Die Ukraine klemmt der EU das Gas ab – und Putin ist schuld!

Die Berichterstattung vieler deutscher Qualitätsmedien suggeriert den Lesern, Putin habe mit dem Gasstopp eine neue Eskalationsstufe in seinem völkerrechtswidrigem Angriffskrieg eingeläutet:

  • Russland stoppt Gasexport durch die Ukraine – schreibt ntv
  • Russischer Gasexport über die Ukraine gestoppt – meldet die Tagesschau
  • Russland stoppt Gaslieferung durch Ukraine nach Europa – so lauten die Fakten beim ZDF
  • Russland stoppt Gaslieferungen durch die Ukraine – heißt es bei der Süddeutschen
  • Kein russisches Gas mehr durch Ukraine – liest es sich beim BR
  • Moskau beendet Gasexporte nach Europa über Kyjiw – behauptet man bei Euronews

Die Hammerüberschrift eines überambitionierten Redakteurs beim Tagesspiegel dreht den Spieß noch einmal vollständig um und eröffnet seinen Lesern:

  • Ukraine dreht Russland den Gashahn zu

Daneben gibt es auch Überschriften, die den Vorgang wahrheitsgemäß abbilden:

  • Ukraine stoppt Durchleitung von russischem Gas Richtung  Europa – schreibt zum Beispield der Focus
  • Ukraine stellt russische Gaslieferungen nach Europa ein – liest man im Stern

Selbstverständlich hat keines der hier angeführten Medien die Unwahrheit verbreitet, niemand hat gelogen, von Fake News kann keine Rede sein, denn Russland selbst hat eingestanden, dass es weder über die juristischen noch über die technischen Möglichkeiten verfüge, weiterhin Gas via Ukraine in die EU zu liefern, nachdem die Ukraine das diesbezüglich Transitabkommen nicht verlängert hat. Das heißt doch ganz klar, dass Russland den Export gestoppt hat – oder etwa nicht?

Der Verdacht der Desinformation wird doch nur von jenen gehegt und geschürt, die hinter jeder Formulierung gleich ein „Framing“ vermuten und hinter jeder zugkräftigen Überschrift eine riesige journalistische Schweinerei wittern.  Die sollten froh sein, dass die Qualitätsmedien überhaupt darüber berichten. Man könnte solche Themen schließlich auch einfach weglassen. Das wäre jedenfalls der bequemere Weg.

So setzt man sich doch der Gefahr aus, dass die Leute beginnen, nachzufragen, was man vorsichtig einzuhegen hat, indem ungefragt bereits die unverfänglichen Antworten mitgeliefert werden.

Es sei nicht schlimm, berichtet man folglich aus erlauchten Brüsseler Kommissionskreisen, über die Ukraine sei sowieso schon kaum noch Gas bezogen worden. Gas sei außerdem genug verfügbar und die nagelneuen deutschen LNG-Terminals hätten noch erhebliche Kapazitäten frei, um Russengas durch LNG-Gas zu ersetzen.

Die eigentliche Frage wird hingegen nur am Rande behandelt, und diese Frage lautet:

„Warum hat Selenski das Transit-Abkommen nicht verlängert?“

Wenn mir in jüngster Zeit keine wesentliche Information entgangen sein sollte, bezieht und verbraucht die Ukraine nach meinem Kenntnisstand selbst weiterhin in großen Mengen russisches Pipelinegas und gibt ansehnliche Teile der Hilfsgelder des Wertewestens an Russland weiter um dieses Gas zu bezahlen.

Was Selenski für die Ukraine selbst in Anspruch nimmt, nämlich sich preiswert mit zuverlässig strömendem Erdgas zu versorgen, will er der EU offenbar nicht zugestehen. Andererseits hört man von der Brüsseler Zentrale der Sanktionsgeschädigten, dass dort eindeutig die Interessen Kiews vertreten werden, hinter denen die Interessen Bratislavas nun einmal zurückstehen müssen. Es  wird sich schon Gas finden lassen, für die Slowaken. Auch bei Ungarn und Österreich bestünde nicht ein Hauch von Abhängigkeit, da diese ihr Russengas schließlich über die Türkei beziehen könnten – und sollten die Kapazitäten von Turkstream nicht ausreichen, dann gibt es da ja immer noch die deutschen Habeck-Terminals, über die sogar in Indien verflüssigtes, russisches Erdgas ins europäische Gasnetz eingespeist werden könne, vom US-Frackinggas, von dem wir gar nicht genug importieren können, um weiteren Strafzöllen zu entgehen, ganz zu schweigen.

Das klingt fast so, als habe die EU Selenski selbst aufgefordert, das Transitabkommen nicht zu verlängern und zur Kompensation für entgangene Transitgebühren den deutschen Anteil an den Hilfsgeldern noch einmal entsprechend aufzustocken. Doch auch wenn die EU hier nicht aktiv Vorgaben gemacht haben sollte: Die Billigung des ukrainischen Vorgehens hat keine andere Wirkung: „Gas, als Rohstoff und Energieträger, wird hierzulande teurer. “

Dass es sich nicht um eine zwangsläufige Folge externer Ereignisse handelt, sondern um einen Spleen der Grünen, die darauf setzen, dass jeder Anstieg der Energiepreise den Anstieg der dreißigjährigen Welt-Durchschnitts-Lufttemperaturen begrenze, darf natürlich nicht thematisiert werden, und dass Putin (oder vielleicht sogar Selenski) uns mit seinem Exportstopp helfen wollen könnte, unsere Klimaziele zu erreichen, passt erst recht in keins der gängigen Narrative mehr. Außerdem ist es kompletter Quatsch. Putin würde jederzeit wieder in die EU liefern, sogar nach Deutschland, und das über den heilgebliebenen Strang von Nord Stream 2.

Die Elon-Musk-Partei, die sich derzeit noch als Alternative für Deutschland bezeichnet, will im Falle ihres Wahlsiegs ja sogar alle Nordstream-Röhren reparieren – so jedenfalls Chrupalla – und wenn man schon mal dabei ist, wäre da vermutlich auch noch Platz für eine Hyperloop-Verbindung zwischen St. Petersburg und Hamburg.

Warum denn nicht?

Nach drei Jahren Zwangsdiät mit vor quälendem Energiehunger kraftlosem Wirtschaftsmotor und delirierendem Geist, sollten wir das Gewand der Klimabüßer abstreifen, die Asche von unserem Haupt schütteln und uns mit bayrischem Schweinsbraten, schwäbischen Maultaschen, Pfälzer Saumagen, Flammkuchen von der Saar, Westfälischem Schinken, Hanseatischem Grünkohl, Thüringer Bratwürsten, Dresdner Stollen, Wolfsburger Currywurst und Kalbsleber Berliner Art die Kraft holen, die es uns ermöglicht, den Augiasstall auszumisten und neu aufzubauen, was zwischenzeitlich verlottert ist oder vorsätzlich zerstört wurde.

Das sind nicht nur die Straßen und Brücken, die Wasser- und Schienenwege, es sind nicht nur die Kern- und Kohlekraftwerke, es sind genauso die Schulen und Universitäten, die Krankenhäuser und Pflegeheime, die Bäcker, die Metzger, die kleinen Kneipen und Restaurants, die Schwimmbäder und Sporthallen.

Vor allem aber ist es die mentale Gesundheit, die wir zurückgewinnen müssen, und die beginnt nun einmal beim gesunden Selbstwertgefühl, das all die Fesseln abschüttelt, die uns hindern, frei und offen das auszusprechen, was wir denken, fühlen und wollen, und ebenso frei das abzulehnen, was wir nicht wollen. Mentale Gesundheit erfordert es aber auch, in allen Belangen zum zuträglichen Maß zu finden, das leider viele verloren haben. Mentale Gesundheit ist zudem untrennbar verbunden, mit verlässlichen, allgemeingültigen Werten und der Bereitschaft, Pflichten und Verantwortung zu übernehmen.

Ein Staat, der Millionen von erwerbsfähigen Bürgern und Ausländern vor die Alternative „Lohn für Arbeit oder Bürgergeld fürs Nichtstun“ stellt, und es zulässt, ja sogar provoziert, dass die Abwägung des cleveren Egoisten das Nichtstun vorzieht, ein solcher Staat ist krank! In einem solchen Staat tritt die kollektive mentale Schwäche aller Bürger, ihren Pflichten und ihrer Verantwortung gerecht  werden zu wollen, sichtbar an die Oberfläche.

Ein Staat, der Denunziation mit Meldestellen fördert, wobei es aber nicht um die Abwehr existentieller Gefahren, sondern lediglich darum geht, das schwächelnde Selbstwertgefühl seiner Repräsentanten, das schon durch pointierte Kritik ins Wanken gerät und die eigene Legitimität schwinden sieht, durch Strafanzeigen gegen harmlose Bürger mit abweichender Meinung am Leben zu erhalten, ein solcher Staat ist krank. In einem solchen Staat tritt die kollektive Schwäche aller Bürger, den einst bewährten und anerkannten Wertekanon zum Wohle der gesamten Gesellschaft zu erhalten und zu bewahren, sichtbar an die Oberfläche: Der größte Schuft im ganzen Land, respektvoll „Melder“ wird genannt.

Dass der Kanzler, gerade wieder in seiner Neujahrsansprache, „Zusammenhalt“ gefordert hat, ist nicht hilfreich, solange er nicht deutlich den Geist benennt, unter dem zusammengehalten werden soll. Im Geiste von Meldestellen und Trusted Flaggers ist Zusammenhalt nur eine schöne Illusion, die sofort zusammenbricht, wenn sich ein Melderlein einen Vorteil verspricht.

Zusammenhalt zu fordern ist ebenfalls nicht hilfreich, wenn nicht deutlich ausgesprochen wird, welchem Ziel der Zusammenhalt dienen soll. Ist das Ziel unter dem Dach deutscher Interessen zu finden, wo es  um „Nutzen mehren und Schaden abwenden“ geht, oder liegt es außerhalb dessen und ist mit „um jeden Preis“  und „solange es nötig ist“ etikettiert?

Letztlich muss es beim Zusammenhalt auch darauf ankommen, mit wem und gegen wen zusammengehalten werden soll. Den Feind meines Feindes schon zum Freund zu erklären, ist entweder naiv oder ätzender Zynismus. Zum törichten Wahnsinn gerät es jedoch, wenn wir ohne diesen „Freund“ gar nicht wüssten, dass wir seinen Feind auch als unseren Feind ansehen und behandeln müssten.

Erinnern Sie sich einfach mal daran, wer uns alleine im letzten Jahr alles als unser Feind vorgestellt wurde, gegen den wir mit dessen Feind zusammenhalten müssten. Fragen Sie sich dann, welche aggressiven Handlungen diese Feinde gegen uns vorgetragen haben. Fragen Sie sich auch, welchen Nutzen es uns gebracht hat, gegen diese Feinde zusammenzuhalten.

Ja, und dann lesen Sie diesen Aufsatz einfach noch einmal.