Rentenpaket am Kipppunkt

Ach, was muss man oft von bösen

Buben hören oder lesen

So beginnt die Moritat von Max und Moritz bei Wilhelm Busch. 

Was seinerzeit von nur zwei Burschen an Sabotage auf den Frieden des Gemeinswesens angerichtet wurde, dazu braucht es diesmal offenbar gleich 18 junge Abgeordnete im Bundestag, die sich verschworen haben, das neue Rentenpaket von Bärbel Bas und Lars Klingbeil zu Fall zu bringen.

Der Streit entzündet sich an rund 100 Milliarden Euro zusätzlicher Ausgaben für Rentenleistungen, die Bärbel Bas am Koalitionsvertrag vorbei in dieses Paket hineingemogelt haben soll, das dann allerdings doch auch irgendwie vom Kabinett, bzw. im Kabinett, gebilligt worden sein muss.

Von daher greift die Mär vom Aufstand der jungen Abgeordneten gegen die SPD viel zu kurz. Auch wer meint, es ginge darüberhinaus nur gegen den Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn, mag vielleicht mit Spahn noch ein Hühnchen zu rupfen haben, wiegelt aber dennoch immer noch ab.

Der Aufstand der jungen Unionsabgeordneten zielt auf Friedrich Merz. Darüber hinaus auf alle Unionsminister im Kabinett, die entweder geschlafen haben oder einfach nicht den Mut fanden, der sie hätte rebellieren lassen sollen.

Wer recht hat, ist nicht zu entscheiden.

Die Regierung denkt an die nächsten Wahlen und will es sich mit den Rentnern nicht verscherzen. Da jetzt eine Schippe draufzulegen, statt die Rentenhöhe einzufrieren oder gar noch einmal Kürzungen zu verordnen, ist durchaus ein Weg zur Sicherung der Macht der SPD und die Union kann als Trittbrettfahrer davon ebenso profitieren.

Die jungen Rebellen denken eher an sich selbst, beziehungsweise an die Beitrags- und Steuerzahler ihrer Generation, und – weil die Jugend immer noch verdächtig ist, in Idealismus zu verfallen – kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass diese 18 auch an Deutschland denken und, bevor die Nacht vollends hereinbricht, noch retten wollen was noch zu retten ist.

Und wenn schon nicht zu entscheiden ist, wer recht hat, soll doch wenigstens gefragt werden, wer einen Nutzen vom Aufstand haben wird.

Da ist zunächst einmal der sprichwörtliche „Kubicki-Effekt“. Partei-interner Widerspruch mit großem Medien-Echo, aber am Ende eben doch mit der Fraktion zu stimmen, das verfehlt seine Wirkung nicht. Das lässt Hoffnung aufkommen, dass es eben doch noch vernünftige Stimmen gibt, die sich  irgendwann auch durchsetzen werden. Da bleibt man der Partei seines Vertrauens doch noch einmal treu, statt sich nach einer Alternative umzusehen. Für den Kubicki-Effekt ist es jedoch erforderlich, dass das Vorgehen abgesprochen und gebilligt ist. Dann nützt es am Ende sogar Friedrich Merz, vor allem, wenn es ihm gelingen sollte, das Rentenpaket doch noch ins Bundesgesetzblatt zu hieven.

Den größeren Nutzen hat jedoch jetzt schon die SPD. Gerade durch den Aufstand in der Unionsfraktion wird ja bekannt, dass es die SPD ist, die sich gegen vermeintliche Sparzwänge auflehnt und den Rentnern das zukommen lassen will, was sie sich in langen Jahren schwerer Arbeit verdient haben. Egal, wie es ausgehen wird, das wird in den Köpfen der Rentner und der in die Rente nachdrängenden Baby-Boomer hängen bleiben. 

Die Bestandsrentner und die in den nächsten Jahren in den Rentenbezug wechselnden Beitragszahler haben nichts davon. Es geht, wenn ich das richtig verstanden habe, vor allem um die Rentengarantie über das Jahr 2031 hinaus. Man muss sich gar nicht das finsterste Szenario für 2031 vorstellen, um zu dem Schluss zu kommen, dass es sich dabei um eine Luftnummer handelt, die von der dann amtierenden Regierung gar nicht eingelöst werden kann. Es genügt, den Trend kontinuierlich fortzuschreiben, um zu wissen, dass unter dem Primat der Klimaneutralität die Wirtschaft weiter einbrechen wird. Von da aus gibt es nur zwei Reaktionsmöglichkeiten. Entweder alle staatlichen Ausgaben radikal zurückfahren, also auch die Zuschüsse zu den Sozialversicherungen, oder eben unverdrossen mit der Neuverschuldung weitermachen. Im ersten Fall wird den Rentnern die Kaufkraft direkt weggenommen, im zweiten Fall funktioniert es über die Inflation, die nicht nur die Kaufkraft der Rente auffrisst, sondern auch die Ersparnisse entwertet.

Das gilt ebenso für die noch jungen Beitragszahler. Sie haben nichts davon. Ihre Beiträge werden nicht sinken, weil dieses Rentenpaket blockiert wird. Ihre Beiträge werden auch ohne dieses Rentenpaket steigen müssen, weil Demografie und Wirtschaftslage keinen anderen Ausweg lassen, es sei denn, man nimmt auch ihnen die Kaufkraft per Inflation weg. Vermutlich wird sie beides treffen.

Nun zu den jungen Abgeordneten selbst. Eines ist klar: Sollte ihr Vorstoß ins Leere gehen, wird sie die Strafe der Partei erreichen und der Listenplatz anderweitig vergeben werden. Das wissen sie auch. Dennoch sind sie ins Risiko gegangen. War erwarten sie also? Es gibt hier nur eine schlüssige Erklärung. Ihr Ziel ist es, die Koalition zu sprengen. Ihr Ziel ist es, das Wahlkampfmantra des Friedrich Merz: „Links ist vorbei!“, auf diese Weise wahr zu machen. Das bedeutet aber auch, dass dahinter der Versuch steht, die Brandmauer einzureißen und eine Koaltion mit der AfD zu erzwingen.

Sie können gewinnen, wenn die SPD hart bleibt und die Koalition am Rentenpaket scheitern lässt. Sie werden verlieren, wenn die SPD erkennt, dass ihr das Totenglöckchen geläutet wird, sollte es in absehbarer Zeit zu einer schwarz-blauen Koalition kommen. Im Osten ist die Gefahr greifbar nahe. Das Risiko, dass es im Bund noch vorher dazu kommen sollte, ist mit dem Vorstoß der 18 Rebellen ganz erheblich gewachsen.

Es bleibt spannend.