Merz: „Regelbasiert? – Passiert! Passé!“

Viel mehr als eine Posse

Die Iden des März stehen vor der Tür. Kurz davor und danach, am 13. und am 18. März, will Friedrich Merz sich von einem Bundestag mit den Stimmen von mehr als 100 bereits abgewählten Untoten den eigenen Wortbruch ins Grundgesetz schreiben lassen, in der unbegründeten Hoffnung, als Gegenleistung dafür am 25. März mit den Stimmen der neuen SPD-Fraktion zum Kanzler gewählt zu werden.

Da sage noch jemand, die Operette sei tot.

Irrungen, Wirrungen, Intrigen, Rollentausch und Kuhhändel bringen das Publikum um den Verstand und nach dem letzten Vorhang fragen sich selbst jene, die das Libretto vorher gelesen haben, was da nun, außer der Musik, eigenlich auf die Bühne gebracht worden war.

Nur der Chef des Theaters reibt sich die Hände. Wieder einmal das Publikum begeistert, die Kritiker empört, was die Kasse am nächsten Abend nur noch einmal bis zum Rande füllen wird. Das Ensemble feiert bis tief in die Nacht und die auf der Bühne zerstrittenen Widersacher liegen sich lachend in den Armen.

Ein halbtrunkener Philosoph kritzelt seinen spätabendlichen Gedankenblitz als Thema für einen Aufsatz in sein Notizbuch, wohl wissend, dass er diesen Satz am nächsten Tag wieder streichen wird:

„Die Bühne als höchste Instanz der präservativen Demokratie“

Auf der anderen Straßenseite, im Schauspielhaus, generalprobt man erbittert weiter an „Wallensteins Tod“, obwohl der Premierenvorverkauf  bisher nicht mehr als zwanzig Prozent der Sitze zu füllen verspricht.

„Der Ernst ist nicht, was diese Leute wollen“, räsoniert der Intendant. Darauf der Regisseur, in wohlgesetzten, dem Versmaß treuen Worten: „Ich bin mir dessen wohl bewusst. Doch Wallenstein wird auch um eines vollen Hauses Willen niemals an die Rampe treten und verkünden, er höre seine Pappenheimer scheißen…“.

Nun, die Iden des Merz schreien nach zwei weiteren Figuren. Was wäre aus Cäsars Tod schließlich geworden, hätte er ohne seinen „… auch du mein Sohn“ Brutus an Altersschwäche sterben müssen, und wäre es Marc Anton nicht vergönnt gewesen, Brutus gefühlt tausendmal als ehrenwerten Mann zu preisen?

Wer von den Grünen wird Friedrich Merz, den Dolch im Gewande, an prominenter Stelle die Gefolgschaft verweigern und die Kanzlerwahl im ersten Wahlgang platzen lassen? Wird es auch in dieser Causa einst heißen müssen: „Die Lerche war’s und nicht die Nachtigall?“

Und Marc Anton? Wer wird die Rolle an sich reißen? Der Bayer, oder doch der eher noch unbekannte Linnemann?

Für Freunde vergleichender Geschichtswissenschaften:

Auf Caesar, der ermordet wurde, weil er sich entgegen aller Gepflogenheiten zum Diktator auf Lebenszeit ernennen ließ, folgte das Zweckbündnis einer (nach heutigen Maßstäben zweifelsfrei antifaschistischen) Dreierkoalition (das Triumvirat) aus Antonius, Lepidus und dem noch völlig unbekannten Emporkömmling Octavian. Wichtigste Zielsetzung: Eine Säuberung, die damals allerdings aus verständlichen Gründen noch nicht stalinistisch gennant werden konnte. Die Feindesliste umfasst 200 Senatoren und 2.000 Ritter, die für vogelfrei erklärt wurden. Am Ende wurde aus Raider Twix und aus Octavian Augustus.

(In der ZEIT habe ich dazu eine schöne Darstellung gefunden)

Was soll’s?

Noch eine Woche hin!

Noch schreiben wir den 8. März. Die Sonne scheint vom klarblauen Frühlingshimmel. Die Krokusse leuchten.

Kaum jemand nimmt wahr, dass auf der nur spärlich beleuchteten Bühne im Schauspielhaus ein Wallensteindarsteller wohl zum millionsten Mal, seit Schiller das Stück vollendete, diese letzten Sätze spricht:

Doch was nun schonen noch? Zu ernsthaft
Hat’s angefangen, um in nichts zu enden.
Hab‘ es denn seinen Lauf!
Sieh, es ist Nacht geworden, auf dem Schloß
Ist’s auch schon stille – Leuchte, Kämmerling.

Ich denke einen langen Schlaf zu tun,
Denn dieser letzten Tage Qual war groß.
Sorgt, daß sie nicht zu zeitig mich erwecken.

Oh ja. Dieser letzten Tage Qual war groß.

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