Hört mir mal kurz zu

Ich weiß ja, dass euch nichts mehr aufregt. Ja, versteh‘ ich durchaus. Man muss sich abkapseln, wenn man nicht verrückt werden will. Und wenn die Dinge so laufen, wie sie laufen, dann tröstet man sich halt mit dem richtigen, aber immer wieder als Ausrede missbrauchten Stoßgebet: 

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Ich weiß ja, dass ihr wisst, was da gerade passiert, mit Deutschland. Ihr lest es in der Zeitung, ihr hört es im Fernsehen, ihr seht es, selbst vor eurer eigenenen Haustür.

Was ist mit Bosch? Die bauen schon wieder 1.500 Jobs ab. Klar, nicht zu ändern. Ist halt die E-Mobilität. Man muss mit der Zeit gehen, hilft alles nichts.

Und was ist mit Porsche? Die haben gerade 1.900 Jobs gestrichen, und das reicht immer noch nicht. Klar. Der Trump, die Zölle. Das haut rein, und den Chinesen sind unsere Autos auch nicht mehr gut genug. Nun, die kommen schon wieder. Made in Germany. Da kann doch niemand drauf verzichten.

Und was ist mit SAP, und mit Mahle, und mit Hermes, und mit Stürtz, und mit Hettich, und mit SFS, und mit Vollert, und, und, und  …

Nie was gehört von Stürtz? Macht nichts, macht nichts. Stürtz war nur mit 240 Jobs dabei. Kann euch ganz egal sein. Geht schon beinahe unter darin, dass  alleine in der letzten Woche über den Abbau von rund 12.000 Stellen im produzierenden Gewerbe berichtet wurde. 

Aber jetzt will ich euch etwas erzählen, was euch vom Hocker hauen wird.

Wer von euch kennt Apolda? Wer war schon mal da? Das liegt in Thüringen. Thüringen ist vor allem bekannt durch seinen Wald. Glocken hat man gegossen in Apolda, bis vor hundert Jahren. Jetzt befindet sich dort ein Zentrum für Altkleider-Verwertung.

TexAid heißt das Unternehmen, das 280 Mitarbeiter beschäftigt, die jährlich 18.000 Tonnen Lumpen sortieren. Das dürften ursprünglich ungefähr 40 bis 50 Millionen Kleidungstücke gewesen sein. Alleine in Apolda. Aber Texaid sammelt, sortiert, verhökert nicht nur in Apolda. Texaid hat in Deutschland insgesamt 900 Mitarbeiter. Da kommen wir, hochgerechnet, auf deutlich über 100 Millionen Kleidungsstücke.

Das war mal ein echter Hype, ein Goldrausch, die Altkleidersammelei. Kein Wunder, dass TexAid nicht das einzige Unternehmen ist, das in Deutschland Lumpen sammelt. Verolia ist viel größer und sammelt an 250 Standorten mit 12.500 Mitarbeitern so viele Lumpen, dass aus dem Verkauf im letzten Jahr immerhin noch 2,9 Milliarden Euro Umsatz erzielt werden konnten.

Veolia sagt, dass jeder Deutsche im Durchschnitt 15 kg Altkleider in die Container wirft. Da kommen wir auf ein Gesamtvolumen von rund. 1,25 Millionen Tonnen. Halt! Nicht so schnell drüber weggehen. Versucht mal euch vorzustellen, wie viel das ist, 1,25 Millionen Tonnen!

Wittmann Recycling sammelt jährlich 30.000 Tonnen, Kolping Recycling nimmt an, was 500 Sammelpartner aus dem karitativen, kommunalen und gewerblichen Bereich nach Fulda schaffen, Knetex leert im gesamten Bundesgebiet 5000 Altkleidercontainer und bringt dabei jährlich 30.000 Tonnen zusammen. 

Ich höre mit der Aufzählung auf,  um euch nicht zu langweilen. Ihr könnt ja selbst weiter recherchieren, wenn es euch interessiert. Ich will ja auf etwas ganz anderes hinaus.

Der Branche geht es nicht gut.

In Apolda, bei TexAid, läuft das Insolvenzverfahren, womit es dem Unternehmen ermöglicht werden soll, sich neu aufzustellen. Das bedeutet im ersten Schritt: Umstellung vom 2-Schicht-Betrieb auf 1-Schicht-Betrieb und dabei Abbau von 80 Arbeitsplätzen.

Das heißt auch, dass die Kapazität halbiert wird. Ist doch logisch. Aber es ist eben nicht so, dass immer weniger Altkleider anfallen. Im Gegenteil. Es werden immer mehr. Es sind so viel geworden, dass das Überangebot an Lumpen die Preise ruiniert hat.

Hinzu kommt, dass der einst florierende Second-Hand-Markt in Afrika zusammengebrochen ist. Dort dominiert jetzt Neuware aus China, zu Preisen, die von der oft noch guten Second-Hand-Ware aus der EU nicht mehr unterboten werden können.

Daran ist auch Soex in Bitterfeld-Wolfen zugrunde gegangen und hat schon im Herbst 2024 Insolvenz angemeldet. 300 Mitarbeiter haben dort sortiert, bis sich das Geschäftsmodell als nicht mehr wirtschaftlich tragfähig erwiesen hat.

Na, und?

Na, und!

Seit die EU obendrein beschlossen hat, gebrauchte Textilien, soweit nicht total verölt oder verschimmelt, dürften nicht mehr über den Hausmüll entsorgt werden, hat sich das Überangebot und damit das Problem der Branche noch extra vergrößert. Und damit verwandelt sich „gut gemeint“ eben auch hier in „schlecht gemacht“. 

Wir haben eine Wertstoffkrise!

Das war so schön gedacht, mit dem Recycling. 

Beim Altglas sieht im Augenblick noch alles gut aus, auch wenn hier und da schon eine Warnleuchte auf drohende Überkapazitäten hinweist.

Das Chaos auf dem Altpapiermarkt tobt allerdings schon länger.

Nun scheint auch das Textilrecycling endgültig in schweres Wasser zu geraten.

Es wird eben längst nicht alles gebraucht, was aus der Verwertung herauskommt, und das, was gebraucht werden könnte, wird nicht abgenommen, weil es den Ansprüchen doch nicht genügt.

Die Zwischenüberschrift war euphemistisch.

Wir haben keine Wertstoffkrise, wir haben eine Abfallkrise.

Eine Abfallkrise, weil es – Hex! Hex! – keinen Abfall mehr geben soll, weil Abfall quasi bereits verboten ist. Zählt doch mal auf, was eigentlich wirklich noch in die Restmülltonne darf. Aber aufpassen! Lasst es vorsichtshalber niemanden wissen, was euch dazu einfällt. 

Über 20.000 Menschen dürften bisher damit beschäftigt gewesen sein, die Verwertung der kontinuierlich anfallenden deutschen Alttextilien zu bewerkstelligen. Weil die Menge wächst und die Nachfrage schrumpft, sind kostendeckende Preise für das Recycling-Material nicht mehr zu erzielen. Es folgt eine Marktbereinigung. 20 bis 30 Prozent der Kapazitäten werden verschwinden, bis es sich wieder lohnt.

Da steckt er wieder einmal in der Falle, der Geist des perfektionistischen Idealismus. Der Gutmensch, in all seiner Vollkommenheit. Unfähig, einen Irrtum einzusehen, sein Streben als fehlerhaft zu akzeptieren, wird er auch beim Textilrecycling nicht ruhen und rasten, bis auch der letzte Lumpen noch seine Wiedergeburt aus dem Müll erlebt, auch wenn dafür alle nicht aus dem Recycling entstehenden Konsumartikel verboten werden müssten.

Der Pfad, auf dem gute Ideen entstehen, um gute, qualitativ hochwertige Produkte von hohem Gebrauchsnutzen zu  günstigen Preisen auf den Markt zu bringen, wird vernagelt. Die kreative, schöpferische Kraft wird gezwungen, sich im Gestrüpp von Gesetzen und Verordnungen an  Mist und Müll zu verschwenden, wenn sie überhaupt noch tätig sein dürfen will.

Das ist Deutschland heute. Wo man hinschaut.

Kernkraftwerke abschalten, Windmühlen hinklotzen.

Kohlekraftwerke abschalten, Balkonkraftwerke anpreisen.

Gasheizungen rausreißen, Wärmepumpen einbauen.

Meinungsfreiheit demolieren, Meldestellen installieren.

Staatsfinanzen ruinieren, Rüstung, Migration, und NGO finanzieren. 

Gesundheitswesen an die Wand fahren, Elektronische Patientenakte einführen.

Rentenkasse plündern, Rentner mit Zusatzsteuer (Rentner-Soli) belegen.

Verbrenner verbieten, Lastenräder empfehlen.

Opposition verbieten, Verfassungsgericht auf stramm links bügeln.

Und so weiter. Die Litanei ließe sich noch lange fortsetzen.

 

Was das mit Apolda zu tun hat?

Eigentlich nichts. 

Ich hätte auch die Stadt Datteln nehmen können, da ist die Fleischerei Baumeister pleite, oder Untergruppenbach, wo Magna 160 Stellen streicht. Ich hätte mit Forchheim anfangen können, wo der Zweiradhersteller YT Insolvenz angmeldet hat, oder mit Bietigheim-Bissingen, weil da der Maschinenbauer Dürr seine Verwaltung um 500 Köpfe einschrumpft.

Gelandet wäre ich bei der gleichen Zusammenfassung:

Das ist Deutschland heute. Wo man hinschaut.