
PaD 19 /2025 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad19 2025 Jetzt fehlt nur noch ein Papst
Friedrich Merz hat es geschafft. Einmal schwarzer Rauch, und dann, doch noch am gleichen Tag, der weiße Rauch.
Flugs hob er ab – im wörtlichen, nicht im übertragenen Sinne – gen Westen, und kam in Paris wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, wo Macron mit Bangen auf ihn gewartet hatte, um gleich wieder abzuheben, nun gen Osten, um sich eiligst mit Donald Tusk zu besprechen, in einer Eile, die tatsächlich vermuten ließ, es müsse noch in der Nacht zurückgeschossen werden.
Ist es nicht ein bisschen befremdlich, dass ein frisch ernannter neuer Bundeskanzler erst einmal auf Reisen geht, statt sich in einer mehrtägigen Kabinettssitzung mit seiner Mannschaft, deren linke Hälfte ihm ja noch weitgehend unbekannt sein dürfte, auf die Bewertung des aktuellen Zustandes der Republik und auf die vordringlich in Angriff zu nehmenden Maßnahmen nicht nur zu einigen, sondern regelrecht einzuschwören? Ich hätte das so – und nicht anders – gemacht, und wäre dann in der Lage gewesen, ausländischen Partnern belastbar zu erklären, was sie von der neuen Bundesregierung zu erwarten haben. Ob ich allerdings zu Beginn ausgerechnet in Paris oder Warschau aufgeschlagen wäre? Wohl kaum. Als noch weitgehend unbelasteter Player in den deutsch-amerikanischen Beziehungen hätte mich mein erster Weg eher nach Washington geführt, um ein paar Fässer Öl auf die Wogen zu gießen. Nicht nur wegen der belasteten Handelsbeziehungen, auch in Bezug auf den festen Willen der neuen Bundesregierung, die Vorwürfe bezüglich fehlender Rechtsstaatlichkeit und Demokratie aus der Welt zu räumen.
Da Merz dies meines Wissens unterlassen hat, darf es nicht verwundern, dass die USA die Zusammenarbeit ihrer Geheimdienste mit den deutschen Geheimdiensten einstellen oder zumindest in Bezug auf die Verfolgung der AfD durch den Verfassungsschutz nicht weiter fortsetzen wollen.
Ob es sich schon um die Delegitimierung des Staates und seiner Repräsentanten handelt, wenn der politisch unbeeinflusste und somit als Staat im Staate agierende Verfassungsschutz ob seines Rechtsextremismus-Gutachtens kritisiert und eine Petition auf den Weg gebracht wird, man möge die Hexenjagd auf die AfD einstellen, weiß ich nicht zu sagen. Jedenfalls habe ich hier unterschrieben. Vielleicht möchten Sie sich dem ja auch anschließen. Das hilft zwar nicht, aber es ist ein Signal, das eben nicht nur bei der Regierung und im Bundestag ankommt, sondern weit darüber hinaus wirken wird, auch im Ausland.
Nun zum derzeit besonders hochgejazzten Spektakel, der Papstwahl.
Ach, wie haben es dagegen die Tibeter gut, deren Bodhisattvas nicht gewählt, sondern schon bei ihrer (Wieder-) Geburt erkannt und auf ihre Rolle als Führer der tibetanischen Buddhisten vorbereitet werden. Das ist dann auch ein Job auf Lebenszeit, man muss sich nicht als Wahlkämpfer mit Wahlversprechen darstellen, bwz. verstellen, um ins Amt zu gelangen. Man hat den Job einfach, sobald eine tibetanische Findungskommission fündig geworden ist. Das Prinzip unterscheidet sich nur geringfügig von der Bestimmung des EU-Kommissionspräsidenten, nur dass da die Amtszeiten ablaufen und eine neue Findung noch zu Lebzeiten erforderlich wird.
Die katholische Kirche, rein quantitativ betrachtet immer noch die Hauptmacht innerhalb der zahlreichen Formen der verkirchlichten christlichen Lehre, und von immer noch nicht geringem Einfluss auf das weltliche Geschehen, verzichtet auf den „Wink von oben“ und veranstaltet etwas, was der Glaubenslehre im Grunde widerspricht, nämlich eine demokratische Wahl. Weder Gott, noch Gottes Sohn, weder Maria noch Johannes der Täufer, auch nicht Josef, Marias Zimmermann, wurden je demokratisch gewählt. Von wem auch? Gott ist Alleinherscher und braucht keine Mehrheiten für seine einsamen Entscheidungen.
Da sich Gott aber offenbar nicht verpflichtet fühlt, Päpste zu ernennen, macht es die katholische Kirche so: Alte Männer, durchaus in stolzer Kompaniestärke, gekleidet in einheitlich rote Uniformen, werden bei Wasser und Manna so lange miteinander eingesperrt, bis einer von ihnen mit der Mehrheit der Stimmen zum neuen Papst gewählt ist.
In Kreisen profaner Politiker würde man das Konklave wohl als „Absprache im Hinterzimmer“ bezeichnen. Weil aber niemand weiß, wie es im Konklave und in den Hinterzimmern tatsächlich zugeht und diejenigen, die dabei sein dürfen, sich zu striktem Stillschweigen verpflichten, sollte man hier nicht nach Vergleichbarem suchen, wo es vielleicht gar nicht vorhanden ist.
Vergleichbar ist nur das Ergebnis, und da hat sich in letzter Zeit doch immer wieder herausgestellt, dass immer öfter Päpste aus dem Konklave hervorgehen, die die Spaltung der Kirche vertiefen. Es scheint ein Zeichen unserer Zeit zu sein. Die erwählten Mächtigen spalten. Ob das nun Biden war, oder nun wieder Trump ist, beide haben die Nation gespalten und die Gräben sind weiterhin offen. Schröder spaltete, Merkel spaltete weiter, Habeck spaltete – da sollte von Klingbeil nicht erwartet werden, dass er zum großen Versöhner werden könnte. Auch Macron, Starmer, Tusk – alle auf ihre Art Spalter, die das Volk einfach nicht mehr wirklich hinter sich bringen.
Man ist fast geneigt, den 2. Hauptsatz der Thermodynamik zu bemühen und an die unaufhaltsame Ausbreitung der Entropie zu glauben. Doch hier ist das anders. Die großen Konglomerate zerfallen zwar, doch die Summe ihrer Teile erweist sich bald als stärker als es die Kolosse je waren. Es ist kein wirklicher Zerfall, es ist ein Reinigungs- und ein Verjüngungsprozess. Verkrustete Strukturen brechen unter der eigenen Last zusammen und aus dem Trümmern entsteht neues, frisches, starkes Leben.
Sind also die Spalter wichtiger als die Versöhner?
Nein. Man muss den Prozess im Ganzen betrachten. Die Spalter treten ja nicht einfach so in Erscheinung, beseelt vom festen Willen, sich als Spalter zu betätigen. Die Spalter erkennen Dysfunktionalitäten in gewachsenen Systemen, die deren Effizienz und Effektivität beeinträchtigen, und setzen genau da an, wo der gesunde Teil des Systems vom kranken Teil beeinträchtigt bzw. kannibalisiert wird. Was vorher als Gesamtheit eher schlecht und recht funktionierte, wird aufgespalten in einen Teil der nun deutlich besser funktioniert und einen anderen Teil, der nun – auf sich selbst zurückgeworfen – eine neue Überlebensstrategie für sich finden muss. Bis zur vollständigen Spaltung sind Besitzstandskämpfe unvermeidlich. Danach ergibt sich eine Situation, in der sich beide Teile neue Angebote für ein symbiotisches Zusammenleben machen. Das ist die Stunde der Versöhner.
Ein einfaches Beispiel findet sich in der Entwicklung des Sozialstaates. Dem frühkapitalistischen Staat ist es gelungen, sehr schnell eine leistungsfähige Volkswirtschaft aufzubauen. Die Schere zwischen arm und reich war jedoch sehr weit geöffnet, so dass die Spalter aus dem Reich der kommunistischen Ideologie hier ansetzten und Unzufriedenheit mit den (bisher als gottgegeben angenommenen) Zuständen säen konnten. Noch bevor es zur vollständigen Spaltung kommen konnte, wurden Ausgleichsmöglichkeiten geschaffen, um die Unzufriedenheit einzudämmen. Gesetzliche Sozialsysteme, gesetzliche Arbeitsschutzregelungen, gesetzliche Arbeitszeitregelungen führen Schritt für Schritt näher an einen Zustand der Versöhnung zwischen Arbeit und Kapital.
Dabei hat die Aggressivität der Spalter stetig abgenommen, weil auch die Spannung, das Gefälle zwischen beiden Polen, aus der die Spalter ihre Energie beziehen, abgenommen hat. Wer sich die Geschichte der deutschen Sozialdemokraten betrachtet, erkennt, dass deren ideologischer Schwerpunkt nicht mehr auf der Verbesserung der Lebensumstände der Arbeiterschaft liegt, sondern sich auf abstruse Probleme verlagert hat, die hier aufzuzählen ich mir schenke.
Diese abstrusen Probleme tragen aber allesamt ihren Teil dazu bei, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft zu beschädigen. Da die SPD daraus aber ihre Daseinsberechtigung bezieht, ist es ihr nicht möglich, diese Aspekte ihrer Politik selbstkritisch zu hinterfragen. Mit der Koalition mit der Union ist es ihr gelungen, die Fortsetzung dieser Politik im Koalitionsvertrag zu verankern. Mit der Festschreibung dieser Politik wurde die Spaltung vertieft.
Die Dysfunktionalität Deutschlands ist offensichtlich und wird von immer größeren Kreisen der Bevölkerung wahrgenommen, die sich nun, mit ihren von Friedrich Merz geweckten und enttäuschten Hoffnungen, der AfD zuwenden, deren Agieren und Agitieren darauf abzielt, die Spaltung zu vollenden, also alles abzuspalten, was ihrer Überzeugung nach zum Niedergang beiträgt: Klimaschutz und Energiewende, unkontrollierte Migration, ausufernde Staatsverschuldung, ausufernde Sozialausgaben, ausufernde Bevorzugung von Minderheiten, ausufernde Bürokratie.
Bis auf die Bürokratie gehört nichts davon zur originären DNA Deutschlands. Es handelt sich mehr um einen Rucksack, der lange Zeit als vernünftige Ergänzung wahrgenommen, mit der Zeit aber mit immer neuen Lasten gefüllt wurde. Nun ist er zu schwer, um noch vorwärts zu kommen. Das dritte Jahr der Rezession verlangt dringend danach, Ballast abzuwerfen. In einer Koalition aus Union und AfD hätte dies langsam, behutsam und schonend erfolgen können.
In der schwarz-roten Koalition wird die notwendige Entrümpelung nicht stattfinden, bis es zum Ermüdungsbruch kommt, was einen langwierigen, schmerzhaften Heilungs- und Regenerationsprozess zur Folge hat.
So wie die Würfel gefallen sind, wird es unausweichlich dazu kommen.
Die Menschheitsgeschichte kann als ein permanenter Prozess aus Spaltung und Versöhung angesehen werden, der selbstverständlich auch in der Gegenwart an vielen Stellen und in allen seinen Phasen beobachtet werden kann.
Tröstlich erscheint mir, dass sich über die Jahrhunderte hinweg aus allen Höhen und Tiefen eine positive Trendlinie ableiten lässt.
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1025 Muhammad III., Kalif von Córdoba, wird durch einen Aufstand zur Flucht gezwungen. Yahya al-Mutali übernimmt das Kalifat, regiert die von Berbertruppen besetzte Stadt jedoch von Malaga aus.