Friedrich Merz: Die Rente ist ein seltsames Spiel

Unser Bundeskanzler, gerne zu Gast in Talkshows, hat bei n-tv bei Pinar Atalay einen Satz rausgehauen, den ich nur noch als „Abgrund von Ahnungslosigkeit“ bezeichnen kann. Es ging um die Staatsfinanzen, um die Sozialsysteme und hier auch ganz speziell im die Rente. Man muss Merz zugute halten, dass die Rente, die er vielleicht neben seinen Einkünften aus Kapitalerträgen  und Pensionen, Vortragshonoraren und anderen Quellen mit Erreichen der Altersgrenze aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen wird, für ihn keiner näheren Betrachtung wert ist. Peanuts. Egal, was da rauskommt, darauf ist er so was von nicht angewiesen …

Wenn er jedoch mit Pinar Atalay talkt, dann will er, der große Sohn Brilons, natürlich brillieren und zeigen, dass er sich zu allem, was in Deutschland wichtig ist, seine eigenen Gedanken gemacht hat und auch weiter machen wird.

Also entdeckt er die große Rentenungerechtigkeit, die vorher noch niemand in dieser Klarheit auf den Tisch gelegt hat, und spricht den folgenden großen Satz gelassen aus:

„Jemand, der mit 17 angefangen hat zu arbeiten und mit 67 in Rente geht, hat sehr viel mehr eingezahlt als jemand, der mit 35 erst in den Beruf eintritt. Muss man das nicht unterschiedlich bewerten?“

Welch ein Blödsinn!

Stellt sich Herr Merz das so vor, dass jeder, der ein Entgelt aus einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis bezieht,  davon Monat für Monat einen bundeseinheitlich festgelegten Betrag an die Rentenkasse abliefert? Sagen wir monatlich 342 Euro?

Dann, und nur unter dieser absurden, vollkommen realitätsfremden Annahme, hätte der eine tatsächlich 205.200 Euro einbezahlt, der andere hingegen nur 131.328 Euro.

Stellt sich Merz nun weiter vor, dass dessen ungeachtet beide bei Renteneintritt die gleiche Rente in Höhe von 1.480 Euro erhalten werden?

Wie kommt Friedrich Merz auf diese Idee? Nun, es bleibt eigentlich keine andere Erklärung übrig: Er muss nachgedacht haben.

Besser wäre gewesen, er hätte sich informiert.

Der Rentenbeitrag richtet sich nach dem Einkommen. Wer wenig verdient, zahlt wenig in die Rentenversicherung ein. Wer fünfzig Jahre lang wenig verdient, was bei Menschen, die mit 17 in die Arbeitswelt einsteigen aufgrund der persönlichen Qualifikation sehr viel wahrscheinlicher ist als bei Menschen, die nach Studium und Auslandsaufenthalt erst mit 35 den ersten Euro unter der Aufsicht des deutschen Sozialstaates verdienen, zahlt fünfzig Jahre lang wenig ein.

Es ist nicht unmöglich, sondern ganz normal, dass in 32 Berufsjahren in einem hochbezahlten Job bis zum Renteneintritt in Summe weit höhere Beiträge an die Rentenversicherung abgeführt wurden als in 50 Berufsjahren mit Hilfsarbeiter-Tätigkeiten.

Und das, jemand sollte dem Kanzler das mitteilen, wird bei der Festsetzung der Rente ganz exakt berücksichtigt. Die Methode klingt ein bisschen kompliziert, ist es aber gar nicht.

Der Versicherte der Rentenversicherung erwirbt in jedem Kalenderjahr so genannte „Rentenpunkte“. Wer genau das Durchschnittseinkommen aller Versicherten erzielt hat, bekommt genau einen Rentenpunkt. Wer weniger verdient hat, bekommt weniger, also vielleicht 0,5 oder 0,2 Rentenpunkte, wer mehr verdient hat, bekommt vielleicht 1,9 Rentenpunkte. 

Alle im Laufe des Berufslebens gesammelten Rentenpunkte werden addiert – und dann mit dem jeweils aktuellen Rentenwert multipliziert.

Liegt der Rentenwert pro Punkt bei 40 Euro, und einer hat 50 Jahre lang je 0,5 Rentenpunkte gesammelt, dann erhält er eine Rente von 1.000 Euro. Wer 32 Jahre lang 1,9 Punkte erhalten hat, dessen Rente beläuft sich auf 2.432 Euro.

Was, lieber Herr Merz, müsste da wohl noch unterschiedlich bewertet werden?