Glücklich diejenigen, die des luziden Träumens fähig sind und den Verlauf ihrer Träume selbst steuern und selbst den schlimmsten Albtraum zu einem glücklichen Ende führen können.
In der realen Welt funktioniert das allerdings nicht, was in der Regel aber auch nicht erforderlich ist, weil die reale Welt üblicherweise nur die langweilige reale Welt ist, in der nicht plötzlich ein Rudel hungriger Leoparden zähnefletschend auf dem Supermarktparkplatz erscheint oder ein gewählter erzkonservativer Politiker mit den Genen einer schwäbischen Hausfrau sich aufmacht, das Kanzleramt zu erobern, sich dann aber schon auf dem Vorplatz, im Schatten der rostigen, von Eduardo Chillida geschaffenen Skulptur „Berlin“, in ein alles verschlingendes und sich dabei ins Unendliche aufblähendes, die Sonne verdunkelndes, rot-grünes Krümelmonster verwandelt.
Sollte nur ein Beispiel sein, für das was ich seit Wochen jede Nacht träume. In diesen Träumen tauchen Menschen auf, die ich gut kenne, und mir von ihren Träumen berichten, die den meinen bis aufs Haar gleichen. Ich erhalte Nachrichten von Menschen, die ich weniger gut kenne, die mir aber wieder das Gleiche berichten, und wissen wollen, ob das alles wahr ist, oder ob sie träumen.
Ich weiß es nicht. Was ich tagsüber so treibe, weiß ich übrigens auch nicht. Nur an die Träume erinnere ich mich.
Ein großes, mit lindgrünem Tuch bespanntes Super-Katapult-Trampolin soll an der United Nations Plaza am East River von einem Sattelschlepper mit DHL-Logo vor dem UN Building abgestellt worden sein. Noch rätselt man, wie einst in Troja, wie man das Riesending ins Haus bringen soll. Der Lieferanteneingang müsste erweitert werden, wie auch die Gänge im Inneren, um es nach dem Willen der ungenannt bleiben wollenden Spender an Stelle des Rednerpultes im Saal der Generalversammlung zu installieren.
Auf allen Sechsstreifenfahnen vor den öffentlichen Gebäuden der Republik, insbesondere vor Kasernen und Finanzämtern, ist ein neues, alle Streifen durchschneidendes und sie zugleich bündelnd zusammenhaltendes Symbol erschienen: ein den Gesetzen der Heraldik hohnlachender, tiefstnachtschwarzer, alles Licht verschluckender Felsen, dessen Umrisse man nur erkennt, weil er eben so vollkommen schwarz und damit unsichtbar ist.
Manchmal zweifle ich, ob ich wirklich träume. Aber dann sage ich mir: Nur im Traum können alle anderen, mit denen du dich austauschst, exakt das Gleiche träumen. Sobald ich das im Traum denke, denke ich auch, dass ich doch luzide träume und das alles nur selbst in meiner Traumwelt erscheinen lasse, und dann suche ich nach dem Ausgang, gerate aber ins Ollenhauerhaus, wo zahllose Leute tiefgebeugt über Haufen von Papier nach der alten Alchemistenformel suchen, die es ermöglichen soll, aus Schulden grünen Wasserstoff und daraus grünen Strom zu generieren, aus grünem Stahl grüne Panzer zu schmieden, mit grünen Flugzeugen grüne Afghanen einzufliegen und letztlich aus dem allem und noch viel mehr reines grünes Gold, selbstverständlich vegan und glutenfrei, zu erschaffen.
In der realen Welt, denke ich mir in meinem Traum, in der realen Welt würde das nicht funktionieren. Lauter leise schnurrende Elektroautos, die man, wenn die Batterie leer ist, nur rückwärts den Berg hinunterrollen lassen muss, damit sie sich wieder füllt. Dafür werden an den Autobahnen alle zwanzig Kilometer schon steil abwärts führende Ladestraßen errichtet, bzw., wo es nicht anders geht, tief in den Untergrund gesprengt.
Aber diese leise schnurrenden Autos sind unterwegs. Da hilft alles Kneifen nichts. Ich bin wach – obwohl, im Traum gekniffen zu werden, kann ja im Traum auch dazu führen, dass man dem Kneifen zum Trotz gerade nicht aufwacht.
Leute, die ihr mit mir kommuniziert: Gehört ihr auch zum Heer der Gekniffenen, der nicht aufwachen könnenden Gekniffenen?
Ach würde doch um halb sechs ein SEK meine Haustüre eintreten und mich wecken! Wofür haben die denn ihre Knall- und Blendgranaten!? Nur raus aus dem Albtraum! Im Morgenmantel in der Kälte stehen und abwarten, bis die mit der Durchsuchung fertig sind, das muss doch immer noch besser sein, als dieser Film in Dauerschleife.
Halt! Halt! Zurück. Volle Falle. Luzider Traum. Das würde ich ja auch nur träumen, dass das Überfallkommando anrückt, und dann würde ich träumen aufzuwachen, und träumen dass mir kalt wird, und träumen, dass ich mir eine Erkältung hole.
Wohin jetzt? Ab, in Grimms Märchenwald.
Ist nicht so einfach, mit der Traumsteuerung. Da ist kein Wald. Da ist ein Windpark.
Ssssst. Ssssst. Ssssst. Ssssst. Ssssst. Ssssst.
Oberirdischer Infraschallfolterkeller. Hinterlässt keine sichtbaren Spuren. Außerdem war es einvernehmlich. Niemand hat dich gezwungen. Ist wie mit den Cookies. Wer sich in Gefahr begibt und zu spät kommt und nicht hören will und aufs Eis geht, der passt nicht in Unseredemokratie. Der Gregor – Es-war-nicht-alles-schlecht – Gysi schon eher. Also, zur Not, jedenfalls.
Ich krieg einfach die Augen nicht auf. Mein Gott! Ich liege im künstlichen Koma. Ob ich mich nach dem Erwachen, falls ich jemals erwache, an meinen Traum erinnern werde? Ich schreibe den zwar gerade auf, aber die Tastatur und den Bildschirm träume ich doch wahrscheinlich auch nur.
Google News, also die Google News, die ich gerade träume, vermelden, die Zahl der Grundsicherungsempfänger nähme zu, das ist doch mal eine gute Nachricht. Die kommen nicht mehr ins Bürgergeld und müssen nicht unter der Abschaffung des Bürgergeldes leiden. Google News sagt mir auch, dass eine unbestimmte Zahl von Milliarden, auf alle Fälle aber dreistellig, im nächsten Bundeshaushalt fehlt und dass weder die ausgebremste Schuldenbremse noch das Sondervermögen daran etwas ändern könnten, weil dies alles ja für die pure Zusätzlichkeit reserviert sei und folglich für bereits bestehende Notwendigkeit nicht herangezogen werden könne. Es müsse – so alle, denen es immer noch nicht gelungen ist, aus Schulden Gold zu erschaffen – folglich ein Zwei-Punkte-Plan entwickelt werden.
- Steuern rauf für die Gerechtigkeit,
- Sozialbudget runter für die ausgleichende Gerechtigkeit.
Beim Roulette geht wenigstens immer nur entweder rot oder schwarz, einmal gewinnen die Roten, einmal die Schwarzen. Nur wenn Grün kommt, was gottseidank sehr selten ist, dann ist alles futsch. Oder träume ich das auch nur? Ist das Roulette in Wahrheit grün, grün durch und durch, und man kann überhaupt nur auf grün setzen, und wer einmal angefangen hat, muss weiter setzen in alle Ewigkeit, und die Gewinne werden netto-null ausgezahlt, wenn es denn so weit ist, ob nun 2045 oder 4025.
Ein Erinnerungsfetzen schleicht sich dröhnend in den Traum: Wir haben kein Einnahmenproblem, wir haben ein Ausgabenproblem!
Schweig! Still! Mein Trommelfell …!
Boah, war das schlimm.
Ich hör nichts mehr. Ich träume, ich telefoniere, höre aber nichts mehr. Auch nicht die eigene Stimme.
Das ist vielleicht beschissen.
Du fühlst dich wie am Tag nach der Wahl, deiner Stimme beraubt.
Und alles Gedöns, das sonst aus dem Fernseher kommt, ist reduziert auf auf die stumme Bewegung von Karpfenmäulern.
Ich krieg die Augen nicht auf.
Ich krieg sie aber auch nicht zu.
Müde bin ich, möchte schlafen, und kann nicht, weil der Albtraum mich wach hält.
Am Kirchturm hängt einer am Zeiger der Uhr.
Bitte, bitte! Mach nicht nur Sommerzeit. Nicht nur eine Stunde.
Stell die Uhr vor, so weit es geht, ein Jahr oder zwei.
Irgendwann muss doch Schluss sein, und dann läute die Glocken, bis das ganze Land aufwacht.
