Klimabotschafter der Automobilindustrie

Es ist 25 Jahre her, dass ich zuletzt in einer Vorstandssitzung nach meinen Einschätzungen und Vorschlägen gefragt wurde.  Schon damals gehörte nicht alles, was Vorstände in die Diskussion zur Entscheidungsfindung so einwarfen, zum würzenden Salz in der Suppe, aber eines möchte ich festhalten: Am Ende siegte stets der pragmatische Realismus – und zwar gegebenenfalls auch über lästige Vorgaben von Regierung und Gesetzgeber hinweg – zum Wohle des Unternehmens und der zu erwartenden Boni am Geschäftsjahresende.

Unmoralisch? Vielleicht. Aber erfolgreich.

Nun berichtet SWR aktuell, der Sender aus „Se Länd“, wo Benz und Daimler und die schöne Mercedes seit Jahrzehnten die goldenen  Äpfel vom Baum der Mobilität pflücken, über die Ansichten des Martin Daum, seines Zeichens Vorstand der LKW-Sparte „Daimler Truck“.

Nein, Hilfen der Politik, will Daum nicht, um die Pleite der unternehmenseigenen E-Mobilität abzuwenden. Das wäre falsch, meint er.

Es wird im Folgenden noch deutlich werden, aber es soll hier schon vorsorglich darauf hingewiesen werden, dass Herr Daum aus der Fülle staatlicher Hilfen offenbar nur eine eingeschränkte Auswahl wahrzunehmen in der Lage ist.

Staatliche Hilfen will er also nicht. Was will er aber dann?

Nun, Marie Antoinette hätte es vielleicht so ausgedrückt: Wenn die Leute ums Verrecken unseren Kuchen nicht kaufen wollen, dann machen wir eben das Brot teurer. Dann kommen sie wie von selbst in die Konditoreien.

Daum hat gesagt:

„Wenn wir heute rausgehen würden und sagen: Jeden 1. Januar werden 10 Cent zusätzlich auf den Liter Benzin draufgemacht, von jetzt bis zur Unendlichkeit, dann wird es die ersten drei oder vier Jahre noch in der normalen Schwankungsbreite des Benzinpreises drin liegen. Und dann wird es irgendwann mal so gewaltig beißen, dass Sie nie mehr auf die Idee kämen, wenn Sie Vielfahrer sind, sich einen Benziner zu kaufen, sondern dann würden Sie sich sofort ein E-Auto kaufen.“

Daum weiß offensichtlich nicht, dass die jährliche Erhöhung der Kraftstoffpreise, und nicht nur der Kraftstoffpreise, durch die CO2-Abgabe längst beschlossene Sache ist, und dass diese Erhöhung das Benzin schon am 1. Januar 2024 nicht nur um 10, sondern gleich um 13 Cent verteuert hat. Er weiß auch nicht, dass die weitere Erhöhung dieser Abgabe für die nächsten Jahre bereits beschlossen ist, und er nimmt nicht wahr, dass es sich dabei um staatliche Hilfen für die E-Mobilität handelt. Der Staat hat diese inflationstreibende Maßnahme, die Herr Daum sich wünscht, doch längst beschlossen.

Nicht für die Unendlichkeit, das stimmt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Damals, vor 25 Jahren, wäre es – nach meiner Erinnerung an die Gepflogenheiten – die Pflicht eines Unternehmensvorstandes der Automobilindustrie gewesen, sich die E-Mobilität in allen denkbaren Facetten vor Augen zu führen, die Folgen und Konsequenzen insgesamt, sowie die Rückwirkungen auf das eigene Unternehmen zu durchdenken – und dann auf die Barrikaden zu gehen und der Regierung und der EU den Kopf zu waschen, bis von der Lockenpracht der Klimadauerwelle nichts mehr übrig gewesen wäre.

Aber dieses Engagement der dem Aktionär zur Treue verpflichteten Vorstände war schon nicht mehr wirklich zu erkennen, als die EU die Stickoxid-Grenzwerte festlegte, die nicht nur weit entfernt von den gültigen Richtwerten der Arbeitsschutzrichtlinien festgesetzt wurden, sondern von den gerade in Produktion und Planung befindlichen Motoren ohne Leistungseinbußen und erhöhtem Verschleiß nicht einzuhalten gewesen wären. Man hat sich feige weggeduckt und sich – spitzfindig – mit den etwas billiger zu habenden Abschaltvorrichtungen aus der Affäre gezogen. Dass der Branche das derart auf die Füße fallen sollte, damit hat man wohl nicht gerechnet, bzw. man wollte nicht sehen, wie weit sich das „Grün“ bereits Zugänge in die politischen Entscheidungsgremien geschaffen und eine einst automobilfreundliche Politik durch schleichende Vergiftung handlungsunfähig gemacht hatte.

Die Zeiten, in denen die Empfehlung, statt Brot, Kuchen zu essen, noch den Gipfel der Regierungskunst darstellte, obwohl es vom Kuchen noch weit weniger gab als vom Brot, endeten für Marie-Antoinette am 16. Oktober 1793 damit, dass ihre physische Integrität  jäh zerstört wurde.

Nur rund fünfzig  Jahre später, im März 1844, gelang es König Ludwig I. von Bayern schon, seine Bierpreiserhöhung zu überleben, indem er nachgegeben und die Erhöhung zurückgenommen hat. Bei Wikipedia wird dies wie folgt geschildert:

König Ludwig erhöhte wegen einer Rohstoffknappheit per Erlass den staatlich festgesetzten Bierpreis um 1 Pfennig.

Die vorausgehende Brotpreiserhöhung war hingenommen worden. Am Abend des 1. März 1844 brachen Krawalle in der Münchner Innenstadt aus: etwa zweitausend Bürger stürmten Münchner Brauereien, warfen Fensterscheiben ein und zerstörten Mobiliar. Das herbeigerufene Militär verweigerte alle Befehle, gegen die Aufständischen vorzugehen; weitere Maßnahmen gegen die Aufständischen blieben erfolglos. Der König lenkte am 5. März 1844 ein und nahm die Bierpreiserhöhung zurück. Im Oktober 1844 verfügte er für das Münchner Hofbräuhaus eine Herabsetzung des Bierpreises von 6½ auf 5 Kreuzer, „um dem Militär und der arbeitenden Klasse einen gesunden und wohlfeilen Trunk zu bieten.“

Das mit dem Bierpreis wird selbst im wonnetrunkenen Bayern nicht mehr funktionieren. Bier ist nicht mehr Grundnahrungsmittel und wegen Keimfreiheit gesundheitlich unbedenklicher als seinerzeit das so genannte „Wasser“. Es gibt also heute guten und preiswerten Ersatz.

Beim Benzin allerdings, auch beim Diesel, nicht zuletzt bei Gas und Heizöl, existiert der gute und preiswerte Ersatz nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn der Ersatz vollumfänglich nachgefragt werden sollte.

Es sieht nur gerade noch so aus. Der Strom ist knapp, aber er fließt noch. Ohne beständige Zukäufe aus dem Ausland kommen wir aber schon lange nicht mehr hin – und jedes E-Auto, das zusätzlich an die Ladesäule drängt, nimmt noch ein bisschen mehr Strom weg. Von den Wärmepumpen, deren Absatz glücklicherweise stark nachgelassen hat, weil ihr Energiebedarf antizyklisch zur winterlich-sinkenden Wind- und Sonnenstrom-Ernte ansteigt, ganz zu schweigen.

Das Benzin zu verteuern
ist keine taugliche Methode,
um Strom zu erzeugen.

Es ist schlicht nicht möglich, auch mit noch so vielen Windrädern nicht, die von Deutschland benötigte Primärenergie alleine aus Windrädern, Solarzellen, Biogasanlagen und Wasserkraft zu beziehen. Den Energieverbrauch an die Energieerzeugung anzupassen, sowohl von der Menge als auch vom zeitlichen Anfall her, ist schon möglich, der Weg dahin heißt Verzicht und sein Ende liegt irgendwo zwischen Steinzeit und französischer Revolution.

Was also mag im Kopf eines Truck-Managers vorgehen, wenn er empfiehlt, fossile Kraftstoffe immer weiter – bis in die Unendlichkeit (!) – zu verteuern, damit sein Konzern große, teure, stromfressende Luxuskarossen absetzen kann, die von Vielfahrern mehrheitlich als Dienstwagen genutzt werden? Meint er, für dieses Klientel wird der Strom schon reichen und  alles andere ist für Mercedes-Daimler-Benz, oder wie der Laden gerade heißen mag, völlig irrelevant?

Ich wünsche sehnlichst, und dieser Wunsch nimmt schon gebetsartige Formen an, dass uns ein gütiges Schicksal das Ende des grünen Spuks bescheren möge. Besser heute als morgen.

Sollten Sie dafür noch Argumente brauchen, ich habe über die Jahre mehrere Säcke voll davon geliefert. Bücher sind nun einmal besser als Blogbeiträge. Sie ermöglichen es, ein Thema umfassender und in seiner Komplexität so darzustellen, dass sich am Ende ein wirklich rundes, geschlossenes Bild ergibt. Inzwischen kann ich diese „Grünen-Serie“ leider nicht mehr als Warnung, sondern nur noch als die Dokumentation des Regierungsversagens ansehen. Möge sie jenen, die nach der Ampel in die Verantwortung eintreten, helfen, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

Vorher

Zu Beginn

Während

Für die Zukunft