
Kaum jemand hat den Widersinn des Krieges in Verbindung mit der deutschen Gründlichkeit klarer herausgearbeitet als Heinrich Böll, insbesondere in seinem Roman „Billard um halbzehn“. Nicht jeder kann alle Bücher lesen – von daher ist es hier angezeigt, den mir aktuell wichtigen Aspekt der Erzählung kurz darzulegen. Es ist Krieg. Robert Fähmel, Sproß einer Architektenfamilie, dient als Sprengmeister einem durchgeknallten Wehrmachtsgeneral, dem nichts wichtiger ist als „freies Schussfeld“. So ist es an dem Sprengmeister, das Lebenswerk seines Vaters, die Abtei St. Anton, dem Erdboden gleich zu machen.
Ich glaube nicht, dass Böll die Grünen und ihr Zerstörungswerk schon vorhergesehen hat, als er am Manuskript dieses schicksalhaften Familienepos gearbeitet hat. Es war eher die Einsicht, dass diejenigen, die sich an keinem eigenen Werk erfreuen können, weil sie nichts hervorgebracht haben – und das beginnt schon beim Spielen im Sandkasten – ihre Befriedigung daraus ziehen, die Werke anderer zu zerstören, teils ohne sich dieser Regung selbst bewusst zu sein.
Mit bester Absicht, so wie Fähmels General sich noch in den letzten Tagen des längst verlorenen Krieges mit freiem Schussfeld einen Vorteil zu verschaffen glaubte, vielleicht sogar den Endsieg noch erzwingen wollte, ziehen heute die fanatischen Klimakrieger durchs Land. Im Glauben, die Energiewende noch zu retten, wenn nur schnell alles zerstört wird, was nicht aus Wind, Sonne oder Faulgasen Strom erzeugt, wird abgeschaltet, abgerissen, gesprengt und verätzt.
Moorburg, das wahrscheinlich modernste Kohlekraftwerk der Welt, 2015 in Betrieb genommen, 2021 abgeschaltet, hätte noch über Jahrzehnte Strom liefern und das Netz stabilisieren können. Nun sind die Schornsteine gesprengt. Die Sprenung der beiden Kesselhäuser ist schief gegangen. Eines ist stehengeblieben, doch dem wird man auch noch zuleibe rücken. Schussfeld!
Nein, nicht Schussfeld. Ein „Elektrolyseur“ soll auf dem Gelände errichtet werden, um mit dem absichtlich erzeugten Überschussstrom, der bei günstigen Witterungsbedingungen aus eigens dafür errichteten, weit überdimensionierten Wind- und Solarfarmen gewonnen werden soll, unter maximalen Verlusten Wasserstoff zu erzeugen, der gespeichert und unter nochmaligen Verlusten wieder in Strom umgewandelt werden soll, wenn die Witterungsbedingungen weniger günstig sind. Dieser „grüne Strom“ ist und bleibt eine Fata Morgana, und diejenigen, die auf das Trugbild zueilen, werden auf dem Weg, ohne das Ziel je zu erreichen, zugrunde gehen. Dummerweise sind sie, wie der Weltkriegsgeneral in Bölls Buch, so mächtig, dass sie den Wahnsinn befehlen, bzw. in Gesetze gießen und das ganze Volk zwingen können, ihnen auf ihrem Irrweg ins Verderben zu folgen.,
Berichte von Befehlshabern, die Soldaten zum Sturmangriff getrieben haben, indem sie hinter die Angriffsreihe Schützen stellten, die jeden erschießen sollten, der nicht befehlsgemäß auf die gegnersichen Stellungen zustürmt, haben wir alle schon einmal gelesen. Da gilt es, Chancen abzuwägen, und wer mitstürmt, hat eine geringfügig bessere Chance. Also wird gesprengt. Verbrannte Erde hinterlassen. Wider besseres Wissen, nur dem Selbsterhaltungstrieb gehorchend, der wenigstens heute noch überleben will, wenngleich schon morgen alles zusammenbricht. Vielleicht gibt es ja dann doch wieder eine kleine Chance.
Nun kommt das AKW Gundremmingen an die Reihe. Wie Moorburg hat das Kraftwerk bis 2021 zuverlässig Strom geliefert und den stromhungrigen Süden der Republik mit versorgt. Dann wurde abgeschaltet. Nach allem, was man hört und liest, wäre dieses Kraftwerk mit überschaubarem Aufwand wieder in Betrieb zu nehmen. Doch nun hat ein Gericht den Abriss erlaubt. Noch in diesem Jahr sollen die Kühltürme gesprengt werden, was die Wiederinbetriebnahme um einiges unrealistischer macht. Aber das ist die Absicht. Verbrannte Erde. Nie wieder Strom aus Gundremmingen. Schussfeld!
Hatte Friedrich Merz vor der Wahl noch angekündigt, die Wiederinbetriebnahme der letzten sechs stillgelegten AKWs zu prüfen, belegen die vorläufigen Ergebnispapiere der Koalitionsverhandlungen, dass es seitens der SPD nicht den Hauch der Kooperationsbereitschaft gibt. Die SPD verweigert sich sogar einer Verabredung dahingehend, dass Chancen für die Wiederinbetriebnahme geprüft werden und bis dahin die Rückbaumaßnahmen eingestellt werden sollten.
Dass jemand einen Lottoschein ausgefüllt und abgegeben, und am Tag vor der Ziehung sein Haus angezündet hätte, in der festen Überzeugung, damit sein Glück und den Millionengewinn für die neue Villa vom Schicksal erzwingen zu können, ist meines Wissens noch nie berichtet worden.
Dass solches Verhalten sich als Parallele zur Linie der deutschen Wirtschafts- und Energiepolitik gesellen würde, ist wohl bisher nur deshalb nicht aufgefallen, weil es diesen durchgeknallten Lottospieler noch nie gegeben hat. Der wäre nämlich entweder nie zum eigenen Atomkraftwerk Haus gekommen, oder rechtzeitig vorher abgewählt entmündigt worden.