
PaD 20 /2025 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad20 2025 Die Rente ist Symptom, nicht das Problem
Die meisten Deutschen hoffen darauf, nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben eine Rente zu erhalten, von der sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können.
Das ist im Großen und Ganzen auch noch der Fall, man kann weiterleben, wenn auch mit Abstrichen, und wenn die Rente besonders niedrig ausfällt, ist der Staat bereit, bis zum Existenzminimum aufzustocken.
Ein Blick in die Glaskugel offenbart jedoch, dass zwischen den wichtigsten volkswirtschaftlichen Kennzahlen ein Problem lauert, das unlösbar erscheint.
Immer weniger Beitragszahler mit oft genug problematischen Erwerbsbiografien stehen einer wachsenden Zahl von Rentnern gegenüber, die aufgrund ihrer eigenen Beitragszahlungen Ansprüche erworben haben, die von den aktiven Beitragszahlern aber nicht mehr ohne spürbare Einschränkungen des eigenen Lebensstandards aufgebracht werden können.
Diese Binsenweisheit muss an dieser Stelle nicht vertieft werden, und wer es genauer wissen will, kann sich alle Informationen leicht verschaffen.
Der Vorschlag von Bärbel Bas, der Rentenkasse Entlastung zu schaffen, indem Beamte und Selbständige in die Versicherungspflicht einbezogen werden, ist als Ausfluss eines irrationalen Gerechtigkeitsreflexes anzusehen und bleibt folglich unwirksam an der Oberfläche. Mehr Beitragszahler heißt schließlich auch: Mehr Rentenempfänger. Das Problem wird damit lediglich auf ein höheres Niveau gehoben und dabei ohne Einfluss auf die Relationen, lediglich quantitativ vergrößert.
An den grundsätzlichen Missverhältnissen, die im Rentensystem ja nur als Symptome einer strukturellen Unwucht unserer Volkswirtschaft in Erscheinung treten, ändert sich damit nichts.
Hier soll es darum gehen, das strukturelle Problem zu erkennen und einen Lösungsansatz vorzustellen, dessen Wirkprinzip sich allerdings erst erschließt, wenn man die Rente nicht isoliert betrachtet, sondern als eine von drei wesentlichen Phasen im Lebenszyklus der Menschen wahrnimmt.
Zwei dieser Phasen sind rein konsumtiv. In Kindheit und Jugend ist die eigene Produktivität nicht nennenswert, im Alter ebenfalls nicht.
Die dritte Phase ist die Phase der Produktivität, des Konsums und der Fürsorge für Kinder und Alte.
In einer geschlossenen Volkswirtschaft gilt, dass die Produktiven alle Waren und Dienstleistungen hervorbringen müssen, die von der gesamten Bevölkerung benötigt werden. Je leistungsstärker die Produktiven, desto größer der Wohlstand der Gesamtbevölkerung.
Da letztlich alle Menschen im Lande alle drei Phasen durchleben, sollte es unter vernünftigen Erwachsenen keine Diskussion darüber geben, was grundsätzlich als gerechte Anteile von Kindern, Rentnern und Berufstätigen anzusehen sein sollte.
Jeder Produktive muss nicht nur sich selbst versorgen, sondern auch den Unterhalt für ein Kind erwirtschaften, wenn die Population erhalten bleiben soll, und ebenfalls einen Rentner mitversorgen, um den alten einen sorgenfreien Lebensabend zu ermöglichen.
Dazu gehört es, dass die Produktiven die Infrastruktur schaffen und erhalten müssen, womit über die Grundversorgung hinaus auch die Aufwände für die innere und äußere Sicherheit sowie für eine wie auch immer geartete Regierung gemeint sein sollen. Vom Ergebnis der Leistung sind also ungefähr 20 Prozent für Gemeinschaftsaufgaben beim Staat abzuliefern. Es verbleiben also 80 Prozent für den individuellen Lebensunterhalt.
Teilt man die Lebensphasen grob ein in
20 Jahre Kindheit, Jugend, Ausbildung
40 Jahre produktive Arbeit
20 Jahre Ruhestand
wird deutlich, dass der Produktive während des Arbeitslebens über seinen eigenen Bedarf hinaus die Lebensgrundlagen für ein Kind und einen Rentner jeweils für 20 Jahre erwirtschaften muss.
Das ginge prinzipiell ungefähr auf. Die Gesamtleistung bestimmt den Gesamtwohlstand. Das Risiko von Kinder- und Altersarmut wäre auf unvermeidliche Fälle unverschuldeter Not reduziert.
Glücklicherweise sind Menschen keine Ameisen, die im Pheromon-Nebel der Königin ohne eigenen Willen ihre vorbestimmten Aufgaben ausführen, bis sie der Tod ereilt, sondern selbständige, selbstbewusste Individuen, die versuchen, voller Selbstvertrauen, ihr jeweils eigenes Glück zu schmieden. Dass es dabei intelligente und weniger intelligente Strategien gibt, dass viele einfach nachahmen, was andere vormachen, soll hier nicht vertieft werden. Fakt bleibt nämlich dennoch, dass die Verfolgung individueller Interessen stets mit einem gesteigerten Maß an Verantwortung für sich selbst verbunden ist, wodurch die Wahrnehmung einer Mitverantwortung für die Allgemeinheit zwangsläufig reduziert wird. Dies nützt dem Einzelnen, entpuppt sich bei der Finanzierung kollektiver Systeme jedoch als ein schwerwiegender Nachteil.
So schwerwiegend, dass sogar die Frage gestellt werden muss, ob kollektive Systeme der sozialen Sicherheit in einem Umfeld überbordender individueller Egoismen überhaupt noch sinnvoll sein können.
Denn alles, was von hoher Warte aus und im volkswirtschaftlichen Maßstab betrachtet so aussieht, als könne der erwünschte Interessensausgleich gewährleistet werden, erweist sich im Streit der individuellen Einzelinteressen um Teilhabe als vollkommen untauglich und läuft momentan bei der gesetzlichen Rentenversicherung ebenso ins Systemversagen hinein, wie bei den Pflegekassen. Die gesetzliche Krankenversicherung hinkt auf diesem Weg noch etwas hinterher, befindet sich aber ebenfalls in einer schweren Krise.
Ein anderes, weniger problematisches System ließe sich leicht errichten, wären da nicht die bereits erworbenen Ansprüche aus dem bestehenden System.
Man kann einem gutsituierten Rentner nicht einfach Teile seiner Rente wegnehmen, auch wenn das im Einzelfall vollständig zu rechtfertigen wäre.
Man kann auch dem vierzigjährigen Beitragszahler nicht einfach die bereits erworbenen Ansprüche streichen, um die Hindernisse für ein anderes System aus dem Weg zu räumen.
Es wird daher unausweichlich sein, das bestehende System zu erhalten, bzw. parallel weiter zu betreiben, bis ein jahrzehntelanger Umstellungsprozess abgeschlossen sein wird.
Schauen wir also noch einmal auf das, was wir haben, und versuchen wir, herauszufinden, worin das grundsätzliche Problem der umlagefinanzierten Rente liegt, und dann wo die Ursachen für dieses Problem liegen, und wiederholen diese vertiefende Ursachensuche so lange, bis der Schalter gefunden ist, der umgelegt werden sollte, um die Rente wieder sicher zu machen.
Achtung! Ab jetzt wird es komplex!
Das Grundübel der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland besteht darin, dass ein großer Teil der Rentenempfänger eine Rente erhält, die bei weitem nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu sichern, und dass fast alle Rentner beim Eintritt in den Rentenbezug deutliche Einschnitte in den gewohnten Lebensstandard hinnehmen müssen, obwohl ihre finanzielle Belastung mit dem Wegfall berufsbedingter Kosten geringer wird.
Ja. Das ist das Grundübel.
Nicht die Demografie, nicht die Beamtenpensionen, nicht die Lebensarbeitszeit, nicht die Verletzung von Gleichheitsprinzipien …
Die Rente reicht nicht.
Wenn die Rente nicht reicht, kann das unterschiedliche Gründe haben. Ein wichtiger Grund darunter ist darin zu sehen, dass die Lebenshaltungskosten in Deutschland zu hoch sind, wobei insbesondere Mieten und Energiekosten eine Rolle spielen, aber eben auch das allgemeine Preisniveau, das durch hohe Kosten für Produktion und Distribution ebenso entstanden sein kann, wie durch die permanente Geldentwertung, die sowohl aus einer inflationären Geldschwemme als auch durch Knappheit von Gütern, Waren und Dienstleistungen entstehen kann.
Erkennt man aber, dass die berufstätige Bevölkerung mit ihrem Netto-Einkommen besser mit dem Preisniveau zurechtkommt als die Rentner, so deutet dies darauf hin, dass das gesetzlich festgeschriebene Rentenniveau schlicht und einfach zu niedrig angesetzt ist. Im europäischen Vergleich sind nur in Estland, Lettland, Litauen, Irland und Polen noch niedrigere Renten im Vergleich zu den Netto-Einkommen aus sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit festzustellen.
Warum ist das Rentenniveau in Deutschland so niedrig?
Nun, rein technokratisch betrachtet liegt das daran, dass die Beitragseinnahmen nicht ausreichen, um unter Berücksichtigung der individuell erworbenen Rentenansprüche die Rentenpunkte höher zu bewerten und so zu entsprechend höheren Auszahlungen zu gelangen.
Es ist sowieso schon so, dass die Steuerzahler mit zur Kasse gebeten werden, um einen jährlichen Bundeszuschuss in der Größenordnung von rund 85 Milliarden Euro zur Auffüllung der Rentenkasse zu leisten. Dass es sich dabei nur um die (unvollständige) Kompensation dessen handelt, was der Staat der Rentenkasse (der gesetzlich Pflichtversicherten) an versicherungsfremden Leistungen aufbürdet, soll hier nur erwähnt, nicht aber vertieft werden.
Insgesamt standen der Rentenversicherung 2023 rund 380 Milliarden Euro an Einnahmen zur Verfügung, die auch nahezu vollständig wieder ausgegeben wurden. Inzwischen dürften wir die 400 Milliarden Grenze überschritten haben.
Wollte man das Rentenniveau in Deutschland von gut 50 Prozent des Nettoeinkommens auf jene knapp 75 Prozent anheben, die in Frankreich gezahlt werden, müssten die Einnahmen der Rentenversicherung von 400 auf 600 Milliarden Euro steigen. Nimmt man den Bundeszuschuss heraus, geht es um die Steigerung der Beitragseinnahmen von 320 auf 520 Milliarden Euro, was mit einer Anhebung des Beitragssatzes von 18,6 auf 30,2 Prozent verbunden wäre.
Allerdings läge die Rente erst dann tatsächlich bei 75 Prozent vom Netto, wenn der Rentner volle 50 Jahre Beiträge gezahlt hätte.
(Netto p.a. 40.000, 50 Jahre á 12.000 Euro Beitrag, entspricht 20 Jahre 30.000 Euro Rente).
Nehmen wir an, der Wirtschaft gelänge es, die Steigerung der Personalkosten um rund 11,5 Prozent vollständig in den Preisen weiterzugeben, entstünde ein Anstieg des Preisniveaus um etwa 5,3 Prozent, während der Arbeitnehmeranteil die Kaufkraft der Nachfrage der Beschäftigten deutlich stärker, nämlich um 9,2 Prozent schrumpfen ließe.
Berechnung | vorher | nachher |
Brutto-Einkommen | 5.000 Euro | 5.000 Euro |
Lohnsteuer | 417 Euro | 417 Euro |
Rentenversicherung | 465 Euro | 750 Euro |
Sonst. Soz.Vers. | 613 Euro | 613 Euro |
Netto-Einkommen | 3.505 Euro | 3.220 Euro |
Die Kaufkraft der Rentner hingegen würde (in der Spitze) um bis zu 50 Prozent steigen.
Ganz abgesehen davon, dass die durch diese Umverteilung ausgelösten wirtschaftlichen Verwerfungen, insbesondere im Exportsegment, noch in keiner Weise berücksichtigt sind, zeigt sich, dass der Weg der Anhebung der Beiträge zur Rentenversicherung grundsätzlich mit sinkenden Netto-Einkommen der Beschäftigten bei gleichzeitigem Anstieg des Preisniveaus einhergehen muss, was in der Breite der berufstätigen Bevölkerung einen erheblichen Wohlstandsverlust auslöst.
Es zeigt sich, wo nur ein Kuchen gebacken wird, kann auch nur einer verzehrt werden. Die Umverteilungsformel ändert nichts an der Größe der erwirtschafteten Erträge.
Die Stücke werden allerdings größer, wenn die Zahl der Mitesser reduziert wird. Dies soll regelmäßig durch die Verkürzung der Rentenbezugszeit erreicht werden, indem das Renteneintrittsalter heraufgesetzt wird.
Renteneintrittsalter und Lebensarbeitszeit
Erinnern wir uns an die Formel, nach der ein Berufstätiger während der vierzig Jahre seiner Berufstätigkeit sowohl 20 Jahre lang den Lebensunterhalt für ein Kind als auch 20 Jahre lang den Lebensunterhalt für einen Rentner aufzubringen hat. Diese Formel, so pauschal sie auch daherkommt, fußt doch auf der Gewissheit, dass der Rentenbezug mit dem Nachlassen der Leistungsfähigkeit im Alter zu tun hat. Ausnahmen, sogar große Ausreißer, gibt es in beide Richtungen, doch mit jedem Jahr, um das der Renteneintritt weiter verzögert wird, wächst der Anteil derjenigen, die nicht mehr mithalten können. Diesen dann – als Korrektur der Korrektur der Rentenbezugszeit – die Möglichkeit einzuräumen, vorzeitig in Rente zu gehen, unter der Bedingung, sich mit einer Kürzung des Zahlbetrags zufrieden zu geben, verbessert an der prekären finanziellen Situation der Rentnerhaushalte nichts, im Gegenteil, sie wird verschärft.
Dieser Weg hilft zwar, die Finanzen der Rentenversicherung zu stabilisieren, eine Lösung des Rentenproblems kann davon nicht erwartet werden. Es ist der komplizierte Weg zur wahrlich verrückten Lösung, die sowieso schon niedrigen Renten weiter zu kürzen, um Wirtschaft und Beitragszahler zu entlasten.
Natürlich hat man es schon versucht und ist weiter dabei, die Lebensarbeitszeit zu verlängern und dabei die Rentenbezugsdauer zu verkürzen und zugleich die Zahl der Rentner im Rentenbezug zu verkleinern, damit der Kuchen auf weniger Esser verteilt werden kann, die dann davon satt werden sollen.
Die Frage ist doch: Was machen diese Menschen, die, sagen wir ab dem 62. Lebensjahr, immer noch weiter arbeiten sollen, aber nicht mehr 100% Leistung abliefern können?
Die Sozialgesetzgebung verhindert die Kündigung durch den Arbeitgeber, solange nicht andere Gründe für die Kündigung bestehen. Es gibt einen wunderbaren Ausgang, nämlich die Erwerbsunfähigkeitsrente, die dann in der Regel bis zur Erreichung des Eintrittsalters der regulären Rente gezahlt wird.
Jene, die durchhalten bis 67 zahlen natürlich weiter Beiträge, was gut ist, erhalten dann aber auch wieder höhere Renten als möglich wären, wenn es die Rente mit 65 noch gäbe. Da gleicht sich dann wieder etwas aus.
Hier tritt ein nichtfinanzielles Gerechtigkeitsproblem in Erscheinung. Wo der Beruf zu vorzeitigem Verschleiß geführt hat, wird dies mit einer Kürzung der Rentenleistungen „belohnt“, was ggfs. noch durch ein frühzeitiges Ableben abgerundet wird.
Jeder Versuch, durch Verteilung etwas zu verbessern, endet bei der Erkenntnis, dass eben nur eine Torte vorhanden ist.
Wenden wir uns also der Frage zu, wie die Beitragseinnahmen gesteigert werden könnten, ohne dafür den Beitragssatz erhöhen zu müssen. Dafür kämen zwei Wege in Frage. Wirtschaftswachstum und Lohnerhöhung.
Lohnerhöhung
Man könnte die Löhne kräftig erhöhen, so dass die Beitragseinnahmen kräftig wachsen und auch die Renten kräftig erhöht werden könnten.
Dummerweise handelt es sich hier um einen Trick, der ebenfalls nicht funktionieren kann. Abgesehen davon, dass höhere Löhne die Wirtschaft zu Rationalisierungsinvestitionen animieren, steigen mit den Löhnen die Preise, wobei ein Teil der Lohnerhöhung über höhere Lohnsteuer und höhere Sozialversicherungsbeiträge schon wieder verschwindet, so dass die ganze Übung nur dazu führt, die Rentner besser zu stellen, die jedoch wegen der gestiegenen Inflation auch nicht viel davon haben.
Beispiel – Lohnerhöhung um 10 Prozent
Berechnung | vorher | nachher |
Brutto-Einkommen | 5.000 Euro | 5.500 Euro |
Lohnsteuer | 417 Euro | 512 Euro |
Rentenversicherung | 465 Euro | 512 Euro |
Sonst. Soz.Vers. | 613 Euro | 674 Euro |
Netto-Einkommen | 3.505 Euro | 3.802 Euro |
Inflation, lohnbedingt, 5 % | 175 Euro | |
Kaufkraft + 3,5% | 3.505 Euro | 3.627 Euro |
Rentner könnten um 10 Prozent gestiegene Zahlungen erhalten, wovon die von der Lohnerhöhung getriebene Inflation etwa die Hälfte wieder wegnehmen würde.
Ein Wunder? Der Kuchen ist gleich geblieben und alle bekommen mehr davon?
Natürlich nicht. Ohne Produktivitätsfortschritt einfach höhere Löhne zu zahlen bringt ja nicht nur in der Kalkulation der Wirtschaft die höheren Kosten zum Vorschein. Gleichzeitig steht der unveränderten Menge an Waren und Dienstleistungen eine erhöhte Geldmenge gegenüber, was die Inflation so weit in die Höhe treibt, dass sich am Ende niemand mehr leisten kann als vorher. Funktioniert also auch nicht.
Wirtschaftswachstum
Bleibt die Möglichkeit, über Wirtschaftswachstum den Kuchen zu vergrößern, dazu mehr Bäcker zu beschäftigen, die Rentenbeiträge zahlen, so dass am Ende alle ein Stückchen mehr bekommen können.
Wenn das funktioniert, dann funktioniert es kurzfristig ganz gut. Schnell viele neue Beitragszahler bei unverändertem Bestand an Rentnern zu gewinnen, macht eine Rentenerhöhung möglich. Allerdings würde sich dabei an der Relation zwischen den Netto-Verdiensten der Beschäftigten und dem Rentenzahlbetrag der Rentner kaum etwas ändern. Der Wohlstandsunterschied bliebe, wenn auch auf etwas höherem Niveau, erhalten.
Wir befinden uns aber momentan in einer Phase, in der an ein echtes Wirtschaftswachstum nicht zu denken ist. Die Ursachen sind bekannt und reichen von der Regelungsdichte bis zum Fachkräftemangel, von den zu hohen Energiekosten bis hin zu einer zu starken Konkurrenz im internationalen Geschäft. Die Aussichten sind auch mit der neuen Regierung nicht besser geworden.
Latein am Ende?
Nicht ganz, auch wenn es jetzt ein bisschen unappetitlich wird. Wir haben es ja nicht gerne, wenn jemand, der sich einen Vorteil verschafft hat, deswegen kritisiert wird. Das tut man einfach nicht. Soll doch jeder nach seiner Fasson selig werden. Steht doch jedem frei. Jeder ist seines Glückes eigener Schmied. Reine Neiddebatte!
Sie ahnen es wahrscheinlich:
Es steht in diesem unserem Lande jedem frei, sich dagegen zu entscheiden, wenigstens ein Kind in die Welt zu setzen. Das hat den Vorteil, während der vierzig Jahre im Berufsleben nur den Unterhalt für zwanzig Rentenjahre eines Rentners in die Rentenkasse zu legen, aber keinerlei Aufwand für die ersten zwanzig Jahre eines Kindes betreiben zu müssen.
Unter den Berufstätigen gibt es dafür einen kleinen, aber vollkommen unzureichenden Ausgleich – entweder über das Kindergeld (1. Kind: 225 Euro), oder über die steuerliche Behandlung, sofern die Steuerersparnis aus dem Kinderfreibetrag das Kindergeld übersteigen.
Ein radikaler Ansatz
Wer keine Beitragszahler in die Welt setzt, muss seine Rente selbst finanzieren.
Männer, die nicht als Erzeuger eines Kindes aktenkundig sind, und Frauen, die kein Kind zur Welt gebracht haben, zahlen ab dem vollendeten 20. Lebensjahr den doppelten Beitrag zur Rentenversicherung, ab dem ersten Kind noch den 1,5-fachen Beitrag und ab dem zweiten Kind den regulären Beitragssatz.
Dies zu realisieren ist denkbar einfach und bedarf nur minimaler Eingriffe in die Lohnabrechnungsprogramme die überall im Einsatz sind.
Damit wäre der Generationenvertrag, der dem System der umlagefinanzierten Rente zugrunde liegt, geheilt. Gingen die Konstrukteure dieses Systems noch davon aus, dass es immer genug nachwachsende Beitragszahler geben werde, haben sowohl die Erfindung der Pille als auch die damit einhergehende Lockerung der Prinzipien von Ehe und Familie dazu geführt, dass mit der demografischen Bevölkerungsentwicklung die Zahl der Beitragszahler geschrumpft ist, während die Zahl der Rentenempfänger immer noch hoch ist.
Solange die Zahl der Geburten pro Frau nicht wieder auf einen Wert von knapp über zwei ansteigt, wird sich der Trend fortsetzen, dass die Zahl der Beitragszahler im Verhältnis zur Zahl der Rentenempfänger schrumpft, womit die Rentenkrise praktisch zementiert wird.
Schon alleine die Vorstellung, mit Vater- oder Mutterschaft nicht nur das Kindergeld, sondern auch einige hundert Euro mehr netto wegen reduzierter Rentenbeiträge zur Verfügung zu haben, könnte so manches Paar dazu bewegen, den Kinderwunsch Wirklichkeit werden zu lassen, der bisher aus finanziellen Überlegungen hintan gestellt wurde.
Sollte das nicht eintreten, ist zumindest die Einnahmeseite der Rentenversicherung saniert, was eine Anhebung des Rentenniveaus ermöglichen würde.
Werden wieder mehr Kinder geboren, bringt dies automatisch ein gewisses Wirtschaftswachstum mit sich, was zu einem allmählichen Anstieg der Beschäftigung führen sollte. Steigende Beschäftigung heißt aber auch steigende Beitragseinnahmen, was ebenfalls die Anhebung des Rentenniveaus ermöglichen würde.
Eine Alternative bestünde darin, Männer und Frauen ohne Fortpflanzungserfolg nur 50 Prozent der regulären Rente zu zahlen. Dies würde aber bedeuten, dass viele ihr drohendes Rentendesaster schlicht verdrängen würden, um letztlich als Aufstocker im Bürgergeld zu landen und der Gesellschaft wiederum auf der Tasche zu liegen.
Der radikale Ansatz klingt brutal.
Dabei ist er nur zutiefst gerecht.
Nimmt man die ideellen Vorteile, die Freude am und mit dem Kind, ebenso aus der Betrachtung, wie die Sorgen und Ängste um das Kind, bleiben die finanziellen Lasten, die das Leben mit einem Kind zweifellos mit sich bringt, und die mit dem Kindergeld keineswegs abgegolten sind.
Die Höhe dieser Kosten ist individuell sehr unterschiedlich. Einen einigermaßen tauglichen Maßstab finden wir jedoch in der Düsseldorfer Tabelle, einer Richtlinie für den Kindesunterhalt, der dort – abhängig vom Netto-Einkommen des Unterhaltspflichtigen und vom Lebensalter der Kinder – ausgewiesen wird.
Die bisherigen Beispielrechnungen in diesem Aufsatz bezogen sich stets auf ein Netto-Einkommen von 3.500 bis 3.700 Euro. Hier also die Unterhaltskosten für ein Kind, wie sie in der aktuellen Düsseldorfer-Tabelle für Netto-Einkommen von 3.301 bis 3.700 Euro ausgewiesen sind.
In den ersten sechs Lebensjahren monatlich 579 Euro,
in den folgenden sechs Jahren 665 Euro,
bis zum 18. Lebensjahr 779 Euro,
danach 832 Euro pro Monat.
Der Rentenbeitrag des Arbeitnehmers für das gleiche Einkommen beträgt jedoch lediglich 465 Euro pro Monat.
Die Differenz (!) zwischen den Kosten für das Kind und dem um 100 Prozent erhöhten Rentenbeitrag summiert sich über die ersten 20 Jahre bis zur finanziellen Selbständigkeit des Kindes auf immerhin 54.000 Euro, um die sich der Kinderlose immer noch besser stellt.
Ich finde, und ich habe selbst lange Jahre Kindesunterhalt gezahlt, dass diese brutale, radikale Lösung alles andere als eine Benachteiligung Kinderloser darstellt.
Ein Generationenvertrag funktioniert eben nur, wenn es eine möglichst vollständige Generationenfolge gibt.
Wo nicht, gibt es stattdessen ein Lager von Gewinnern und ein Lager von Verlierern. Dies ließe sich auf die beschriebene Weise verhindern.
Abschließend wenige Worte zur angeblich allseligmachenden Alternative:
Kapitalgedeckte Rente
Es gibt drei Argumente, die dagegensprechen.
Risiko
Der Wert von Kapitalanlagen unterliegt Schwankungen. Dies kann die Finanzierung des Lebensunterhalts im Alter erschweren.
Kaufkraftentzug
Während bei der umlagefinanzierten Rente die eingezogenen Beiträge unmittelbar wieder als Liquidität der Rentner zur Verfügung stehen, wodurch Handel und Wandel in der Realwirtschaft aufrecht erhalten bleiben, verschwindet die Liquidität bis zum Beginn der Auszahlungsphase aus der Sphäre der Realwirtschaft. In der Breite und als alleiniges Prinzip eingeführt, müsste dieses Modell sehr schnell in eine deflationäre Depression führen.
Wirtschaftsleistung
Das umlagefinanzierte Modell der Rentenfinanzierung stellt eine sehr enge Beziehung zwischen der Leistung der Volkswirtschaft und dem allgemeinen Wohlstandsniveau her, da die Höhe der Renten an die Höhe der Löhne gekoppelt ist. Finanzanlagen können jedoch aufgrund von vielerlei Einflüssen unabhängig von der Wirtschaftslage und der BIP-Entwicklung eine (inflationäre) Wertsteigerung erfahren, mit der Folge, dass die Kaufkraft der Rentner die Kaufkraft der Erwerbstätigen (deutlich) übersteigt, die Rentner also den Produktiven das Ergebnis ihrer Arbeit vor der Nase wegkaufen könnten.
Also, lasst die Finger davon. Es genügt, dass die bessergestellten Kinderlosen schon jetzt Geld übrig haben, um – mit den gleichen Folgen – in Finanzanlagen zu investieren.
Finale
Der Wohlstand einer Nation hängt von ihrer Wirtschaftsleistung ab. Ein sinkendes Wohlstandsniveau, wie wir es in Deutschland seit vielen Jahren beobachten, kann bei gleichbleibender Wirtschaftsleistung dann entstehen, wenn die Zahl der Nutznießer steigt.
Regeln für die Verteilung der Leistung zwischen den Nutznießern sind Nullsummenspiele, die bestenfalls helfen, den inneren Frieden zu wahren, aber nichts am verteilbaren Ergebnis des Wirtschaftens ändern.
Die frisch angestoßene Debatte um die Streichung von Feiertagen ist angesichts von mindestens drei Millionen Arbeitslosen, einem Rekordstand an Insolvenzen und Betriebsschließungen und der Abwanderung der Industrie ins Ausland noch nicht einmal ein schlechter Witz.
Beendet die selbstzerstörerische Energiepolitik,
und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie verbessert sich deutlich.
Beendet die selbstzerstörerische Migrationspolitik mit ihren schädlichen Pullfaktoren,
und der Wohlstand der Deutschen wird wieder wachsen.
Hört auf mit der selbstzerstörerischen Sanktionspolitik und Kriegsrhetorik gegen Russland,
und es bleibt wieder mehr Geld übrig, für die vernachlässigten Aufgaben zum Wohle Deutschlands.
Hört auf, unser Land bis zum letzten Grashalm und zum letzten Sandkorn mit bürokratischen Regeln zu ersticken,
und die kreativen Kräfte werden wieder erwachen und einen neuen Aufschwung hervorbringen.
Den festen Willen zu alledem hätte Friedrich Merz in seiner ersten Regierungserklärung zum Ausdruck bringen müssen.
Hat er?