Als Redaktion der Anstalt für Gendergerechte Sprachführung (AfGS) erhielten wir nach dem Erscheinen unseres Sprachführers
„Nonbinär – ist nicht schwer“
sehr viele Zuschriften, in denen darauf aufmerksam gemacht wurde, dass es an einer aktuell zeitgerechten Sprachführung auch für den Sprachraum des Binären bedürfe, der ja nur scheinbar in der Vergangenheit aus einem übereilten Selbstverständnis des Binären heraus für überflüssig erachtet worden sei. Binär sei eben aber mehr als nur Mann und Frau, es sei eben auch sowohl als auch – und hier fehle es doch bei Weitem an den erforderlichen sprachlichen Unterscheidungsmitteln.
Wir haben uns der Sache angenommen und sind zu dem Schluss gekommen, dass hier nicht eine grundsätzliche Fehlstelle im Sprachschatz zu erkennen sei, sondern lediglich in Einzelfällen Hilfestellung für sinnschaffende Ergänzungen nützlich sein könnte.
Es wird also vorläufig keinen Sonderband „Binär“ geben, wohl aber unsere kostenlose Anleitung, und die sofort, quasi ad hoc, hier und jetzt und an dieser Stelle.
Binär ist bi.
Die wunderbar aussagekräftige Vorsilbe „bi“ weist den Weg zu allem Binären und ist bereits so weit verbreitet, dass wirklich nur noch wenige Lücken zu schließen sind, deren Auffinden jedoch so schwierig ist, dass wir uns der Mühe nicht unterzogen haben, den gesamten Sprachraum daraufhin zu untersuchen, sondern uns auf wenige, eingängige Beispiele konzentrieren, von denen aus jeder seinen eigenen Sprachweg entwickeln und begehen kann.
Warum, fragen wir Sie, heißt, um ein erstes Beispiel aufzureißen, das Ding nicht „Det“, sondern „Bi-Det“? Doch nur, weil es, wie so mancher chinesische Chip in russischen Rakten, ein Dual-Use-Artikel ist, sowohl maskulinen als auch femininen Bedürfnissen offen stehend.
Jeder weiß auch, was ein Athlet ist. Der Bi-Athlet, oder die Bi-Athletin zeigen ihr Bi-Sein daher klar erkennbar im Namen.
Gleiches gilt sinngemäß für Bi-Bliothekarinnen und -thekare. Da ist was los, zwischen den Regalen, wo sich nicht selten auch eine Bi-Bel findet, an der so mancher Bi-Schof seine Lust am Hohen und Hehren zu finden pflegt, obwohl ihm die Gamie fast ebenso fremd sein sollte, wie die Bi-Gamie und die Bi-Gotterie. Gerne dürfen Sie auch den Bi-Kini mit neuen Augen betrachten, es könnte sich um einen bayerischen König mit wechselnden sexuellen Vorlieben handeln.
Vergleichbar den Bi-Bliothekaren sind auch die Bi-Ologen, die tagsüber in flagranti allerdings eher nicht in geschlossenen Räumen, sondern in der freien Natur anzutreffen sind, gegen Abend aber nicht nur im Bi-Wak, sondern schon auch gerne mal im Bi-Stro.
Bei Bi-Konkav und Bi-Konvex wird es wieder ganz einfach. Reine Symbolsprache, nichts anderes als ♂ und ♀. Verstanden?
Bei Bi-Labial geht es allerdings schon wieder tief ins Eingemachte. Da dürfen Sie bei Bedarf selbst googeln, nur so viel sei verraten, es ist eng verwandt mit Bi-Lingual.
Aus diesen Beispielen lassen sich im Bedarfsfall alle erforderlichen Wortkreationen mit „bi“ ableiten.
Wollen Sie Ihren Direktor binär-gerecht ansprechen, verwenden Sie einfach Bidirektor oder gleich Birektor. Minister? Biminister oder Binister.
Sie selbst sind ein Bidirektor und wünschen sich eine aufgeschlossenere Belegschaft? Laden Sie ein zum Bi-Triebsausflug! Sie werden sich wundern, wie Ihre Bi-Lanzbuchhalter aufleben. Nachhaltiger wäre allerdings das ganzjährig geöffnete Bi-Triebskasino …
Für weitere Anregungen sind wir wie immer dankbar.
Sollten Sie sich noch an unsere Veröffentlichung vom 6. Juni 2013 erinnern, mit dem Titel
Vom Endsieg der Rinnen
Und nun glauben, wir hätten klammheimlich die Seiten gewechselt, dann sollten Sie hier einfach noch einmal nachlesen:
Auch Professoren heißen nun Professorinnen.
Jedenfalls an der Uni Leipzig. Es ist Blödsinn.
Das wissen im Grunde alle. Doch wir leben in einer Zeit, in der alles „beliebig“ geworden ist, in der nichts mehr Bestand hat, nichts mehr Geltung, in der jeder aktuelle Blödsinn wichtiger genommen wird als ein konservativer Wert.
Es ist, als wüte die Pest und es käme nur noch darauf an, ein letztes Tänzchen – mit wem auch immer – zu wagen, bevor alles zu spät ist.
Und die es besser wissen, bleiben stumm in ihren vier Wänden und halten die Türen fest verschlossen, um nicht auch vom Taumel infiziert zu werden.
Dabei ist die Verwahrlosung der Sprache, um die es mir in diesem Beitrag geht, das vielleicht herausragendste Merkmal des Verfallsprozesses, den miterleben zu müssen, wir verdammt zu sein scheinen.
Dass Sprache sich wandelt, beständig wandelt, ist eine Binsenweisheit. Doch dieser Wandel vollzieht sich im lebendigen Sprachgebrauch – allmählich, und wie von selbst. Und wenn dieser stetige Wandel sich an der einen oder anderen Stelle dauerhaft manifestierte, dann war bisher immer noch rechtzeitig die Dudenredaktion zur Stelle und dokumentierte die Veränderung.
Der ganz normale, natürliche Wandel der Sprache ist mit der hier vorliegenden, brutalen und vorsätzlichen Vergewaltigung der Sprache jedoch keinesfalls gleichzusetzen.
Die „Rinnen“, die derzeit überall in die deutsche Sprache eingeschlagen werden, sind die Siegeszeichen einer kleinen, radikalen und verbohrten Minderheit, deren Penetranz im Verfechten dessen, was sie für ihre gerechtfertigten Interessen halten, kaum noch zu übertreffen ist.
Wenn nun eine deutsche Universität, also ein Teil der Pyramidenspitze des deutschen Bildungswesens, statt die Sprache vor solchem Ungeist zu schützen, den Frevlern mit wehenden Fahnen vorangeht, dann ist es vom bewussten Gebrauch der hochentwickelten Sprache eines gebildeten Volkes bis zum unverständlichen Lallen der Besoffenen nicht mehr weit hin.
Es geht hier nicht um Literatur, nicht um Schriftsteller und große Auszeichnungen für ihre Werke – es geht um unser aller Alltagssprache, um das Werkzeug, mit dem wir uns untereinander verständlich machen, ein mächtiges Werkzeug, wenn man es klug einsetzt.
Der Spracherwerb – wohl am schönsten durch den Begriff „Muttersprache“ zum Ausdruck gebracht, vollzieht sich über eine weite Strecke wie von selbst. Erst spät, wenn der Wortschatz schon weit gespannt, das Sprachgefühl entwickelt ist, kommt die Schule dazu und vermittelt zum Sprachwissen das Regelwissen und zum Regelwissen das Wissen um die Verbindlichkeit von Aussagen und die Notwendigkeit ihrer regelgemäßen Formulierung.
Sogar Satzzeichen spielen bei der Deutung von Aussagen eine wichtige Rolle, wie sich – schmunzelnd – am altbekannten Beispiel nachvollziehen lässt:
Was willst du denn schon wieder?
Was, willst du denn schon wieder?
Ja, sprechen und dabei richtig betonen, das können noch viele. Schreiben, und dabei richtig interpunktieren, das sind schon einige weniger.
Bastian Sick beklagt seit vielen Jahren den Tod des Genitivs – und es wird immer schlimmer. Tot lässt sich nicht steigern? Wer sagt denn das? Wo es den Herrn Professorin gibt, da darf es auch den töteren und den totesten Genitiv geben.
Wie lange wird es noch dauern, bis die Kultusministerkonferenz daherkommt und ihre nächste Sprach- und Rechtschreibreform verkündet, zunächst noch mit vielen, vielen Ausnahmen, doch mit der neuen Grundregel:
Rinnen-Regel
(zum besseren Verständnis für eine Übergangszeit von 18 Monaten noch im archaischen Macho-Deutsch verfasst)
Alle Worte, die nicht nur am Satzanfang groß geschrieben werden, erhalten grundsätzlich die sich aus dem Sprachgefühl ergebende weibliche Endung. Die ursprünglichen Artikel bleiben erhalten, es sei denn, dass dadurch eine sinnentstellende Kombination entsteht oder das Sprachgefühl mehr als nur erheblich gestört wird. Ein entsprechender Beispielkatalog ist in Arbeit und wird bis Ende 2018 für den Unterricht an allen Schulen und für den Gebrauch in Ämtern und Behörden verbindlich verabschiedet.
Rinninnen-Regelin
(im modernen und geschlechtsneutralen Tussyinnen-Deutschin)
Alle Wortinnen, die nicht nur am Satzanfangin groß geschrieben werden, erhalten grundsätzlich die sich aus der Sprachgefühlin ergebende weibliche Endungin. Die ursprünglichen Artikelinnen bleiben erhalten, es sei denn, dass dadurch eine sinnentstellende Kombinationin entsteht oder die Sprachgefühlin mehr als nur erheblich gestört wird. Ein entsprechender Beispielkatalogin ist in Arbeitin und wird bis Endein 2018in für den Unterrichtin an allen Schulinnen und für die Gebrauchin in Ämterinnen und Behördinnen verbindlich verabschiedet.
Es sei übertrieben?
Ach Gott!
Der Blödsinn geht kaum noch höher. Professoren sprechen sich als Professorinnen an, und weil das noch nicht kaputt genug ist, unterscheiden sie dann wieder fein säuberlich zwischen dem Herrn Professorin und der Frau Professorin?
Oder unterscheiden sie zwischen der Herr Professorin und der Frau Professorin?
Oder, um der Ausgewogenheit willen, zwischen der Herr Professorin und dem Frau Professorin?
Wer einen Professor zur Professorin macht, der soll auch die Begriffe Mann und Frau, Herr und Dame, Sohn und Tochter, Henne und Hahn, Sau und Eber, Nonne und Mönch streichen – und viele, viele weitere dazu.
Es reicht doch, wenn man von einfachen Geschlechtsreifinnen, gehobenen Geschlechtsreifinnen, Kinderinnen, Hühnerinnen, Schweininnen und Ordensleutinnen spricht.
Wer einen Professor zur Professorin macht, der sollte auch die überflüssigen Worte „er“ und „sie“ streichen, es genügt dann doch, „esinnen“ zu haben, „der“ und „die“ können durch „dasin“ ersetzt werden, „einer“ und „eine“ entfallen zugunsten von „einin“, „jeder“ und „jede“ streichen wir und sagen „jedin“, und so weiter, und so weiter…
Der Satz: „Der Professor antwortete, er fühle sich – wie jeder Mann – durch die neue Sprachregelung diskriminiert“, müsste dann halt so lauten:
„Dasin Professorin antwortete, esin fühle sich – wie jedin einfache Geschlechtsreifin – durch dasin neue Sprachregelungin diskriminiert“.
Es sei übertrieben?
Ach Gott!
Die machen da in Leipzig Männer zu Frauen, per Universitäts-Satzung – und wenn ich darüber schreibe, dann übertreibe ich?
Wie ist es denn dem Neger ergangen. Schönes, klares, deutliches Wort aus dem Schatz unserer Sprache. Ein Wort, das angeblich mindestens ebenso leicht zur Diskriminierung einlud, wie achtlos weggeworfene Bananenschalen zum Ausrutschen.
Der Neger ist nicht mehr. Er ist jetzt ein „stark Pigmentierter“.
(Die meisten Neger kommen allerdings gar nicht auf die Idee, dass sie damit gemeint sein könnten.)
Und da soll man nicht das Kotzen kriegen?
Der weißhäutige Negerkönig im Taka-Tuka-Land Astrid Lindgrens ist zum Südsee-König geschrumpft worden. Bald wird man uns nahelegen, nicht mehr diskriminierend von Reichen oder Superreichen zu sprechen. Das Ersatzwort ist schon längst in Gebrauch. Wer mehr hat, der ist schlicht und einfach Elite.
Es gibt auch keine Armen mehr, schon lange nicht mehr, nur noch „Leistungsempfänger“ – also solche, denen (unverdient) Gutes widerfährt.
Aus dem Arbeitsamt ist das JobCenter geworden, wo man denen, die es nur von außen kennen, weis macht, die Arbeitslosen kämen als Kunden ins JobCenter und bräuchten sich die Jobs nur aus den Regalen zu nehmen und in die Einkaufswagen zu legen – doch dazu hätten die faulen Säcke nun mal keine Lust …
Wenn ein Arbeitsloser Kunde genannt werden darf, warum in aller Welt soll dann nicht ein Professor als Professorin angesprochen werden?
Warum nicht?
Weil er sich wehren könnte!
Weil er die intellektuellen Fähigkeiten und die wirtschaftliche Sicherheit haben sollte, sich nicht zum Opfer dieser sprachlichen Schlammschlacht machen zu lassen, die Orwell einst „Neusprech“ nannte.
Weil der Herr Professor sich selbst so viel wert sein sollte.
Weil der Herr Professor es nicht nötig hätte, sich selbst zur Kastration anzubieten, wie hier offenbar geschehen.
Was ist denn der Antrieb hinter all diesem faulen Zauber?
Ja. Freud nannte es Penisneid.
Damit darf man den Neusprech-Verfechtern allerdings nicht kommen. Da brodeln und fauchen sie wie überhitzte Dampfkochtöpfe.
Und es ist ja wohl auch nicht richtig. Es steckt schon mehr dahinter.
Sicher, da gibt es im Lager der Frauenrechtlerinnen einige, die aus Motiven des „Geschlechterkampfes“ heraus argumentieren, doch ich meine, dass es da eine übergeordnete Regie gibt, von der sie sich – ob willig oder ungewollt sei dahingestellt – instrumentalisieren oder doch zumindest einbinden lassen in diesen Kampf um die geistige Gesundheit.
„Herr Professorin“- das ist krank.
Das hätte – früher und im starrsinnigen Wiederholungsfall – zur psychiatrischen Behandlung geführt.
Sprache ist, mehr als jedes andere Werkzeug, das sich die Menschheit geschaffen hat, Ordnungs- und Orientierungsmittel. Und überall da, wo Sprache ernsthaft und auch nicht künstlerisch gebraucht wird, wird „Herr Professorin“ eben nicht als die Bezeichnung für einen Professor verstanden, sondern als mehr oder minder zynisch-sarkastisch-ironisch-spöttische Anspielung auf das ausgeprägt maskuline Erscheinungsbild oder Verhalten einer Professorin – oder auf das ausgeprägt feminine Erscheinungsbild oder Verhalten eines Professors aufgefasst.
Wer so bezeichnet wird, verkommt in der deutschen Sprache zur Witzfigur, ganz unabhängig davon, welche primären und sekundären Geschlechtsmerkmale ihren/seinen Körper schmücken mögen.
Solche Sprachfiguren dürfen Kabarettisten benutzen, um eine Pointe zu setzen, solche Sprachfiguren dürfen Politiker (dank Immunität) benutzen, um den politischen Gegner verächtlich zu machen, solche Sprachfiguren dürfen Schriftsteller und Lyriker benutzen, um einem Gedanken auf originelle Weise Ausdruck zu verleihen – eine Universitätsverwaltung sollte sich dessen in ihrem üblichen Kontext tunlichst enthalten.
Sprachverwirrung hat – so die Bibel – zum Abbruch des Turmbaus und zum Untergang Babylons geführt.
An unserer Sprache wird von verschiedenen Seiten gesägt. Die sonderbare Erbkrankheit Legasthenie erlaubt immer mehr Schülern, sich per Stempel und Attest vom Erlernen der Sprachregeln – ohne Schaden für den Notendurchschnitt – fern zu halten.
Die Überschwemmung mit Anglizismen, die vor allem von der Werbung – ohne echte Notwendigkeit – vorangetrieben wird, schmälert die Differenzierungsfähigkeit, weil dem fremden Wort die passenden Synonyme nicht mitgeliefert werden. Es steht wie die Ambrosia ohne natürliche Feinde im Sprachgarten und verdrängt alles, was im Lebensraum vorhanden war, aber der Aggressivität des Neulings nichts entgegenzusetzen hat.
Die „Political Correctness“, der schon viele Worte und Begriffsbildungen geopfert wurden, trägt ihren Teil ebenso dazu bei, wie die Gender-Mainstream-Mania, die uns nun – nach der Frauenquote in den Aufsichtsräten und der dummdreisten Behauptung, Frauen und Männer unterschieden sich nur, weil man sie unterschiedlich erziehe – als jüngste Blüte eines unbeirrbaren Fanatismus „die Herr Professorin“ beschert hat.
Das sei übertrieben?
Ach Gott!
Es darf doch niemand glauben, dass es damit nun endgültig sein Bewenden haben wird, dass das Ende der Fahnenstange erreicht sei.
Es wird weitergehen.
Mir fehlt die kranke Fantasie, um mir auszumalen, was als nächstes unter Beschuss genommen werden wird. Vielleicht wird man die Begriffe „links“ und „rechts'“ für diskriminierend erachten und stattdessen „nichtmittig“ verwenden müssen.
Vielleicht geht es „oben“ und „unten“ an den Kragen und es muss heißen „niveaudifferent“.
Herr Professorin – das ist der Dammbruch, dem nach der ersten Woge eine Flut folgt, die für die deutsche Sprache verheerender sein wird, als die Hochwasser an Elbe und Donau.
Wo Flüsse über die Ufer treten, ist eine große gemeinsame Anstrengung zu beobachten, die Schäden schnellstmöglich zu beheben, Zerstörtes wieder herzustellen und die Dämme zu erhöhen.
Wo sprachlicher Unrat sich Bahn bricht, ist von einer Feuerwehr oder vom Technischen Hilfswerk weit und breit nichts zu sehen – und auch die Goethe-Institute in aller Welt bewahren ihre erstebürgerpflichtsgemäße Ruhe.
… und deswegen ist wieder mal alles an mir hängen geblieben.