Die EU – unter dem Aspekt der „Kriminellen Vereinigung“ betrachtet – Teil 2

PaD 12 /2025 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad12 2025 EU Kriminelle Vereinigung Teil 2

 

Im ersten Teil dieser Veröffentlichung habe ich dargelegt, dass das maßgebliche Personal der EU, ganz unabhängig von den jeweils eingenommenen Rollen und der Kontinuität des Mitwirkens im Sinne des deutschen Rechts, als eine Vereinigung angesehen werden kann, die gemeinsame, übergeordnete Ziele verfolgt.

Mit ersten Hinweisen auf die Behandlung von Steuervermeidungs- bzw. Steuerbetrugsmodellen durch diese Verantwortlichen wurde der Anfangsverdacht, es könne sich um eine kriminelle Vereinigung handeln, begründet.

Im zweiten Teil geht es darum, vergleichbaren Umgang mit Geld im sehr viel größeren Rahmen der Währungsunion im Euro-Raum zu betrachten.

 

Unabhängig davon, dass es Grund zu der Annahme gibt, dass Frankreich und Großbritannien, als die kleinen Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, für ihre Zustimmung zur Wiedervereinigung forderten, Deutschland müsse die D-Mark aufgeben, was einen erheblichen Eingriff ins Welt-Währungsgefüge darstellte, haben die EU und die von der EU gegründete EZB mit Hilfe der Einheitswährung ganz erhebliche Vermögensverschiebungen ermöglicht und dabei gegen die ursprünglichen vertraglichen Vereinbarungen verstoßen.

Welche ursprünglichen Vereinbarungen waren das?

Zum Gründungsmythos der Währungsunion gehörten vor allem die Konvergenzkriterien und die No-bail-out-Klausel. Mit den Konvergenzkriterien sollte die Stabilität der Währung geschützt werden. Daher wurde mit dem Vertrag von Maastricht 1992 festgelegt, dass

  • die jährliche Neuverschuldung des Staatshaushaltes 3 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) nicht überschreiten darf;
  • die Gesamtstaatsverschuldung nicht höher als 60 % des BIP sein darf; und
  • die langfristigen Zinssätze den Durchschnitt der Zinssätze der drei stabilsten Euroländer um nicht mehr als 2 % überschreiten dürfen.

Theo Waigel, CSU, damals deutscher Finanzminister, soll maßgeblich auf die Festlegung dieser Kriterien Einfluss genommen haben und hat dann auch vollmundig dem deutschen Publikum erklärt (Rede vor dem Unternehmertag in Bonn 1995):

 Ein Gewinn für Europa wird die Währungsunion allerdings nur dann, wenn sie als Stabilitätsgemeinschaft startet und eine Stabilitätsgemeinschaft bleibt. Die neue Währung muß genauso hart sein wie die D-Mark.
Dafür sind mit dem Vertrag von Maastricht alle Vorkehrungen getroffen. Die wichtigste Stabilitätssicherung besteht in der Satzung der künftigen Europäischen Zentralbank. Sie ist nach dem Modell der Deutschen Bundesbank entworfen und hat einen eindeutigen Auftrag:

Die Sicherung der Preisstabilität. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben ist sie von Weisungen der politischen Instanzen unabhängig. Darüber hinaus werden nur die Länder an der Währungsunion teilnehmen können, die zuvor ihre Fähigkeit zu einer soliden Stabilitätspolitik durch die Erfüllung der Maastricht-Kriterien überzeugend nachgewiesen haben. Eine  automatische Teilnahme gibt es nicht. Die Stabilitätskriterien werden auch nicht aufgeweicht, ihre Erfüllung hat jederzeit Vorrang vor Terminen.

Sollten Sie sich erinnern, dass der Euro erst am 1. Januar 2002 eingeführt wurde, dann haben Sie, was die Ausstattung der Bürger mit Euro-Bargeld und die Umstellung der Kontostände auf Euro betrifft durchaus recht. Dies war aber nur die finale Stufe der Euro-Einführung, als Verrechnungseinheit im internationalen Zahlungsverkehr war der Euro bereits ab Januar 1999 im Einsatz und hatte damit – obwohl noch quasi unsichtbar – bereits erheblichen Einfluss auf den Wert von Geldvermögen und die Entwicklung der Inflation in der Euro-Zone.

Um es ganz deutlich zu sagen:

Die Vereinbarungen von Maastricht waren eine Verabredung jener Vereinigung, um die es in diesen Aufsätzen geht. Die Zustimmung der Staatsbürger wurde nur in Irland, Dänemark und Frankreich eingeholt. In Deutschland und den übrigen Ländern, die als erste mit dem Euro an den Start traten, hielt man es für ausreichend, wenn die jeweiligen Regierungsmehrheiten in den Parlamenten dazu ja sagen.

Dennoch handelt es sich beim Vertrag vom Maastricht um eine Vereinbarung, die – in Bezug auf das nicht um Zustimmung gefragte Volk – als ein Vertrag zu Lasten Dritter bezeichnet werden kann. Gerade die deutsche Bevölkerung, die sich die härteste Währung Europas erarbeitet hatte und auf die Stabilität der Mark zu Recht stolz war, hatte damit einen Anspruch darauf erworben, dass zumindest die fest vereinbarten Stabilitätskriterien eingehalten würden, so wie es Theo Waigel versprochen hatte.

Tatsächlich liefen die Dinge ganz anders. Schon beim offiziellen Start der Währungsunion gelang es lediglich Luxemburg, alle Konvergenzkriterien zu erfüllen.

Die Kölner Vermögensverwaltung „Flossbach von Storch“ beschreibt in einem Beitrag auf Linkedin die dann eintretende Entwicklung wie folgt:

Doch geholfen haben die Zielvorgaben oftmals nicht. Immer wieder haben Euroländer die Regeln gebrochen.

So blieb Frankreichs Haushaltsdefizit zwischen 1995 und 2023 in nur sieben Jahren unterhalb der Drei-Prozent-Grenze. Portugals Regierungen beendeten erstmals im Jahr 2007 ein Haushaltsjahr mit einem Defizit, das (knapp) unterhalb der Marke von drei Prozent blieb. Auch verfügen mit Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal und Spanien sechs EU-Mitgliedsstaaten, die zusammen für mehr als 40 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung stehen, inzwischen über eine Staatsschuldenquote, die sogar 100 Prozent des BIP übersteigt.

Die Fiskaldisziplin von zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten wurde in der Vergangenheit also äußerst lax gehandhabt. In der Corona-Krise wurden die Regeln sogar bis Ende 2023 ausgesetzt und heftig über die Sinnhaftigkeit der Regeln debattiert.

 

Dies zeigt, dass die Vereinigung nie ernsthaft den Versuch unternommen hat, die Euro-Staaten zum Einhalten der Konvergenzkriterien zu verpflichten, ja dass man im Grunde von Anfang an gewusst haben muss, dass der Euro nur überlebt, wenn den wirtschaftlich schwächeren Ländern der Zugang zur dort für notwendig erachteten Verschuldung nicht verschlossen wird. Es ist doch klar gewesen, dass der Euro auseinanderfliegen würde, sollten Italien, Frankreich oder auch nur Portugal ausscheiden.

Trotz der vollkommen unzulässigen Schuldenorgien blieb die (gemittelte) Inflation im Euro-Raum bis 2020 eher niedrig. Maßgeblich dazu beigetragen hat Deutschland durch die eigene Schuldendisziplin und durch eine Lohnpolitik, die eben nicht nur dem Export dienlich war, sondern auch die Geldmenge im deutschen Binnenmarkt der Realwirtschaft gering gehalten hat. Es war unser deutscher Weg, lieber die alte Infrastruktur (Straßen, Brücken, Schiene, usf.) verfallen zu lassen, ohne den Aufbau der neuen, digitalen Infrastruktur zu fördern, als das vom Schuldach bis zur Notaufnahme fehlende Geld in den Markt zu geben und damit der heimischen Wirtschaft  Aufträge zu erteilen.

War es Dummheit, oder war es der Plan?

Die Älteren können sich erinnern, jene Politiker, die bis in die 90er Jahre in Verantwortung standen, hatten in der Regel eine abgeschlossene Ausbildung und hinreichend Lebenserfahrung erworben, um zu wissen, was sie tun. Bei Theo Waigel sah das so aus.

Lassen wir die Konvergenzkriterien beiseite und besprechen noch eine weitere Form der Verschuldung die überhaupt nur von der EZB ermöglicht wird, die so genannten Target-2 Salden.

Das Prinzip ist schrecklich einfach, aber so schwer vorstellbar, dass sich nicht einmal die Herren Professoren der Makro-Ökonomie auf eine einheitliche Sichtweise einigen können.

Im Euro-System hat jeder Staat seine eigene Zentralbank. Um das Prinzip bildlich zu veranschaulichen ist es nun so, dass die Überweisung eines Italieners von seinem Konto, das zum Beispiel bei der UniCredit S.p.A. in Mailand besteht  und dem Konto eines Lieferanten bei der Deutschen Bank in Frankfurt gutgeschrieben werden soll, ja nicht nur das Vermögen des Italieners mindert, sondern dass auch der UniCredit die Einlage ihres Kunden abhanden kommt, die stattdessen bei der Deutschen Bank landet, die sie ja erst herausgeben muss, wenn ihr Kunde darüber verfügt.

Dazu halten die Banken Zentralbankkonten und die Landes-Zentralbanken unterhalten wiederum Konten bei der EZB, auf denen diese Geldbewegungen parallel zu den Geldbewegungen auf den Kundenkonten abgebildet werden. Nun kann es aber vorkommen (das will ich hier nicht vertiefen, aber es ist sonderbar und anrüchig), dass das Zentralbankkonto, das die italienische Zentralbank bei der EZB hält, „leer“ ist. Es kommt auch vor, dass dieses Konto voll in den Miesen ist, aber dennoch führt die EZB die Kundenüberweisung aus, schreibt der Bundesbank das Geld gut, die es der Deutschen Bank gutschreibt, wo es auf dem Konto des Lieferanten auftaucht.

Der Effekt per Dezember 2024: Deutschland hat gut 1 Billion von der EZB erhalten, für die von Italien, Spanien, Griechenland, Frankreich, Österreich und Portugal die Zahlungen noch ausstehen. Dies ist aber keine Augenblicksbetrachtung, das ist eine sehr verfestigte Angelegenheit, bei der letztlich die EZB den Schuldnerstaaten Geld vorstreckt, um ihre innergemeinschaftlichen Einkäufe zu bezahlen, ohne dass jemals mit einer wirklichen Rückzahlung gerechnet werden kann.

Die EZB vergibt also Kredite, vor allem an Spanien, Italien und Griechenland, damit die ihre Importe finanzieren können – aber auch, damit die Wirtschaft der Starken, insbesondere Deutschlands ihren Export fortführen kann, und dies auf Pump in alle Ewigkeit …

Die andere Seite der Medaille ist noch verrückter. Die Billion, die da nicht ausgeglichen werden kann, ist faktisch verschwunden. Dafür ist aber nicht nur eine unausgeglichene Handelsbilanz verantwortlich zu machen. Das kann zum Beispiel auch dadurch entstehen, dass reiche Italiener, vielleicht auch die Mafia, angesammeltes Vermögen ins Ausland, vielleicht in die Schweiz, vielleicht in die USA, vielleicht auf die Bahamas transferiert und damit das EZB-Konto der Banca d’Italia leergeräumt haben.

Man kann dieses Vorgehen mit freundlichen Augen so betrachten, dass die EZB ja im Grunde nur jene Liquidität ersetzt hat, die auf Nimmerwiedersehen abgeflossen ist.

Man kann aber auch ein Problem darin sehen, dass eine Volkswirtschaft offenbar nicht in der Lage, ist ihre Schulden zu bezahlen und daher einfach von der EZB mit den fehlenden Milliarden beschenkt wird.

Es ist, nach den Statuten der EZB, alles vollkommen legal. Fragt man jedoch tiefer nach, wer denn diese Statuten errichtet hat, und ob das Ergebnis so beabsichtigt war, was schon deshalb zu bejahen ist, weil ja nicht dagegen vorgegangen wird, findet sich wieder ein Indiz für den Verdacht, dass sich in den Organen der EU eine kriminelle Vereinigung breitgemacht haben könnte.

 Gäbe es die Pflicht, mindestens einmal monatlich die Salden auszugleichen, käme dieser Verdacht nicht auf. Stattdessen ergäbe sich die Notwendigkeit  für Italien, Griechenland, usw., ihren grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr zu kontrollieren, vielleicht sogar mit der Notwendigkeit, mit steuerlichen Maßnahmen der Geldflucht vorzubeugen. Passiert aber nicht. Ist gewollt.

 

Die Wirkung der Konvergenzkriterien ist unter anderem am Preis der Maß Festbier auf der Wiesn in München festzustellen.

Im ersten Euro-Bargeldjahr 2002 kostete die Maß zwischen 6,30 und 6,80 Euro, 2024 lag der Bierpreis zwischen 13,60 und 15,30 Euro. Bis zu 125,0 Prozent Aufschlag im Laufe von 22 Jahren. Das entspricht einer jährlichen Inflation von 4 Prozent, es entspricht einer Vermögensentwertung um über die Hälfte!

Warum ich ausgerechnet das Oktoberfestbier heranziehe? Weil sich am Bierbrauen in den letzten 25 Jahren nichts geändert hat, weil sich an den Bierzelten nichts geändert hat und weil auch die Bedienungen immer noch Zensi heißen. Weniger kostenverändernde Einflüsse findet man bei kaum einem anderen Produkt, so dass die Preisänderung mit gutem Gewissen vollständig der Inflation zugerechnet werden kann.

 

Es geht weiter mit der No-bail-out-Klausel.

Man hat uns versprochen, indem man es vertraglich vereinbart hat, dass kein Euro-Land jemals für die Schulden eines anderen Euro-Landes aufkommen müsse. Niemand wird, nur weil er den Euro als Währung hat, aus der Schuldenfalle herausgehauen.

Im Wortlaut des Maastricht Vertrags von 1992 sah diese Klausel so aus:

(1) Die Gemeinschaft haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen von Mitgliedstaaten und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; dies gilt unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens. Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; dies gilt unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens.

Zweifellos hat diese Vertragsklausel nicht nur, aber vor allem auch die Deutschen beruhigt, denn sie hatten von Anfang an den Verdacht, Zahlmeister der EU zu werden. War das bei den Beitragszahlungen an die EU, die sich an der Wirtschaftskraft orientierten, noch in Ordnung, dass Deutschland unter den wenigen Netto-Zahlern der größte war, so erschien es doch als unzumutbar, über die Beiträge hinaus auch noch dann zahlen zu müssen, wenn andere Mitgliedsstaaten nicht mehr in der Lage sein sollten, ihre Schulden, die sie nach den Konvergenzkriterien gar nicht hätten aufnehmen dürfen, nicht mehr zurückzahlen können.

Dass es sich dabei um hohle Versprechungen handelte, war leicht zu erkennen. Schließlich war auch eine „Ausnahmeklausel“ für den Fall von Naturkatastrophen und anderen Problemen in den Verträgen vorgesehen – und natürlich musste immer mit der Schlitzohrigkeit der Beteiligten gerechnet werden, denen immer das Hemd näher war als die Hose.

In der Wikipedia findet sich dazu hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Nichtbeistands-Klausel#Entstehung unter anderem diese Prognose:

Fehlende Durchsetzung

Die Gefahr, dass der Nichtbeistands-Klausel aufgrund zu großer Interpretationsspielräume nicht genügend Achtung erwiesen werden könnte, wird unter anderem mit den verhältnismäßig weit gefassten Formulierungen zum Solidaritätsprinzip im AEU-Vertrag begründet. So kann ein Mitgliedstaat nach Art. 122 etwa bei Naturkatastrophen und anderen „außergewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen“, auf Beschluss des Rats der EU finanzielle Hilfen aus dem EU-Haushalt erhalten, was als Risikoabsicherung gegen einen Staatsbankrott ausgelegt werden könnte.

Durch diese unzureichende Akzeptanz bestehe die Gefahr eines Moral Hazard. Dabei überschulden sich einige Staaten der EWWU, da sie sich dessen bewusst sind, dass ihnen im Zweifel die anderen Mitgliedstaaten beispringen würden. Teilen die Kreditgeber diese Ansicht, so sind auch diese geneigt, bereits hochgradig verschuldete Länder weiterhin zu finanzieren, da das Ausfallrisiko durch die anderen Mitgliedstaaten und die EU selbst gedeckt ist. Die Nichtbeistandsklausel sei also nicht glaubwürdig genug, um auf den europäischen Finanzmärkten, die mit dem Euro handeln, Staaten mit hohen Schulden zu disziplinieren.

Fehlende Funktionalität

Dass überhaupt davon ausgegangen wird, dass Mitgliedstaaten in einer Krisensituation dazu bereit sein könnten, für die Schulden anderer Staaten einzustehen, wird in dem Problem des Too Big to Fail gesehen: Da die Folgen eines Staatsbankrotts in der EWWU für alle anderen Mitgliedsländer ebenfalls verheerend wären, müssten diese notfalls aus eigenem Interesse einspringen.

Wieder einmal hatte die Vereinigung die Weichen für das gestellt, was dann kommen sollte.

Und es kam.

Entgegen der allgemeinen Darstellung, es habe erst eine Subprime-Krise in den USA gegeben und später dann eine Banken- und Euro-Krise in der EU, spreche ich gerne von einem zehnjährigen Finanzkrieg, der nach jahrelanger Aufrüstung mit vorsätzlich vergebenen, nicht einbringbaren Krediten auf die Immobilien der US-Amerikaner und der anschließenden Verbriefung dieser weitgehend wertlosen Schulden damit ausgelöst wurde, dass diese Schrottpapiere an Finanzinstitute in aller Welt verkauft wurden.

Um es deutlich zu machen:

US-Banken zahlten Abermilliarden von Dollar an US-Bürger aus, mit deren Rückzahlung allenfalls in Bruchteilen gerechnet werden konnte. Die individuellen Schuldscheine der US-Bürger wurden bunt zusammengemischt und in anonym handelbaren Stückelungen als „Wertpapiere“ in den Handel gebracht. Wer wollte, konnte sich also die Schulden der Amis kaufen, in der Hoffnung aus Zinserträgen und ggfs. Kursgewinnen eine Rendite zu erzielen. Effekt: Die Belebung des US-Binnenmarktes war gelungen, die Kredite waren weitgehend im Konsum verpulvert worden – und die US-Banken hatten ihr Geld wieder.

Es hätte nur nie jemand mit nur halbwegs klarem Verstand diese Papiere kaufen dürfen. Aber in Europa war man wie verrückt danach. Man kann schon sagen, dass da ein Hype geschürt wurde, und man kann vermuten, dass alle, die sich da eindeckten, ob nun wissentlich oder nicht, einem Plan folgten, der sich zu einer wahren Orgie des besinnungslosen Gelddruckens entwickelte, von Mario Draghi, damals Chef der EZB, genial auf den Punkt gebracht mit der Formel: „Whatever it takes!“

Das erste Rettungspaket das in der EU geschürt wurde hieße EFSF. Niemand wunderte sich darüber, dass dies nicht etwa eine Organisation der EU war, sondern eine Aktiengesellschaft nach luxemburgischem Recht. Gesellschafter waren die Staaten der Euro-Zone, die folglich auch das Eigenkapital zur Verfügung stellten. Zweck: Ausgabe von Notkrediten an Länder der Eurozone, um zu verhindern, dass deren Probleme (die Probleme der dortigen Banken) die gesamte Währungsunion in Gefahr bringen. EFSF hatte eine kurze Zeit der aktiven Kreditvergabe, bis sie vom ESM abgelöst wurde. Vergeben wurden Kredite an Irland, Griechenland und Portugal im Umfang von 174,6 Milliarden Euro.

Dies war der erste Bruch des No-bail-out-Versprechens. Weitere, umfangreichere folgten.

Zum ESM, der Nachfolge-Organisation des ESFS hat Florian Stumfall in seinem Buch „Das EU-Diktat“ festgehalten:

Wer aber die Gleichheit will, wird sie erfahrungsge­mäß auch gegen den Willen von Betroffenen durchsetzen. Hierin ist die EU bereits sehr weit fortgeschritten. Sogenannte Harmonisierungen und Angleichungen, in dunkler Zeit „Gleichschaltung“ genannt, bestimmen einen Großteil der Tätigkeit in tausenden von Brüsseler Büros. Und die Größe des Apparates wie auch des politischen Konstrukts bringt es mit sich, dass dies alles nicht mit den Mitteln der Demokratie machbar ist. Brüssel regiert nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Was man „Richtlinien“ nennt, sind  Anweisungen, gegen die es kein Rechtsmittel gibt. 80 Prozent der Rechtssetzung in Europa geschehen nach diesem Muster. Die EU ist ein autoritäres Staatsgebilde. Kennzeichen autoritärer Staaten ist unter anderem die Missachtung des Rechts durch die Regierenden. Dies geschieht spätestens seit den Maßnahmen zur Euro-Rettung in aller Offenheit und ist mittlerweile auch Normalität. Der flächendeckende Verstoß gegen die Maastricht-Kriterien war der Anfang, der Bruch mit der No-bail-out-Klausel noch lange nicht das Ende.

Die letzte Grenze ist mit dem ESM-Vertrag  überschritten. Seine Mitglieder genießen unbeschränkte Immunität und stehen außerhalb des Straf-und Zivilrechts. Der ESM ist jeder Kontrolle entzogen, auch jeder gesetzlichen und gerichtlichen. Seine Räume und Archive sind sakrosankt, eine Kontrolle der Tätigkeiten findet nicht statt. Frei gewählte Parlamentarier beschließen eine derartige Selbstentmannung, die einem Ende des bisherigen politischen Konstrukts gleichkommt. Mit derartiger Ausstattung werden Diktatoren installiert.

Da gibt es zu denken, dass weder die anderen großen Partnerländer noch die EU selbst eine Einrichtung wie das deutsche Bundesverfassungsgericht haben. Aber auch das ist längst ausgehebelt. Jüngstes Beispiel ist die Klage gegen den Fiskalpakt und den ESM vor Karlsruhe. Die Situation ist grotesk: Acht Richter waren aufgefordert, sich gegebenenfalls gegen die organisierte politische Macht eines ganzen Kontinents zu stellen. Dieses Dilemma bringt einen seelischen und sachlichen Druck mit sich, der mit der verbürgten richterlichen Freiheit nicht zu vereinbaren ist. Es ist mittlerweile an dem,  dass man den Richtern gar nicht mehr übelnehmen darf, wenn sie politisch genehme Urteile fällen.

Das deutsche Bundesministerium der Finanzen schreibt zum ESM unter anderem Folgendes:

Wie funktioniert der ESM?

Die EFSF wurde durch den ESM abgelöst. Im AEUV wurden in Artikel 136 Absatz 3 die für den Stabilitätsmechanismus geltenden Voraussetzungen ausformuliert. Der ESM verfügt über verschiedene Instrumente. Der ESM kann

  1. an seine Mitglieder Darlehen vergeben,
  2. diesen vorsorgliche Kreditlinien einräumen,
  3. Anleihen bei der Emission kaufen (sogenannte Primärmarktkäufe) oder
  4. bereits auf den Finanzmärkten im Umlauf befindliche Anleihen (sogenannte Sekundärintervention) erwerben,
  5. Darlehen an Mitgliedstaaten zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten ausreichen („indirekte Bankenrekapitalisierung“)
  6. und – auf Antrag eines ESM-Mitgliedstaates – Finanzinstitute rekapitalisieren („direkte Bankenrekapitalisierung“).1

Die Darlehensfazilität wurde in den ESM-Programmen für Griechenland und Zypern angewendet. Die „indirekte Bankenrekapitalisierung“ wurde im spanischen ESM-Programm genutzt. Die anderen Fazilitäten kamen bislang nicht zur Anwendung. Die Hilfen des ESM können nur seinen Mitgliedstaaten gewährt werden. Mitgliedstaaten sind alle 20 Staaten der Euro-Währungsgemeinschaft. Der ESM kann maximal Finanzhilfen in Höhe von rund 500 Mrd. Euro vergeben.

Zur Finanzierung seiner Instrumente nimmt der ESM selbst Mittel durch die Begebung von Anleihen an den Kapitalmärkten im nötigen Umfang auf. Die Zinskosten, die beim ESM hierfür anfallen, müssen von den Programmländern vollständig übernommen werden. Geleitet wird der ESM von einem Gouverneursrat, der aus den nationalen Finanzministerinnen und Finanzministern der Mitgliedstaaten besteht, und einem Direktorium, das sich in der Regel aus den Finanzstaatssekretärinnen und Finanzstaatssekretären zusammensetzt. In allen wesentlichen Fragen darf der deutsche Vertreter nicht ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages abstimmen.

Der ESM hat – neben der EFSF – an die Euro-Mitgliedstaaten Spanien, Zypern und Griechenland im Zeitraum 2012/18 Stabilitätshilfen in Höhe von 109,5 Mrd. Euro ausgezahlt.

Die „große Lösung“ ist also vom Volumen her kleiner geblieben als die vorgeschaltete kleine Lösung des ESFS, aber immerhin wurden damit insgesamt schon rund 280 Milliarden Euro „mobilisiert“, um das Verbot der Haftung der Euro-Staaten für die Schulden von Mitgliedsstaaten zu durchbrechen. Der ESM existiert übrigens weiter fort und kann theoretisch und praktisch jederzeit wieder aktiv werden, auch im ESM steckt das Gründungskapital der Mitgliedsstaaten, das bisher nur teilweise eingezahlt wurde. Nachforderungen auf das Gründungskapital und Nachschusspflichten bei ggfs. erforderlichen Kapitalerhöhungen sind vertraglich festgelegt.

Ermutigt durch das zweifache Gelingen des Vertragsbruchs holte Mario Draghi dann zum wirklich großen Schlag aus. Die EZB selbst übernahm den Job, um die durch den Versuch, die eigenen Banken zu retten, schon stark angeschlagenen Euro-Staaten und ihre Banken mit einer wahren Sturzflut von Geld zu versorgen.

Was waren die Ursachen für die große Not, die Draghi zu beheben trachtete?

Ich zitiere hier auszugsweise aus dem Paukenschlag „Geldschwemme folgenlos?“  aus dem Jahr 2012

Das Problem

Das Problem, vor dem die Euro-Zone steht, besteht darin, dass einzelne Länder nicht mehr in der Lage sind, ihren Schuldendienst zu erfüllen.

Dieses Problem ist dadurch entstanden, dass die Gläubiger sich insgesamt weigerten, die Staatsfinanzierung nach den bisherigen Spielregeln fortzusetzen.

Diese Spielregeln sahen so aus, dass ein Staat, bei Fälligkeit alter Staatsanleihen einfach neue herausgegeben hat und so seine alten Schulden, samt Zinsen, mit neuen Schulden bezahlte, während die Gläubiger damit zufrieden waren, sich von diesen ihren guten Schuldnern mit sicheren Papieren versorgen zu lassen, die auch bei niedrigen Zinssätzen ordentlich hohe Zinserträge einbrachten.

Dieses Spiel ist von den Gläubigern unterbrochen worden. Sie wollen Geld nur noch gegen exorbitante Risikozuschläge herausrücken und brachten damit einige Staaten an den Rand der Zahlungsunfähigkeit.

Der Lösungsversuch

Im Grunde bestand die ganze „Euro-Rettung“ bis zu Mario Draghis Beschluss, unbegrenzt Staatsanleihen aufzukaufen, einzig darin, dass die gesamte Euro-Zone zusammenlegt und die Schulden der Krisenstaaten direkt bezahlt oder Bürgschaften dafür übernimmt.

Damit sollte die Forderung nach Risikozuschlägen argumentativ zurückgewiesen werden und zu den bisher üblichen Spielregeln zurückgekehrt werden.

Die Gläubiger haben diese Option nicht angenommen. Deshalb wurde die Allianz aus ESM und EZB geschmiedet, die vorsieht, den Markt nun stattdessen mit frischem, faktisch ungedecktem Geld zu überschwemmen.

 

Das muss vielleicht noch einmal vom Prinzip her erklärt werden:

Staaten finanzieren sich über Anleihen, die im Wesentlichen von Banken und Versicherungen aufgekauft werden. Diesen Anlagen der Banken stehen in der Bilanz jene Mittel gegenüber, die den Banken von ihren Einlegern zur Verfügung gestellt wurden.

Steigen die Marktzinsen, sinkt der Wert der alten, niedriger verzinsten Anleihen. Dies kann dazu führen, dass die Guthaben der Einleger nicht mehr vollständig durch Vermögenswerte der Bank gedeckt sind. Die Bank ist dann pleite.

Draghi hat nun die Schrottanleihen aus den Beständen der Banken herausgekauft, und zwar zu Kursen, die sonst am Markt nicht mehr zu erzielen gewesen wären. Damit wurden einerseits die Bankbilanzen wieder gerade gestellt, andererseits konnten die Banken mit dem frischen Geld wieder neue Staatsanleihen kaufen und haben so sowohl zur Kursstabilisierung beigetragen als auch eine Ausweitung der Staatsverschuldung der Euro-Staaten ermöglicht, die es sonst so nicht hätte geben können.

Es finden dabei zwei wesentliche Veränderungen statt:

Gläubiger sind in Zukunft immer weniger „Externe“, sondern in immer größerem Maße Institutionen der EU. In der Haftung stehen nicht mehr die Einzelstaaten, sondern der gesamte Euro-Raum, obwohl es bis dahin noch nicht zur Ausgabe von Anleihen der EU, den so genannten Euro-Bonds gekommen war.

Als die Anleihekaufprogramme im März 2022 (vorläufig) wieder eingestellt wurden, hatte die EZB Staatsanleihen im Umfang von 4,3 Billionen Euro in ihre Bilanz genommen und war damit zum Gläubiger für knapp ein Drittel der Staatsschulden der Euro-Zone geworden.

Die Währung „Euro“ hat gezeigt, dass sie weder nach ihren ursprünglichen, streng formulierten Regeln funktionierte, noch dass sie funktionierte nachdem diese Regeln nach und nach und vollkommen „alternativlos „wieder abgeräumt und gebrochen wurden.

Wenn man sich klar macht, dass von aller in den Markt gebrachten Liquidität nennenswerte Anteile über Zinsen und Unternehmensgewinne in die Vermögensanlagen fließen, wo sie gehortet werden und zur Aufrechterhaltung des Handels in der Realwirtschaft Neuverschuldung erzwingen, darf man getrost festhalten, dass die Euro-Rettung einige Reiche noch reicher gemacht hat.

Handelt es sich beim Personal der EU also in Teilen um eine kriminelle Vereinigung,
deren übergeordnetes Ziel die Umverteilung von unten nach oben ist?

Der dritte Teil dieses Aufsatzes folgt nächste Woche. Es geht darin um die Euro-Bonds, die inzwischen Wirklichkeit geworden sind, um die „freihändige“ Impfstoffbestellung der Kommissionspräsidentin, und auch um die geplante Aufrüstungsinitiative im Umfang von 0,8 Billionen Euro, für die wieder sehr viel Geld beschafft werden muss.

 

Zur Abrundung noch ein Ausschnitt aus Florian Stumfalls Buch „Das EU Diktat“

Den Kern staatlicher Autorität bilden das Haushaltsrecht und das Gewaltmonopol. Werden diese unkontrolliert in einer Instanz zusammengefasst, können die Grundrechte keinen Bestand haben.  Versammelt sich die Macht des Staates wesentlich und ursprünglich in diesen zwei Bereichen, so sind sie es, die der peinlichsten Kontrolle bedürfen, solange das Anliegen der Freiheit verfolgt werden soll. Denn verfallen Haushaltsrecht und Gewaltmonopol der Willkür, kann nichts mehr vor der Tyrannis retten. Aktuell geben daher zwei Einrichtungen Anlass zu größten Befürchtungen:   Der ESM, der das Haushaltsrecht der Nationen betrifft und die EUROGENDFOR, die deren  Sicherheit zum Gegenstand hat. 

Der ESM ist als ultimativer  Rettungsschirm zur Stabilisierung des Euro-Währungsraums konzipiert. Das Misstrauen in das eigene Unterfangen ist daran zu erkennen, dass der ESM zeitlich unbegrenzt und das Ausscheiden einzelner Mitgliedsländer nicht vorgesehen ist. Die ESM-Verfasser gehen also selbst davon aus, dass der Euro der ewigen Rettung bedarf, es sei denn, mit dem ESM werden im Ergebnis ganz andere Ziele verfolgt als vorgegeben und genau dies ist zu befürchten. 

Die finanziellen existenzbedrohenden Haftungsfragen des ESM sind eine Sache. Die andere sind die rechtlichen Bedingungen: Der ESM, sein Spitzenpersonal und alle seine Bediensteten genießen  umfassende gerichtliche Immunität (Art 35). Im Artikel 32 heißt es: „Der ESM, sein Eigentum, seine Mittelausstattung und seine Vermögenswerte genießen unabhängig davon, wo und in wessen Besitz sie sich befinden, Immunität von gerichtlichen Verfahren jeder Art.“ Jeder Art – das schließt das Strafrecht mit ein. Ebenso besteht Immunität „von Durchsuchung, Beschlagnahme, Einziehung, Enteignung und jeder sonstigen Form des Zugriffs durch vollziehende, gerichtliche, administrative und gesetzgeberische Maßnahmen.“(Art. 32,4). Mit der Immunität von Abgeordneten oder Diplomaten ist dieser Status nicht vergleichbar, denn diese unterstehen trotz Immunität prinzipiell den allgemeinen Gesetzen, weswegen ihre Immunität auch aufgehoben werden kann.

Der ESM ist also, unabhängig davon, ob seine Mitglieder beliebig Gesetze brechen, dem Zugriff der Exekutive, der richterlichen Gewalt und der Begrenzung durch ein Gesetz entzogen. Sie stehen über dem Recht. Beim Deutschen Richterbund begegnet dies schwersten Bedenken. Er hat davor gewarnt, den Aufgabenbereich des ESM auf die direkte Rekapitalisierung von Banken auszuweiten, ohne zuvor die im ESM-Vertrag vorgesehene Immunität für den ESM und seine Mitarbeiter zu streichen. Die Sonderrechte der ESM-Gouverneure und ESM-Bediensteten seien angesichts des geplanten Aufgabenbereiches des ESM, der offenbar auch direkte Hilfen für notleidende Banken umfassen solle, kaum zu rechtfertigen und kämen einem Ausstieg aus dem Rechtsstaat gleich, was durch wirtschaftliche Notwendigkeiten nicht zu rechtfertigen sei, erklärte der Vorsitzende des Richterbundes, Christoph Frank. Behaftet mit solchen schwerwiegenden Mängeln hat der ESM inzwischen den Betrieb dennoch aufgenommen.

Die englische Verfassungsgeschichte ist entscheidend für die Entwicklung der Freiheitsrechte in Europa: Die Magna Charta Libertatum vom 15.Juni 1215 beinhaltet neben der Bestätigung schon bestehender Freiheiten die Bestimmung, dass das Recht, Steuern zu erheben, nicht mehr beim König liege sondern einem Ratsgremium übertragen werde. Dies war die Geburt des parlamentarischen Königsrechts der Haushaltskontrolle. „Der große Freibrief kam zustande, wahrhaft die Magna Charta, vor welchem alle früheren nicht allein, sondern auch die späteren Charten in den Schatten treten.“ (L.v. Ranke). Und heute, knapp 800 Jahre später, fällt die EU mit dem ESM hinter das Jahr 1215 zurück – das ist grotesk!  Die Bürger des Euroraums werden mit dem Verlust der Freiheit den Schaden tragen. 

*

Nicht anders bei der staatlichen Gewalt. Sie ist durch den Geheimvertrag von Velsen in letzter Instanz der European Gendarmerie Force – EUROGENDFOR zugeordnet. Diese ist eine derzeit 3000 Mann starke Eingreiftruppe, stationiert in der Nähe der italienischen Stadt Vicenza. Mitglieder des Vertrages sind derzeit Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, die Niederlande und Rumänien. Andere Staaten haben eine Beobachter- oder Aspiranten-Status, so die Türkei. Oberstes Organ ist das Hohe Interministerielle Komitee, genannt „CIMIN“. Dorthin werden Repräsentanten aus den Verteidigungs- und Außenministerien der Mitgliedsländer entsandt. Das Komitee bestimmt den Oberbefehlshaber, die Einsätze samt deren jeweiligen Befehlshabern und über die Zusammenarbeit mit anderen Stellen, etwa der NATO.

Aufgabe der EUROGENDFOR ist die Bewältigung von Krisen, wie sie vor allem durch Volksaufstände entstehen können. Dazu sind den Einheiten umfassende Rechte zugewiesen worden. Die Truppe hat militärische, polizeiliche, staatsanwaltschaftliche und geheimdienstliche Zuständigkeiten.  Der Artikel 4 des Vertrages legt die Aufgaben fest:

„Durchführung von Missionen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Überwachung, führende Beratung örtlicher Polizeistellen, Anleitung und Überwachung der lokalen Polizei bei der Wahrnehmung ihrer gewöhnlichen Pflichten einschließlich der Tätigkeit der strafrechtlichen Ermittlungen … um im Falle der Störung der öffentlichen Ordnung einzugreifen“.

Dass dieser Fall eingetreten ist, stellt das CIMIN im Einvernehmen mit dem Verteidigungs-, bzw. Innenministerium des betreffenden Landes fest. Dabei ist es unerheblich, ob dieses Land, für das der Störungsfall festgestellt wird, Mitglied der EUROGENDFOR ist. So ist die Truppe bereits in Bosnien und der Herzegowina sowie in Afghanistan und Haiti aktiv geworden.

Tritt der Missionsfall ein, so gelten in dem betreffenden Land zwar nominell weiter alle Gesetze – doch nicht für die EUROGENDFOR! Denn alle Gebiete und Liegenschaften, die von EUROGENDFOR in Beschlag genommen werden, sind dem Zugriff der Behörden, der Polizei und des Militärs des betroffenen Landes entzogen. Es herrscht ein Besatzungsrecht und die es ausüben, sind dem Zugriff aller Behörden entzogen, auch der Strafverfolgung.

In diesem Zusammenhang spielt die Europäische Menschenrechts-Konvention von 1950 eine zentrale und brandgefährliche Rolle. Deren Artikel 2 lautet:

Recht auf Leben

Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich geschützt. Niemand darf absichtlich getötet werden, außer durch Vollstreckung eines Todesurteils, das ein Gericht wegen eines Verbrechens verhängt hat, für das die Todesstrafe gesetzlich vorgesehen ist.

Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um

  1. jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;
  2. jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig
  3. entzogen ist, an der Flucht zu hindern;
  4. einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen.“

 

Die Europäische Menschenrechts-Konvention lässt also Gewalt gegen Menschenleben unter gewissen Voraussetzungen zu, und die EUROGENDFOR ist das Instrument, das auszuführen. Danach ist das Recht auf Leben im Falle eines Aufruhrs nicht geschützt und seine Missachtung gerechtfertigt: „Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um … einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen.“

Die europäischen Behörden haben sich also durch die „rechtliche“ Schaffung der EUROGENFOR das Recht gesichert, Demonstrationen, die aus dem Ruder laufen, zusammenzuschießen – Kartätschen im Namen des Rechts auf Leben. Nach genau  demselben System lief in Südafrika das Massaker von Marikana ab: Streikende Bergarbeiter wurden  wahllos zusammengeschossen, die Untat dann mit der Erklärung gerechtfertigt, man habe den Aufstand niederschlagen müssen. Wann Unruhen, wie man sie im Zusammenhang mit der Euro-Krise vor allem in südeuropäischen Ländern immer häufiger beobachten muss, zum ersten Mal dazu führen, dass eine Regierung die Truppe mit dem Recht zu töten anfordert, um nicht selbst einschreiten zu müssen, steht dahin – entscheidend sind die Möglichkeit überhaupt und die Tatsache, dass die Mitglieder der Truppe außerhalb des Gesetzes stehen; sie sind nicht zu belangen, gleichgültig, was sie tun.

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So stehen also die Mitglieder zweier europäischer Gremien über dem Gesetz: die des ESM und die der EUROGENDFOR. Ein kleiner Schritt nur noch trennt die EU davon,  sich vom autoritären Funktionärs-Staat zu einem totalitären Moloch zu wandeln. Der Augsburger Rechts-Professor Reiner Schmidt nennt den Kern des Problems beim Namen, wenn er sagt: „Die derzeitigen Sorgen betreffen …die Art und Weise des europäischen Einigungsprozesses, die Entfesselung der Politik von allgemeinen Vertrauensgrundsätzen und von elementaren Rechtsregeln. Die intergouvernementale Dynamik eines Integrationsprozesses wider jede volkswirtschaftliche Vernunft, wider vereinbarte Gründungsvoraussetzungen, ohne ausreichende Einbeziehung der Parlamente und vor allem in weitgehender Volks- und Zukunftsvergessenheit ist es, die Angst macht. Der Ordnungsrahmen der Europäischen Union wurde durch Vertragsrecht geschaffen. Für einen ihrer bedeutendsten Gründungsväter, Walter Hallstein, war sie eine Schöpfung und eine Quelle des Rechts.  Dies scheint inzwischen in Vergessenheit geraten zu sein.“ Und mit Blick auf Berlin setzt er außerdem hinzu: „Die deutsche Europa-Politik hat den Raum des Rechts weitgehend verlassen.“(FAZ. 5.4.2012)

Zu bedenken ist obendrein, wie es sich mit dem verhält, was allgemein und leichtfertig als das Abtreten von Souveränitätsrechten an die EU bezeichnet und als die Höchstform staatspolitischer Klugheit empfohlen wird. Denn: Die Rechte, um die es geht, werden in den Staaten zwar hauptsächlich den Parlamenten entzogen, aber keineswegs dem Europäischen Parlament zugeschlagen, sondern ergänzen die ohnehin schon allzu großen Zuständigkeiten anderer europäischer Gremien, hauptsächlich der Kommission. Das EU-Parlament selbst führt bei alledem weiterhin ein Dasein am Rande der Lächerlichkeit, ohne Initiativrecht und ohne Haushaltsrecht, die zwei entscheidenden Zuständigkeiten eines jeden Parlaments, das diesen Namen verdient. Seit 1979 ist es dem Europäischen Parlament nicht gelungen, nennenswerte Zuständigkeiten dazuzugewinnen, während sich die „Regierung der europäischen Länder“, die Europäische Kommission, zum europäischen Direktorium aufgeschwungen hat –Direktorium fast im Sinne der Französischen Revolution.

Was aber die Kommission angeht, so hat sie durch die Konstruktion von ESM und EUROGENDFOR ihre Zuständigkeiten noch in Richtung der absoluten Macht erweitert. Denn beide Institutionen stehen ihr zur Verfügung, ohne Kontrolle, Regulativ oder gesetzlichen Vorbehalt.

Die Immunität der Mitglieder eines der beiden übergesetzlichen Gremien schützt auch die Befehlshaber im Hintergrund, wer immer diese sein mögen. Denn ist einer der Ausführenden von ESM oder EUROGENDFOR wegen einer beliebigen Tat nicht zu belangen, so kann auch der Auftraggeber nicht zur Verantwortung gezogen werden. Nulla poena sine lege.

Hier ist es Zeit auf den Zusammenhang zwischen Recht und Freiheit hinzuweisen. Denn da innerhalb der Europäischen Gemeinschaft die beiden konstitutiven staatlichen Zuständigkeiten, Haushaltsrecht und Gewaltmonopol, letztlich der Bindung an das Gesetz entzogen sind, herrscht hier nun das Recht des Stärkeren. Dieses aber geschieht zu Lasten der Schwächeren, der Bürger  und ihrer Freiheit.

Was die Entwicklung der Staatsordnungen und gleichzeitig die Geschichte der Freiheit angeht, hat Europa eine stolze Tradition und zeichnet sich vor anderen Weltkulturen aus.  Für den Vater der Geschichtsschreibung, Herodot, war die Gleichheit aller vor dem Gesetz, „der schönste aller Namen für eine politische Ordnung“ und dies war für ihn ein Synonym für die politische Freiheit. Aristoteles sagte: „Das politisch Gute ist das Gerechte.“ Und dem Recht maß er den absoluten Primat bei. Augustinus nannte Staaten, die kein  Recht kennen, „Räuberbanden“, die „Magna Charta“ des Königs Johann Ohneland wurde schon zitiert, Thomas von Aquin forderte, die Freiheit durch das Regelwerk eines „politischen Rahmenbaus“ zu sichern. Der bedeutendste der politischen Philosophen der Aufklärung, John Locke, sagt: „Es ist nicht das Ziel des Gesetzes, die Freiheit abzuschaffen oder einzuschränken, sondern sie zu erhalten und zu erweitern.“ Das erinnert unabweislich an Goethes Sonett „Natur und Kunst“, das mit der Zeile abschließt: „Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.“