
Gestern hatte ich einen komplett toten Tag.
Überfressen an Nachrichten, Kommentaren, Interpretationen, Prognosen, wuchs das alles zu einem unentwirrbaren Knoten zusammen, den aufzudröseln vor allem eines fehlte: Tatsachen.
Es ist schon ein sonderbarer Krieg. Noch nicht einmal bei Al Jazeera gibt es bessere Informationen und/oder umfassendere Informationen als im ARD-Brennpunkt. Festhalten kann man sich eigentlich nur an dem, was der Iran an Schäden und Opfern bestätigt hat. Da ist vor allem der Enthauptungsschlag gegen Politiker, Militärs und Wissenschaftler, der wohl – wie die Attacken auf die russischen Langsstreckenbomber – nicht von den israelischen Flugzeugen ausgeführt wurde, sondern von vorher im Iran stationierten Drohnen. Dazu Angriffe auf mehrere Atomanlagen. Natürlich wird nichts bekannt über das Ausmaß der Schäden. Israel wird Fotos davon haben. Radioaktivität sei jedenfalls nicht freigesetzt worden. Dazu Angriffe auf ein Gasfeld, auf Ölanlagen, auf Fabriken, auf den Flughafen. Natürlich ist auch das bestenfalls die Hälfte, der tatsächlich angerichteten Schäden. Dennoch ist es verdammt schwer herauszufinden, inwieweit die iranischen Streitkräfte in ihrer Schlagkraft reduziert wurden. War da nicht schon sehr früh die Rede von der israelischen Luftüberlegenheit über Teheran? Warum kann dann heute gemeldet werde, der Iran habe inzwischen die fünfte F35 (!) vom Himmel geholt? Womit, wenn die Luftabwehr gleich zu Beginn ausgeschaltet wurde?
Israel hat heute erklärt, es seien bisher 1.100 Ziele angegriffen worden. Dabei soll schon vorgestern ein Drittel der iranischen Raketenabschussrampen zerstört worden sein. Gestern dann noch einmal zwölf. Das ist – zumindest in dieser Formulierung, die natürlich auch einem Praktikanten in einer Nachrichtenagentur eingefallen sein kann – irgendwie absurd dünn. Was soll das sein, eine Raketenabschussrampe? Werden die iranischen Mittelstreckenraketen nicht allesamt auf schweren LKWs bewegt, um vom Gegner nicht so leicht gefunden zu werden? Einfach mal googeln nach „iran militärparade“.
Es lässt sich nicht unabhängig prüfen, sagt die Tagesschau.
Auch ob der Iran die Mossad-Zentrale getroffen hat oder doch nur den Busparkplatz, den uns die Israelis gezeigt haben, lässt sich nicht unabhängig prüfen.
Ein bisschen Licht ins Dunkel könnten die nächsten Tage bringen. Dann wird sich nämlich zeigen, ob diejenigen rechthaben, die behaupten, dem Iran gingen die Raketen aus und Israel fehle es an Munition für die Luftabwehr. Ich mache mir da nicht allzu große Hoffnungen. Man braucht nur daran zu denken, wie wenig den Huthis im Jemen die Luft ausgegangen ist, trotz massiver Bombardierung durch die USA, um eher nicht daran zu glauben, dass der Krieg durch Munitionsmangel enden wird.
Außerdem sieht alles danach aus, dass der große Bruder bald eingreifen wird. Die Nimitz, als zweiter US-Flugzeugträger ist im Anmarsch, satte dreißig Tankflugzeuge sind in die Region verlegt worden, um Israel zu unterstützen. Trump stößt schreckliche Drohungen gegen den Iran aus. Nicht ausgeschlossen, dass er nur blufft, wie mit den Maximalzöllen, von denen er ebenso schnell wieder Abstand zu nehmen pflegt, wie er sie verkündet hat. Nicht ausgeschlossen, dass er nicht blufft und doch wieder nur eine Marionette des Tiefen Staates ist, wo der Traum von der US-Weltherrschaft immer noch geträumt wird.
Kein Wunder, dass die Spekulationen ins Kraut schießen. Von der esoterischen Seite her kommt wieder einmal die Nachricht: Irlmaier hat es vorausgesagt. Der Krieg fängt im Nahen Osten an. Es wird aber auch gemunkelt, dies sei nun wirklich der Dritte Weltkrieg, und dabei ginge es nur darum, ob es dem Islam gelingen werde, die gesamte Welt zu erobern, oder ob der nur 1 Milliarde Menschen schwache Westen sich dessen noch einmal erwehren könne.
Vergessen Sie das alles. Es ist Blödsinn.
Der Iran ist nicht in der Lage, die westliche Welt zu besiegen und der Scharia zu unterwerfen. Nicht mit Raketen, nicht auf dem Schlachtfeld. Da ist die Zuwanderung von Muslimen in die westlichen Staaten eine sehr viel gefährlichere Entwicklung für die westliche Lebensweise – und für die Ausbreitung des Islam zudem vollkommen ungefährlich.
Die ernsthafteren Kommentatoren finden sich in zwei streng abgegrenzten Lagern. Stellvertretend hier nur zwei Stimmen:
Roland Tichy meint:
Der Sturz der Mullahs im Iran befreit auch Deutschland.
Er schlägt einen weiten Bogen von den Studenten-Aufständen gegen den Schah 1967 über Rudi Dutschke und die RAF zum Sturz des Schahs und der Rückkehr Chomeinis aus dem französischen Exil.
Mit einer für mich nicht nachvollziehbaren Argumentationskette drückt er sich dann um die Frage nach der Verantwortung für diesen Krieg herum, um stattdessen zu jubeln:
Wir erleben (…) die Bankrott-Erklärung der iranfreundlichen, und gleichzeitig israelfeindlichen Politik der Grünen und der SPD. (…) Wir erleben die Bankrott-Erklärung derjenigen, die hinter Greta Thunberg herlaufen sind, der Lisa Neubauer, die (…) jetzt (…) meint, mit ihrem heldenhaften Eintreten für Teheran den neuesten Folge-Hit gelandet zu haben. (…) Wir erleben eine AfD, deren Vorsitzender Thilo Chrupalla plötzlich Verständnis für die islamischen Gotteskrieger einfordert. (…) Und die grüne Parteivorsitzende Franziska Brandner zeigt mal wieder, dass sie Ursache und Wirkung nicht auseinander halten kann, weder in der Energie- noch in der Außenpolitik (…).
Denn tatsächlich ist der erkennbare Niedergang Teherans ein vielfacher Befreiungsschlag. (…) Ferne Ausläufer treffen auch Deutschland. Wir könnten uns wieder auf Freiheit, Aufklärung und Vernunft als Leitlinien unserer Gesellschaft verständigen. Jedem Menschen steht frei, daran zu glauben, was er will, sei es ein Nudelsieb oder Allah. Aber die falsche Toleranz gehört beendet: Wer sich nicht zur freiheitlichen Tradition bekennt, soll in seinen Gottesstaat zurückkehren, statt sich hier durchfüttern zu lassen. Der politische Islam gehört nicht zu Deutschland. Der rotgrüne Irrweg von Irrationalität, Technikfeindlichkeit, Antikapitalismus und vermeintlichen Anti-Kolonialismus ist beendet.
Link zum Text auf Tichys Einblick
Peter Haisenko meint:
Israel ist eine Gefahr für die ganze Welt
Er beginnt bei Israels Umgang mit den Palästinensern und betont sogleich, der Schlag gegen den Iran sei seit Jahren geplant, aber vom Iran nicht provoziert gewesen. Und das „Recht auf Selbstverteidigung“, das Israel so gerne für sich in Anspruch nimmt, das stünde doch nun wohl auch dem Iran zu.
Zum Schluss kommt er zurück auf seine bereits oft wiederholte These vom großen Unruhestifter England:
Seit seiner Gründung ist Israel nahezu durchgängig im Krieg und ermordet und vertreibt Palästinenser. Völkerrecht? Das gilt doch nicht für Israel. Gab es deswegen jemals Sanktionen gegen Israel? Aber wir sollten noch einen Blick darauf werfen, wie es so weit kommen konnte. Ja, es war wieder England, das alles getan hat, um Unfrieden in der Region unausweichlich zu machen. Das begann vor der Staatsgründung, indem England gezielt Hass zwischen Juden und Arabern/Palästinensern hergestellt hat. Siehe PDF unten zum Runterladen. Dann, 1952, hat England die CIA veranlasst, den demokratisch gewählten iranischen Präsident Mossadeq zu stürzen und den Schah zu implementieren. Das war der Beginn allen Ärgers mit dem Iran. Erst intern und mit dem Mullah-Regime auch in der Außenwirkung.
Link zum Text auf Anderwelt online
Wie es weitergehen wird?
Dazu hat sich vor ein paar Stunden Irans Oberster Führer Ayatollah Ali Chamenei geäußert. Er bezeichnete das Agieren Israels als „‚dumme und böse Aggression des zionistischen Feindes“. In der Agenturmeldung heißt es weiter:
„Chamenei wies die drohenden Äußerungen des US-Präsidenten zurück und sagte, dass weise Menschen, die mit der iranischen Nation und der Geschichte vertraut sind, niemals mit dem Iran in einer Sprache der Drohung sprechen würden, weil es für die iranische Nation unmöglich ist, sich zu ergeben. (…) Und die Amerikaner sollten wissen, dass jedes militärische Eingreifen der USA zweifellos mit irreparablen Folgen verbunden sein wird.
Für mich sieht das heute so aus:
Die Lage ist bereits außer Kontrolle. Es zählt nur noch die nackte militärische Logik, denn für beide Seiten geht es um das Überleben als Staat. Von daher wird der Krieg mit unerbittlicher Härte weitergeführt werden. Das Fernduell mit Kampfflugzeugen und Raketen, das sich Israel und der Iran derzeit liefern, wird jedoch alleine nicht an den Punkt führen können, an dem eine Seite kapitulieren wird. Daher wird Netanjahu, wenn die Raketeneinschläge in Tel Aviv, Haifa und anderen dichtbesiedelten Städten Israels weiterhin nicht vollständig abgewehrt werden können, den Einsatz seiner Atomwaffen in Erwägung ziehen. Dies ist zugleich sein eigentliches Druckmittel, um die USA zum Eingreifen zu bewegen.
Greifen die USA ein, werden sie zweifellos nach wenigen Wochen vor der Aufgabe stehen, den Iran mit Bodentruppen zu besuchen und das Land, wie seinerzeit den Irak, von einem Ende zum anderen aufzurollen. Ein Blick auf den Globus genügt, um zu erkennen, dass Russland dieses Näherrücken des westlichen Militärs ebenso wenig wird dulden wollen, wie die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine.
Die Hoffnung vieler westlicher Kommentatoren, die Bevölkerung des Iran werde die Gelegenheit nutzen, und das Mullah-Regime abschütteln, halte ich für unbegründet. Auch Muslime versammeln sich im Krieg hinter der Fahne, statt sich der Fremdherrschaft zu ergeben.
Dass andererseits die israelische Bevölkerung die Absetzung Netanjahus betreiben könnte, ist aus den gleichen Gründen ebenso absurd.
Der Krieg wird nicht nach vierzehn Tagen vorbei sein, wie es Israel anfangs verkündete. Das ist einfach nicht mehr möglich.
Ich rechne mit etwa zwei Jahren und rund 200.000 US-Soldaten im Kampfeinsatz.