sich zeigen, dass wir nicht nur auf den Strom aus Kohle, Gas und Atom verzichten können, sondern mit geringfügigem Anpassungsaufwand auch auf den Strom von Wind und Sonne.