Volkswagen hat – wenn man die Gewerkschaften, aber auch den Bundeskanzler so anhört – aus Jux und Tollerei beschlossen, mal eben drei Werke zu schließen und Zehntausende zu entlassen.
Managementfehler, so auch der berüchtigte Marcel Fratzscher vom DIW, seien schließlich die Ursache der Krise, und die müssten nun mit Transparenz und Offenheit korrigiert werden. Als ob das noch nicht reicht, klatscht er noch eine Schaufel weiße Salbe auf die Wunde und stellt fest, der geplante Umbau dürfte nur geringe Auswirkungen auf die Konjunktur in Deutschland haben, denn im Vergleich zu den 46 Millionen Beschäftigten sei die Anzahl der Entlassungen vergleichsweise gering.
Herr Fratzscher unterschlägt, dass es sich bei den voraussichtlich 30.000 VW-Werkern, für die es keine Arbeit mehr gibt, um wertschöpfende Industriearbeitsplätze handelt. Davon hat Deutschland aber nicht 46 Millionen, sondern lediglich 8,1 Millionen (Stand Ende 2023).
Zusammen mit den 2,6 Millionen Beschäftigten am Bau und den 0,6 Millionen in Fischerei, Land- und Forstwirtschaft sind das 11,7 Millionen welche die (schmale) produktive Basis für 34,6 Millionen Dienstleister und weitere 40 Millionen nicht Erwerbstätige bilden.
Schon im Januar 2024 habe ich dazu die folgende Rechnung aufgestellt:
Dies drückt sich in der Steuer- und Abgabenbelastung eines normal- bis gut Verdienenden Ledigen ohne Kinder ungefähr so aus:
Bruttoverdienst, einschließlich Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung | 5.500 Euro | Prozent | |
Sozialversicherung | 1928 Euro | 35 % | |
Lohnsteuer/Kirchensteuer | 763 Euro | 14 % | |
Netto-Verdienst | 2.809Euro | 51 % | |
Kaltmiete | 800 Euro | 15 % | |
Mehrwertsteuer auf 1.800 Euro Konsum Mischsatz 15% | 270 Euro | 5 % | |
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280 Euro | 5 % | |
Nettowert des Konsums | 1.250 Euro | 23 % | |
Rücklagen | 200 Euro | 3 % | |
Von 5.500 Euro brutto bleiben also an Rücklagen und Netto-Warenwert 1.450 Euro übrig.
Der Staat verteilt 3.241 Euro an nicht Erwerbstätige und die Dienstleister im öffentlichen Dienst.
In den Nettopreisen des Konsums (ohne MwSt., aber incl. anderer Verbrauchssteuern) sind Dienstleisterentgelte (vor allem für den Handel) in der Größenordnung von ca. 40 Prozent, also rund 600 Euro, enthalten.
Rund 3.850 Euro (70 Prozent) des Brutto-Einkommens wandern also in die Taschen von Dienstleistern (die natürlich auch eine Arbeit leisten), und von Empfängern staatlicher Transferleistungen.
Was also als Wertschöpfung der Produktiven wegfällt, kann auch nicht mehr bei den Dienstleistern und den Transferempfängern ankommen. Da relativiert sich das mit der Bezugsgröße von 46 Millionen schon einmal deutlich, und dazu wird sichtbar, dass mit jedem Arbeitsplatz im produzierenden Gewerbe zwangsläufig auch Arbeitsplätze bei den Dienstleistern entfallen müssen, weil das Geld, das diese verdienen wollen, vom produzierenden Gewerbe nicht mehr verdient wird.
Herr Fratzscher unterschlägt auch, dass Volkswagen nicht das einzige Unternehmen ist, das sich von Mitarbeitern trennen muss oder schlicht geschlossen wird, egal ob die Produktion ins Ausland abwandert oder ob wegen Insolvenz nichts mehr geht.
Seit Jahrebeginn habe ich in meiner Statistik der Arbeitsplatzvernichtung 340.000 Jobs gezählt, die verschwunden sind, bzw. deren Auflösung in diesem Zeitraum angekündigt wurde. Der überwiegende Teil davon betrifft das produzierende Gewerbe.
Managementfehler?
Die Lebensläufe der Führungskräfte von VW sind mir nicht bekannt. Ich bin jedoch überzeugt, dass die Zahl der Manager, die einen Doktor in Philosophie erworben haben und als Kinderbuchautor tätig waren, bevor sie in eine Führungsposition aufgestiegen sind, verschwindend gering sein dürfte.
Daran kann es also nicht liegen, dass VW in die Krise gestürzt ist.
Betrachten wir also lieber jenen Sandkasten, in dem Volkswagen groß geworden ist, und die spielenden Kinder, die seit mehr als 10 Jahren rücksichtslos in diesem Sandkasten herumtoben.
Verschärfte Abgasvorschriften, Verbrennerverbot, CO2-Steuer, Lieferkettengesetz,
teurer Strom, dazu Fachkräftemangel in Folge der sich unaufhörlich verschlimmernden Bildungsmisere, unattraktive Bedingungen für die Anwerbung tatsächlicher Experten und Fachkräfte aus dem Ausland, Zerstörung der Exportmärkte durch Handelskriege der EU gegen China, Russland und die USA …
Im Grunde ein Albtraum für alle Automobilmanager. Aber, wie das so ist, in Albträumen, man kämpft und kämpft und kämpft, entkommt knapp jener Gefahr und mit Riesenglück der nächsten, läuft barfuß über glühende Kohlen, schwingt sich wie Tarzan an Lianen von Baum zu Baum, stürzt endlich ab, wacht davon auf im eigenen Bett, wenn auch schweißgebadet, wischt sich die Augen, geht unter die Dusche, fährt ins Werk und baut weiter Autos. Jetzt halt solche mit Elektromotor und Batterie. Das ist der Ausweg im linksgrünen bundesdeutschen Sandkasten. Immer noch besser als auf Lastenräder umstellen. Fördermittel gibt es obendrein. Der Kinderbuchautor hat die strahlende Zukunft zugesichert. Nachdem längst alle Felle davongeschwommen sind, ist das der Strohhalm der noch Halt gibt.
Und nun eben das zweite Erwachen.
Das Erwachen aus der Lebenslüge, es würde schon nicht so schlimm kommen, und die Grünen würden von sich aus zur Vernunft kommen, es ginge nur darum, die schrecklichen Jahre des großen Staatsirrtums zu überstehen, bis die Zahlen wieder fett schwarz in der Bilanz stehen.
Eine Rosskur hat man sich verordnet. Das ist nicht mehr das herkömmliche Gesundschrumpfen. Das sind Amputationen. Mindestens drei Werke schließen – und da kommen die Kommentatoren ausgerechnet mit Osnabrück, weil es das Kleinste und trotzdem nicht ausgelastet ist. Aber mit den 2.300 Jobs in Osnabrück kann man nicht 30.000 in Deutschland einsparen. Da wird es gröbere Einschläge geben.
Auch wenn der Kanzler meint, VW müsse die Werke und die Mitarbeiter behalten, fällt diese Aussage eben doch nur unter „Meinungsfreiheit“. Machen, machen kann und wird er nichts.
Er wird nicht einmal etwas gegen die Lohnkürzungen derjenigen machen können, die am Ende bleiben dürfen. Zwischen 10 und 18 Prozent liegen die Ankündigungen. Rechnen wir mit 15 Prozent von 90.000 Übrigbleibenden, dann entspricht das theoretisch einer weiteren Kürzung des Personalbestandes um 13.500 Köpfe, oder Einsparungen von rund einer halben Milliarde Euro.
Fratzscher meint ja, das seien alles Fachkräfte, die fänden beim herrschenden Fachkräftemangel schnell wieder einen Job. Mir ist allerdings nichts davon bekannt, dass andere deutsche Automobilproduzenten derzeit händeringend nach Mitarbeitern suchen würden, auch die Zulieferer, die vielleicht als nächste Anlaufstelle für Bewerber in Frage kämen, bauen doch ab, nicht auf. Fachkräfte sind das schon, aber nicht diejenigen, nach denen gesucht wird.
Das ist genau die richtige Ausgangslage für einen großen Streik in der Metall- und Elektroindustrie.
Legt die Werke für ein paar Wochen oder Monate still, Genossen! Das senkt die Kosten. Sollten bei Streikende die Lagerbestände dann abverkauft sein, was sich mit entsprechenden Nachlässen realisieren lassen sollte, wäre so ein Streik eine tolle Sache gewesen. Fast so schön, wie eine Insolvenz in Eigenverwaltung. Nach dem Streik kann eventuell Versäumtes nachgeholt werden, wenn es sein muss, auch ein paar Wochen lang im 3-Schicht-Betrieb.
Für VW gibt es derzeit keinen Grund, auf die Forderung nach Lohnerhöhungen einzugehen.
Bin gespannt, wie weit die Streikkasse reicht.