
Die sechs Stunden Bundestag gestern waren schon deprimierend genug. Das Abstimmungsergebnis hat mir dann den Rest gegeben.
Dabei ist es gar nicht die Sorge um das, was jetzt kommen wird, die mich niederdrückt. Damit habe ich mich ja über viele Jahre auseinandergesetzt. Das ist mir nicht so neu, dass es mich noch wirklich erschrecken könnte.
Es ist der fürchterliche Schmerz der persönlichen Niederlage.
Ja, was denn sonst?
Wofür habe ich denn in den letzten zwanzig Jahren den Großteil meiner Zeit und etliches Geld geopfert, um aufzuzeigen, welche Probleme uns aus der Globalisierung erwachsen, wie Hartz IV unsere Gesellschaft verändern wird, wie unser Geldsystem funktioniert, warum es den Wachstumszwang gibt und warum die Reichen immer reicher werden? Was habe ich mich abgearbeitet an der EU, an Angela Merkel, an den Grünen, an der Ampel …,
nur um jetzt erleben zu müssen, dass alles, alles vollkommen umsonst war, dass es einem Herrn Merz gelungen ist, aus einer verlorenen Wahl heraus (nun gut, er hält sich für den Gewinner), in einer handstreichartigen Aktion mit Hilfe der SPD und des Verfassungsgerichts, den Staatshaushalt mit der größten Schuldenorgie seit 1949 auf Jahrzehnte hinaus zu belasten und zudem sämtliche vernünftigen politischen Entscheidungen durch die Fesselung ganz Deutschlands an die „Klimaneutralität bis 2045“ wirksam zu verhindern.
Und, nein, ich habe mich nicht ausschließlich in Kritik ergangen. Kritik war für mich nie Selbstzweck. Kritik, und vor allem die kritische Analyse war und ist notwendig um die Begründung für Vorschläge zum Besseren zu liefern, und solche Vorschläge habe ich abgeliefert, immer wieder, und immer wieder gehofft, es würde sich eine Mehrheit der Demokraten finden, die diese Kritik teilt und die Vorschläge aufnimmt und prüft und dafür sorgt, dass es am Ende doch besser wird.
Es ist aber alles bis heute immer nur schlechter geworden.
Und da soll ich nicht in Depression versinken? Da soll ich mich nicht fragen, was ich falsch gemacht, warum und an welcher Stelle ich versagt habe?
Kommen Sie mir nicht mit Reinhold Niebuhr:
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Das ist doch nichts als ein Aufruf zum Nichtstun. Darf man die wirklich schlimmen Dinge gelassen hinnehmen, nur weil man glaubt, sie nicht ändern zu können?
Soll man einem Mörder nicht in die Hände fallen, weil der groß und stark und mit einem Messer bewaffnet ist? Soll man sich stets nur auf das beschränken, was man sich gerade zutraut? Nein. Ich halte dieses Gebet nicht für zielführend. Ich halte es für eine süßlich-klebrige Entschuldigung fürs faule und feige Nichtstun.
Ich finde auch keinen Trost darin, dass die vielen anderen, die ebenfalls ihre Kraft einsetzen, um die Dinge zum Besseren zu wenden, am fürchterlichen 18. März 2025 ebenfalls als Verlierer dastehen. Ich kann mich nicht darauf zurückziehen, zu denken: Was Tichy und Reichelt, Wallasch und Maxeiner, Albrecht Müller und Dushan Wegner, Herbert Ludwig, Peter Haisenko, und, und, und nicht geschafft haben, das konnte ich doch auch nicht schaffen.
Es ist falsch. Es ist der Weg in die trügerische Gelassenheit des Niebuhr-Gebetes. Es wäre die Unterwerfung unter das, was „wir“ als falsch, als schädlich, als Lug und Trug, als Raub und Betrug, als Staatsstreich von oben erkannt zu haben glauben.
Was jetzt aus der Niedergeschlagenheit heraus geschehen muss, ist eine unbarmherzige Suche nach den eigenen Fehlern, nach den Ursachen für das Versagen, und diese Suche muss da beginnen, wo es dem Gegner gelungen ist, die eigenen Schwächen auszunutzen.
Wie haben es die Grünen geschafft, Friedrich Merz zurechzubiegen?
Wie hat es Friedrich Merz geschafft, zwei Drittel der Abgeordneten zurechtzubiegen?
Wie hat es Friedrich Merz zuvor geschafft, aus der Bundestagswahl mit der stärksten Fraktion hervorzugehen?
Die letzte Frage ist wahrscheinlich am einfachsten zu beantworten.
Friedrich Merz hat die Wähler schamlos belogen und den Wunsch der Wähler, die linksgrünwoke Ampel abzulösen und zu einer konservativ-bürgerlichen Politik zurückzukehren, genutzt, um diese Wähler mit schamlosen Versprechen, die er schon lange vor der Wahl nicht mehr zu halten gedachte, auf seine Seite zu ziehen.
War es aber meine Schwäche, nicht ebenso verlogen zu argumentieren, um die Wähler von Merz abzuziehen?
Nein. Bewusst und gezielt zu lügen, das ist nicht mein Ding. Das liegt nicht in meinem Charakter. Meine Schwäche ist anderswo zu finden.
Ich war zu leichtgläubig. Ich habe Friedrich Merz die Lügen abgenommen, wie so viele, zu viele andere auch. Er hat mich mit seinen Lügen eingefangen. Er hat mich glauben lassen, er wolle tatsächlich die Migration eindämmen und die illegale Migration stoppen. Er hat mich glauben lassen, er wolle tatsächlich den Bundeshaushalt vom Kopf auf die Füße stellen, wolle Schluss machen, mit den unsinnig aus dem Fenster geworfenenen Milliarden. Damit hat er sich vor Kritik geschützt, damit hat er auch mich glauben lassen, dass – wenn schon die AfD hinter der Brandmauer bleiben wird – eine Regierung unter Friedrich Merz den Kurswechsel, vielleicht etwas langsamer, vielleicht etwas weniger hart, schon auch vollziehen würde.
Ich hätte es besser wissen müssen. Ich hätte ihn nicht die ganze Zeit fast vollständig aus der Kritik heraushalten dürfen. Ich habe mich an den Grünen abgearbeitet und Merz nicht nur lügen lassen: Ich habe seine Lügen begrüßt. Ich habe ihm geglaubt.
Das Verrückte dabei: Er war glaubwürdig. Er hätte alle seine Wahlversprechen umsetzen können. Er hätte immer eine Mehrheit im Bundestag dafür gefunden.
Mein Fehler war, ihm in einem einzigen Punkt nicht zu glauben. Ich habe ihm nicht geglaubt, dass er die Brandmauer wirklich aufrecht erhalten würde. Und auch da hat er mit dem Entschließungsantrag im Bundestag, bei dem ihm die Stimmen der AfD angeblich recht waren, diese Täuschung perfektioniert.
Dabei hätte ich genau das als Alarmsignal erkennen müssen, weil er sich damit selbst als Lügner geoutet hat, aber nur, um die viel größere Lüge dahinter zu verbergen.
Wie es Merz geschafft hat, 513 Stimmen für die Änderung des Grundgesetzes zu mobilisieren, ist etwas schwerer zu beantworten. Ich will sie auch gar nicht beantworten. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, das Tun und Lassen von Menschen zu beeinflussen, und es ist ja nicht nur Friedrich Merz gelungen, sondern den Fraktionsvorsitzenden von Union, SPD und Grünen, dafür zu sorgen, dass die Stimmen zusammenkommen.
Ich muss mich fragen, warum ich es nicht geschafft habe, diese 25 Stimmen gegen Merz zu mobilisieren, die an seiner Niederlage gefehlt haben. Ich gestehe, dass ich überhaupt nur einen Abgeordneten angeschrieben habe: Unseren hiesigen Abgeordneten aus dem Wahlkreis Landshut, Herrn Florian Oßner, CSU. Tatsächlich durfte er gestern auch ein paar Sätze ins Mikrofon am Rednerpult des Bundestages sagen. Er war stramm auf Linie. Vermutlich hätte ich 700 Abgeordnete anschreiben können, ohne dass sich am Abstimmungsverhalten etwas geändert hätte. Auch eine Petition hätte nichts verändert, die wäre ja in der Kürze der Zeit noch nicht einmal auf die Tagesordnung des Petitionsausschusses geraten.
Das war der falsche Weg. Was aber wäre der richtige Weg? Stehen mir die Mittel zur Verfügung, um die Gewissensentscheidungen von Abgeordneten so wirkungsvoll lenken zu können, wie es den Fraktionsvorsitzenden gelingt? Und woher nehmen die die Mittel? Hätte ich in eine Partei eintreten sollen, hätte ich CSU-Mitglied werden müssen, um CSU-Abgeordnete zu bewegen, nein zur Grundgesetzänderung zu sagen?
Hätte ich all die Jahre auf meine politische Arbeit verzichten sollen und stattdessen meine ganze Kraft einsetzen sollen, um so reich zu werden, dass ich Abgeordneten Angebote machen könnte, zu denen sie nicht nein sagen können? Sorry. Wenn ich diesen Weg gegangen wäre, wäre ich nicht auf die Idee gekommen, die Grundgesetzänderung verhindern zu wolllen.
Soll ich nun um die Weisheit bitten, zu erkennen, dass ich das nicht verändern kann? Nein, verdammt noch mal! Wenn ich das Abstimmungsverhalten der Abgeordenten des alten Bundestages nicht ändern konnte, dann bleibt mir immer noch die Möglichkeit, darauf hinzuwirken, dass sich die Mehrheitsverhältnisse im nächsten Bundestag ändern, also auch darauf hinzuwirken, dass der 21. Bundestag vor Ablauf der vier Jahre aufgelöst wird.
Hinfallen ist keine Schande. Liegenbleiben schon.
Nein. Die Methoden von Friedrich Merz sind nicht meine Methoden. Von ihm mag Siegen lernen, wer will. Ich habe nur meine kleine Wahrheitsschleuder. Ich werde weiter üben, damit treffsicherer zu werden. Goliath, der vor Kraft kaum gehen konnte, wurde von David besiegt. David hat gewiss nicht um die Gelassenheit gebeten, seinen Tod durch das Schwert Goliaths hinzunehmen, weil er dies nicht ändern konnte. David ließt sich auch vom guten und wohlgemeinten Rat der Seinen nicht von seinem Vorhaben abbringen. Die ganze Geschichte ist hier nachzulesen.
Und der Philister sprach zu David: Komm her zu mir, ich will dein Fleisch den Vögeln unter dem Himmel geben und den Tieren auf dem Felde.
David aber sprach zu dem Philister: Du kommst zu mir mit Schwert, Spieß und Sichelschwert, ich aber komme zu dir im Namen des Herrn Zebaoth, des Gottes der Schlachtreihen Israels, die du verhöhnt hast. Heute wird dich der Herr mir überantworten, dass ich dich erschlage und dir den Kopf abhaue und gebe deinen Leichnam und die Leichname des Heeres der Philister heute den Vögeln unter dem Himmel und dem Wild auf der Erde, damit alle Welt innewerde, dass Israel einen Gott hat, und damit diese ganze Gemeinde innewerde, dass der Herr nicht durch Schwert oder Spieß hilft; denn der Krieg ist des Herrn, und er wird euch in unsere Hand geben.
Als sich nun der Philister aufmachte und daherging und sich David nahte, lief David eilends von der Schlachtreihe dem Philister entgegen. Und David tat seine Hand in die Tasche und nahm einen Stein daraus und schleuderte ihn und traf den Philister an der Stirn, dass der Stein in seine Stirn fuhr und er zur Erde fiel auf sein Angesicht. So überwand David den Philister mit Schleuder und Stein und traf und tötete ihn. David aber hatte kein Schwert in seiner Hand. Da lief er hin und trat zu dem Philister und nahm dessen Schwert und zog es aus der Scheide und tötete ihn und hieb ihm den Kopf damit ab. Da aber die Philister sahen, dass ihr Stärkster tot war, flohen sie.
Bleibt für heute noch die Frage, wie es den Grünen gelungen ist, Friedrich Merz zurechtzubiegen.
Es hat im ersten Augenblick so ausgesehen, als hätte es da harte Verhandlungen gegeben. Als März ausrief: „Was wollen Sie noch mehr?“, und da hatte er schon 50 Milliarden für grüne Wünsche zugesagt, klang das für einen Augenblick so, als sei damit das Ende der Fahnenstange erreicht. Als am nächsten Tag daraus 100 Milliarden geworden waren, war klar, dass sich nicht die Grünen den Merz, sondern Merz sich die Grünen zurechtgebogen hat. Er hat sie – um aus dem Kultfilm „Kir Royal“ von 1986 zu zitieren – „zugeschissen mit Geld“, mit dem Geld, das sie ihm erst noch beschaffen sollten. Die Dummheit der Grünen bestand darin, sich mit den 100 Milliarden zufrieden zu geben. Merz hätte ihnen zweifellos auch noch viel mehr zugesagt.
Es ist aber vollständig irrelevant, ob Friedrich Merz um jeden Preis Kanzler werden will oder ob er – wie manche vermuten – einen Auftrag von BlackRock ausführt, dahingehend, deutsche Staatsanleihen in gigantischem Umfang in den Finanzmarkt zu bringen.
Die Büchse der Pandora ist geöffnet.
Unsere Aufgabe ist es, sie schnellstmöglich wieder zu verschließen.
Und, verdammt noch mal, das muss gelingen. Raus aus Depression und Resignation!
Es gibt keine Alternative.
Jedenfalls keine, die ich erleiden möchte.