
Die Hessische Staatskanzlei stellt in ihrer Erklärung zu
Leichte Zugänglichkeit
Barrierefreiheit
vom 21. September 2020, aktualisiert im Dezember 2023, zur allgemeinen Überraschung fest, eine öffentliche Stelle im Sinne der Richtlinie (EU) 2016/2102 zu sein.
Deswegen, so die Staatskanzlei, sei sie bemüht, ihre Websites und mobilen Anwendungen im Einklang mit den Bestimmungen des Hessischen Behinderten-Gleichtstellungsgesetzes (HessBGG), sowie der Verordnung über barrierefreie Informationstechnik (HVBIT) zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2102 barrierefrei zugänglich zu machen.
Frau Professor Erdmuthe Meyer zu Bexten, Landesbeauftragte für barrierefreie IT und Leiterin der Durchsetzungs- und Überwachungsstelle, bestätigt mit ihrem Signum freimütig, lediglich bemüht zu sein, die Inhalte der spezifischen Richtlinien, Gesetze und Verordnungen einzuhalten.
Vielleicht steht in der Richtlinie (EU) 2016/2102 und im HessBGG sowie in der HVBIT ja drin, dass man sich bemühen soll, aber nicht wirklich muss. Weiß ich nicht. Will ich auch gar nicht wissen. Wenn das so drinsteht, dann ist das Kokolores, wenn es sich um verpflichtende Vorschriften handelt, dann ist das bloße Bemühen Kokolores.
Dass es dafür eine Landesbeauftragte braucht, die – siehe Bild im oben verlinkten Artikel – ein Faible für den Couturier von Claudia Roth zu haben scheint und noch dazu eine Durchsetzungs- und Überwachungsstelle zu leiten hat, erinnert irgendwie an Asterix und Obelix und den Passierschein A38.
Dem folgt dann auch das Eingeständnis einer vielfach fehlenden, jedoch nicht behebbaren Barrierefreiheit. Sie werden vermutlich nichts verstehen, außer dass hier das Amtsschimmel aus dem Wiehern nicht mehr herauskommt, aber lesen Sie diese wunderbaren Sätze selbst:
- Prüfschritt 9.2.4.7 Aktuelle Position des Fokus deutlich. Die globale Farbgebung des Fokusrahmens funktioniert nicht bei allen Komponenten im Zusammenspiel mit den hessenweit möglichen Farbkonzepten.
- Prüfschritt 9.4.1.1 Korrekte Syntax. Das HTML-Markup vom Content Management System enthält ID-Fehler und die HTML-Inhaltsblöcke enthalten doppelte Auszeichnungen, die sich entwicklerseitig nicht beheben lassen.
- Prüfschritt 9.4.1.2 Name, Rolle, Wert verfügbar. Content Management System-seitig sind Name, Rolle und Wert von Attributen nicht korrekt für die Auslesung durch Software definiert und es lässt sich auch entwicklerseitig nicht beheben.
- Social Media Icons und Footer-Elemente: Prüfschritt 2.5.5 Zielfläche ist ausreichend groß. Die Schaltflächen sind kleiner als 44 x 44 px.
- Prüfschritte zur Videofähigkeit 7.1.1 bis 7.3 greifen nicht bei allen Videos, da nicht immer vtt-Dateien zur Verfügung stehen und somit nicht immer Untertitel vorhanden sind (deswegen fehlen natürlich auch die Bedienelemente zur Aktivierung von Untertiteln und Audiodeskription, wenn nichts zum Aktivieren hinterlegt ist).
- Bestellplattform und Newsletter: Prüfschritt 9.1.1.1c Leere alt-Attribute für Layoutgrafiken.
- Prüfschritt 5.2 Aktivierung von Barrierefreiheitsfunktionen und Prüfschritt 12.1.2 Barrierefreie Dokumentation Die auf der Webseite bereitgestellten .pdf-Dateien sind nur zum Teil barrierefrei gestaltet. Zudem sind nicht alle Inhalte in leichter Sprache verfügbar.
Also, die Landesbeauftragte ist offenbar samt ihrer Durchsetzungs- und Überwachungsstelle grandios gescheitert, oder eben auch nicht, je nachdem, ob man die geltenden Vorschriften als sinnvoll oder überzogen oder gleich als sinnlos und praxisfremd ansieht. Der kleine Wahnsinn, der hier aufblitzt, wird jedoch fortgesetzt.
Es könnte ja sein, dass bei der Aktualisierung der Überprüfung im Dezember 2023 einige Barrieren übersehen wurden, bzw. dass seither neue Barrieren hinzugekommen sind, die noch nicht entdeckt werden konnten, weil inzwischen keine weitere Überprüfung durchgeführt werden konnte.
Sie haben eine Barriere entdeckt? Wir haben eine Meldestelle:
- Sprechen Sie bitte die verantwortlichen Kontaktpersonen, nämlich Frau Katharina Schön an.
- Wenn das nicht zur Entfernung der Barriere führt: Schalten Sie die Durchsetzungs- und Überwachungsstelle Barrierefreie Informationstechnik ein.
- Das Recht, sich direkt an die Durchsetzungs- und Überwachungsstelle Barrierefreie Informationstechnik zu wenden, haben Sie aber erst nach Ablauf einer Frist von sechs Wochen. (!!!)
- Die Ombudsstelle (gibt es offenbar auch noch, oder ist ein anderer Name für die Durchsetzungs- und Überwachungsstelle Barrierefreie Informationstechnik) wird dann VERSUCHEN die Umstände der fehlenden Barrierefreiheit zu ermitteln, damit der Träger dies beheben kann.
Wie weiter vorzugehen ist, sollte der Versuch der Ombudsstelle ergebnislos im Sande verlaufen, oder der Träger nichts beheben können, weil es manche Konstellationen gibt, die sich nicht beheben lassen, wird nicht mehr ausgeführt.
Bestenfalls wird Ihre Meldung an die Meldestelle also bei der nächsten Aktualisierung 2026 als eine weitere unauflösliche Barriere dokumentiert.
Ich habe hohe Achtung vor Menschen mit Behinderung und freue mich über jeden, der alles versucht, sein Leben auch mit Behinderung zu meistern und dabei auch die modernen Kommunikationsmittel zu nutzen.
Ob die Richtlinie (EU) 2016/2102, das HessBGG und die HVBIT, die Durchsetzungs- und Überwachungsstelle samt deren Leiterin, der Landesbeauftragten für barrierefreie IT, dazu einen Beitrag leisten, dessen Nutzen auch nur annähernd in Relation zum dafür betriebenen Aufwand steht, wage ich allerdings zu bezweifeln.
Daher wundert mich auch nicht, dass die Staatskanzlei statt einer Auflistung der Erfolge auf dem Weg zur Barrierefreiheit eine Auflistung der Misserfolge – einigermaßen barrierefrei – ins Netz stellt.
Leser G.K., der mich auf diese bürokratische Deformation des Raum-Zeit-Kontinuums hingewiesen hat, meinte dazu:
Wenn bereits eine solche Erklärung hochgradigst erklärungsbedürftig ist, dann muss etwas Grundsätzliches völlig falsch sein am Staatsverständnis in D und in der EU. Könnte ein „Schwachkopf-Index“ oder ein „Schwachkopf-Ranking“ für Bürokraten und Politiker an diesen Zuständen etwas ändern?
Lieber G.K., ich fürchte, dass dies nur zur Installation weiterer Beauftragtenstellen in Bund und Ländern führen würde, die nach den Richtlinien der EU (Digital Services Act), den Vorschriften des Netzwerkdurchsetzunggesetzes, der Datenschutzgrundverordnung und der tagesaktuell ergänzten Liste der Straftatbestände nach §188 StGB VERSUCHEN müssten, das Ranking zu korrigieren und die korrigierte Fassung über die Bundes- und Landespressestellen der interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen.